Altfeministinnen, Jungfeministinnen und der große Graben

Podium in Gießen am 24. September: Heike Faber, Barbara Streidl, Antje Schrupp, Ursula Müller und Stephanie Mayfield (v.l.n.r). Foto: Barbara Czernek

Noch immer geht mir eine Podiumsdiskussion im Kopf herum, die ich Ende September in Gießen moderiert habe. Feministinnen verschiedener Generationen sollten miteinander ins Gespräch kommen, die „jüngeren“ waren Stephanie Mayfield (24) und Barbara Streidl (37), beide unter anderem Bloggerinnen bei der Mädchenmannschaft, die „älteren“ waren Heike Faber (48), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Pädagogischen Institut und Gleichstellungsbeauftragte an der Uni Gießen und Ursula Müller (66), eine der Mitgründerinnen der autonomen Frauenbewegung in Gießen. Das Publikum bestand überwiegend aus „Altfeministinnen“, was daran lag, dass der Anlass der Veranstaltung die Verabschiedung von Ursula Passarge als Frauenbeauftragte in Gießen war, die nach Jahrzehnten in diesem Amt in Ruhestand ging.

Wir hatten uns vorgenommen, an diesem Abend die inhaltlichen Differenzen zwischen älteren und jüngeren Feministinnen konstruktiv auf den Tisch zu bringen und zu besprechen – und vielleicht sogar gemeinsam zu überlegen, wie es „nach vorne“ weitergehen könnte. Wir dachten, die Chancen stünden auch ganz gut, weil wir das Podium absichtlich nicht als kontrovers konzipiert hatten, also keine Differenzen „inszenieren“ wollten, weil wir auch explizit nicht „Frauengenerationen“ eingeladen hatten, sondern solche Frauen, die sich als Feministinnen verstehen (und die ja in jeder Generation eine Minderheit darstellen), und weil wir auch nicht „alt“ und „jung“ hatten, sondern vier Frauen im Abstand von 10-15 Jahren jeweils.

Trotzdem zeigten sich an diesem Abend Verständigungsschwierigkeiten zwischen den „Feminismus-Generationen“, die fast unüberwindbar waren. Das hatte ich in dieser deutlichen Form nicht erwartet. Ich war überrascht, wie schwer es war, die jeweils anderen zu verstehen beziehungsweise ihnen vermitteln zu können, was das eigene Anliegen ist. In meiner Wahrnehmung – und irgendwie auch zu meiner Schande als Moderatorin – sind wir gar nicht wirklich an den Punkt gekommen, inhaltliche Differenzen zu diskutieren. Wir sind über weite Strecken schon daran gescheitert, überhaupt zu verstehen, worum es der anderen geht.

Ich habe darüber nachgedacht, woran das liegen könnte. Diese Gedanken schreibe ich hier mal relativ unsortiert in Thesenform auf (wobei dieses Podium aber nur der Anlass war, meine Thesen beziehen sich auf vielerlei Beobachtungen auch anderswo).

1. Zu wenig direkte Beziehungen

Es gibt wenig direkte Gespräche und Beziehungen zwischen „Altfeministinnen“ und „Jungfeministinnen“. Das führt dazu, dass das Wissen jeweils übereinander zu einem Großteil medial vermittelt ist. Ein Symptom dafür ist auf Seiten der „Jüngeren“, dass sie „Altfeminismus“ oft mit Alice Schwarzer und Emma identifizieren, die jedoch in den 1970ern keineswegs eine so dominante Rolle hatte, wie es heute scheint oder in den Medien dargestellt wurde. Ein Symptom auf Seiten der „Älteren“ ist, dass sie das Phänomen des „neuen Feminismus“ auch nur aus den Feuilleton-Seiten kennen und nicht aus eigener Anschauung. Sie haben dann leicht das Klischee, den jungen Feministinnen gehe es nur um Karrierechancen, aber nicht um Politik.

2. Unkenntnis der jeweiligen Denkansätze

Damit in Zusammenhang steht, dass die maßgebliche Literatur und Theorie der „anderen“ nicht bekannt ist. Junge Feministinnen haben oft nur wenig gelesen von dem, was die zweite Frauenbewegung an Theorien und Forschungsrichtungen hervorgebracht hat. Ich habe manchmal den Eindruck, ihr theoretisches Interesse fängt eigentlich erst mit Judith Butler an, und sie halten alles, was davor gedacht wurde, für veraltet und nur von historischem Interesse.

Die alten Feministinnen hingegen sind etwa zur gleichen Zeit aus der Theorie ausgestiegen, weil sie inhaltlich nicht einverstanden waren mit der Richtung, den die dekonstruktivistischen akademischen Gendertheorien in Deutschland genommen haben. In gewisser Weise entwickelten sich so feministische „Parallelwelten“, oft entlang der Linie innerhalb der Uni – außerhalb der Uni, aber eben auch entlang von Altersgrenzen. Die heute jungen Feministinnen kommen oft gar nicht auf die Idee, dass man eventuell die Abschaffung der Geschlechter gar nicht erstrebenswert finden könnte, während die älteren Feministinnen oft nicht einmal wissen, was mit Begriffen wie „Queer“ oder „Dekonstruktivismus“ überhaupt gemeint ist.

3. Es gibt zu wenig Bereitschaft,  die Orte der anderen aufzusuchen

Die Entwicklung der Medien und speziell die Erfindung des Internet haben diesen „Graben“ noch verstärkt. Denn sie führten dazu, dass die verschiedenen Generationen sehr unterschiedliche Vorstellungen von Politik und Öffentlichkeit haben. Besonders krass kam das in Gießen zum Vorschein, als eine Frau aus dem Publikum den „Jüngeren“ vorwarf, sie würden ihre Ideen ja gar nicht in die Öffentlichkeit bringen, sondern nur ins Internet schreiben.

Da können wir jetzt drüber lachen, aber das wäre zu billig. Let’s face it: Die große Mehrzahl älterer Frauen, und auch der älteren Feministinnen, ist nicht im Internet, und wenn, dann nur sporadisch oder passiv-lesend. Das kann man schlecht und falsch finden, aber nicht einfach ignorieren. Es schwächt die Politik der Frauen, wenn sie auf die Ressourcen und Lebenserfahrungen der älteren verzichten, bloß weil die das Internet nicht als relevanten öffentlichen Ort betrachten. Deshalb müssten die „Jungfeministinnen“ vielleicht ab und zu auch mal dahin gehen, wo die „Altfeministinnen“ sind (in die altmodischen Frauenzentren, zu den Vortragsreihen, in die Bildungsinstitute). Natürlich gilt andersrum auch, dass die „Altfeministinnen“ dringend „ins Internet“ müssen – denn das ist eben der Ort, an dem Öffentlichkeit heute spielt. Wer da nicht mitmacht, braucht sich nicht wundern, nicht gehört zu werden.

Ich denke, wenn Altfeministinnen und Jungfeministinnen gemeinsam politisch für eine bessere Welt eintreten wollen, ist es notwendig, dass sie den Graben zwischen sich überwinden. Dass sie sich füreinander interessieren und sich denkerisch öffnen für die „falschen“ Ansichten der anderen. Und das geht nur, wenn man aufhört, übereinander zu lesen, und anfängt, miteinander zu sprechen.

Vielleicht gar nicht mal am besten auf solchen Veranstaltungen und einschlägigen Podien, sondern eher im konkreten persönlichen Alltag: Suchen wir unsere Denkfreundinnen doch nicht nur in der eigenen Generation, sondern auch in anderen Generationen. Das Denken ändert am liebsten dann die Richtung und entwickelt sich weiter, wenn man inhaltlich herausgefordert wird von einer, die man mag – obwohl man inhaltlich mit ihr nicht einer Meinung ist.

Update: Stephanie Mayfield bietet vom 12.-14. November ein Seminar über „Die 3. Welle des Feminismus“ an. Eingeladen sind insbesondere Frauen aus der 2. Frauenbewegung. Infos hier


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

63 Gedanken zu “Altfeministinnen, Jungfeministinnen und der große Graben

  1. Deiner Grunderkenntnis, die Generationen müssten miteinander reden kann ich nur zustimmen. Allerdings weiß ich nicht, ob die Spaltung notwendigerweise so deutlich entlang einer Altersgrenze verläuft. Ich habe zum Beispiel Stephanie kennengelernt und bei allem Respekt vor ihrer Arbeit wird sie mir hoffentlich keinen Strick draus drehen, wenn ich sage, dass sie nun nicht gerade eine Mainstreamposition junger Feministinnen vertritt. Geschweige denn eine Position, die gesamtgesellschaftlich leicht zu vermitteln wäre. Andere junge Feministinnen, deren Position mir zugegeben eher nahe liegt, scheinen mir in einer Diskussion doch zugänglicher zu sein. Manchmal hat man auch einfach Pech mit der Zusammensetzung eines Podiums, wenn zwischen den extremen Polen jemand fehlt, der Anknüpfungspunkte zu beiden Perspektiven bietet.

