Antje (24), verkündet Entscheidungen. Aufnahme von 1988.

Warum ich nicht queer bin. Eine autobiografische Annäherung.

Antje (24), verkündet Entscheidungen. Aufnahme von 1988.
Antje (24) verkündet Entscheidungen. Aufnahme von 1988.

Ich bin eine Prä-Butlersche Feministin. Das heißt, ich habe meine Vorstellungen davon, was es bedeutet, Frau und frei zu sein, im Wesentlichen ausgebildet, bevor 1990 Judith Butlers Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ erschien und die feministische Theoriearbeit in Deutschland in eine Richtung wendete, die ich nicht mitvollzogen habe.

Bis vor kurzem war das für mich kein Problem, weil die Frauen, mit denen ich politisch-feministisch zusammenarbeite, ebenfalls keine „Butlerianerinnen“ sind. Seit ich aber ein Blog schreibe und andere feministische Blogs lese und dort kommentiere, begegne ich dem auf Butlers Denken zurückgehenden Queer-Feminismus häufig, und in Kommentardiskussionen ergeben sich daraus immer wieder ähnliche Missverständnisse und Differenzen.

Deshalb möchte ich hier einmal aufschreiben, warum ich nicht queer bin. Und zwar ausgehend von meiner persönlichen Geschichte, denn vermutlich sind biografische Gründe ziemlich bedeutsam für die theoretischen Wege, die jemand geht.

Als ich 19 war, zog ich vom Dorf in die Großstadt, nach Frankfurt, um zu studieren. Das war 1983. Vom Feminismus als politischer Bewegung hatte ich noch nichts gehört, sehr wohl aber war mir bewusst, dass sich Frauenrollen ganz heftig am Ändern waren. Zumindest war ich fest entschlossen, dass alles, was man bisher über Frauen gesagt hatte (und auch zu mir) für mich absolut keine Gültigkeit haben würde. Ich fühlte mich frei, unabhängig und emanzipiert – ob es dafür nun einen Namen gab oder nicht.

Konkret bedeutete das, dass ich mir von niemandem Vorschriften machen ließ, weder von den „Erwachsenen“, noch von den Männern, mit denen ich Beziehungen hatte. Ich diskutierte nicht, ich verkündete meine Entscheidungen: Meiner Mutter, dass ich nicht beabsichtigte, jemals Unterhemden zu bügeln, meinem damaligen Freund, dass Penetrationssex für mich nicht in Frage kommt, weil er mir keinen Spaß macht. Solche Dinge. Auf die Idee, ich könnte in unserer WG irgendwie mehr für Putzen und Kochen zuständig sein als die Männer, die dort wohnten, wäre ich ohnehin nicht gekommen (die Männer übrigens auch nicht).

Die Frauenbewegung, die ich dann an der Uni vorfand, bot mir also lediglich eine Theorie für das, was ich ohnehin selbstverständlich fand: Dass ich, eine Frau, tun und lassen kann, was ich will, und dass der Wunsch danach (und die kompromisslose Entschlossenheit dazu) nicht eine individuelle Macke von mir ist, sondern Teil eines umfassenden politischen Projektes zur Befreiung aus altmodischen Rollenklischees.

Diese selbe Frauenbewegung langweilte mich aber auch, weil sie mir persönlich nicht weiterhelfen konnte. Wie gesagt, sie konstatierte ja aus meiner Sicht nur das ohnehin Selbstverständliche. Interessant fand ich lediglich das eine oder andere konkrete Thema: das Experimentieren mit geschlechterbewusster Sprache zum Beispiel oder die Erforschung von Frauengeschichte. Was das Thema persönliche Befreiung betraf, so sah ich natürlich ein, dass nicht alle Frauen so selbstbewusst waren wie ich, dass ich als Kind der Mittelschicht bessere Startchancen hatte als andere und so fort. Deshalb, so dachte ich, brauchte es natürlich den Feminismus, brauchte es Solidarität etcetera. Aber ich, persönlich, brauchte die Frauenbewegung nicht.

Bei all dem wäre ich aber niemals auf die Idee gekommen, die Tatsache meines Frauseins in Frage zu stellen. Wenn ich Motorrad fuhr, wenn ich Sex mit Frauen hatte, wenn ich andere in Grund und Boden diskutierte, wenn ich ungerührt zusah, wie sich der Abwasch in der Spüle stapelte – dann wäre ich nicht für eine Sekunde auf den Gedanken gekommen, dass ich damit die Grenzen meiner Geschlechtszugehörigkeit überschreiten würde. Ganz im Gegenteil: Ich war dadurch erst recht eine Frau, so „unbeschreiblich weiblich“ wie Nina Hagen, wenn sie sich keine kleinen Kinder anschaffen wollte.

Und auch die Männer waren ja längst nicht mehr so, wie das Klischee. Sie hatten lange Haare, trugen Blümchenblusen und übten gewaltfreie Kommunikation. Sie gingen einkaufen und putzten das Bad, sie diskutierten über ihre Gefühle, manche wurden schwul. Und niemals wären wir auf die Idee gekommen, sie würden dabei irgendwelche „weiblichen Seiten“ an sich entdecken, ganz im Gegenteil: Es wurden doch „neue Männer“ aus ihnen!

Aber dann kam Judith Butler. Am Anfang fand ich ihren Gedanken, dass nicht nur soziale Geschlechtsrollen konstruiert sind (was damals schon ein alter Hut war), sondern auch der biologische Körper, durchaus spannend. Und es leuchtete mir auch absolut ein, jedenfalls auf einer theoretischen Ebene. Allerdings fand ich es nicht wirklich alltagsrelevant. Zum Beispiel änderte diese theoretische Erkenntnis ja nichts an der Tatsache, dass ich schwanger werden konnte, die Männer, mit denen ich Sex hatte, aber nicht. So what.

Eines Abends sah ich dann im Fernsehen ein Interview mit Judith Butler, in dem sie auf mich doch sehr altbacken wirkte. Sie erzählte, wie sie auf die Idee für ihr Buch gekommen war: Eines Abends habe sie in einer Schwulendisko Männern beim Tanzen zugeschaut und ihr sei aufgefallen, dass diese sich vollkommen „weiblich“ bewegen. So ein Schwachsinn, dachte ich, seit wann ist es denn weiblich, wenn Männer mit den Hüften wackeln.

Für mich waren gerade solche Zuschreibungen nicht etwa ein Fortschritt im Bezug auf die Überwindung von Geschlechterklischees, sondern ein Rückschritt. Ein Mann, der mit den Hüften wackelt, bewegt sich nicht „weiblich“, sondern er macht aus dem Hüftenwackeln eine männliche Bewegungsform. So wie Frauen, die Hosen tragen, keine „Männerkleidung“ anziehen, denn Hosen sind längst Frauenkleidung geworden. Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau. Ganz egal, was sie tut. Und ein Mann auch.

Und dieser Meinung bin ich heute noch. Ich kann nicht sehen, warum ein Mann sich „weiblich“ gibt, wenn er sich die Lippen schminkt oder Stöckelschuhe trägt – ich tue weder das eine noch das andere und bin trotzdem ganz unbestreitbar eine Frau. Also wenn, muss es andere Gründe haben.

Die Entwicklung des Feminismus in den 1990er Jahren war für mich im Großen und Ganzen eine Enttäuschung. An den Universitäten wurde mehr oder weniger nur noch über Judith Butler diskutiert (was allerdings, soweit ich es beurteilen kann, ein deutsches Phänomen ist, in den USA blieb die Bewegung auch im Hinblick auf die Theoriearbeit vielfältiger), während in den staatlichen Institutionen die Gleichstellung einzog, die immer weniger revolutionäre Ambitionen hatte.

Über italienische Feministinnen stieß ich dann Anfang der neunziger Jahre auf andere Theorien, die sich für meinen politischen Alltag und das Projekt „Wie kann ich eine freie Frau sein“ als hilfreich erwiesen und die mich letztlich doch noch zur ausgewiesenen Feministin machten – doch das ist eine andere Geschichte, die ich vielleicht an anderer Stelle mal erzähle.

Heute haben wir es jedenfalls in der Alltagskultur wieder mit Geschlechterklischees zu tun, von denen ich mir vor fünfundzwanzig Jahren niemals hätte träumen lassen, dass das möglich wäre. Jungs tragen blau, Mädchen stehen auf rosa – tiefster fünfziger Jahre-Mist. Wenn ich mir anschaue, wie sich Mädchen und Jungen heute schon in Schulen voneinander separieren, dann leben wir im Vergleich zu meiner Kindheit in Zeiten krasser Geschlechterapartheid. Und was die Machismo-Inszenierungen junger Männer oder der nuttige Körperexhibitionismus junger Frauen soll, ist mir schleierhaft. Nicht, dass ich das moralisch verwerflich finde. Mir ist bloß schleierhaft, wie man damit Freiheit verbinden kann.

Ich kann es mir nur so erklären, dass es nach wie vor offenbar eine tiefe Sehnsucht gibt, Frau und Mann zu sein. Dass es aber an Ideen und Beispielen dafür fehlt, wie das in Freiheit möglich wäre. Es gibt keine Vorbilder, nur noch Klischees. In dem Versuch, das Geschlecht abzuschaffen, wurde so viel über die Geschlechterunterschiede diskutiert und geforscht, dass sie sich hinterrücks zu Riesenmonstern ausgewachsen haben.

Was aus meiner Sicht notwendig wäre ist, die Praxis des freien Frauseins und des freien Mannseins weiter zu verfolgen, zu verfeinern, darin zu Meisterinnen und Meistern zu werden.

Und deshalb bin ich nicht queer. Denn wenn Frauen, die „anders“ sind, gar nicht mehr als Frauen wahrgenommen werden, sondern als Queer, dann bleibt für diejenigen, die weiterhin Frauen sind, eben nur das Klischee übrig. Und wenn sich die ganze feministische Energie darauf konzentriert, den Sinn der Existenz von Frauen (und Männern) zu bestreiten, dann wird der Feminismus logischerweise auch nichts zur Freiheit von Frauen und Männern beitragen können.

Dieser Artikel wurde auch abgedruckt in: Graswurzelrevolution April 2010, S. 1



Vielen Dank für die Spende!

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

70 Gedanken zu “Warum ich nicht queer bin. Eine autobiografische Annäherung.

  1. Hallo Antje, bin das erste Mal hier in Deinem Blog … war grad auf Twitter … wenn ich Dich so lese, dann bin ich auch nicht queer. Sicher bin ich mir aber nicht 😉 Herzlicher Gruß aus dem Ostend. Petra

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  2. „Meinetwegen können einzelne Frauen Männer werden und andersherum, oder sie können sich weitere Geschlechter erfinden, dagegen habe ich nichts.“

    Kannst du die Zahl benennen, die hinter „einzeln“ steckt? Wieviele „Frauen [dürfen] Männer werden und andersherum“, damit das allgemeine Frausein bzw. Mannsein Deiner Meinung nach nicht gestört wird? eine, zehn, hundert?

