Kleiner Nachtrag zur Frage, wen oder was Feministinnen wählen können…

Da meine letzten Posts teilweise Missverständnisse ausgelöst haben, möchte ich hier noch einmal klarstellen, dass ich nicht der Meinung bin, Feministinnen könnten Piraten oder Grüne nicht wählen. Natürlich können sie, so wie Feministinnen ja ohnehin immer alles tun können, was sie wollen, bzw. ist das ja das eigentliche Programm des Feminismus: Dass Frauen das tun sollen, was sie selbst wollen und nicht das, was andere wollen, dass sie tun. Und Feministinnen sind ja letztendlich auch Frauen.

Sicherlich habt Ihr euch auch schon gedacht, dass ich mich nur deshalb ausgerechnet mit den Grünen und mit den Piraten kritisch auseinander gesetzt habe, weil ich von diesen beiden noch am ehesten erwarte, sie wählen zu können. Falls nicht, sag ich’s an dieser Stelle nochmal ausdrücklich: Wenn überhaupt …

… es sei denn …

mlpd

… okay, das war jetzt nur ein Witz. Ehrlich.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

8 Gedanken zu “Kleiner Nachtrag zur Frage, wen oder was Feministinnen wählen können…

  1. Auch wenn das Thema durchgekaut wurde, die Hilflosigkeit der Piratenmänner bleibt.

    Wir hatten einen Piraten-Infostand. Acht Männer. Unsere Freundinnen und Frauen meldeten sich via Telefon oder kamen kurz vorbei und entfernten sich wieder, um Schuhe zu kaufen (ja , es war so – sorry) oder Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Was können die Männer unserer Frauen tun, damit unsere Frauen Lust auf politische Aktivitäten bekommen? Was können wir „anbieten“? Sie finden gut, was wir machen – mögen auch die Themen, aber sie haben keine Lust auf Infostand etc. – Sie tun, was sie wollen und kümmern sich eigentlich lieber um andere Dinge als Politik. Wo ist der Fehler?

    Im Mai 2010 sind Landtagswahlen in NRW. Es gibt 40 Bewerberinnen und Bewerber für Listenplätze. Siehe https://wiki.piratenpartei.de/NRW:Landesparteitag2009.4/Listenbewerber
    Leider hat sich nur eine Frau beworben. Mal abgesehen von ihrer persönlichen Vorstellung dazu: Würdet Ihr empfehlen, sie auf Listenplatz 1 zu setzen. Ich würde sagen: Ja. (und um ehrlich zu sein: aus Marketinggründen, um auf Frauen attraktiver zu wirken)
    Oder wäre das eher demütigend, weil es „inszeniert“ wirken würde? Viele Piraten haben die Angst, eine offensichtliche „Quote“ wirke – auf Frauen wie Männer – unehrlich, undemokratisch und intransparent.
    Was sagen Frauen dazu?

    Wie kommen wir aus der Männer-ziehen-Männer-an-Spirale raus?

    Wie lösen wir das Problem, dass Frauen in der Partei zwar das Wählerspektrum abbilden sollten (also 50%), aber das Engagement der Männer so viel Höher ist, dass wir im Grunde jede Frau, die bei einem Stammtisch auftaucht, sofort zur Direktkandidatin machen müssten (nur ganz leicht übertrieben). Ich sage hier ganz bewusst „Engagement“ und nicht „Leistung“.
    Außerdem ist die Kandidaten-Sache noch das geringere Übel, denn Ämter (ausschließlich arbeitsintensive Ehrenämter) und Mandate zählen bei den Piraten ja derzeit recht wenig.

    Schwieriger wird es durch die gelebte Basisdemokratie innerhalb der Partei, in der die Themen und die Entscheidungen demokratisch durchgeführt werden. Jeder darf sich einbringen. Das führt bei einem so verdammt niedrigen Frauenanteil natürlich automatisch zu einer männerdominierten Themenwelt. Denn die Meinungen der Frauen können nicht gleichberechtigt einfließen, wenn jeder Mitmachende gleiches Recht auf Einbringung hat. Aber wie führt man in einer Arbeitsumgebung wie einem Wiki eine Frauenquote ein?