    Dass der Diskurs häufig entlang einer eher akademischen Trennlinie verläuft, wie du selbst bemerkt hast, scheint mir da eher entscheidend, denn erst wenn du inhaltliche Differenzen erst mal erkannt hast, kannst du dich dieser auch annehmen. Gerade bei den akademisch feministischen Diskursen trifft der Elfenbeinturmfluch gehäuft auf, weil die Debatten dort teilweise frappierend zirkulär verlaufen.

    Die Besonderheit des deutschen Feminismus, in der Öffentlichkeit von einer egozentrischen Patriarchin usurpiert zu sein, die müssen die Generationen aber wirklich noch mal ausdiskutieren. Wie konnte es dazu kommen?

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  2. Unsere Seite/unser Blog vereint eigentlich zwei Generationen (44 versus 26). Ich habe Sophia mit der „älteren“ feministischen Literatur bekannt gemacht und sie hat mir dafür gezeigt, wie die jüngeren Frauen ihrer Generation denken, fühlen und handeln…

    Und gemeinsam haben wir dann ein paar „krasse“ Erkenntnisse gehabt (und ganz nebenbei noch andere Dualismen auflösen können als nur die von „älter versus jünger“…)

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  3. @Antje Schrupp

    Bin nicht sicher, inwiefern ich Dir zustimmen würde. Also denke ich mal „laut“:

    Würdest Du dich auf die Gesamtsituation beziehen, würde ich Dir grob zustimmen, doch handelt es sich hier um eine spezifische Situation mit bestimmten Teilnehmerinnen.

    So bin ich zu 90% meiner Zeit in Frauenraum unterwegs, zu 90% besteht mein Umfeld aus 40+Frauen und regulär ist selbst mein Wortschatz und meine Artikulationsweise eher „altmodisch“. Ich bin natürlich immer noch ein Kind meiner Zeit, doch sehe ich ein deutliches Bemühen mich auch auf andere Generationen an Feministinnen einzustellen.

    Zwar hatte ich mir für die Podiumsdiskussion vorgenommen, keine diplomatische Funktion einzunehmen, würde jedoch sagen, dass dies Barbara sehr wohl getan hat.

    Zumindest von Seiten der Jüngeren zu den Älteren scheinen die Thesen nicht ausreichend zu greifen.

    Heike hat wenig gesagt bzw. für ihre Themen keinen Raum gefunden. Ursula fand unter den Besucherinnen – meiner Beobachtung nach – mit ihren Gedanken viel Zustimmung.
    Da Ursula altersmäßig am Publikum näher dran war, als ich, würde ich zunächst sagen, dass wir durchaus ein „Generationending“ am Laufen hatten – dafür spricht auch, dass ich zu meiner Person viel Projektion bemerkt zu haben glaube.

    Es kann natürlich sein, dass Deine Thesen ausreichend greifen, von Seiten der Älteren zu den Jüngeren, doch sind mir besonders andere „Generationendinger“ augefallen:

    a) Das Publikum artikulierte mit zunehmender Zeit immer heftiger, dass Ihnen die „Vision“ seitens der Jüngeren fehle.
    b) Ursula machte die Aussage, dass dem heutigen Feminismus die politische Ausrichtung/Koppelung fehlte, soll heißen zu einer Staatsorganisationsform.
    These 1: Die Vision und die Koppelung zur Staatsorganisationsform benennt ein ähnliches Bedürfnis.

    c) Die Frauenbewegung ist tot, nicht existent oder wahlweise „Die Jüngeren sind dran“ wurde vehement von Seiten der Älteren geäußert.
    d) Sowohl Barbara als auch ich haben gegen c) geredet.
    These 2: Seitens der Älteren wurde nach einer „Übergabe des Staffelstabs“ gesucht, in Zusammenhang mit einem Bedürfnis der Älteren in „Rente“ zu gehen.

    e) Die Älteren suchten nach dem alles wichtigsten aktuellen Ziel, dass allein angegangen werden muss. (Bsp.: Ist die Hebammenfrage oder die Quote für Aufsichtsräte eine wichtiges Thema?)
    f) Die Jüngeren wollten oder waren nicht in der Lage, sich auf ein Thema/eine politische Ausrichtung festzulegen. (Gefühlte Antwort der Jüngeren auf Beispiel in e): Warum „oder“?) Dafür spricht auch die häufige Einleitung der Jüngeren „Ich kann nur für mich sprechen….“
    These 3: Während die Älteren die Frauenbewegung als Bewegung einer Gruppe mit gemeinsamen Bedürfnissen sehen, sehen die Jüngeren die Frauenbewegung als Bewegung einer Gruppe mit einem gemeinsamen Merkmal.

    Zusammenführung der Thesen: Der „Clash der Generationen“ fand Ausdruck in einem unterschiedlichen Verständnis von Frauenbewegung und Verantwortung für die Frauenbewegung.

    Soweit erstmal…

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  4. @Stephanie – Ich denke nicht, dass die Frage nach einer „Vision“ in die Richtung nach einem Bekenntnis zu einer speziellen Staatsform (Sozialismus oder so) ging, sondern eher in die Richtung nach Wünschen, nach Inhalten, nach alternativen Gesellschaftsmodellen, für die die Erfahrungen, Urteile und das Engagement von Frauen eine wichtige Ressource sein könnten. Und was die Älteren (mich auch), ein bisschen unruhig gemacht hat, war dass die inhaltlichen Themen, die du und Barbara (und Heike letztlich auch, insofern stimmt das mit den „Generationen“ nur ungefähr) vorgebracht haben, sich sehr auf die Kritik an Diskriminierungserfahrungen, ungleicher Behandlung usw. beschränkt haben. Das wäre sozusagen das „gemeinsame Merkmal“ der Jüngeren, das den Älteren zu wenig visionär ist. (Also so etwa: Wie sinnvoll ist es, eine Quote in Aufsichtsräten zu fordern, wenn Aufsichtsräte bzw. die Wirtschaft für die sie stehen, sowieso abzulehnen sind).

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  5. @Antje Schrupp
    Ich denke „alternative Gesellschaftsmodelle“ lässt sich im Sinne von „Staatsform“ denken. Was die Wünsche und Inhalte angeht, sind mir die Eigenschaften, die etwas haben muss, damit es als „visionär“ gilt, schlicht unklar.

    Waren die allgemeinen Ziele in der ersten Frauenbewegung visionär? Auch diese richteten sich eher an dem patriachalen System aus (Bildung, Wahlrecht etc.).

    War Simone de Beauvoir visionär? Auch diese sprach sich für eine patriachale Durchsetzung von Frauen im Patriarchat aus.

    Ist feministische Theologie visionär? Auch diese arbeiten sich an bestehendem (Bibel) ab.

    Wo ist der Unterschied zur Quote von Aufsichtsräten, etc.? Wann beginnt die Vision und wo hört sie auf/ist sie nicht zu finden.

    Vielleicht fehlt es mir ja tatsächlich an Deiner These 2.

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  6. Mein letzter Satz liest sich irgendwie schnippisch. Ist überhaupt nicht so gemeint, sondern tatsächlich buchstäblich – also ohne jegliche ironische Betonung. Also: Ich halte es für möglich, dass mein Unverständnis gegenüber Vision ein Beleg für Antjes These 2 ist.

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  7. @Stephanie – zum „visionären“ Anteil in den früheren Frauenbewegungen: Die „erste“ Frauenbewegung verstanden als FrauenRECHTSbewegung war in der Tat wenig visionär. Mit Simone de Beauvoir hast du einerseits recht (sie ist in ihren praktischen Vorschlägen sehr auf „Assimilierung“ bedacht), aber das Visionäre an ihrem Buch war, dass sie als erste gezeigt hat, wie eng miteinander verwoben Kultur und „Frauenfrage“ sind. Vor ihr hat man eigentlich meistens die „Frauenfrage“ als ein „Thema“ behandelt, das eines neben allen möglichen anderen Themen ist. Sie hat uns klargemacht, dass man die „Frauenfrage“ nicht diskutieren kann, ohne eigentlich alles neu zu denken. Das ist auch der Grund, warum die „zweite“ Frauenbewegung sie dann so inspirierend fand. Die feministische Theologie hingegen arbeitet sich nicht bloß an Bestehendem ab. Viele feministische Theologinnen haben sich ganz von der Kirche abgewendet (Mulack, Daly), andere haben ganz grundlegende Einwände vorgebracht, zum Beispiel im Hinblick auf das Gottesbild. Das geht weit über das „Bestehende“ hinaus – ich finde, das lässt sich kaum mit „Frauenquoten in Aufsichtsräten“ vergleichen. Die Grenze verläuft vielleicht da, wo man nicht nur innerhalb der vorgegebenen „Kriterien“ Gerechtigkeit und Gleichheit für Frauen verlangt, sondern ausgehend von der Geschlechterdifferenz ganz andere Kriterien findet. Wobei die sich im Einzelfall natürlich nicht eindeutig ziehen lässt.

