Ich mach mir mein Politikerinnen-Interview selber

In der taz vom 24. August 2009 gab es ein langes Interview mit Manuela Schwesig. Die 35 Jahre alte Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern ist Frank-Walter Steinmeiers Wunschkandidatin für den Posten der Familienministerin einer SPD-Regierung. Ich war von dem Interview, gelinde gesagt, ziemlich enttäuscht. Und deshalb habe ich mir jetzt mein Politikerinnen-Wunschinterview selbst geschrieben.

taz: Frau Schwesig, Sie sind die „optische Aufhellung von Steinmeiers Schattenkabinett“, so nannte es neulich ein Journalist. Fühlen Sie sich eigentlich ernst genommen?

Diese Bewertung zeigt doch sehr anschaulich, dass Männer und Frauen in unserem Land immer noch unterschiedlich behandelt werden. Frauen werden immer noch zu oft auf ihr Äußeres reduziert. Ich bin nicht wegen meines Aussehens, sondern wegen meiner Kompetenz ins Team Steinmeier berufen worden. Als Sozial- und Gesundheitsministerin in einem strukturell schwierigen Land trage ich bereits Verantwortung und bringe dort gute Dinge nach vorne. Ich weiß, was ich kann und was ich will.
Aber klar! Ich glaube nicht, dass dieser Journalist meine Kompetenz anzweifeln wollte, die steht ja außer Frage. Wenn man bedenkt, dass es eine gewisse Dominanz älterer Männer in der SPD gibt, vermute ich sogar selber, dass die Überlegung „Wir brauchen dringend eine junge Frau“ in eine Rolle gespielt hat. Aber keine Sorge: Wenn ich erst mal Kanzlerkandidatin bin, wird es solche Fragen nicht mehr geben.

Aber es ärgert einen doch irgendwie, oder?

Sich darüber zu ärgern ist Energieverschwendung. Wichtig ist für mich, dass Frauen, wenn sie in Führungspositionen sind, nicht vergessen, wie schwer es war, gegen die noch vorhandenen Vorurteile dorthin zu kommen. Ich vermisse manchmal, dass Frauen in Führungspositionen auch ihrerseits Frauen fördern.
Wieso „einen“? Ich bin doch kein Mann?

In Steinmeiers Team könnte es Ihnen genauso gehen wie der SPD-Frauenministerin Christine Bergmann mit Kanzler Schröder: Im Koalitionsvertrag stand „Aufbruch in der Frauenpolitik“, mit Quoten für die Wirtschaft. Am Ende war nur „Gedöns“ übrig.

Frank-Walter Steinmeier nimmt die Frauenfrage ernst. Im Deutschlandplan steht nicht umsonst Gleichberechtigung gleichrangig neben Themen wie Arbeit oder Bildung. Das ist für mich glaubwürdig.
Ja, das stimmt. Ich kann auch nicht garantieren, dass es diesmal besser wird. Sagen wir mal so: Ich habe genug Hoffnung, dass Steinmeier es ernst meint und werde mich für meinen Teil anstrengen. Falls es nicht klappt – ich muss ja nicht immer und ewig Parteipolitikerin bleiben.

CDU-Familienministerin von der Leyen punktet weiterhin mit SPD-Familienpolitik. Jetzt will sie sogar 28 Monate Teilelterngeld, die SPD bietet nur 16 Monate.

28 Monate Teilelterngeld sind keine SPD-Politik. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deswegen verdoppeln wir die Partnermonate. Das macht die Union nicht. Sie will mit ihrer Wahlfreiheit nur ein Entweder-Oder. Ziel der Union ist es doch, dass Frauen zu Hause bleiben und höchstens Teilzeit arbeiten. Deswegen diese 28 Monate. Wir wollen, dass beide Eltern gleichzeitig ihre Arbeitszeit reduzieren und Elterngeld bekommen können.
Das sind doch Detailfragen. Ich sehe eine große Chance darin, dass es inzwischen in allen Parteien Frauen gibt, die sich vom alten Familienbild der klaren Rollenverteilung zwischen Frau und Mann lösen wollen. Ebenso wie es leider in allen Parteien noch Männer gibt, die dem Alten nachhängen oder (und das finde ich fast noch schlimmer) denen das Thema vollkommen egal ist. Wenn ich Familienministerin bin, werde ich zu dem Thema vor allem parteiübergreifende Initiativen starten. Wir werden dann darüber diskutieren, welches der beste Weg ist und wo wir gut an einem Strang ziehen können. Ich bin überzeugt, dann können wir so einiges verbessern.

Die Union hat kaum Frauenpolitik gemacht. Die SPD kommt nun mit einer 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte. Ist das für jemanden mit Ihrer Sozialisation – ohne Frauenbewegung und Quotendebatten – nicht etwas fremd?

Überhaupt nicht. Man sieht auch im Osten, dass Frauen trotz Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht automatisch in hohe Positionen kommen. Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen. Dafür brauchen wir verbindliche Regelungen und Zielvorgaben, zum Beispiel einen Frauenförderplan.
Fremd ist mir vor allem, dass die SPD jetzt mit so einer Forderung kommt, obwohl sie selbst, als sie an der Regierung war, nichts dergleichen umgesetzt hat. Umso besser, dass wir jetzt offenbar soweit sind. Wie kommen Sie im Übrigen darauf, dass es im Osten keine Frauenbewegung gegeben hätte?

Frau von der Leyen hat sich mal als konservative Feministin bezeichnet. Wie würden Sie sich denn nennen? Alphamädchen?

Ich habe Schwierigkeiten mit diesen Labels. Frau von der Leyen nutzt eins – aber de facto hat sie für die Gleichstellung nichts getan. Konservativ und Feministin, das passt nicht zusammen. Die Union denkt, wenn wir eine Kanzlerin haben und noch ein paar Ministerinnen, dann ist das Gleichberechtigung. Das ist es aber nicht. Das muss ich als junge Frau in einer Führungsposition ganz deutlich sagen: Es gibt diese Gleichberechtigung in der Arbeitswelt nicht. Die Union betreibt reine Schaufensterpolitik.
Aber es gefällt mir, dass heute auch konservative Frauen sich für den Feminismus öffnen. Das ist doch ein guter Ausgangspunkt, oder? Dass Feministinnen inhaltlich nicht immer einer Meinung sind, ist ja bekannt. Und es ist im übrigen auch ganz gut so.

Sind Sie Feministin?

Ich habe längst verinnerlicht, dass Männer und Frauen gleichberechtigt zusammen leben können. Deswegen muss ich das nicht betonen, aber mit dem Begriff kann ich schon gut leben. Ich bin in einer Position, in der ich über Diskriminierungen hinwegsehen könnte, wenn ich wollte. Ich will das aber nicht. Das unterscheidet mich vielleicht von manch anderen Frauen in Führungsjobs.
Ja. Solange sich niemand einbildet, er könne mich damit auf irgendwas festnageln oder gar für Parteipropaganda vereinnahmen.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

3 Gedanken zu “Ich mach mir mein Politikerinnen-Interview selber

  1. Klasse, Frau Schrupp. Sie dürfen meine Politikerinnen-Interviews auch gern machen, vor allem in die in den Sonntagszeitungen 🙂
    Und wenn Sie demnächst eine Möglichkeit herausfinden, zusätzlich zu den Reden noch direkt die *Politik* zu ändern: Das wäre super.

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