    Da es erst einmal bei Arbeitskreisen, Gruppen und Themenfindung keine Abstimmung und auch keine Machtstrukturen gibt, ist es hier sehr schwer, das durch unterschiedliches Gesamt- Engagement der Geschlechter entstandene Ungleichgewicht zu beseitigen. Ich vermute hier das größte Problem der Piraten hinsichtlich ihrer Frauenpolitik. Die Wiki-Arbeit ist auch ein Organisationselement, was sich stark von denen der anderen Parteien unterscheidet.
    Ist es möglich hier Lösungen zu finden?

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  2. Hallo Patrick
    vielleicht muss man ja nicht für alles sofort eine „Lösung“ haben oder nach „Fehlern“ suchen. Ich finde, es ist schon ein ganz ausreichender Anfang, wenn man sich die Situation einfach so nüchtern vor Augen führen, wie du es machst: Dass die Piraten eine Partei sind, für die sich momentan mehr Männer als Frauen interessieren, ohne dass das gleich irgendjemandes Schuld sein muss. Dass es da eben ein paar offene Fragen und Probleme gibt, die noch zu diskutieren sind, unter anderem die, dass man dann ein bisschen im eigenen Saft schmort.
    Wichtig finde ich eben, dass man nicht sagt: Die Frauen sind uns egal oder gar (wie ich auch schon gehört hab): Endlich mal eine Partei, wo man nicht dauernd dieses Frauenzeugs diskutieren muss.
    Diese Quotenfrage ist echt ein Dilemma für euch. Ich würde das von Fall zu Fall entscheiden. Es kann ja für Frauen auch abschreckend sein, wenn sie befürchten müssen, jedes Mal gleich zur Vorsitzenden gemacht zu werden, wenn sie bei euch vorbeischauen  – eine definitiv „gute“ Lösung gibt es wohl nicht, weil es natürlich inszeniert wirkt, Frauen überproportional „nach vorne“ zu schieben. Wenn überhaupt, dann sollte man es transparent machen: Wir bitten dich, auch deshalb zu kandidieren, weil wir für Frauen attraktiver werden möchten. Wobei natürlich außerdem klar sein muss, dass man die Frau auch so für geeignet hält. Dann kann die betreffende Frau selbst entscheiden, ob sie es unter diesen Umständen machen will.
    Vielleicht ist ein Hinweis auf die Ursachen auch das Wiki-Arbeitsprinzip. Ich glaube, dass für viele Frauen die persönliche Beziehung und das Diskutieren nicht nur im Netz, sondern auch bei Treffen sehr wichtig ist, und vielleicht kommt das bei den Piraten etwas zu kurz (das ist aber nur eine Vermutung, weil ich nicht genau weiß, wie ihr arbeitet). Ich habe dazu kürzlich einen kleinen Text von Chiara Zamboni gepostet, wo sie dieses „Denken in Anwesenheit“, also in konkreten, persönlichen Beziehungen als zentral für die „Politik der Frauen“ beschreibt, und darin einen Grund sieht, warum viele Frauen generell der Institutionen- und Parteienpolitik skeptischer gegenüber stehen als Männer. https://antjeschrupp.com/2009/08/11/die-politik-der-frauen/
    Wenn das so wäre, dann käme es vielleicht tatsächlich darauf an, mehr direkte, persönliche Beziehungen zu Frauen zu knüpfen, die man kennt und interessant findet, als nur im Netz zu werben oder im Netz die eigenen Ziele zu kommunizieren. Es wäre ja auch interessant, wenn ihr euch einfach mal austauscht über eure Erfahrungen, die ihr macht, wenn es euch nicht gelingt, Frauen zu motivieren. Was sagen die, so hakt es, was würden sie denn gerne machen? Ich glaube nicht, dass es darauf schon Antworten geben kann, dazu ist das Feld ja noch zu neu. Wie gesagt, das wichtigste ist aus meiner Sicht, dass man sich die Frage überhaupt stellt…