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  8. Als „Neufeministin“ ist eines meiner Probleme gerade, dass ich gar nicht weiß, wo ich eigentlich zu altfeministischen Veranstaltungen gehen sollte – weil dazu eben nichts im Internet steht. Zum diesjährigen Weltfrauentag waren im ganzen März verschiedene Veranstaltungen in Osnabrück und erst nach langem Rummailen konnte mir jemand die Word-Dokumente dazu schicken (dass es auch keinen Flyer mehr gab, war noch ein anderes Problem). Meine Schwester hat gerade die Webseiten verschiedener Gleichstellungsbüros untersucht und da gibt es noch zuviele Baustellen („sieht hübsch aus“ oft ≠ benutzerfreundlich). Keine Newsletter, keine Online-Veranstaltungskalender, kein RSS oder Twitter…

    Da wird es dann echt schwierig, weil in meinem alltäglichen Umfeld auch keine Werbung für weitere Veranstaltungen auftaucht und ich leider einfach keine Zeit habe, die Stadt regelmäßig nach Flyern abzusuchen. Letzteres ist (zumindest bei mir) auch der Grund, warum sich das Wissen um Theorie in Grenzen hält.

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  9. @Helga
    Ich kenne das von Dir beschriebene Problem gut. Die mit der zweiten Frauenbewegung geschaffenen Institutionen tun sich etwas schwer, mit der Verbreitung ihrer Angebote – vor allem wenn es um „Internet“ und so geht.

    In Mainz verschicken die verschiedenen feministischen Vereine ihre Flyer an andere feministische Vereine. So landen zum Beispiel viele Flyer in der studentischen Frauenbibliothek – so dass theoretisch auch die „Neufeministinnen“ Zugang zu den Informationen haben sollten. So könnte ich mir vorstellen, dass die Flyer auch im Osnabrücker AStA zu finden sind.
    Weiterhin gibt es viele, die ihre Veranstaltung auch bei wolfsmutter.com eintragen.

    Ich habe bei vielen „alten“ Frauenvereinen die Erfahrung gemacht, dass diese aufgeschlossen gegenüber Ideen von jungen Frauen sind, die sich einbringen wollen. Vielerorts fehlt es schlicht an jungen Köpfen, die erklären, warum die Angebote ihre „Köpfe“ nicht erreicht.

    In Mainz war es z.B. so, dass im Frauencafe des Frauenzentrums fast ausschließlich 40+ Frauen waren und die Jüngeren eben davon ausgingen, dass sie dort nichts „modernes“ zu finden war. Das ist natürlich eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Mit viel Arbeit sind wir in Mainz soweit, dass das Frauenzentrum von ca. 20-30% Jüngeren genutzt wird.

    Diese Arbeit seitens der Jüngeren und der Älteren zu investieren, bedarf ebenso viel Kommunikatiosnarbeit. Als kleines Beispiel: Als ich im Frauenzentrum Mainz anfing, wunderte es mich, dass ich nicht auf meinem Handy angerufen wurde. Ich bin viel unterwegs und so ist es schwer mich auf Festnetz zu erreichen. Auf Nachfrage empfanden es die älteren Angestellten als zu aufdringlich auf soetwas Privaten, wie einem Mobiltelefon anzurufen. Wir konnten uns dann darauf einigen, dass sie mich auf meinem Handy anrufen und ich sie eben nicht.
    In einem anderen Verein wurde ich davon überrascht, dass dieser keine Website hatte, weil sie davon augingen, dass mit der Website auch alle Mitfrauendaten online sind… da muss eine erst mal drauf kommen.

    Jetzt bin ich etwas abgekommen, aber in Osnabrück scheint es die „Dienstagsvorträge“ der Frauenberatungsstelle zu geben.

    @Mitlesende
    Ich arbeite unter feministisches-zentrum.de an einer Plattform, die alle feministischen Vereine und Angebote auflistet. Vielleicht hat ja der die ein oder andere Lust, die Angebote ihres Ortes oder Vereins dort mit einzubringen.

    @Antje Schrupp
    Sind wir eigentlich ganz weit vom eigentlichen Thema weg oder ganz nah dran? Solltest Du der Meinung sein, dass wir ganz weit weg sind, gib mir bitte Bescheid, damit ich hier nicht die Diskussion „versaue“.

    Zugegeben meine Fragen waren provokativ. Doch hätte ich schon gesagt, dass bei der Frage nach dem Visionären auf die Perspektive ankommt und das es da eben keine allgemeingültige feministische Perspektive gibt.

    Gesetzt dem Fall, dass viel Visionäres erarbeitet wurde, bleibt für mich die Frage offen, inwiefern diese auch „durchgesetzt“ wurden.

    Für mich ist die Frauenbewegung mit der Aussage verbunden „Ich ebene meinen Schwestern und mir den Weg“. Was dafür notwendig ist, wird verschieden gesehen und wir brauchen Visionäres und schlichtes „Ändern“ (wenn ich diesen Unterschied aufmache). Feminismus ist dafür „mein Schwert und mein Schild“ (shakesville: feminism ist my sword and my shield).
    Feministische Wirtschaftsethiken gibt es und so braucht es den Raum, diese „auszuprobieren“. Ein Schritt dahin kann eine Frauenquote für Aufsichtsräte sein. Denn wenn sich die Frauen nicht mehr schlicht durch Assimilierung anbiedern müssen, kann ich mir vorstellen, dass dabei Anderes vllt. Besseres herauskommt – schlicht durch die andere Perspektive.
    Ähnliches lässt sich mit allem Möglichen durchspielen. Doch ist es weniger visionär Raum für die Praxis der Visionen zu schaffen, als Visionen zu entwickeln? Das kann/will ich nicht glauben.

    U.a. Diskriminierung und Marginalisierung hindert uns an der Praxis von dem, was Du als visionär auffassen würdest. Dagegen an zu gehen, kann doch nicht zu wenig sein für die „Visionärinnen“?!?

    (Mir ist durchaus bewusst, dass es Ansätze gibt, die eher auf Rückzug und nicht-abarbeiten an Bestehendem aufbauen. Doch gibt es „Schwestern“ die einen „Jetzt-sofort-hier-und-wo-ich-will“ Ansatz brauchen und für diese müssen wir meines Erachtens nach auch Raum schaffen. Mit allen Ansätzen und in vllt. kleinen Schritten in die richtige Richtung.)

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  10. Gibt es tatsächlich KEIN Portal, das die Ansichten, Einsichten, Autorinnen und Historie der zweiten Frauenbewegung auf zugängliche Weise „für die Jüngeren“ dokumentiert?

    Es gab und gibt doch wohl Frauenprojekt-Förderungen verschiedenster staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen (wenns schon nicht per freiwilliger Motivation + KnowHow klappt) Hat wirklich in 15 Jahren Internet niemand mal versucht, sowas ins Werk zu setzen?

    Schon seltsam! Und ich sehe das eher als eine Bringschuld der Älteren, denen es eigentlich wichtig sein sollte, die eigenen Inhalte den Jüngeren zu vermitteln.

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  11. @Claudia Klinger

    Das kommt ein bißchen darauf an, welche zweite Frauenbewegung man betrachtet. 🙂
    Für den amerikanischen Raum hat bspw. NOW eine ziemlich umfangreiche Internetpräsenz:
    http://www.now.org/

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  12. Ich (Alter: 54) arbeite lieber mit jüngeren Frauen zusammen, die sich noch nicht felsenfest für die Identität „Feministin“ entschieden haben. Denn sie sind meiner Erfahrung nach weniger an „Gleichstellung als Thema“ (Emma-Linie) orientiert und offener für die Frage der notwendigen postpatriarchalen (kulturellen) Transformationen. In Ländern, die von Frauen regiert werden (derzeit sowohl D als auch CH) ist es ja nichts als normal, dass junge Frauen skeptisch werden gegenüber traditionellen Gleichstellungsforderungen und sich der etwas komplizierteren Frage zuwenden, was denn nun aus der (in vielen, nicht allen Bereichen annähernd erreichten) Gleichstellung folgen soll. Nach meiner Erfahrung sind sehr viele junge Frauen offen für solche Fragen, reagieren aber (für mich verständlicherweise) irritiert, wenn ich sie auf „Feminismus“ festlegen will. Mein intergenerationeller Weg sieht so aus: Ich suche Beziehungen zu jungen Frauen, die mir sympathisch sind, mit denen also die Zusammenarbeit Spass macht, und die zugleich diese Offenheit für Transformation ausstrahlen. Und mit denen mache ich dann was gemeinsam und erzähle dabei natürlich auch über die mir bekannten „Visionen“, die über Gleichstellung hinaus gehen. Dabei spielt es dann nicht mehr so eine grosse Rolle, ob sie „schon im Facebook sind oder nicht“, weil wir ohnehin eher bei gemeinsamen Mahlzeiten, auf Festen oder in Projekten kommunizieren als virtuell über Flyer oder Webseiten. (Ich kenne im übrigen auch viele junge Frauen, die eher skeptisch sind gegenüber Facebook, Twitter etc. Und andererseits sind zumindest hier in meinem Umkreis die traditionellen feministischen Kreise ziemlich internet-versiert – und haben trotzdem Probleme, ihre Veranstaltungen voll zu kriegen.)