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  3. @Maj – natürlich können es alle werden, die es wollen. Meine Wette wäre aber, dass das nie und nimmer so viele sind, dass es die Rede von Frauen und Männern sinnlos machen würde. Und schon gar nicht, wenn wir es schaffen würden, das Frausein und Mannsein nicht so klischeehaft darzustellen.

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  4. Mich würde interessieren, was für dich Frau-Sein und Mann-Sein bedeutet bzw. wie du diese Begriffe füllst, und wie das mit den Begriffen „weiblich“ und „männlich“ zusammenhängt. Wenn ich dich richtig verstanden habe, sind ja „weiblich“ und „männlich“ erstmal unabhängig von gängigen Rollenbildern zu denken (as in: Hüftschwung ist männlich, wenn es ein Mann macht, und weiblich, wenn es eine Frau macht).

    Die poststrukturalistische Denkweise Butlers basiert ja u.a. auf der Überlegung, dass sich Bedeutungen niemals aus sich ergeben, sondern nur in Abgrenzung zu anderem (sowie in Verknüpfung mit ähnlichem).
    Bei dir habe ich den Eindruck, dass Frau-sein im Sinne des Freiheitsgedankens alles sein kann, und da hakt es bei mir, wenn ich versuche, deinen Feminismus nachzuvollziehen. Geht es darum, den Signifikanten „Frau“ praktisch-politisch-diskursiv mit allem zu füllen, worauf frau Lust hat? Was führt dann dazu, auf Zweigeschlechtlichkeit (für die Mehrheit, Ausnahmen werden zugelassen) zu beharren?

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  5. Butler-Diskussionen haben mich voll im Studium erwischt. Selbst damals wollte ich schon nicht in diese Dekonstruktionsmaßnahmen einsteigen.
    Ich mag „Schubladen“. Das macht es mir übersichtlicher, greifbarer. Auch beim Umsortieren. 😉

    Zeitsprung in die Gegenwart:
    Die Diskussion um die Piratinnen war dann für mich Beweis genug, dass es gut ist, mich nicht als queer zu bezeichnen.
    Einfach zu sagen, alles sei eins, es gäbe keine Unterschiede, verschleiert die Missstände.

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  6. zu behaupten, alles sei eins, ist nicht sonderlich queer 😉

    ich mag auch schubladen. ich mag nur nicht, dass es bei „zwei“ aufhört. und schon gar nicht lass ich mir von machtstrukturen gern erzählen, wie diese anfangen und wo sie aufhören.

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  7. Ich bin auch nicht queer, sondern seit fast dreißig Jahren eine pragmatische Feministin, der es in letzter Zeit immer öfter dämmert – auch durch die Beobachtung meiner Tochter – dass unser Körpererleben, unsere Körpergrenzen die weibliche Welterfahrung mitbestimmen und hier ein wesentliches Unterscheidungsmoment zum Männlichen liegt.

    Übrigens, ein sehr nettes Foto!

    Gruß, Carmen

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  8. Ich glaube, deine Kritik geht etwa in die Richtung, dass mit der Analyse von Verhalten als typisch männlich oder weiblich genau die Rollenbilder fortgeschrieben werden, die eigentlich aufgebrochen werden müssen, richtig? Aber ich weiß gar nicht, ob queer denken wirklich heißt, diese Klischees zu verfestigen.

    Wenn, wie ihdl sagt, dass Bedeutungen nach Butler über Abgrenzungen geschaffen werden, dann kommt mir der Gedanke: bestimmtes Verhalten als typisch weiblich zu bezeichnen, hat die Funktion, Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten, sich (als Mann) quasi von den Frauen abzugrenzen. (z.B. spontanen vereinzelten Protest von Frauen als Gezicke oder Geheule abzukanzeln usw., kennen wir ja. Wie haben die Piraten das eigentlich gemacht? Teilweise auch nicht groß anders, oder?)
    Und die spontane Idee ist ja dann gut: ich pfeife auf Rollenbilder und ihr könnt mich darüber dann auch nicht mehr ausgrenzen.
    Mich erschrecken die Mädchenabteile in Spielzeug- und Kinderklamottenläden auch massiv. Ich fange an, rosa zu verabscheuen, als Manifestation des ganzen Übels dahinter.

    Aber ich denke, das ist nur ein Teil vom Ganzen, weil das weibliche Verhalten eben noch an das biologische Geschlecht gekoppelt wird. Als Frau laufe ich immer wieder Gefahr, auf mein Frau-Sein auch festgelegt und darüber ausgegrenzt zu werden, egal wie sehr ich auf Rollenbilder pfeife.
    Ich finde es immer nützlich zu gucken, wann und wie Weiblichkeit benutzt wird, um etwas oder jemanden klein zu halten, egal ob von Frauen oder Männern und das geht nur, wenn ich die Rollenklischees und deren Funktion kenne.

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  9. @ihdl – Ich sehe nicht, wieso es notwendig sein soll, die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ inhaltlich zu füllen. Dass es Frauen und Männer gibt, ist für mich vorläufig eben eine Tatsache (ich bin eine Frau, und es gibt Männer). Welche Bedeutung diese Tatsache hat, ergibt sich immer erst aus dem jeweiligen Kontext, also je nachdem mit welchen Frauen und Männern man es wo gerade zu tun hat. Die gängigen Rollenbilder spielen da natürlich hinein (und um ihre Wirkungsweise zu verstehen, ist der Dekonstruktivismus ein nützliches Instrument), aber ebenso spielen die subjektiven Entscheidungen der Beteiligten eine Rolle. Und das ist der Punkt, der mich als politischer Mensch mehr interessiert: Wie kann ich in einer gegebenen Situation meine Freiheit und die anderer Frauen vergrößern? Feminismus ist für mich weniger eine Theorie, die auf konkrete Situationen „angewendet“ wird, sondern eine experimentelle Praxis, die keine pauschalen Rezepte sucht, sondern die Fähigkeit trainiert, in der jeweiligen Situation das richtige zu tun (also z.B. nicht bloß zu funktionieren, sondern nach dem eigenen Begehren fragen). Von daher, ja, es geht darum, wie du schreibst, „den Signifikanten “Frau” praktisch-politisch-diskursiv mit allem zu füllen, worauf frau Lust hat“, aber nicht ein für alle Mal, sondern das wird von Situation zu Situation wieder anders sein. Und es hängt auch nicht von mir allein ab, sondern von den jeweiligen Beziehungen. Ein wichtiger Punkt dabei ist, worauf der Fokus liegt – zum Beispiel liegt er bei mir eher in der Differenz zu anderen Frauen als in der Abgrenzung (oder Angleichung) an Männer. Der Hauptgrund dafür, dass „Frau“ niemals etwas Definitives bedeuten kann, liegt ja darin, dass verschiedene Frauen Unterschiedliches wollen und tun. An der Zweigeschlechtlichkeit als solcher liegt mir überhaupt nichts, ich erwarte mir bloß nicht mehr weibliche Freiheit dadurch, dass die Zweigeschlechtlichkeit abgeschafft wird. Denn es gibt ja inzwischen mehr als genug Beispiele dafür, wie unter dem Deckmantel von „Post-Gender“ oder „Neutralität“ doch wieder das Männliche konkreten Frauen gegenüber beansprucht, der allgemeine Maßstab zu sein, an dem sie sich zu orientieren hätten.

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  10. @jess – was du schreibst, stimmt, die Verwendung von Wörtern wie „Frau“ oder „weiblich“ KANN bedeuten, Frauen auf bestimmte Rollen festzulegen. Es kann aber auch bedeuten, eine Differenz zum männlichen „Normalen“ zu markieren. Wenn zum Beispiel es in einer Gruppe als „normal“ gilt, dass xy getan wird, ich aber darauf hinweise, dass es hauptsächlich Männer sind, die xy normal finden, während viele Frauen yz normal finden. Dann habe ich eine Differenz markiert, die Diskussionbedarf nach sich zieht. Das Problem dabei ist, dass sowas heutzutage sofort das Missveständnis nach sich zieht, man würde Frauen auf irgendwelche Rollen festlegen wollen. Damit ist die Diskussion dann abgewürgt. Irgendwie müsste es uns gelingen, dahin zu kommen, dass der Begriff „Frauen“ nicht „alle Frauen immer und überall“ bedeutet, sondern „eine relevante Anzahl von Frauen hier und jetzt“.

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  11. Naja naja, das klingt mir jetzt sehr nach einer Gegenüberstellung der abgefahrenen, lebensfremden Theorie auf der einen Seite und der pragmatischen, politischen Praxis auf der anderen. Ich denke, es gibt unterschiedliche Praxen, die alle manchmal pragmatisch, manchmal aber auch utopisch und meistens irgendwas dazwischen sind. Und es gibt eben unterschiedliche Erkenntnisgrundlagen, die sich ja auch in den Praxen von Menschen in unterschiedlichen Situationen entwickeln, und nicht eben vorher in der Uni erfunden und gelernt werden, und dann geht’s raus in die Welt.

    Bei dir lese ich: Es gibt Männer und Frauen. Sie unterscheiden sich, auch innerhalb der Gruppen, aber es gibt zwei Gruppen. Feminismus ist dazu da, mehr Freiheit für Frauen (und alle Menschen zu erreichen).

    Dagegen Queer-Feminismus: Die Tatsache, dass es zwei Gruppen gibt, beruht immer auf dem Ausschluss von Menschen, die nicht dazu gehören. Darum ist Kritik an normativer Zweigeschlechtlichkeit wichtig.

    Queer-feministische Praxis besteht für mich keineswegs darin zu behaupten, ich sei „queer“ (ich persönlich würde mir den Begriff zum Beispiel nicht als Identität aneignen) und sich in einer post-gender Welt zu imaginieren. Vielleicht sieht die Praxis ganz ähnlich aus wie bei dir: situativ, in Beziehungen zu anderen, unabgeschlossen. Orientierungspunkt meiner Praxis ist aber nicht wie bei dir die Differenz zu anderen Frauen (oder die Angleichung an, oder die Abgrenzung von Männer), sondern der Umgang mit Normalisierungen und Hierarchien.

    (Meine Frage war übrigens die danach, wie du Frau und Mann füllst, wenn es eben mit (Rollenvorstellungen von) „männlich“ und „weiblich“ nicht viel zu tun hat.)

    Ich finde es übrigens sehr schön, hier mal den Anstoß zu haben, ein bisschen über unterschiedliche Zugänge zu Feminismus zu schreiben.