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  3. Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
    Der Hinweis auf das „Denken in Anwesenheit“ ist ein weiterer Baustein.
    Als Fazit nehme ich mit, dass sich die Fragen eben wirklich nicht ad-hoc lösen lassen (hatte ich auch nicht erwartet) und es andererseits auch keinen Grund gibt, sich – als Pirat, Mann oder beides – angegriffen fühlen zu müssen.
    Da ein Großteil der Piraten (inkl. der Piratinnen) einer Generation angehört, die mit dem Grundsatz erzogen wurde „alle sind 100% gleich“, ist es vielen vielleicht unverständlich, dass es überhaupt ein Problem geben könnte. Wie bei anderen Themen auch, hoffe ich, dass sich die Piraten treu bleiben: also auch hierzu Expertenwissen sammeln und – nicht nur für sich selbst – Lösungen entwickeln.

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  4. Hallo, dies hier ist auch als eine Art offener Brief gedacht, da das Originalthema ja geschlossen ist:

    http://www.heise.de/tp/foren/S-Wo-bitte-liebe-Feministinnen-und-liebe-Frau-Schrupp-sind-denn-die-Vorwuerfe/forum-165695/msg-17361249/read/

    Meines Erachtens sind nicht die am Piratenstand stehenden Männer schuld oder gar frauenfeindlich, wenn ihre sie ansonsten unterstützenden Freundinnen lieber Schuhe kaufen gehen. Es sind eher die gesellschaftlichen Strukturen, die dafür sorgen, dass Frauen so etwas oft halt lieber tun, als sich an Ständen zu engagieren!

    Ich fand es in der Art übrigens verdammt unfair, dies schreibe ich aber auch unter der genannten URL. Bloß weil ich Sachen mache, die viele Frauen nicht machen (Computer, Open Source, Netzaktivismus), bin ich noch lange kein Frauenfeind!

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  5. Ich verstehe auch nicht, warum sich Feministinnen immernoch an einem Unterschied zwischen Frauen und Männern festhalten. Ich gehöre ebenfalls zu jenen, denen das Geschlecht vollkommen egal ist, in Freundschaften wie im Berufsleben. Dass in meinem Studiengang nur eine Frauenquote von 10% anzutreffen war, war für uns alle (sprich, Kommilitonen beiderlei Geschlechts) kein Zeichen für Ungleichbehandlung, sondern einfach für unterschiedliche Interessen. Im Job sieht es genauso aus. Wir bewerten nach Können, nach Wesen, nach Auftreten und NICHT nach dem Geschlecht. Insofern wirken feministische Hinweise auf Frauenquoten und dergleichen irgendwie antiquiert, nicht mehr zeitgemäß, wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten.

    Sie schreiben „Dass Frauen das tun sollen, was sie selbst wollen und nicht das, was andere wollen, dass sie tun.“, dabei werden viele gerade von feministischen Ströhmungen in ein bestimmtes Bild gezwungen, dass sich von früheren Zwängen eigentlich nur durch die Richtung unterscheidet. Wenn es Themen gibt, die Frauen im allgemeinen recht wenig interessieren, dann _müssen_ sie sich _nicht_ damit beschäftigen. Soll man Frauen zwingen Informatik zu studieren, nur damit die Quote stimmt? Umgekehrt gibt es ja wohl auch keine Männerquote in feministischen Vereinigungen.

    Alles in allem wünsche ich mir bei solchen Themen keine erzwungene Übergleichberechtigung, sondern einfach einen lockeren Umgang. Freunde sind Freunde, Kollegen sind Kollegen und das auch ohne …Innen. Eine geschlechterspezifische Einordnung gibt es für viele meiner Generation überhaupt nicht mehr und das ist sehr viel angenehmer als eine verbissene Einordnung in Menschinnen und Menschen.