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  13. Ich war ja nicht dabei, aber der für mich wesentlich Satz steht am Ende: es hilft entscheidend bei der Bereitschaft, der jeweils anderen zu zu hören und ihre Argumente überhaupt in Erwägung zu ziehen, wenn man sich mag. Und das trifft nicht nur auf Alt-/Jung-Feministinnen zu, sondern für alle Gruppen, die sich vorurteilsbelastet und uninformiert gegenüber stehen, obwohl sie eigentlich dasselbe wollen.

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  14. @Stephanie: Im Referat für Lesben und andere Frauen war ich, auch dort war gerade mal ein Flyer zum Aushängen abgegeben worden (Frauentag). Ansonsten ist dieses Referat bei uns auch von einer etwas älteren Studentin besetzt und leider nicht unbedingt die Brücke zu Neufeministinnen.

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  15. @Ina – Da hast du natürlich recht, ich missioniere auch nicht für den Feminismus. Allerdings habe bei den Nicht-feministisch-aber-auch-Aktiven oft das Problem, dass für sie die Geschlechterdifferenz gar keine Kategorie ist. Zum Beispiel hat mich eine Freundin heute auf eine interessante Webseite hingewiesen, bei der sie mitarbeitet – http://faustkultur.de/ – und in der Redaktion sind überwiegend Frauen, aber diese durchgehend männlich-„neutrale“ Perspektive finde ich einfach nervig. Und da ist es mir dann schon ein Bedürfnis, die Geschlechterdifferenz einzubringen, natürlich NICHT unter der Gleichstellungsperspektive, die im Feminismus ja nie durchgängig vorherrschend war. Aber es gibt natürlich auch die Frauen, die durchaus „postpatriarchal“ denken, ohne sich Feministinnen zu nennen, und da ist das dann nicht nötig, auf dem Label zu bestehen. Kommt also wie immer auf die Situation an.

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  16. Liebe Antje,

    ich verstehe auch nach der Diskussion nicht so ganz, von welchen Alt- bzw. Jungfeministinnen du eigentlich sprichst. Ich verstehe auch nicht, wo die inhaltliche Diskrepanz liegt, von den logistischen Barrieren, die hier schon anklungen, mal abgesehen.
    Ich weiß ergo nicht, auf welcher Grundlage und welchem Selbstverständnis von Feminismus hier eigentlich diskutiert wird.

    Auf der Mädchenmannschaft melden sich unter dem Crosspost von dir schon die ersten, die scharfe Kritik an Dekonstruktivismus und Gendertheorien und ihren vermeintlich unpolitischen Motiven äußern, was in meinen Augen nicht mehr als Polemik ist, die seit 20 Jahren umhergewälzt wird. Der Rollback, den wir (besonders) in Deutschland erleben, ist furchtbar, wird aber z.T. einer fehlenden feministischen Bewegung in die Schuhe geschoben, einer Frauengeneration, die sich als postfeministisch begreift und vielleicht noch nicht mal das. Die jungen Feministinnen hätten also nicht genügend getan, um das zu verhindern. Selbstkritik wird von den jungen verlangt, während die älteren sich nicht ernstgenommen fühlen. Das sind jetzt mal zusammengefasst meine Eindrücke.

    Allerdings, wie ich bereits eingangs schrieb, weiß ich gar nicht, auf welcher Ebene wir uns bewegen und diskutieren. Geht es um die Theorie? Wenn ja, sehe ich dort diesen Graben überhaupt nicht. Geht es um die praktische Umsetzung? Wenn ja, dann fällt mir dieser Graben zwar auf, der scheint mir doch aber sehr relativ zu sein, je nach dem, wie Alt- und Jungfeministinnen nun definiert sind. Ich sehe imho auch nicht, dass sich dieser Graben am Alter festmacht, sondern eher an der Auffassung über Feminismus.

    Aber an dieser Stelle muss ich meinen Text beenden, weil mir nicht klar, ist, welche Auffassungen in welchem Kontext konkurrieren sollen. Also: um welches Problem geht es konkret?

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  17. @lantzschi – Zu sagen, dass die jungen Feministinnen schuld an den desolaten politischen Entwicklungen sind, ist natürlich Quatsch. Allerdings denke ich schon, dass die „Theorie“ einen großen Anteil hat und dass es einen echten Dissenz bzw. Konflikt gibt zwischen den Vor-Queer- und den Nach-Queer-Feministinnen, der nicht wirklich auf dem Tablett ist und diskutiert und aufgearbeitet wird. Das liegt auch daran, dass sich die Uni-Frauen nicht wirklich um eine verständliche Vermittlung ihrer Arbeiten bemühen. Eine befreundete Verlegerin, die ursprünglich mal vorhatte, mit ihrem Verlagsprogramm Unifeminismus einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, ist daran schier verzweifelt, weil sie die Erfahrung macht, dass viele Akademikerinnen sich einem entsprechenden Lektorat schlicht verweigern. Andersrum hat eine ältere Freundin von mir nach Lesen dieses Blogposts es so formuliert, dass sie einen „Widerwillen gegen Queer“ hat. Das heißt, wir befinden uns hier noch auf Ebenen, die eine echte kontroverse Diskussion fast unmöglich machen. Jedenfalls ist das mein Eindruck.

    Ein anderer Punkt, der mir gerade im Kopf herumgeht ist, dass die deutschsprachige Rezeption von Butler wirklich sehr speziell war und eben speziell unglücklich. Vorher hatten wir hier ja den unfruchtbaren und oft sehr polemisch ablaufenden Streit zwischen „Differenzfeministinnen“ und „Gleichheitsfeministinnen“ (auch ein speziell deutschsprachiges Phänomen, bei dem Alice Schwarzer mit ihrem Verdikt gegen alles „Differenzialistische“ eine unglückliche Rolle spielte). Und in diesem Konflikt hat dann der Dekonstruktivismus eine eigene Dynamik entfaltet und den Differenzfeminismus sozusagen ganz ausgehebelt – es galt in den 90er Jahren schlicht als „rückständig“, in akademischen Kontexten über die Geschlechterdifferenz nur zu reden. Hab ich am eigenen Leib erfahren. In letzter Zeit habe ich so die Ahnung, dass Butler dabei auch teilweise schlicht falsch interpretiert wurde (ein Dissenz der ein bisschen in der Rassismus-Kontroverse beim CSD rauskam). Darüber will ich bald nochmal was bloggen.

    Natürlich spielen im Blick auf die politische Entwicklung auch noch ganz andere Sachen eine Rolle, zum Beispiel die Vereinnahmung angeblich „feministischer“ Argumente durch den Neoliberalismus usw. Und die schier unerträgliche Re-Biologisierung und Re-Soziologisierung der Geschlechterfrage, die ganz aus dem Blick verloren hat, dass es beim Feminismus um weibliche Subjektivität geht und nicht um die Analyse von „Frauen“ als gen- oder sozialisationsgesteuerte Masse.

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  18. In Lantzschis Kommentar wird meiner Meinung nach ein Teil des Problems deutlich: Eine Diskussion verschiedener Theorien wird teilweise von den Anhängern als „Rollback“ oder „Backslash“ verstanden, eine eomtionslose Debatte ohne diese Vorwürfe wird nur selten eintreten.

    Butler zB beruft sich ja in ihrer Herleitung für die Entwicklung der Heterosexualität auf das Inzesttabu und dem „Wunsch nach dem anderen“ und damit auf Freud und Lancan und verschiedene andere Feministinnen.
    Beide Konzepte sind aber in übrigen wissenschaftlichen Bereichen unter starken Beschuss, ohne das diese Kritik an den Grundlagen teilweise in den Genderwissenschaften ankommt.

    Von dem Sperren gegen biologische Forschungen bzw. gegen eine „Biologisierung“ will ich dabei gar nicht anfangen.
    Wie du, Antje, aber ja auch ansprichst, kann eine „Steuerung“ genauso über die Sozialisation erfolgen.

    Meiner Meinung nach muss der Feminismus in der Theorie an seiner „Kritiktoleranz“ arbeiten.