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  12. @ihdl – ja, genauso sehe ich es auch, es gibt unterschiedliche Praxen, weshalb ich diesen erzählerischen, biografischen Zugang gewählt habe. Ich wollte erklären, warum ich mit „queer“ nichts anfangen kann – kann mir aber durchaus vorstellen, dass es mit anderem Hintergrund anders ist. Und ich glaube auch, dass die Unterschiede im tatsächlichen Alltag vielleicht gar nicht so groß sind, aber beim Austauschen von Argumenten ergeben sich eben oft Missverständnisse, weil die Begriffe anders besetzt sind.
    Auch mir geht es natürlich um die Kritik an Normierungen und Hierarchien. Die Geschlechterdifferenz ist dabei für mich aber gerade kein Ärgernis, sondern im Gegenteil der Hebel, um mit Unterschieden nicht hierarchisch, sondern freiheitlich umzugehen. Sie führt uns nämlich permanent vor Augen, dass es „den“ Menschen nicht gibt, sondern nur solche und solche (und meinetwegen auch noch solche und solche, wie viele Geschlechter es gibt, ist mir nicht wichtig, Hauptsache es ist nicht EINS). Dass ich eine Frau bin (und nicht einfach „ein Mensch“) macht mir bewusst, dass es „Andere“ gibt, und zwar echte Andere und nicht nur Varianten meiner selbst. Ohne einen neutralen Schiedsrichter obendrüber, sozusagen. „Mann“ und „Frau“ sind für mich daher tatsächlich überhaupt nicht inhaltlich gefüllt, außer in konkreten Situationen. Wobei wir im realen Leben aber natürlich immer in irgendeiner konkreten Situation sind 🙂

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  13. Ich hatte mal einen „Psychotest“ in einer Online-Zeitschrift für lesbische Frauen gemacht und der ergab, dass ich zu 50% männlich bin. Das lag an so Dingen, wie dass ich bei der Frage, ob ich beim Telefonieren weiterkoche, wenn ich gerade am Herd stehe, „nein“ angekreuzt hatte. Ich vemute, es sollte so eine Art Auszeichnung sein, aber ich fand das schon damals total absurd. Ich habe mich mit den wenigsten „weiblichen“ Rollenklischees identifiziert, war aber trotzdem immer überzeugt davon, dass ich eine Frau und durchaus weiblich bin. Ich habe mich dagegen gewehrt, dass schwache Kadenzen in der Poetik weiblich und starke männlich genannt werden, weil ich als Leistungssportlerin oft stärker war als meine männlichen Freunde. Trotzdem waren das Männer (oder damals halt noch Jungs).

    Ich war dennoch immer irgendwie fasziniert vom Queer-Gedanken, vom Überschreiten dieser Rollenklischees, vom Spiel mit der Geschlechterzugehörigkeit, auch von der Täuschung. Dass damit ein Negieren des Weiblichen und des Männlichen einhergeht, ist mir eigentlich erst kürzlich aufgestoßen. Seit der Piratinnen-Debatte in der Piratenpartei und seit dem Männerkongress, der die „Feminisierung“ der Männer beklagt. Was soll das, Männer werden nicht zu Frauen, weil sie auch abwaschen oder kochen oder Babyurlaub nehmen. Und Frauen werden nicht zu Neutra, weil irgendjemand der Meinung ist, die Welt habe das mit der Emanzipation der Frau jetzt aber langsam mal überwunden zu haben. Ich möchte nicht, dass mir eine Frauenzeitschrift freudig erklärt, ich sei zu 50% männlich, weil ich beim Kochen nicht telefoniere. Auch wenn es einige Menschen geben mag, bei denen selbiges schwer zu bestimmen ist – Ich habe ein biologisches Geschlecht und ich stelle das nicht infrage. Ich stelle die Klischees infrage, die damit verbunden sind und ich stelle die Argumentation einiger Männer infrage, die behaupten ein Mann wäre „feminisiert“, wenn er Handlungen aus dem Spektrum des Frau-Klischees ausführt oder entsprechende Charaktereigenschaften mitbringt.

    Ich würde gerne Frau sein dürfen, auch wenn ich Rollenklischees und entsprechende Schubladen rundherum ablehne. Auf einen anderen Begriff auszuweichen, weil ich mir die Begriffe „Frau“ und „Mann“ nicht frei von solchen Klischees denken kann, ist eigentlich keine Lösung, sondern eine Ausflucht. Dessen war ich mir zuvor nur latent bewußt. Danke für den Artikel. 😉

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  14. > Und deshalb bin ich nicht queer. Denn wenn Frauen, die „anders“ sind, gar nicht mehr als Frauen wahrgenommen werden, sondern als Queer, dann bleibt für diejenigen, die weiterhin Frauen sind, eben nur das Klischee übrig. <

    Danke, das bringt meine Irritation auf den Punkt, die ich erlebte, als ich mal in einer Gender-Diskussion einer Frau begegnete, die sagte, sie sei "Lesbe", aber nicht "Frau". Das war mir völlig neu, bisher waren Lesben aus meiner Sicht einfach Frauen, die auf Frauen stehen. Und diese Frau wies nun das gesamte Frausein zurück, obwohl sie nicht transsexuell war. Ihre Begründung war, dass sie sich nicht damit identifizieren kann, was die Gesellschaft unter Frausein versteht. Ich kann mich auch nicht damit identifizieren, was z.B. die Bildzeitung unter Frausein versteht. Aber deren beschränkte Vorstellungen muss ich mir doch nicht zum Maßstab machen…!

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  15. Interessant! Ich glaube, Du hast es, so weit es Dich betrifft, wirklich verstanden. Ich kann Dir absolut zustimmen.

    Vielleicht eine kleine Ergänzung: Was weiblich ist, definiert in einer gegebenen Zweierbeziehung der Mann. Und was männlich ist, definiert in einer gegebenen Zweierbeziehung die Frau. Innerhalb einer gegebenen Zweierbeziehung ist diese Definition bedeutungsvoll, ausserhalb bedeutungslos.

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  16. Ich finde Dein Foto auch sehr erfrischend, liebe Antje. Du kannst dir denken, dass ich mich als ältere Feministin nicht groß praktisch mit der queer-feministischen Szene beschäftigt habe. Bei den 1,2 queer-feministischen Veranstaltungen, bei denen ich in letzter Zeit war, fiel mir aber die Leichtigkeit, das Spielerische auf und dass eine ganze Reihe junger Männer interessiert waren und teilnahmen. Obwohl ich den trügerischen Schein der Geschlechterüberwindung auch nicht mag, scheint es aber auch eine Öffnung zu bieten, vor allem für Männer. Und dieser Punkt gefällt mir trotz allem.

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  17. Es wird Zeit, daß ich Deine bei formspring gestellte Frage mal beantworte. Aber vielleicht braucht es dafür dann doch auch noch einen eigenen Blogeintrag. Hm.

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  18. Grade wenn ich die Antworten von @ihdl und die Kommentare darauf lese, wird mir immer unklarer, ob der Abgrenzungsgegenstand hier tatsächlich „Queer-Feminismus“ ist. „Doing gender“ finde ich noch immer eine großartige praxistaugliche Theorie, und „doing gender“ kombiniert mit einer Spürnase für Reifizierungen von Geschlecht erst recht.

    Das bringt mich dann dazu, dass es für feministische Analysen eher gefährlich ist, zu sehr von „die Frauen“ und „die Männer“ auszugehen, sondern eher anzuschauen, welche Hierarchisierungen, Strukturierungen, Praktiken und Deutungsmuster dazu führen, dass bestimmte gesellschaftliche Felder mit der Erwartung „Mann“ bzw. mit der Erwartung „Frau“ verknüpft sind. Und das geht m.E. besser, wenn ich (das habe ich aber auch in der Diskussion vor ein paar Tagen schon gesagt ;-)) erstmal die scheinbare Selbstverständlichkeit „es gibt zwei Geschlechter, und vielleicht noch ein paar Ausnahmen“ weglasse, und den Zuordnungsprozess selbst zunächst als etwas gesellschaftliches gemachtes begreife. Der zweite Schritt und das Ergebnis dieser Haltung ist für mich dann die Feststellung, dass der Blick auf zwei soziale Geschlechterollen verkürzt ist – und zwar nicht (nur) im Sinne eines dritten Geschlechts, sondern ebenso in den vielfältigen (und teilweise herkömmliche Geschlechtergrenzen überschreitenden) Rollendifferenzierungen (und dem Zusammenwirken zwischen Geschlechterkonstruktionen und anderen gesellschaftlich geschaffenen Differenzierungslinien).

    Damit bin ich bei folgendem Punkt:

    Es gibt keine Vorbilder, nur noch Klischees. In dem Versuch, das Geschlecht abzuschaffen, wurde so viel über die Geschlechterunterschiede diskutiert und geforscht, dass sie sich hinterrücks zu Riesenmonstern ausgewachsen haben.

    Was aus meiner Sicht notwendig wäre ist, die Praxis des freien Frauseins und des freien Mannseins weiter zu verfolgen, zu verfeinern, darin zu Meisterinnen und Meistern zu werden.

    Das halte ich in der Analyse für eine Fehlinterpretation. Ich teile die Einschätzung, dass Frauen- und Geschlechterforschung sich viel zu sehr mit Diskussionen über Geschlechterunterschiede aufgehalten hat und damit zu deren Reifizierung beigetragen hat ((wobei das forschungspraktisch immer eine Gratwanderung ist: wenn ich wissen möchte, warum z.B. der Beruf „Förster“ männlich dominiert ist, muss ich mir auch anschauen, wieviele FörsterInnen Frauen und wie viele Männer sind, wie Ausschlussmechanismen und Karriereverhinderung funktioniert, welche Vorstellungen von Frauen und welche von Männern in den Köpfen der Männer und Frauen zu finden sind, die Entscheidungen über z.B. Einstellungen treffen usw.)). Ich sehe aber gerade als eine Stärke eines eher praxistheoretisch-queeren Forschungsprogramms an, sich dieser Problematik bewusst zu sein – und eben nicht einfach mal ganz selbstverständlich damit zu argumentieren, dass z.B. Frauen (gemeint ist dann „jede Frau“) wichtig sind, um Sozialkompetenzen in Unternehmen zu erhöhen etc. Oder um das Beispiel „Gender Mainstreaming“ aufzugreifen – das spiegelt vom Begrifflichen zwar erstmal „Gender“ wider, und wird oft auch mit der ganzen sozialkonstruktivistischen Theorie begründet – in der Forschungspraxis kommen dann aber oft Empfehlungen heraus, bei irgendeiner Maßnahmen die Bedürfnisse von „den Frauen“ und „den Männern“ zu berücksichtigen, die jeweils wieder als homogene Gruppen imaginiert werden. Also z.B. Öffnungszeiten für Behörden, die mit Familienarbeit vereinbar sind, um Frauen die Möglichkeit zu geben, hinzugehen. Weil ja nur Frauen Familienarbeit machen – peng, Reifizierungsfalle des Gender Mainstreaming schnappt zu, und Butler war’s nicht.