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  6. Hallo Patrick, du schriebst:
    „Wir hatten einen Piraten-Infostand. Acht Männer. Unsere Freundinnen und Frauen meldeten sich via Telefon oder kamen kurz vorbei und entfernten sich wieder, um Schuhe zu kaufen (ja , es war so – sorry) oder Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. “

    Schuhe kaufen, statt Politik?
    Politisch desinteressierte (inaktive) Frauen finde ich furchtbar uninteressant oder einfach nur ungewohnt. Aber ganz ehrlich sage ich, ihr mögt eure Partnerinnen doch so wie sie sind. Ein Fehler ihrerseits ist das nicht.
    Kann auch sein, dass euer Stand einfach ziemlich unattrraktiv war?

    Na, wenn Schuhe gekauft und sich unterhalten werden kann, kommt wenigstens was dabei raus, da haben sie Recht, eure Freundinnen. Während stundenlang am Stand stehen, Interessierte informieren, Wähler mobilisieren einfach anöden kann.
    Kann auch sein, dass junge Frauen einfach keine Lust mehr haben, sich kostenlos aufzuopfern für irgendeine Sache.

    Ihr müsstet sie schon fragen, warum sie keine Lust auf euren Infostand hatten. Wenn sie ehrlich sind, ohne Angst euch in eurem politischen Engagement zu kränken, werden sie das auch tun.

    Aber ich muss schon lachen ob diese skurrilen Situation: Männer retten als Polit-Piraten die Freiheit der Bürger und ihre Frauen kaufen dafür Schuhe.

    Wenn wir auf Kaperfahrt fahren, müssen es nicht nur Piraten sein, sondern auch Kauffahrer mit Schuhen an Bord gekapert werden oder wenigstens iPhones.

    Nix für ungut. 😉

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  7. Ich werde diese Woche noch meinen Antrag für die Mitgliedschaft in der Piratenpartei stellen. Ich finde es gut dass es eine Partei gibt die von Männern dominiert wird und werde meinen Teil dazu tun dass es bleibt. Das heißt nicht dass ich gegen Gleichberechtigung bin, ganz im Gegenteil, aber ich finde die Gleichberechtigung in Deutschland ist mehr als übererfüllt, es gibt himmelschreiende Ungerechtigkeiten gegenüber Männern gerade im Familienrecht.
    Es gibt doch wirklich genügend Parteien mit feministischen Inhalten (z.B. sämtliche Linksparteien Grüne,Linke, MLPD etc.
    Bezogen auf Patrick’s Post nein nehmt nicht die Frau auf den ersten Listenplatz, nehmt die Person auf den ersten Listenplatz die Eurer Meinung die beste Person ist.
    Genau dieser inszenierte Quotenmist ist das was mich an den etablierten Parteien am meisten nervt – also fangt nicht auch noch damit an.
    Schöne Grüße

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  8. @Patrick: Ich würde einfach denjenigen auf den ersten Listenplatz setzen, der am besten geeignet ist. Alles andere halte ich für ungerecht.

    Ich studiere als Frau einen sehr „männlichen“ Beruf und finde es extrem diskriminierend, wenn in Stellenausschreibungen „Frauen bevorzugt“ steht. Ich habe viel Zeit, Leidenschaft und Arbeit in mein Studium gesteckt und bin von Herzen gerne Maschinenbau-Ingenieur. Das mindeste, was ich mir von einem Arbeitgeber wünsche, ist, dass er mich aufgrund meiner fachlichen Qualifikation einstellt und nicht weil ich statt einem Penis eine Vagina habe. Das hat ja schließlich nichts mit meinem Traumberuf zu tun.

    Ich kann da aber natürlich nur für mich sprechen, ich stelle oft genug entsetzt fest, dass viele Menschen ganz anders denken 😉 Fragt doch eure Kandidatin mal, was sie davon hält.

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