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  19. @Antje

    naja, ich würde nicht queer als zäsur beschreiben. es gibt viel feministische theorie, die sich mit intersektionalen oder dekonstruktivistischen oder einfach der frage: was ist das subjekt frau in feministischer theorie? auseinander setzen, ohne queer zu denken. judith butler ist auch nicht die verkörperte queer-theorie, sondern sie hat mit der größtmöglichen öffentlichkeit das ausgesprochen, was schon in den späten 70ern am feminismus kritisiert wurde: der umgang mit dem subjekt frau und die vereinnahmung dieses subjektes durch den weiß-westlichen feminismus, kritik am allheilmittel sex vs. gender und andere phänomene feministischer theoriebildung und deren transformation in die praxis. in der folge ist es völlig richtig, dass feminismus danach vemehrt auch in anderen wissenschaftliche zweigen als der politikwissenschaft neu gedacht wurde.
    ich sehe den graben eher bei denen, die unwillens sind, ihre eigene theoretische auffassung, ihr eigenes verständnis von feminismus auf macht, dominanz und strukturen abzuklopfen. feminismus ist für mich heute viel mehr als nur subjekt frau in bestimmten kontexten und die geschlechterdifferenz.

    wo ich dir recht gebe, ist die tatsache, dass der gesamte theoriehaufen dazu im akademischen kontext verhaftet bleibt. das halte ich für problematisch. viele diskussionen, die geführt werden, zeigen für mich einen eklatanten mangel an theoretischer fundierung bzw. bewegen sich auf wackligen gründen des vergeschlechtlichen alltagswissens. die (politische) praxis hinkt der theorie gefühlte jahrzehnte hinterher, was ich sehr schade finde. allerdings gibt es da für mich auch gründe, die im wissenschaftlichen system, dessen publikationsweisen und dem „Geld verdienen“ mit wissenschaft liegen. die bisher einzige möglichkeit, an neuere theorie heran zu kommen ist der weg in die unibibo oder die raren konferenzen wie jetzt ende oktober in berlin. die publikationen selbst sind unglaublich teuer und nur für wenige erschwinglich.

    in bezug auf neoliberalismus sehe ich nicht nur die vereinnahmung durch, sondern auch die vebrüderung (!) feministischer denke und praxis mit dem neoliberalismus. gendermainstreaming und frauenförderung haben keinen wandel in den geschlechterverhältnissen hervorgebracht, sondern sie in andere bereiche verlagert bzw. sind gar nicht darauf angelegt, gesamtgesellschaftlich und damit strukturverändernd zu wirken. die ursachen dafür sind vielfältig, eine davon ist die ewige rekurrierung auf das vermeintlich homogene subjekt frau, während andere strukturkategorien noch immer hinten runter fallen. auslagerung von care-arbeit an vornehmlich migrantinnen, damit die weißen frauen in ihre spitzenpositionen drängen können, die bildungsdebatte nimmt auch nur das geschlecht in den blick. es scheint, als habe frau sich zu lange mit der faktischen gleichstellung und der assimilation in die dominanzkultur zufrieden gegeben.

    ich denke, dass feminismus in der praxis noch stärker selbstreflektierend und offen für neue theorieansätze werden muss. der widerstand gegen feminismus oder geschlechtergerechtigkeit kommt schließlich nicht von ungefähr, solange noch immer ausschließlich von der geschlechterdifferenz gesprochen wird.

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  20. @Lantzschi – Okay: Da ist ein Dissenz unter uns. Für mich geht es im Feminismus tatsächlich vor allem um das „Subjekt Frau“ und die Bedingungen, unter denen sich weibliche Subjektivität äußern kann (die Beziehungen unter Frauen, das freie Handeln von Frauen in der Welt). Allerdings verstehe ich eben weibliche Subjektivität nicht als „Forschungsgegenstand“, sondern als Movens politischer und sozialer Prozesse. Vor diesem Hintergrund fand ich auch die intersektionalen etc. Theorien nicht so spannend, weil sich das Problem der Dominanz gar nicht stellt, wenn man Frausein nicht als „Identität“ versteht, und Frauen nicht als „Gruppe“ (Oder anders: Es geht nicht um Machtergreifung durch Frauen, sondern eben um etwas anderes, um neue symbolische Maßstäbe).
    Die Differenzfeministinnen waren ja auch die frühesten Kritikerinnen jeglicher Gleichstellungs-, Assimilierungs- und Gendermainstreamings-Politik und eine der schärfsten Kritikerinnen jeglichen „Essenzialismus“-Denkens und auch eine der klarsten Kritikerinnen jeden Versuchs, „westliche“ Vorstellungen von Frauenemanzipation in alle Welt zu exportieren. Aber der Grund dafür ist nicht, dass sie quasi „einsehen“, dass es neben der Geschlechterdifferenz noch andere wichtige Ungerechtigkeitskategorien gibt. Genau andersrum: Ich sehe tatsächlich in der Geschlechterdifferenz nicht nur irgendeine „Kategorie“ neben hunderttausend anderen, sondern dasjenige grundlegende Paradigma, das wenn wir es ernst nehmen würden, den Universalismus des männlich-weißen-westlichen Hegemoniedenkens (der natürlich auch von Frauen vertreten werden kann) aushebelt. Wenn man die Geschlechterdifferenz hingegen relativiert, landet man leicht über die unendliche Ausdifferenzierung aller möglichen Strukturmerkmale und Identitäten (Hautfarbe, sozialer Status, Nationalität, Lebensform, Alter, sexuelle Orientierung usw.usw.usw.usw) am Ende doch wieder bei Einem, nur eben nun in unendlicher Vielfalt.
    Das alles verstehe ich natürlich nicht als „Beweis“, sondern als „Entscheidung“. Die Geschlechterdifferenz hat keine Bedeutung an und für sich, die sich erforschen ließe, sondern wir sind es, die ihr Bedeutung und Sinn geben oder eben nicht oder eben diesen oder einen anderen Sinn. Aber das ist eben vielleicht auch die Politikwissenschaftlerin in mir.

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  21. „Ich sehe tatsächlich in der Geschlechterdifferenz nicht nur irgendeine „Kategorie“ neben hunderttausend anderen, sondern dasjenige grundlegende Paradigma, das wenn wir es ernst nehmen würden, den Universalismus des männlich-weißen-westlichen Hegemoniedenkens (der natürlich auch von Frauen vertreten werden kann) aushebelt.“

    Kannst du das mit dem männlich-weißen-westlichen Hegemoniedenken vielleicht noch mal etwas ausführen.
    Inwiefern ist Hegemoniedenken männlich? Und inwiefern verhalten sich nicht weiße und westliche Männer (und Frauen bzw. Frauen an sich) nicht hegemonial?

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  22. @lantzschi & @Antje Schrupp
    Ich habe jetzt Eure letzten beiden Kommentare etwa 3-mal gelesen und bin kurz davor mir die einzelnen Argumente und Thesen rauszuschreiben, damit ich sie besser fassen kann – das ist jedoch für eine Kommetardiskussion ein bisschen überkandidelt (und akademisch).

    Für mich ist der „große“ Dissenz zwischen queer- und differenzfeministischen Ansätzen schwer zu fassen. Um es ein bisschen kleiner zu machen, beschäftige ich mich fortfolgenden nur noch mit dem, was ich von lantzschi und Antje glaube verstanden zu haben und vereinfache dies fortfolgend zusätzlich radikal.

    Antjes Perspektive scheint die Ausarbeitung der Perspektive von Frauen zu sein, die durch Kultur in eine bestimmte gemeinsame Lage gebracht wurde und durch diese gemeinsame Lage ein darauf zugeschnittenes Werte- und Lebensgestaltungssystem entwickelte. Diese Ausarbeitung wird dann von ihr genutzt, um darauf aufbauend nicht-patriarchale Visionen/Forderungen/Alternativwelten zu entwicklen.

    Lantzschi wäre diese Perspektive zu wenig, sondern möchte einen möglichst umfassenden Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und was dies für Individuen und Gruppen von Individuen mit mind. einem gemeinsamen Merkmal bedeutet.

    Unterstelle ich nun, dass Antje nur die Perspektive von weißen, in Deutschland lebenden, heterosexuellen Mittelstandsfrauen ist, kann Antjes Arbeit immer noch gut als Material für Lantzschis Perspektive dienen. Schließlich muß irgendwer mal artikulieren, was irgendwelche Gruppen mit mind. einem gemeinsamen Merkmal denken könnten (denn ohne das ist ein Verstehen der eigenen und fremden Situation/en viel schwieriger, sei es in Abgrenzung zum Artikulierten oder in Annäherung) und dabei ist wahrscheinlich keine_r perfekt.

    Ich sehe also keinen großen Dissenz sondern eher ein „fortfolgend“ (und zwar nicht auf einem Strahl, sondern mit vielen Weggabelungen usw.). Sich darüber zu „zerfleischen“ ob es jetzt ein Subjekt Frau gibt oder nicht erscheint mir sowohl müßig, als auch für eine konstruktive Zusammenarbeit wenig nutzbringend. Lassen wir den Denker_innen doch jeweils ein paar kleine „Fehler“, damit diese denken können.