    Ich stimme also zu, dass es das Problem gibt, teile nicht die Einschätzung, dass Butler und Dekonstruktivmen daran schuld sind, und komme dementsprechend auch zu einer anderen Programmatik: es muss darum gehen, allen Menschen Freiheit zu ermöglichen – und wenn scheinbar normale Geschlechterbilder dabei im Weg stehen, dann sind sie ein Problem und kein Raum, in dem Freiheit erweitert werden kann.

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  19. @rrho – ja, mach mal !

    @Till Westermeyer – in den meisten Punkten bin ich ganz deiner Meinung z.B. bezüglich Gender-Mainstreaming oder der Vorstellung, die Frauen sollten die Welt retten (s. die taz von heute). Und ich gehe ja gerade nicht davon aus, dass es „die Frauen“ und „die Männer“ gibt – genau das war doch das Thema meines Posts. Ich bin auch gegen normative Zweigeschlechtlichkeit. Aber wer sagt denn, dass Zweigeschlechtlichkeit (oder Nicht-Eingeschlechtlichkeit) zwangsläufig normativ sein muss?
    Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass Normativität erst die logische Folge eines Denkens ist, das Unterschiede ignoriert oder für irrelevant erklärt, indem es behauptet, sie ließen sich auf ein „Eins“ zurückführen. Das genau war der Trick des Patriarchats: Es hat die weibliche Differenz ausgehebelt, indem behauptet wurde, Frauen seien letztlich bloß eine defizitäre Variante des Mannes. Wenn man das „Eins“ erstmal behauptet hat, kann man sich vor konkreten Konflikten, Differenzen und Verhandlungen drücken und alle guten Gewissens zwingen, sich der „einen“ Norm unterzuordnen. Kleine folkloristische Eigenwilligkeiten sind natürlich erlaubt, aber keine wirkliche Dissidenz. Damit sind wir beim belanglosen Konzept von Diversity als bunte Vielfalt von Merci – die einen schmecken nach Marzipan, die anderen nach Haselnuss, aber es ist doch alles Schokolade und man muss sich daher an die Schokoladegesetze halten. Meiner Meinung nach führt uns das gerade nicht über Normierungen hinaus.

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  20. Kleine Ergänzung, die vielleicht die Unterschiede hervorhebt 😉 — bei mir geht es um Zweigeschlechtlichkeit etc. als nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit. Also um Normalität, nicht unbedingt um Normativität (bzw. höchstens sozusagen um die normative Kraft des Faktischen, also um die Herstellung und Wirkmächtigkeit von Normalität gerade dadurch, dass sie als normal angesehen wird und entsprechend gehandelt wird). Ich gehe davon aus, dass ein großer Teil unseres (aller Menschen …) Denkens Kategorien wie „die Männer“ und „die Frauen“ als normalen Wissensbestand behandelt. Butler (und ein großes etc.) sind für mich eine gute Möglichkeit, um genau diese Selbstverständlichkeit in Frage zu stellen und damit die in diesen normalen Kategorien liegende Normativität erst ans Licht zu zerren und sie thematisierbar zu machen (so verstehe ich Dekonstruktion). Es geht also gerade nicht darum, die scheinbar natürlichen Unterschiede zu ignorieren oder sie für irrelevant zu erklären, sondern sich damit auseinanderzusetzen, wie sie entstehen (und dabei z.B. auf den oben genannten Trick des Patriarchats zu kommen).

    (Womit die kleine Anmerkung doch etwas länger geworden ist und trotzdem keine Antwort darauf gibt, warum Diversität auch Subversion sein kann, und nicht nur Schokolade.)

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  21. Antje,

    „Und was die Machismo-Inszenierungen junger Männer oder der nuttige Körperexhibitionismus junger Frauen soll, ist mir schleierhaft. Nicht, dass ich das moralisch verwerflich finde. Mir ist bloß schleierhaft, wie man damit Freiheit verbinden kann. “

    Die Freiheit liegt in der tendenziellen Wahlfreiheit. Wenn mir eine Freundin erzählt, sie würde sich wahnsinnig gerne mal „nuttig“ (nur als Zitat, der vermeinlichen Bewertung durch den Begriff schließe ich mich explizit nicht an) anziehen, weil sie glaubt, daß sie sich dann weiblicher fühlt, das aber nicht tut, weil sie denkt, daß sie das wegen ihres Feminismus nicht darf, dann ist das genauso wenig Freiheit. Freiheit bedeutet auch nicht die Möglichkeit ständiger Neuerfindung oder Abwesenheit von Konsequenzen. Wenn meine Freundin keine High-Heels anzieht, wird sie vielleicht jemand nicht ansprechen, der Frauen mit High-Heels mag, aber ansonsten ihr perfekter Partner gewesen wäre, wenn sie es tut, muß sie damit rechnen, daß es ihr von vermeintlich progressiven Freundinnen übel genommen wird und daß sie ein schlechtes Gewissen hat. Aber sie *kann* wählen. Und das ist durchaus Freiheit.

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  22. @jj – danke, das macht es mir etwas verständlicher. Der Irrtum liegt aus meiner Sicht darin – das würde ich deiner Freundin sagen – zu glauben, sie würde „weiblicher“, wenn sie sich als Sexobjekt inszeniert. Das hat nichts mit Weiblichkeit zu tun, wie ich sie verstehe (frei), sondern mit einem von einer männlichen Kultur entworfenen Frauenklischee. Jedenfalls bei der Mehrheit der Frauen, im Einzelfall kann es anders sein. Eine „freie Frau“ würde Strapse und Stöckel jedoch nicht anziehen, um „weiblicher“ zu werden, sondern einfach, weil sie den Wünsch hat, so auszusehen. (Ein Wunsch, der mir persönlich zwar trotzdem absurd vorkommt, aber so ist das mit der Differenz unter Frauen in der Praxis 🙂
    Recht hast du natürlich mit der Beobachtung, dass die gegenteilige Entscheidung, Stöckel NICHT anzuziehen aus Angst, damit einem „feministischen“ Frauenbild zu widersprechen, ganz genau dasselbe in Grün ist. Feministische Praxis ist wahrscheinlich im Wesentlichen diese Anstrengung, zu überlegen, ob das, was ich will, auch wirklich das ist, was ich will oder das, was ich meine, wollen zu sollen. Wichtig ist mir, dass wir uns und einander diese Frage immer wieder selbstkritisch stellen.

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  23. @Till Westermeyer – ja genau das ist der Unterschied und das, was ich weiter oben mit der Unterscheidung von Praxis/Experimentell und Theorie/abstrakt meinte. Theoretisch ist mir dieser Ansatz nachvollziehbar. In der Praxis ist er aber für mich nicht hilfreich, weil es einfach immer zu viele „unhinterfragte“ Frauen und Männer um mich herum gibt. Ich gehe deshalb lieber von dieser Realität aus, um darin kreativ und in Richtung Freiheit zu handeln. Natürlich stimmt es, dass diese Realität „eigentlich“ falsch und nur konstruiert ist, aber das ist doch banal, denn es stimmt immer, für jede Realität, nicht nur für Männer und Frauen, auch für Europa und Dritte Welt, für Arm und Reich, für Islam und Christentum usw.usw.usw.). Es ist natürlich hilfreich, zu WISSEN, dass das alles konstruiert ist, aber das ist doch nur der erste Schritt und ändert nichts daran, dass es dennoch real ist. Und Politik geht immer von der Realität aus, von dem „Bezugsgewebe der menschlichen Angelegen“, wie Hannah Arendt sagt, das wir bei unserer Geburt bereits vorfinden und in das wir uns dann handelnd einknüpfen. Das bedeutet nicht, das Gegebene unkritisch hinzunehmen, sondern es als das zu akzeptieren, was es ist: Mein realer Ausgangspunkt. In diesem Fall: Es gibt Männer und Frauen, faktisch. Mit denen muss ich irgendwas anfangen und es bringt uns nicht weiter, einfach zu sagen: Eigentlich gibt es euch gar nicht.

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  24. Eine faszinierende Diskussion.
    Da ich „queer sein“ durchaus für mich nutze (ich kreuze das an, wenn ich in ner Umfrage die Chance dazu bekomme), hab ich ein paar Sätze aus der Perspektive.
    Für mich hat queer nichts mit Leben in einer post-gender-Welt oder „Geschlechterüberwindung“ zu tun. Höchstens mit Widerstand gegen die Dichotomie. Gerade angesichts der Erkenntnis, dass Geschlecht nicht überwindbar ist, ist (gender)queer für mich eine alternative Möglichkeit mich bezüglich des Geschlechtersystems zu positionieren und mein Geschlecht zu denken und auszudrücken.
    Ich empfinde das Ausweichen auf einen 3. (nten) Begriff auch nicht als Ausflucht, wie LeV anspricht, sondern als legitimen anderen Raum, den ich im Geschlechtersystem beanspruche. Wenn „weitere Geschlechter erfinden“ erlaubt ist, dann müssen wir ja irgendwo irgendwie anfangen. Queer markiert für mich dieses you are here.

    Das bedeutet für niemanden anderen, dass die Kategorie Frau verloren geht, oder sie sie nicht mit allem, worauf sie Lust hat, füllen können soll. Für mich ganz persönlich ergibt es nur keinen Sinn um meine Zugehörigkeit zu einer inhaltsleeren Kategorie zu kämpfen. Ich kann mir unter diesem freiheitlichen Frausein nichts vorstellen. Wenn Frausein idealerweise nur bedeutet, dass ich „Frau bin“ und alles machen kann, erlaubt mir die Kategorie nur, nach außen zu zeigen, was für Geschlechtsorgane ich besitze. Das ist für mich selbst aber nur in ganz wenigen Augenblicken wichtig. Das Einzige, was also vom Frausein auf mich abfällt, ist, dass andere mich zuordnen können und deshalb nicht ablehnend auf mich reagieren. Da mir aber dieses Spielchen (mich um meine äußerliche Schubladentauglichkeit zu bemühen) tierisch auf die Nerven geht und ich darin nicht gut sein will, geht mir auch dieser Aspekt von Frausein ab. Also bin ich lieber queer.

    Es geht dabei auch nicht darum, dass ich mir (nicht) zum Maßstab mache, was die Bildzeitung oder ein Psychotest, Barbara und Allan Pease oder „die Gesellschaft“ gerade unter Frauen und Männern versteht. Das Problem am Dualismus ist eben, dass zwar die Ausprägungen flexibel gefüllt werden, die Hierarchisierung aber bestehen bleibt, genauso wie die Sanktionierung des Unangepassten. D.h. unabhängig davon, wie frei ich mein Frausein definiere, falle ich damit unter die herrschende Ordnung. Da ich noch nicht sehe, wie sich das innerhalb des Dualismus ändern lässt, versuche ich erstmal mit queer im System out of the box zu denken. Es „gibt“ keine Frauen und Männer, sondern wir unterscheiden in Frauen und Männer. Bis wir etwas anderes tun.
    Also: Queer nicht als „euch gibt es eigentlich gar nicht“ sondern „hey, mich gibt es hier gar nicht, ich bin aber da“.

    [Falls Interesse besteht bezüglich Dualismus bedingt Hierarchie: „Deshalb ist dieses Modell so unglaublich haltbar. Es besetzt eben nicht nur die männliche Position, sondern jede mögliche weibliche Position immer gleich mit. Diese Besetzung erfolgt aber nie im Modus der Anerkennung egalitärer Alterität, sondern immer nur im doppelten Modus der Exklusion und der Zuweisung nachgeordneter Positionen an das Weibliche.“ (Cornelia Klinger, S. 9 bzw. 266 in einem imho lesenswerten Interview: http://feministische-studien.de/fileadmin/download/pdf/Fem09_02_CKlinger.pdf )]

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  25. Jetzt bin ich endlich dazu gekommen den Text zu lesen und die vielen interessanten Kommentare ….
    Ich bin, 1971 geboren, eine der Generation „dazwischen“. Als ich ab 1990 den Feminismus entdeckt habe, auch an der Uni, war die Butler-Debatte noch nicht so weit, dass sie Alltagspraxis war – und gleichzeitig der Feminismus schon am absteigenden Ast, es war nicht mehr so richtig schick Feministin zu sein. Ich bin es doch geworden – und ein Motiv ist mir dabei immer geblieben: Die Frage nach Gerechtigkeit. Und darum habe ich mich in den letzten Jahren in meiner Praxis auch immer mehr queeren Überlegungen angenähert: Denn wenn es um Gerechtigkeit geht für alle, besonders die „dazwischen“, komme ich mit Gleichheits- oder Differenzfeminismen nicht weiter, sondern es geht nur mit dem Kampf gegen Heteronormativitäten und Machtdiskurse. Ob da das Wort Gerechtigkeit überhaupt angebracht ist, weiss ich nicht so recht – aber es ist mir jedenfalls wichtig. Und doch sind mir die Haltung, die Du, Antje, beschreibst, zutiefst sympathisch – denn es schon auch immer die Frage worauf ich meine Aufmerksamkeit richte und was ich wahrnehme, worauf ich mich beziehe.
    Praktisch bin ich dann eine, die gerne, vermutlich dilletantisch, aber das macht nix, zwischen den feministischen Welten hin und her switcht. Mir macht das alles Spass – und manchmal frage ich mich, ob wir uns wirklich so festlegen müssen – ob es nicht netter ist, wenn wir uns situationsbezogen theoretischer Konzepte bedienen ….. Ja, sehr unfertig diese Position …

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  26. Antje,

    „Eine “freie Frau” würde Strapse und Stöckel jedoch nicht anziehen, um “weiblicher” zu werden, sondern einfach, weil sie den Wünsch hat, so auszusehen.“

    Naja, an der Stelle ist halt immer die Frage, eigentlich unabhängig vom Feminismus, warum wer welche Vorlieben hat, woher sie kommen, und welche Rolle dabei biologische Faktoren und welche andere Menschen, spezifisch und als sozialisierende Allgemeinheit(en) spielen. Woher kommen den „Wünsche“? Die entwickeln sich ja nicht aus dem luftleeren Raum. Wirkliche Freiheit im Sinne von kompletter Unabhängigkeit eines abstrakten freien Willens von der eigenen Präferenzstruktur und völlige Unabhängigkeit von der erwarteten Bewertung des eigenen Verhaltens durch das eigene Bezugssystem können doch in der Realität nicht bestehen. Jede Entscheidung hat Opportunitätskosten innerhalb dieses Systems, aber andererseits sind es doch genau diese Kosten, die dem Begriff Wunsch oder Präferenz überhaupt einen Sinn geben. Tendenzielle Freiheit liegt daher, wie gesagt, nicht in der Ablehnung einer notwendigen Tatsache (daß wir uns alle gegenseitig beeinflussen) sondern in der Fähigkeit, mit dieser Erkenntnis reflektiert umzugehen aber gleichzeitig die Befriedigung des Bedürfnisses zuzulassen – also z.B. es zuzulassen, sich aufgrund der Kleidung weiblicher zu fühlen, vor allem emotional, auch wenn man sich gewisser Bedingungen des Zustandekommens dieses Bedürfnisses bewußt ist. Nur weil etwas performativ ist, muß es nicht *unwahr* sein. Auch in der Fähigkeit, Dekonstruktion als eine reduktio ad absurdum zu beenden, bevor sie selbst das eigene Leben unfrei macht, liegt eine immense Quelle für tatsächliche Freiheit.

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  27. @Andrea – Die Kritik an Ungerechtigkeit ist das Eine, die Frage, was man dagegen tun kann (außer Forderungen stellen und „Recht“ haben) ist das andere. Und die Praxis, mich auf mein Frausein zu beziehen bzw. meine Position über die Beziehungen mit anderen Frauen zu erarbeiten hat mir eine Freiheit und Unabhängigkeit von den herkömmlichen (männlichen) Strukturen und Selbstverständlichkeit ermöglicht, und zwar in der Praxis. Wenn ich mir etwas nicht mehr zum Maßstab mache, kann ich viel gelassener und gleichzeitig entschiedener mit ihm verhandeln, nein sagen, seine Autorität bestreiten, etwas anderes tun. Jedenfalls erlebe ich es so.

    @jj – Diese Gegenüberstellung zwischen „freier Wille“ und „Beeinflusst von außen“, auch wenn in der männlichen Philosophie Jahrhundertelang breitgetreten wurde und heute immer noch wird, akzeptiere ich nicht. Das habe ich z.B. im Feminismus gelernt, also in der Auseinandersetzung mit dem Denken von Philosophinnen und anderen Frauen. Den freien Willen gibt es nicht, schreibst du ganz richtig, und wir sind nie frei von äußerer Beeinflussung. Aber beides liegen auch nicht im Widerstreit miteinander (nicht notwendigerweise). Es gib (jedenfalls für mich, eine Frau, aber vermutlich auch für Männer) etwas drittes, nämlich das Begehren. Es ist weder der freie autonome Wille, noch die „unfreie“ Folge von Beeinflussung, sondern das, was mich innerlich antreibt, aber sich erst in der Beziehung zu anderen entwickelt. Die Beeinflussung durch andere ist nicht per se „normativ“, sie kann auch befreiend sein, wenn z.B. eine Frau mir Vorbild wird und mich dadurch ermutigt, dissident gegenüber Klischees zu werden (die Praxis des Feminismus). Auch ein Mann kann mir Vorbild sein, jedenfalls wenn es nicht um Geschlechterrollen geht. Also: Beeinflussungen sind nicht per se freiheitseinschränkend, im Gegenteil, ohne Beziehungen ist Freiheit überhaupt gar nicht möglich, weil ich für mich allein immer so beschränkt bleiben müsste, wie ich jetzt schon bin, ich könnte zwar meinen Willen durchsetzen, aber nicht meinem Begehren folgen. In einem Buch haben wir das die „Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit“ genannt. das Wichtigste ist daher auch, mit wem ich Beziehungen eingehe (und mit wem nicht) und wie. Diese Beziehungen folgen nicht der Logik, die die männliche symbolische Ordnung für Beziehungen erfunden hat. Dies nur kurz angedeutet die Essenz aus 20 Jahre gemeinsamem Nachdenken und Experimentieren.
    Eventuell kann das auch als Antwort auf deinen Post drüben beim Irrtümer-Artikel gelten… – Die Entdeckunng neuer Wege und neuen Denkens jenseits der männlichen symbolischen Ordnung als Frucht des Feminismus, die nichts mit dem Kampf gegen Diskriminierungen zu tun hat, sondern mit dem eigenen Begehren nach „anderem“….

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  28. Antje,

    wenn ich Dich richtig verstehe, dann ist das, was Du jetzt als Freiheit des Begehrens definierst, doch so in etwa das, was ich oben als den „Sinn“ bezeichne, der sich aus der impliziten „Kostenstruktur“ von Entscheidungen ergibt. Aber aus der Sicht verstehe ich Deine verwunderte Reaktion auf das sich aus einer genau solchen Struktur ergebenden Wollen im Hinblick auf „nuttige“ Outfits oder „machohafte“ Inszenierungen nicht ganz, auch wenn das nicht Dein persönliches Wollen sein sollte.

    „Diese Beziehungen folgen nicht der Logik, die die männliche symbolische Ordnung für Beziehungen erfunden hat. Dies nur kurz angedeutet die Essenz aus 20 Jahre gemeinsamem Nachdenken und Experimentieren. … Eventuell kann das auch als Antwort auf deinen Post drüben beim Irrtümer-Artikel gelten… – Die Entdeckunng neuer Wege und neuen Denkens jenseits der männlichen symbolischen Ordnung als Frucht des Feminismus, die nichts mit dem Kampf gegen Diskriminierungen zu tun hat, sondern mit dem eigenen Begehren nach “anderem”….“

    Sorry, da kann ich nicht ganz folgen. Feministische Epistemologie ist aus meiner Sicht letztlich ein Oxymoron. Ich glaube, das Unbehagen, das viele Feministinnen bzgl. Butler spüren, liegt auch darin begründet, daß sie die Kategorien vermeinlichen feministischen situativen Wissens (Frau) einreißt, und – unter Verwendung anderer Begrifflichkeiten – die Hierarchisierung von Konflikten à la Marxismus aufhebt, Intersektionalismus zu Ende denkt und in der Konsequenz das Individuum wieder in den Mittelpunkt stellt. Und das ist irgendwie gleichzeitig extrem konservativ und progressiv, je nach Standpunkt. Sie ist irgendwie der Friedrich Hayek der Geschlechterphilosophie ;).

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  29. @jj – ich weiß nicht genau, ob die Freiheit des Begehrens dasselbe ist wie der Sinn, der sich aus einer „impliziten Kostenstruktur“ ergibt – praktisch ist es so, wenn das Begehren hinter einer Handlung, einer Sache steht, dann können die Kosten astronomisch hoch sein, und man wird es trotzdem machen. Der „Wille zu Siegen“, nennen das die Italienerinnen. Also: Je mehr ich in Kauf nehme, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass hinter meinem Handeln ein Begehren steckt, aber es ist nicht eindeutig. Manchmal sind die „Kosten“ auch viel niedriger, als ich das vorher gedacht habe. Und es kann auch ideologische Verblendung sein, die mich hohe Kosten tragen lässt, aber das ist häufiger bei Männern als bei Frauen der Fall (dass Frauen zu „bequem“ für die Revolution sind, ist z.B. eine seit Jahrhunderten immer wiederkehrende Klage von Männern). Das heißt natürlich nicht, dass es bei Frauen nicht auch vorkommt.