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  23. @Stephanie – Nein, zumindest was mich betrifft ist das nicht richtig wiedergegeben. Das mit der „gemeinsamen Lage“ der Frauen ist ja nicht richtig, weil es die gar nicht gibt. Sondern was ich meine ist, dass die Geschlechterdifferenz mit allen anderen gesellschaftlichen Themen verwoben ist, sodass man über nichts reden kann, ohne dass die Geschlechterdifferenz quasi „mitspielt“. Also auch vermeintlich „neutrale“ Themen wie Wirtschaft, Gerechtigkeit, Liebe, Migration, Sozialstaaat, Religion usw.usw. lassen sich nicht denken, ohne die Geschlechterdifferenz zu berücksichtigen und umgekehrt – je nachdem um welches „Thema“ es sich handelt wirkt das auch wieder auf unser Verständnis der Geschlechtedifferenz zurück. Meine „Praxis“ dazu ist weibliche Subjektivität, also ein Handeln von Frauen das sich in der Differenz und in der Beziehung zu anderen Frauen verortet, also nicht am vorgegebenen (männlichen, d.h. die Geschlechterdifferenz für „nebensächlich“ haltenden) Maßstab zu messen oder zu orientieren. Die „anderen Merkmale“ sind damit unweigerlich schon drin, weil Frauen ja verschiedenen Kulturen, sozialen Schichten, etc. angehören. Also: Wenn ich über Gerechtigkeit nachdenke, rede ich mit Juristinnen, wenn ich über Religion nachdenke, mit religiösen Frauen, wenn ich über soziale Hierarchien nachdenke, frage ich Frauen aus anderen sozialen Schichten usw. Das Frausein ist aber gerade – in der Bedeutung, die ich ihm gebe – nicht einfach ein weiteres Merkmal, sondern mein Ausgangspunkt (davon unbenommen kann es aber hin und wieder auch ein Merkmal sein, wenn es speziell um Frauendiskriminierung geht. Aber das ist nicht das Zentrale).

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  24. @Christian – historisch haben westliche Männer die Geschlechterdifferenz so interpretiert, dass der Mann das „Normale“ und die Frau das „Zweitrangige“ ist (wissen wir seit Simone de Beauvoir, deren Buch im Original ja „Das zweite Geschlecht“ heißt). Das heißt, Frauen wurden nicht als Subjekte betrachtet, als „andere“, als Gegenüber mit eigenen Vorstellungen und Ansichten, sondern als „defizitäre“ Variante des Mannes oder auch als dem Mann „gleichgestellt“ – zwei Seiten derselben Medaille. Diese Vorstellung, es gebe einen „Normalmenschen“ ist typisch westlich-universalistisch, und sie liegt auch der SIcht auf „andere“ Männer zugrunde, insofern „Schwarze“, „Homosexuelle“ usw. als defizitäre Variante des „normalen“ Mann-Menschen betrachtet wurden. Dieses kulturelle Paradigma existiert auch unabhängig davon, ob einzelne Männer und Frauen es vertreten (es gibt Männer, die sich kritisch damit auseinandersetzen und Frauen, die es unkritisch übernehmen). Es geht also nicht um ein irgendwie „weibliches“ oder „männliches“ Verhalten, sondern um die symbolische Ordnung, in deren Rahmen wir die Welt zu interpretieren gewohnt sind. Die Wünsche und das Handeln von Frauen unter dem Label „Frauenfrage“ subsumiert zu haben ist eine Folge davon.

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  25. @Antje
    Danke für Deine Erläuterungen.
    Aber wie ist denn der „Ausgangspunkt“ gesetzt?
    Ist nicht die Erklärung/Rechtfertigung/Argumentation für Deinen Ausgangspunkt, dass was ich zu beschreiben versuchte?

    Für alle Fälle nochmal länger: Wenn Frau die 1. Qualifikation und „Ausbildung“ die 2. Qualifikation für eine von Dir anerkannte Autorität ist, ist dann nicht für das Setzen der 1. Qualifikation notwendig, dass Frauen zunächst aus irgendeinem Grund eine andere Perspektive haben können? Und ist für das Setzen einer möglichen anderen Sichtweise aufgrund eines Geschlechts nicht in irgendeiner Form ein zumindest kulturell oder biologisch anderer „Zustand“ aufgrund des Geschlechts als Erklärung notwendig?
    Weiterhin: In meiner Erinnerung arbeitest Du dich von einer Autorität zu einer allgemeineren Folgerung (also über die Folge für die Autorität) hinaus und entwickelst so Werte/Visionen/Modelle, die das Maßstäbe setzen aus einer „anderen“/weiblichen Perspektive erst ermöglichen?

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  26. Beauvoir habe ich gelesen.

    Was mir an ihrer Argumentation nicht gefällt, ist, dass sie im Prinzip nur die eine Seite betrachtet.
    Meine Theorie wäre, dass Frauen auch ihr Verhalten als Normal ansehen und klassisch männliches Verhalten als das andere. Es erscheint mir normal, sich selbst als normal anzusehen.

    Zumal die Argumentation Beauvoirs ja in vielen Punkten auch überholt ist. Heute müssen Frauen weit weniger Angst vor Sex und Abtreibung haben, sie heiraten in der Regel aus Liebe und nicht mehr den erstbesten.

    Beauvoir scheint ja einen Teil der Schuld auch den Frauen zu geben. So schreibt sie, dass Frauen, die unter der Obhut eines Mannes aufwachsen, von der belastenden Seite der Weiblichkeit weitgehend verschont bleiben:
    „Ein Fluch, der auf der Frau lastet, besteht darin, daß sie in ihrer Kindheit Frauenhänden überlassen wird.“ (S.348 )
    Interessant für das gemeinsame Sorgerecht bei unverheirateten oder?

    Zur Verbindung von Beauvoir und Butler vielleicht noch das Folgende aus „Unbehagen der Geschlechter“:

    Beauvoir behauptet , dass der weibliche Körper für die Frauen Situation und Instrument der Freiheit sein müsse und nicht eine definierende und einschränkende Wesenheit. Ihre Analyse wird von einer Theorie der Leiblichkeit geprägt, die eindeutig durch die unkritische Reproduktion der Cartesianischen Unterscheidung zwischen Freiheit und Körper eingeschränkt wird. Trotz meiner früheren Versuche, das Gegenteil zu beweisen, scheint Beauvoir den Geist-Körper-Dualismus beizubehalten, auch wenn sie eine Synthese der beiden der beiden Termini beabsichtigt. Die Aufrechterhaltung dieses Unterschiedes kann als symptomatisch für den Phallogozentrismus gelesen werden, den Beauvoir unterschätzt.

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  27. @Stephanie – nein, der Ausgangspunkt ist einfach die Tatsache, dass ich als eine Frau geboren bin. Über diese Tatsache wurde ich sozusagen „informiert“, ich habe sie nicht selbst gewählt. Und ich stelle fest, dass „Frausein“ in der Kultur mit diversen Bedeutungen verknüpft ist. Damit ist die andere „Perspektive“ schon gegeben, ohne dass meinerseits irgend etwas inhaltliches dazukommen müsste (oder bei den anderen Frauen). Natürlich ist dieses Sich-in-Beziehung-Setzen zu anderen Frauen nicht einfach wahllos, sondern da kommt dann mein Begehren, meine Subjektivität usw. dazu, das heißt ich setze mich zu bestimmten Frauen in Beziehung, die ich interessant finde, die mich inspirieren, die mir helfen können – und was dabei ins Spiel kommt ist ihre Subjektivität und meine Subjektivität und nicht unser „Frausein“. Aus dem, was wir dann entwickeln, können diese anderen Werte/Visionen etc. entstehen und wir bringen sie in die Welt, also in den Diskurs auch mit Männern. Aber inhaltlich sind sie nicht Resultat unseres „Frausein“, sondern unseres individuellen und persönlichen Handelns. Die interessantesten Frauen sind und waren ja oft die, die gerade nicht das machten, was „typisch weiblich“ ist.

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  28. Liebe Antje!

    Und die schier unerträgliche Re-Biologisierung und Re-Soziologisierung der Geschlechterfrage, die ganz aus dem Blick verloren hat, dass es beim Feminismus um weibliche Subjektivität geht und nicht um die Analyse von „Frauen“ als gen- oder sozialisationsgesteuerte Masse.

    Da seht! Das habe ich immer schon für das Problem der Feministen gehalten, daß sie sich nicht um Sozialisation kümmern. Dabei „bestimmt“ doch „das Sein das Bewußtsein“ (Karl Marx), also das, was sich hier Subjektivität nennt. Christian und seine Spießgesellen gehen da noch weiter, und bestreiten gar, daß es überhaupt so etwas wie soziale Einflüsse auf das Geschlechterverhältnis geben könnte.