    Was die „nuttigen Outfits“ betrifft, damit wollte ich eigentlich nur illustrieren, wie stark Geschlechterklischees öffentlich präsent sind heute. Meine Praxis in der direkten Auseinandersetzung wäre, die betreffende Frau zu fragen, warum sie das macht, um vielleicht das Begehren, das dahintersteckt, herauszufinden. Und mein Begehren, dass ich nicht will, dass Frauen (also meinesgleichen) so konnotiert sind. Aber das geht nicht theoretisch, sondern nur im konkreten Fall.

    Was nochmal Butler betrifft: Theoretisch finde ich ihre Radikalität faszinierend. Sie hilft mir bloß nicht im realen Leben. Beispiel: Ich liebe Philosophie, aber das Philosophiestudium mit den ganzen Männertheorien, die ich da lernen musste, langweilte mich. Erstaunt sah ich, dass es die (meisten) Männer im Kurs offenbar nicht langweilte. Dann zu denken: Vielleicht liegt es dran, dass mich als Frau das erstmal gar nicht betrifft, was die da diskutieren, ist vielleicht epistemologisch gesehen Blödsinn, im wirklichen Leben funktioniert es aber. Hat es bei mir funktioniert. Ich konnte andere Philosophie machen, ohne die Männer überzeugen zu wollen oder mir von ihnen die Erlaubnis dazu zu holen. (ohne mich mit sinnlosen Kämpfen zu zermürben). Und ohne mich an ihren Kanon und ihr Curriculum zu halten – und zwar hier und jetzt, und nicht erst in einer utopischen Zukunft, wenn die Geschlechterdifferenz irgendwann mal abgeschafft sein sollte. Von daher: Vielleicht sind die Kategorien des situativen Wissens „Frau“ theoretisch nicht haltbar, praktisch sind sie aber nützlich und hilfreich, weil sie nicht nur normieren und diskriminieren, sondern auch befreien. Feminismus ist daher vielleicht tatsächlich keine „Epistemologie“ im klassischen Sinne, weil es vielleicht gar keinen Sinn hat, alles bis ins kleinste Detail zu durchdenken und aufzuklären, es bleibt immer etwas Rätselhaftes an der Geschlechterdifferenz. Das mag die klassische Wissenschaft natürlich gar nicht. 🙂

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  30. Früher grenzte sich das Bildungsbürgertung mit Hilfe lateinischer Sinnsprüche von den weniger Gebildeten ab. Und heute sorgt Soziologendeutsch recht zuverlässig dafür, dass nur wenige mitreden können.

    Doing Elite, oder wie?

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  31. Bildungsbürgertum natürlich.

    Eine neue Tastatur ist auch eine Barriere, aber da gewöhne ich mich sicher eher dran als ans Soziologenchinesisch 🙂

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  32. Zum Thema fällt mir die Geschichte von jenem Mann ein, der überzeugt war, er sei eine Maus. Freunde drängten ihn, einen Psychiater aufzusuchen, was er denn auch tat. Nach einigen Sitzungen entliess ihn der Psychiater als geheilt. Zum Abschied klopfte er ihm fröhlich auf die Schultern und sagte: „Sie wissen nun, wer sie sind, nämlich ein Mensch und keine Maus.“ „Ja, sagte der geheilte Patient strahlend: “ Ich weiss jetzt, dass ich ein Mensch bin und nicht eine Maus“, um dann kleinlaut beizufügen: „Aber ob die Katze, die mich auf der Strasse sieht, das auch weiss?“
    Merke: Wer (oder was) ich bin, zeigt sich in meinen Beziehungen (zur Welt, du den anderen). Achtung: Auf Überraschungen gefasst sein!

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  33. Antje,

    „Und mein Begehren, dass ich nicht will, dass Frauen (also meinesgleichen) so konnotiert sind. Aber das geht nicht theoretisch, sondern nur im konkreten Fall.“

    Ich denke, das geht schon ein Stück weit theoretisch, zumindest in dem Maße, in dem die eigene Herangehensweise (wie Du ja hier ansprichst – https://antjeschrupp.com/2010/03/15/warum-ich-nicht-queer-bin-eine-autobiografische-annaherung/#comment-1127 ) durch die absichtliche und unabsichtliche Normierung von Verhalten das Problem verstärkt.

    Vielleicht sind die Kategorien des situativen Wissens “Frau” theoretisch nicht haltbar, praktisch sind sie aber nützlich und hilfreich, weil sie nicht nur normieren und diskriminieren, sondern auch befreien.

    Alles schön und gut, solange dann nicht behauptet wird, es geht um etwas anderes als befreiende Selbsterfahrung und das Hinterfragen bestehender Kategorien. Leider wird aber zumeist doch deutlich mehr behauptet.

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  34. @jj – Ja, man kann sich theoretisch darüber Gedanken machen. Aber wenn ich eine Frau nicht kenne, dann weiß ich nicht, ob hinter ihrem Stöckel-Tragen (wahlweise geht auch Kopftuch) ein eigenes Begehren steckt oder ob sie sich irgendwas anpasst. Das meine ich mit konkreter Situation: Das Begehren ist immer an eine bestimmte Person gebunden, daher kann ich auch nur im Gespräch mit dieser Person etwas darüber herausfinden. Das meinte ich.
    Zum zweiten Punkt: Ich finde, es geht dabei nicht nur um das Hinterfragen bestehender Kategorien, sondern – wichtiger noch – auch um die Möglichkeit, Alternativen dazu zu (er)finden.

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  35. Hallo erstmal,

    großes Lob und Dank an dich, Antje für diesen tollen Text. Du hast es geschafft, genau das in Worte zu fassen, was ich denke! Ich bin voll deiner Meinung, aber mir gelang es irgendwie nicht, dies auch auszudrücken.

    Liebe Grüße,
    Mirabella

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  36. Gerade habe ich dein Blog entdeckt und mich über die sehr interessanten Beiträge gefreut, doch dann muss ich diese Zeilen lesen:
    “Meinetwegen können einzelne Frauen Männer werden und andersherum, oder sie können sich weitere Geschlechter erfinden, dagegen habe ich nichts.”

    Maj schreibt in Kommentar 3 dazu:
    Kannst du die Zahl benennen, die hinter “einzeln” steckt? Wieviele “Frauen [dürfen] Männer werden und andersherum”, damit das allgemeine Frausein bzw. Mannsein Deiner Meinung nach nicht gestört wird? eine, zehn, hundert?

    Wer ist mit „einzelne Frauen [die] Männer werden und andersherum“ gemeint? Transsexuelle Menschen? Gerade die wechseln das Geschlecht nicht sondern passen ihren Körper, der sich entgegen ihres Geschlechts entwickelt hat, so weit wie möglich an.
    Sollten aber mit dem Satz transsexuelle Menschen gemeint sein, so ist dieser geäusserte „Liberalismus“ alles andere als eine Hilfe. Denn es enthält bereits eine Verurteilung.

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  37. @Bad Hair Days – Mit dieser Definition von „transsexuell“ („passen ihren Körper, der sich entgegen ihres Geschlechts entwickelt hat, so weit wie möglich an.“) bin ich nicht einverstanden (auch wenn ich weiß, dass sie heute die anerkannteste ist), und zwar aus folgendem Grund: Sie setzt voraus, dass es neben dem Körper und seiner Interpretation durch die Kultur noch eine andere Quelle oder Substanz geschlechtlicher Identität gäbe (nur dann könnten diese und der Körper ja im Widerspruch stehen). Ich bin dieser Meinung nicht. Dass ich in einem weiblichen Körper geboren bin und damit als Baby als „weiblich“ identifiziert wurde, ist alles. Alles andere (mit dieser Zuweiseung einverstanden sein oder nicht, den damit verbundenen Regeln und Verhaltensweisen anpassen oder nicht, den Körper operativ verändern oder nicht) ist darüber hinaus kulturell verhandelt. Mit diesem Verständnis von Geschlecht ist es schlicht nicht möglich dass jemand ein „eigentliches“ Geschlecht hat, dass sich vom äußerlichen Aussehen des Körpers unterscheidet. Verstehst du, was ich meine? Das heißt aber nicht, dass transsexuelle Menschen nicht tun und lassen können, was sie wollen. Und angesichts der sehr großen Folgen, die die geschlechtliche Zugehörigkeit in unserer Kultur für das gesamt Leben eines Menschen hat, kann ich mir gut vorstellen, dass jemand sie ändert. Vielleicht klingt meine Formulierung dazu in meinem Text etwas „gönnerhaft“. Was ich damit sagen wollte ist, dass es meiner Meinung nach immer nur eine kleine Anzahl von Menschen sind und die allermeisten die Tatsache ihres Frau- oder Mannseins nicht in Frage stellen.

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  38. Hallo Antje.

    Also einmal mehr die Entmündigung transsexueller und vieler intersexueller Menschen, deren Realtität zu gunsten einer Theorie zeredet wird. Du stellst damit, ob gewollt oder nicht, Menschen wie mich entweder als Fehlgeleitet oder, noch schlimmer, als Lügner hin, um dieses Weltbild zu schützen.

    Du kannst dir vorstellen, dass ich mich als Betroffene nicht darüber Freue.

    Gruss, Sarah

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  39. Dekonstruktion.
    Destruktion.
    Egalisierung.
    Freiheit.

    Alles ganz nett.

    Dennoch.
    Zur Emanzipation gehört NICHT NUR die Freiheit, etwas tun zu dürfen.
    Dazu gehört AUCH die Freiheit, keine Berührungsängste mit den ureigenen,
    typisch weiblichen FÄHIGKEITEN haben zu MÜSSEN.
    Dazu gehört AUCH die Freiheit, seine Skills NICHT unterdrücken zu MÜSSEN.

    Wir sollten uns AUCH auf die Hinterbeinchen stellen und sagen, was wir KÖNNEN und nicht versuchen, die besseren Männer zu sein.
    Dazu müssen wir keine Testosteron-Regime-Simulation fahren.

    Es gibt ein sowohl – als auch.

    Und wir brauchen wir niemals GEGEN etwas kämpfen.
    Immer nur FÜR etwas.

    SOWOHL FÜR die Freiheit, zu tun, was wir wollen, ohne seine Weiblichkeit in Frage gestellt zu bekommen.
    ALS AUCH DAFÜR, unsere Möglichkeiten unterstreichen zu dürfen.

    Warum soll sich das ausschließen?

    Die Welt wird mit mehr Gewalt, Brutalität und Skrupellosigkeit nicht besser.
    WIR sind es, die es in der Hand haben, den Männern zu erlauben, zu sein, wie SIE sind.
    WIR haben durch die Erziehung unserer Söhne eben AUCH in der Hand, sie aus dem Wahnsinn der männlichen Sozialisierung zu befreien.

    Wir sollten Männer, die männlich genug sind, Gefühlsäußerungen zeigen zu können, attraktiv finden DÜRFEN.
    Das ist auch eine Form der Freiheit.
    Und die Praxis?
    „Was hast DU denn da gestern für ein Weichei vorgeführt?“
    Gruppenzwang.
    Und schon bleibt in Wahrheit alles beim alten.
    Rosa und blau.