    Ein Beispiel: Wenn ein Personaler die Stelle eines Chefingenieurs bevorzugt an verheiratete junge Männer vergibt, dann doch ganz bestimmt nicht deshalb, weil er eine alleinerziehende Chefingenieuse für unnormal hält, sondern weil der Personaler gewisse soziale Erwartungen bei seiner Einstellungsentscheidung berücksichtigt: Verheiratete Männer sind angepaßt und verantwortungsbewußt, weil es da eine Frau gibt, die ihm den Rücken freihält und die Hölle heiß macht, wenn der Mann versagt, weil das Haus sonst nicht mehr abgezahlt werden kann. Frauen hingegen fallen dauernd aus, weil Kinder kommen und die krank werden, und auch sonst noch diverse Verpflichtungen anfallen, so daß man sich ständig auf ihre persönlichen Umstände einstellen muß.

    Noch ein Beispiel: Warum gibt es mehr Analphabetinnen als Analphabeten? Weil Schüler normal sind, und Schülerinnen wie aus Adams Rippe von Schülern abgeleitet wurden. Nein, weil manche Italienierinnen, Libanesinnen und Türkinnen auf ihre Geschwister aufpassen müssen, im Geschäft ihrer Eltern mithelfen müssen, und sie deshalb von der Schule genommen werden. Da gibt es einfach Erwartungen an diese Mädchen, denen sie sich nicht entziehen können.

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  29. @Antje,

    jetzt habe ich endlich verstanden, welcher Idee du folgst 🙂 Deine Priorität liegt beim Geschlecht und einer vergeschlechtlichten Identität, der Geschlechterdifferenz als Relation vergeschlechtlicher Identitäten. Okay. Das ist wirklich eine andere theoretische Herangehensweise, als ich sie pflege und würde in einer Grundsatzdiskussion enden. Ich möchte gar nicht irgendwelche Feminismen gegeneinander stellen und hierarchisieren bezüglich ihrer Fähigkeit, Lebensrealität aller Menschen wahrheitsgemäß zu erfassen bzw. „das Beste für alle rauszuholen“.

    Gemein ist doch allen Feminismen letztendlich, dass es um eine gerechte Verteilung von Freiheit und Gleichheit unter allen geht und um eine Aufhebung von Normalisierungsdiskursen, Dominanzkulturen und Hegemonien, die diese einschränken. Nur jede Richtung eben mit einer anderen theoretischen Fundierung und einem anderen Hebel. Jede Richtung davon kritisch zu reflektieren macht aber eben noch keinen Graben unter ihren jeweiligen Vertreter_innen. Deswegen verstehe ich nicht ganz, von welchem Graben hier eigentlich gesprochen wird.

    Richtig ist, dass der Dialog in der Praxis fehlt und irgendwie fehlt mir auch eine feministische Bewegung, um ehrlich zu sein. Die finde ich nur hier im Netz. „Draußen“ erlebe ich einen Rollback, der seinesgleichen sucht. Vielleicht sollten dahingehend wieder Bande geknüpft werden.

    Danke für die erhellende Diskussion.

    PS: Der Theorie von Intersektionalität geht es sehr wohl um die Aufhebung von Dominanz und daraus entstehenden Ungleichheitslagen, bietet aber viel Freifläche für verschiedene theoretische Anknüpfungspunkte. Als Überblick kann ich das hier empfehlen: http://www.rosalux.de/fileadmin/ls_sh/dokumente/Intersektionalitaet_Mehrebenen.pdf (dieser Text ist zwar im Bereich soziologischer Empirie anzusiedeln, hat aber zu Beginn einen guten Abriss über den bisherigen Stand der Theoriebildung)

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  30. @Christian – was zu beweisen war 🙂 _ Nein, ich kann dir versichern, dass die meisten Frauen ihr Verhalten nicht einfach so ohne weiteres als „normal“ ansehen. Sie haben zwangsweise sehr viel Übung darin, zwischen dem, was sie selbst tun / denken und dem, was für „normal“ gehalten wird, zu unterscheiden. Was Butlers Kritik an Beauvoir betrifft, so teile ich die. Aber dass Beauvoir an manchen Punkten schief lag oder den „Phallogozentrismus“ unterschätzte heißt ja nicht, dass sie im Bezug auf die Notwendigkeit, die Geschlechterdifferenz ganz anders zu denken als bis dahin, schief lag.

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  31. @lantzschi – Ja, genau. Das „Graben“ von dem ich sprach. sollte sich ja auch nicht auf die Unterschiede in den theoretischen Ansätzen als solchen beziehen (solche Unterschiede können sich ja normalerweise gegenseitig befruchten), sondern auf die Schwierigkeiten, zu den eigentlich Unterschieden vorzudringen. So wir wir ja auch jetzt drei Anläufe gebraucht haben, um herauszuarbeiten, wo die Differenzen überhaupt liegen. Und die Gründe, warum das so schwer ist, sind eben imho: Fehlende Kenntnis der „Theorien“ der andere, fehlende konkrete Beziehungen, unterschiedliche Mediennutzung.

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  32. @Antje

    ich versuche es mal mit einem Beispiel:

    Weibliche Sexualität und Liebe wird meiner Meinung nach zB eher als „rein“ und normal angesehen, männliche Sexualität eher als pervers, also abweichend.

    Frauen werden es für normal halten, dass man sich an Jahrestage etc erinnert und sauer sein, wenn man sie vergisst.

    Ich habe auch schon gehört „Wie kannst du dieses oder jenes nicht gefühlsbetonter sehen?“ Worauf ich versucht bin zu antworten: Weil ich anders bin als du, nämlich ein Mann.

    So kann man die Geschlechterunterschiede durchgehen und wird häufig feststellen, dass Frauen ihr Verhalten als normal ansehen und das männliche als das andere.

    All das wo eine Frau typischerweise zu einem Mann sagt „du kannst das doch nicht so und so machen“ obwohl sie weiß, dass Männer es gerne so oder so machen, was ist das anders als sich selbst, die „weiblichen Vorstellungen“ zur Norm setzen?

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  33. @lantzschi

    Jede Richtung davon kritisch zu reflektieren macht aber eben noch keinen Graben unter ihren jeweiligen Vertreter_innen. Deswegen verstehe ich nicht ganz, von welchem Graben hier eigentlich gesprochen wird.

    Ich glaube die Graben Gesichte kam auf, da es auf der Podiumsdiskussion in Gießen vermutlich zu einem Kommunikations-Gap gekommen ist, also die Diskutierenden kamen irgendwie nicht zusammen – weder auf dem Podium noch mit den Menschen, die nicht auf dem Podium waren.

    Antje dazu im Eintrag: „Trotzdem zeigten sich an diesem Abend Verständigungsschwierigkeiten zwischen den „Feminismus-Generationen“, die fast unüberwindbar waren.“ Es wurde also vermutet dass das allseitige Unverständnis an einem/mehreren Generationenunterschied/en (-graben/-gräben) lag.

    @Antje
    Wo genau wiedersprichst Du mir?
    Also ok, es kommt noch die 3. Qualifikation hinzu: für dich interessant. Aber ich sehe nicht, wo die 3. Qualifikation etwas maßgeblich an meiner These verändert.

    Ich habe übrigens an keinem Punkt unterstellt, dass Du nach etwas typisch weiblichen suchst… gar nicht. Auch nicht das die Inhalte Resultat des Frauseins wären. Was die Einschätzung von „über Frau sein informiert werden oder selbst Frausein gewählt haben“ fehlt mir jeglicher Bezug zu meinen Fragen.

    Schreiben wir aneinander vorbei oder check ich es einfach nur nicht?

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  34. @Stepbanie – Nein, ich wollte dir nicht widersprechen, sondern nur erläutern, dass „Ausgangspunkt“ einfach faktisch gemeint ist, nicht als inhaltliche „Qualifikation“. Ich wähle Frauen nicht als Autorität, weil sie Frauen sind, sondern weil sie dieses oder jenes sagen/tun/können. Ich hatte deine Frage so verstanden, dass du vermutest, es würde irgend ein gemeinsames inhaltliches Merkmal geben müssen, weshalb ich Frauen als Autoritäten wähle.

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  35. @Christian – achso, jetzt weiß ich besser, worauf du hinauswillst. Aber in solchen Situationen ist es imho nicht sinnvoll, auf die Männer-Frauen-Schiene überhaupt zu gehen. Da geht es um zwei Menschen, die einen Konflikt haben, und den sollen sie austragen, ohne die Schuld bei Geschlechterklischees zu suchen. Ich vergesse Gedenktage auch immer 🙂

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  36. @Antje

    Ohne Geschlechterunterschiede kann man sich ja nicht als „das andere“ sehen. Insofern stellt sich die Frage, warum gerade diese Verhaltensweisen, die sich ja nicht nur bezüglich eines Streits wahrnehmen lassen, sondern auch allgemein in der Gesellschaft nicht mit herangezogen werden sollen.