    Erst der wahre, echte Maskulismus brächte die Emanzipation aller Menschen.

    Das wäre dann noch ein Schritt weiter.
    Und fast schon etwas queer.

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  40. Hallo Sarah – Wieso ist es eine Entmündigung, wenn ich nicht mit dir einer Meinung bin? Wieso stelle ich dich als Lügnerin hin, wenn ich deine Ansichten nicht teile? Das ist ja ein etwas merkwürdiges Verständnis von politischem Diskurs. Ich bestreite nicht deine erlebte Realität, sondern ich hinterfrage deine Interpretation dieser Realität, weil sie mich nicht überzeugt. Und was sollte ich anders machen? Ich kann mich doch nicht aus „moralischen“ Gründen zwingen, eine Meinung zu haben, die ich gar nicht habe? Zum Beispiel würde mich eben interessieren, wie du „weiblich“ definierst. Was ist denn „weiblich“, wenn der von der Umwelt so interpretierte Körper nicht das entscheidende Merkmal ist? (Achtung: Das ist KEINE rhetorische Frage!) Und: in deiner Antwort nennst du Intersexualität und Transsexualität in einem Atemzug. Beides ist aber etwas – aus meiner Sicht – völlig Verschiedenes. Interesexuelle Menschen werden ohne eindeutige körperliche Geschlechtszugehörigkeit geboren (und ich sympathisiere sehr mit denen, die für die offizielle Anerkennung der Lebensform „kein“ oder „anderes“ Geschlecht eintreten). Transsexuelle hingegen werde MIT einer eindeutigen körperlichen Geschlechtszugehörigkeit geboren (nur eben mit der „falschen“ – wobei halt für mich unklar ist, im Bezug worauf „falsch“ und woher dabei der Maßstab kommt). Das sind also für sich genommen zwei völlig verschiedene Sachverhalte, nur in Bezug auf unsere normativ zweigeschlechtliche Welt haben sie es mit ähnlichen Vorbehalten zu tun.

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  41. Hallo Antje.

    Weil du meine, und die Existenz anderer Betroffener zu einer politischen Frage und Meinung umdeutest. Eben dies ist die Entmündigung. Die Leugnung meiner Existenz.

    > Was ist denn “weiblich”, wenn der von der Umwelt so interpretierte Körper nicht das entscheidende Merkmal ist

    Das ist im Grunde genommen ein sehr eigenartiger Denkansatz. Der von der Umwelt interpretierte Körper ist dafür entscheident, wie andere dich einordnen.
    Geschlecht ist also das einzige, was nur gültig ist, wenn 3. darüber bestimmen?

    Setze die Situation mal auf etwas anderes um. Ich habe einen alten, roten Porsche, der von anderen ständig für einen Ferrari gehalten wird. Was passiert nun, wenn ich sie darüber aufkläre? Stellen sie sich hin und sagen: „Das ist ein Ferrari, das sieht man doch?“. Baut man in die ICD eine „Markenidentitätsstörung“ ein, um zu Beschreiben, was da mit mir vorgeht?
    Nein, die meisten reagieren mit einem „Oh…“ und Lachen ob des Missverständnisses.

    > in deiner Antwort nennst du Intersexualität und Transsexualität in einem Atemzug. Beides ist aber etwas – aus meiner Sicht – völlig Verschiedenes.

    Jein. Da beide Begriffe etwas schwammig definiert sind. Biologisch gesehen ist Transsexualität eine Variante von Intersexualität.
    Definiert man aber
    Transsexualität als Folge der Geschlechtsidentität (und nicht des Rollenverständnisses) und Intersexualität als sichtbare Abweichung vom körperlichen Idealmodell findest du (vor Behandlungen) eine gewaltige Schnittmenge.

    Intersexuellen ist nicht per se mit Einführung eines dritten Geschlechts gedient. Denn einem solchen sehen sich die meisten ganz und gar nicht zugehörig.

    Eine etwas bessere Einführung in das Thema findest du hier:
    http://www.brainlogs.de/blogs/blog/menschen-bilder/2009-10-04/intertranssexualitaet

    > Was ist denn “weiblich”

    Der Körper. Aber nicht nur der leicht sichtbare Bereich. Ist er uneindeutig muss zwangsläufig das Gehirn als Sitz des Bewusstseins bestimmend sein. Passt dies nicht zum Restkörper kommt es zu einer schrecklichen Dissonanz, die aber medizinisch behandelt werden kann. Im Idealfall kurz nach eintreten der falschen Pubertät.

    Als zweites Element gibt es allerdings noch die Geschlechtsidentität. Die ja eben so oft (teils auch von Betroffenen am Anfang) mit der Rolle verwechselt wird.

    Es gibt ein angeborenen Instinkt was man ist, und nach wem man sich Orientiert. Während ich sage, dass es viele weitere angeborene neurologische Geschlechtsmerkmale gibt, ist dieses letztlich das entscheidenste, denn die sogenannte Sozialisation kann hier nicht wirklich greifen.

    Was weiblich nicht ist:
    Rollenklischees

    Aber wieso nur die Frage nach „Was ist weiblich?“. Wieso lautet die Frage nicht: „Was ist Geschlecht?“ oder wurde zumindest so gestellt: „Was ist weiblich, was ist Männlich?“ (Und im idealfall ergänzt um: „Was ist dazwischen?“)

    Vor kurzem kamm auf dem WDR ein interessantes Interview mit Balian Buschbaum
    http://www.wdr.de/tv/plasberg_persoenlich/sendungsbeitraege/2010/0402/index.jsp
    (etwa ab Minute 33, aber die Sendung ist im gesamten Sehenswert.)

    Dabei ist mir aufgefallen, wie Balian Buschbaum in dem WDR Interview von den Männern sozusagen mit offenen Armen empfangen wurde (während er teils für Männer recht unschmeichelhafte Dinge sagte) während eine transsexuele Frau, nach Offenlegung ihrer Vergangenheit nur auf Zeichen ihrer „Männlichkeit“ untersucht wird?

    Dieses Phänomen habe ich vor mehr als einem Jahr mal hier näher analysiert:
    http://badhairdaysandmore.blogspot.com/2009/02/sprachliche-unterdruckung-von-trans.html

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  42. Danke für die ausführliche Antwort. die vielen Links werde ich mir mal irgendwann in Ruhe anschauen. Für den Moment kann ich nur sagen: Ich verstehe den Unterschied zwischen Geschlechtsidentität und Geschlechtsrolle nicht. Meinst du, es gibt eine „neurologische“ Weiblichkeit, die körperlich ist, sich aber nicht in den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen niederschlägt?
    Die unterschiedlich euphorische „Aufnahme“ von Transmännern und Transfrauen von ihren jeweiligen Geschlechtsgenossinnen ist doch leicht erklärt: Ein paar tausend Jahre Patriarchat, in denen Männer über die Frauen herrschten. Da das Problem mit den Männern (von Seiten der Frauen) nie ihr biologisches Geschlecht, sondern immer ihr kulturelles, also „anerzogenes“ Geschlecht war, ist eine gewisse Skepsis gegenüber Frauen, die als Männer sozialisiert wurden, doch irgendwie verständlich. Auch wenn es natürlich im Einzelfall ungerecht sein mag.
    Aber wie gesagt, ich melde mich wieder, wenn ich die ganzen Links gelesen habe.

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  43. Hallo Sarah, also ich habe mir jetzt das Video mit Balian Buschbaum angeschaut, und ich bin nicht überzeugt. Etwa die Bilder aus der Vergangenheit: „Sie sahen damals schon aus wie ein Mann“ (Plasberg, aber von Buschbaum unwidersprochen) Oder das Kinderbild „Ganz klar: Ein Mädchen und ein Junge“. Das sind doch stereotype Zuschreibungen. Ich finde nicht, dass er damals aussah wie ein Junge oder wie ein Mann, sondern so sehen Frauen eben unter Umständen aus! Einen logischen Widerspruch finde ich auch, wenn er sagt, durch die Hormonbehandlung sei sein Denken „klare und einfacher“ geworden. Ich denke, er wäre schon immer ein Mann gewesen? Und Ausagen wie: „Frauen sind eben vielschichtig“. Das ist doch alles stereotypes Zeug, und ich mag es nicht, dass man so von Frauen spricht. Nicht alle Frauen sind vielschichtig. Nicht alle Männer denken einfach in Ja und Nein. Das ist jedenfalls meine Erfahrung mit Frauen und Männern.

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  44. bin durch zufall (was ist zufall?) hier in deinem blogeintrag gelandet und habe ihn und die kommentare mit grossem interesse gelesen! finde es sehr spannend, wie du durch deinen persönlichen freiheitsbegriff bzw. deine persönlich gelebte freiheit deutlich erlebst, wie unpassend und wenig hilfreich kathegorisierungen sind.
    jedenfalls hast du einen neuen leser.

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  45. Liebe Antje,
    ich finde Dich großartig (auch wenn ich irgendwie glaube, dass Du Queer-Sein nicht ganz verstanden hast, oder besser: ganz anders verstehst als ich!)
    Ich bin queer und gleichzeitig versuche ich nicht das „Frausein“, was immer es für MICH bedeutet auszublenden.
    Ich bin in der Frauenpolitik tätig (und Theologin) und bedaure sehr, dass ich Deinen Vortrag in Gießen nicht erleben kann, da ich da im Urlaub sein werde.
    Deine Seite toll. Ich lese sie seit Jahren wurde mir empfohlen!) Ich hoffe, dass ich Dich irgendwann mal kennen lernen kann.
    Feministische Grüße,
    Katinka

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  46. … irgendwie sind da in meinem Kommentar Wörter untergegangen…. „Deine Seite ist toll. Ich lese sie seit Jahren. Sie wurde mir empfohlen….. 😉

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  47. Nach den vielen Kommentaren hab ich zwar vergessen was ich eigentlich schreiben wollte, aber dafür ist mir ein recht passendes Lied in den Sinn gekommen. Dummerweise konnte ich keine Version im Internet finden, schade :-\
    Es nennt sich Contra-Feminin-Maskulin von Kafkas.

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  48. Hallo,
    Auch ich freu mich über den Beitrag und die Diskussion und hab nach den vielen Kommentaren und dem „Soziologenchinesisch“ irgendwas wieder vergessen.
    Dafür ist mir mein Lieblings Dekonstruktuvismus wieder eingefallen, stammt von meiner Mama:
    „Daß Stillende nicht rauchen und keinen Alkohol trinken dürfen, ist doch auch nur so eine gesellschaftliche Konvention.“ 🙂
    Ich bin trotzdem groß und stark geworden, so groß und stark sogar, daß ich quasi unfreiwillig queer wurde. Ich finde das, was von der Idee zu mir (fern jeder geisteswissenschaftlichen fakultät) durchdringt interessant und frage mich gerade jetzte: Gibt es Queer , die Mütter werden? Und was machen die mit der Umwelt, die sie nur noch ihren Bauch „ihre Geschlechtsorgane“ registriert? Irgendwie fehlt der Teil in der Diskussion obwohl die Theorie doch so jugendlich nich mehr ist…

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  49. Frau Schrubb, Sie wollten sich streiten. An sich sind wir uns nur in einem Punkt einig, wir sind nicht queer. Queer bedeutet komisch, verrückt, u.a. schwul. Sie können also nicht queer sein, stimmt nicht als bisexuell könnten Sie reduziert auf Ihre sexuelle Identität sich den Oberbegriff queer aneignen.

    Was ist eigentlich queer – Ist queer nur denkbar auf den philosophischen Grundlagen von Gender-Trouble? – Butlerianerinnen lässt dies vermuten.

    Dann besteht das Problem wohl darin, dass es in dieser Theorie (Gender-Trouble) keine Realität gibt, sondern nur Texte bzw. Diskurse, mithin wird Unterdrückung und Herrschaft geleugnet.
    Innerhalb dieser post- und strukturalistischen Theorien gibt es keine Freiheit, noch gibt es ein Subjekt, noch ein handelndes Individuum – das sind verwerfliche ontologische Annahmen.

    Gender Trouble richtet sich gegen die „Identitätspolitik“ des Feminimus Feminismus ist nach Judith Butler nicht mehr als eine Reprästentationstheorie.

    Da Gender Trouble totalitär ist, sah die Situation an den amerikanischen Universitäten nicht besser aus als in Deutschland. Feministische und Frauenstudien wurden umbenannt: Genderstudies oder queer. Und es gibt keine Lesbenbewegung mehr und keine Frauenbewegung – keine Praxis des Feminismus.

    Monique Wittig bezeichnete die theoretischen Grundlagen von Gender Trouble, die Psychoanalyse nach Lacan (Binarität) und den Strukturalismus nach Claude Levis-Strauß in Anlehnung an das Wilde Denken (Savage Mind) von Levis-Strauß als Herrschaftsideologie, als totalitär. als straight mind.

    Das Totalitäre zeigt sich an der Sprache u.a. an LGBT. In Victor Klemperers LTI Lingua Tertii Imperii, aber auch in 1984 von George Orwell sind Abkürzungen eines der sprachlichen Mittel totalitärer Regime die Wahrnehmung durch Sprache zu verhindern, sprich das Denken zu verhindern. Zumindest in Bezug auf den Begriff straight mind ist wie in der Sprache des Big Brother (Krieg ist Frieden, Liebe ist Haß) die Bedeutung des Wortes ausgelöscht.

    Die sich als queer verstehen, werfen der Heterowelt straight mind vor, das sie den Anderen erst abverlangen, d.h. um sie zu verstehen, muss eine in männlich und weiblich denken, damit sie dann die Permutationen (verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, weiblich-männlich, psychisch-physisch, sex – gender Identität – Rolle; in diesem Fall ausschließlich sexuelle Identitäten) verstehen kann. Sprich: Wer queer sagt, widerspricht sich und ist sich dessen nicht einmal bewusst.

    Gender Trouble richtet sich nicht gegen den Feminismus im Allgemeinen, dieses Buch wurde ja in allen feministischen Seminaren zur Pflichtlektüre. Nein es richtet sich in erster Linie gegen einen materialistischen Lesbianismus (u.a. vertreten durch Ti-Grace Atkinson, Monique Wittig, Christine Delphy, Colette Guillaumin) und einen Feminimus als politische Theorie und Praxis zur Befreiung aller Frauen (bspw. Angela Davies, bell hooks, Barbara Smith vertreten.)

    Sex/Geschlecht wird hier als ein politischer Begriff wie bspw. Klasse verstanden, um Herrschaft zu analysieren und realiter abzuschaffen.

    Freiheit bedeutet dann die Aufhebung der Klassen, die Aufhebung der Geschlechter, die Aufhebung der Rassen, die Aufhebung der Binaritäten, die Herrschaft konstituieren.

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  50. Hallo,
    ich bin gerade eben erst 14, aber naja sagen wir es so, ich habe einen fünfundhlabwöchigen aufenthalt stätioäar in einer Klinik hinter mir. Wegen suzid und depressionen. Aber um ehrlich zu sein habe ich das alles nur weil ich transsexuell bin, und da es iimmer noch Menschen dadrausen gibt die einem deswegen das Leben schwermachen. diese Menschen werden weniger aber sie exsetieren noch… Was mein Leben dadurch erschwärt, ich suche verzweifelt eine Weg mit mir klar zu kommen aber es funktioniert einfach nicht, es ist unmöglich… Und um ehrlich zu sein willl ich das garnicht, meine freundin würde sich auch lieber wünschen das ich ein junge bin dan wäre allles einfacher… aber so ist es nun mal nicht. Meine frage ist ob jemand oer eher gesagt sie, Antje, meine teilbiografie vorlesen möchten bevor ich sie einschicke, denn ich brauche einen neutralen kommentar dazu, sie unterreiche mich unter verenafolkjaer@yahoo.de wenn siie wollen natürlich ur.

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  51. Hallo Antje, Mein Kommentar ist etwas spät, bin grad durch die verlinkung drauf gekommen.
    Aber zu deiner Kritik am Philosophiestudium wollte ich doch etwas sagen. Ich weiß nicht wann & wo du Philosophie studiert hast, aber meine Erfahrung ist da ganz anders. Bei uns gibt es genauso viele weibliche wie männliche Studierende und alles dazwischen.
    Ich habe auch nicht das Gefühl, dass mir mehr ein männliches Weltbild aufgedrängt wird als in anderen Fächern. Im Gegenteil. Analytische Philosophie ist doch gerade so toll, weil es all diese Vorurteile und Klischees in den Köpfen zur seite schiebt und sich wirklich mit den tatsachen beschäftigt. Und wenn man das richtig macht, ist es auch egal was für lebenserfahrungen jemand hat. Kritisches Denken ist defenitiv geschlechtsneutral.

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  52. Liebe Antje,
    auch mein Kommentar kommt reichlich spät, ich bin aber eben auch erst reichlich spät über den butler’schen Dekonstruktionsdiskurs, um den ja heute Studierende nicht umhin können, zum mir viel sympathischeren Differenzdiskurs gekommen 🙂
    Ich finde deinen Blog toll und nachdem ich mich selbst gerade in eine Phase befinde, in der mir das universitäre „Dekonstruktionsparadigma“ zuviel wird, kann ich deinem Gesagten weitgehend zustimmen.
    Deinen Differenzfeminismus finde ich in der Hinsicht furchtbar spannend, als dass er eben das materielle Vorhandensein von unterschiedlichen Körpern (wir nennen sie in unserer Kultur „weiblich“ und „männlich“) als Realität anerkennt und für das politische Handeln von diesem ausgeht. Ungleich anderen älteren Differenzansätzen scheint dein Differenzdenken aber lediglich den physischen Körper zu betreffen, nicht etwa auch unterschiedliche Wesensarten, wenn ich das richtig verstehe? Schließlich sagst du ja, dass Frausein „alles mögliche“ sein kann, je nachdem wie diejenige Frau dies eben für sich füllt.
    Diese Sichtweise ist für mich neu und hatte sich bis dato sogar in sich widersprochen (also: wenn Frauen und Männer jeweils freiheitlich alles sein können, dann fällt ja auch die Notwendigkeit weg sich als Frauen oder Männer zu bezeichnen). Und dies fiel für mich sogar immer sehr stark in die queertheoretische Argumentation.
    Daher würde mich sehr stark interessieren, wie und wo du die Begriffe „Sozialisation“ vs. „Natur“ versthest bzw. einordnest? Oder direkter gefragt: wie erklärst du den (nur als Beispiel) wesentlich höheren Anteil von männlichen Vergewaltigern als von weiblichen?

    Gruß, Verena

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  53. @Verena – Natur und Sozialisation sind einfach deshalb so sehr miteinander verwoben, weil sich entlang biologischer Unterschiede (und damit meine ich nicht Genetik, von denen bis vor kurzem niemand etwas wusste, oder die variablen und fließenden äußeren Geschlechtsmerkmale, sondern eben das – tatsächlich binäre – Schwangerwerdenkönnen oder nicht) Kulturen der Geschlechterdifferenzen entwickelt haben. Und entsprechend wurden die jeweils einem Geschlecht zugehörig Erklärten unterschiedlich sozialisiert. Also: Nicht weil sie einen Penis haben, werden Männer* mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Vergewaltiger als Frauen, sondern weil die meisten Kulturen Menschen mit Penissen dazu anhalten, aggressiv und bestimmend und dominant gegenüber Menschen ohne Penis aufzutreten. Die Biologie ist sozusagen der Anlass, aus dem Kulturen Frauen und Männer unterschiedlich betrachten und behandeln und ihnen unterschiedliche Rollen zuweisen.

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  54. Dein Text hat mMn einige Schwachstellen:
    1. Mal begründest du, warum sie die Queertheorie ablehnt, mal, warum sie selbst nicht queer ist. Dabei sind das unterschiedliche Fragen.
    2. Die Kritik an der Queertheorie richtet sich hauptsächlich gegen diese (selbstverständlich absolut klischeehafte und blamable) eine Aussage von Buttler, die eigentliche Theorie wird mMn nicht ausführlich genug kritisiert, weshalb ich nach dem Text zwar wusste, dass Judith Butler in gruseligen Denkmustern feststeckt(e) – was mich in Anbetracht der Antisemitismusvorwürfe gegen sie nicht weiter wundert -, aber nicht, warum ihre Theorie falsch ist.
    3. Der These „Ich kann es mir nur so erklären, dass es nach wie vor offenbar eine tiefe Sehnsucht gibt, Frau und Mann zu sein“ würde ich insoweit widersprechen, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass das (nahezu) ausschließlich in der Sozialisation begründet liegt.
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  55. Wiedermal ein hochspannender Text! Ich find Judith Butlers Gedanken immer sehr interessant aber da blieb mir bezueglich geschlechter ein bitterer Nebengeschmack, irgendwas das keinen richtigen Sinn machte. Deine Erlaeuterungen haben da ein bissel Licht in meinen persoenlichen Geschlechterirrgarten gebracht.

    Die Zuschreibung von geschlecht auf Dinge oder Handlungen, die eigentlich gar nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, verwirrten mich schon immer extrem. Die Riesenmonster treffen es! Ich wuerde ja sagen, dass diese Dinge oder Verhalten besser queer (also nicht normativ zugeordnet im geschlechtssinne) sein sollten.
    Ein Mensch dagegen darf sich frei aussuchen welches Geschlecht ersie hat (wie auch immer man diese definieren will). Und wenn ersie sich queer aussucht, ist das ja eben nur ein neues Wort fuer ein anderes Geschlecht. Oder so…

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