    Bei welchen Geschlechterunterschieden sieht sich denn die Frau tatsächlich als „das andere“, geht also davon aus, dass die Handlungsweise des Mannes normal ist und ihre nicht?

    ich finde es auch schwer zwischen „Normal“ und „anders“ abzugrenzen, wenn es nur zwei Geschlechter gibt und diese sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Da ist es doch eher so, dass das Verhalten nach den Geschlechterrollen jeweils für das jeweilige Geschlecht als normal angesehen wird und nicht eines als normaler als das andere.
    Allenfalls in Bereichen, die klassischerweise einem Geschlecht zugewiesen sind wird die jeweilige Sicht des dort bisher vorherrschenden Geschlechts als normal, weil bekannt angesehen.
    Mit dem Problem haben aber Männer wie Frauen zu kämpfen, was indirekt auch bei Beauvoir deutlich wird:
    Weil die dort erwähnten Männer von ihrem Rollenbild weniger auf Kindererziehung als auf Erwerbstätigkeit zugeschnitten sind, lassen sie Kindern mehr Freiraum, binden diese früher mit in den Haushalt ein und gehen schneller wieder arbeiten. Das wird aber nicht als normal angesehen, sondern als andere Art der Erziehung oder auch Nichterziehung.

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  37. @Antje

    Ich hatte deine Frage so verstanden, dass du vermutest, es würde irgend ein gemeinsames inhaltliches Merkmal geben müssen, weshalb ich Frauen als Autoritäten wähle.

    Achso, nein das ist es nicht. Tatsächlich brauche ich (als Philosophiestudentin und Logikfan) für alles Thesen, damit eine Aussage (Argument) Bestand hat.

    Soll heißen, mein

    Antjes Perspektive scheint die Ausarbeitung der Perspektive von Frauen zu sein, die durch Kultur in eine bestimmte gemeinsame Lage gebracht wurde und durch diese gemeinsame Lage ein darauf zugeschnittenes Werte- und Lebensgestaltungssystem entwickelte.

    war mein Versuch einer Erklärung, warum Du auf die Perspektive von weiblichen Fachkräften (Autoriäten) Wert legst – also wie aus deinem „über Dein Frau sein informiert worden sein“ folgt, dass es möglich ist in einer (ausschließlichen) Geschlechterdifferenz denken zu können.

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  38. Antje, du hast vollkommen recht, denke ich, dass für die meisten jungen (Uni-)feministInnen die feministische Theorie bei Butler anfängt. Ich besuche gerade wieder zwei Veranstaltungen, zur Frauen- und Geschlechtergeschichte einerseits, und zu Kunst und Gender andererseits. Ich muss gestehen, dass ich hier das erste Mal wirklich systematisch Texte lese, die aus den 70ern und 80ern stammen, und gerade deshalb sagte ich mir gestern abend, dass ich nebenbei unbedingt eine Geschichte der Frauenbewegung (also nicht eine theoretische Darstellung, sondern eine die sich an den Ereignissen orientiert lesen möchte, denn ich kenne zwar die Daten der neolithischen, nicht aber der feministischen Revolution).

    Erklären kann ich das für mich übrigens ganz leicht: Wenn sich eine in der Geschichts- und Kunstwissenschaft für Geschlechterforschung interessiert, ist das Chefparadigma im Moment einfach die Foucault-Butler-Doppelhelix. Die Komplexität dieser Theorien überfordert erstmal jede, die mit dem Studium beginnt, und darum habe zumindest ich mich ziemlich lange damit beschäftigen wollen, weil ich ja nach etwa dieser Methode Seminararbeiten schreiben muss. Am Beispiel der Geschichtswissenschaft: Dass da keine mehr hinter die Ergebnisse von Butler zurückkann, das haben die in die Frauen- und jetzt Geschlechtergeschichte involvierten Historikerinnen miteinander ausdiskutiert und beschlossen, dass sich dieser Ansatz am besten eignet. Mit ein Grund dafür ist (ohne auf inhaltliche Fragen einzugehen), dass wenigstens in der Geschichtswissenschaft die Debatte über Methoden und Ansätze der Geschlechtergeschichte in den USA bereits heiss im Gange war und von da rüberschwabte. Aber zur allgemeinen Beruhigung der Altfeministinnen, natürlich diskutieren wir auch über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Theorien. Aber zunächst muss ich lernen damit eigenständig zu arbeiten, bevor ich dann überlegen kann, ob sie auch taugt, oder ob ich was anderes brauche.

    Eines der Probleme, die also zwischen einer Altfeministin und mir auftauchen würde, wäre also gar nicht inhaltlich, sondern für mich würde ich behaupten, dass ich halt (im Moment) in erster Linie am wissenschaftlichen Arbeiten interessiert bin (ist meiner Meinung nach auch politisch und wichtig), aber eben gerade nicht an der traditionellen politischen Aktion.

    Was aus meiner Sicht in die Probleme der Frauenbewegten mit den Neos hereinspielen könnte, ist vielleicht, dass sie sich von den Jüngeren mehr Anerkennung erhoffen, für die in der Tat unentbehrliche Arbeit die sie in diesen Sachen geleistet haben. Und ich spekuliere jetzt munter, vl. bekommt dann die junge Generation von erklärten Feministinnen den Frust ab, der eigentlich den (un-)erklärten Nicht- und Antifeministinnen unserer Generation gälte, die v.a. erstmal von ihren neuen Bildungschancen profitieren und sonst nichts weiter vom F hören wollen.

    Ich bin wahnsinnig froh über diese Arbeit, denn ich weiss, dass ich mich mit noch viel mehr Vorurteilen rumschlagen müsste. Bspw. sah ich das eben an dem Text von Linda Nochlin von Ende 70er sehr gut, die einen Aufsatz zur Frage schrieb, wieso es niemals grosse Künstlerinnen gab. Dank dieser Vorarbeit plus dem ganzen gendertheoretischen Wissen, muss ich solche Vorurteile nicht mehr ernst nehmen, sondern kann direkt weiterschreiten und eine Arbeit darüber schreiben, wie die soziale Rolle des Starkünstlers historisch unausweichlich mit einer bestimmten Vorstellung von Männlichkeit verknüpft war, so dass es gar nichts bringt die Verhinderungen, denen Künstlerinnen unterworfen waren, aufzuzählen (wenigstens nicht im Zusammenhang mit dieser Frage), weil es aus der Logik der Geschlechterordnung heraus nicht möglich war, dass weiblichen Künstlerinnen ein solcher Status zukommt.

    Von meiner Seite her, kann ich überdies so etwas sehen, wie ein stinknormaler Generationenkonflikt, den die heranwachsenden Söhne bekanntlicherweise auch mehr oder weniger heftig mit der jeweiligen Vätergeneration austragen. Da wir als die jüngeren über ein weniger an gefestigter Autorität verfügen, ja, wir uns vielleicht sogar noch im Prozess befinden, uns fertig von unseren Eltern abzunabeln, sind wir bestimmt hyperempfindlich, wenn Frauen, nicht viel älter als unsere Mütter, uns nur ein bisschen vorschreiben wollen, wie wir zu denken hätten, und die noch zu allem Übel von uns Verständnis für sie einfordern ; ) – ich denke, dass jede Altfeministin einfach sofort deswegen, ohne dass wir Jungen viel dagegen tun können, in unserer Wahrnehmung etwas in diese Mutterrolle gerät.

    Ein weiterer Hinweis findet sich übrigens noch in der letzten Missy, die über ein Berliner Frauen-Wohnprojekt berichtet: Da heisst es, dass die älteren die jüngeren Frauen manchmal in Debatten überfahren, einfach weil sie einen anderen, härteren Kommunikationsstil pflegen. Immerhin haben sie sich den in den politischen 70ern und 80ern erarbeitet gegen das Gedröhn der männlichen 68er. Wir die Kinder- und Kindeskinder, haben von der weniger (offen) autoritären Gesellschaft und Erziehung gelernt, und sind im Schnitt wohl eher Kommunikationssofties geworden, der Backlash tat wahrscheinlich noch den Rest.

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  39. @Lina
    Ich habe viel für Deine Analyse übrig.

    Das was Du mit

    Was aus meiner Sicht in die Probleme der Frauenbewegten mit den Neos hereinspielen könnte, ist vielleicht, dass sie sich von den Jüngeren mehr Anerkennung erhoffen, für die in der Tat unentbehrliche Arbeit die sie in diesen Sachen geleistet haben.

    habe ich von einer anderen jungen Feministin als „Dankbarkeitskiste“ bezeichnet bekommen. Ich erlebe es häufiger, dass wenn ich eine ältere Feministin kennenlerne, diese mir zunächst darlegen möchte, was sie alles „schon getan“ hat – doch in vielen Fällen ist dies kein gegenseitiger Informationsaustausch. Zudem entwickelt sich dabei ein „Sei dankbar“-Bedürfnis zumindest in meinem Kopf, heißt ich finde sie hat Anerkennung und Dankbarkeit verdient und ich fühle mich verpflichtet davon einen Teil zu leisten. Ich würde vermuten, dass mein Dankbarkeitsbedürfnis eben zum Teil auch den Erwartungen der Anderen entspricht, denn es ist nicht einfach aus der „Ich bin so dankbar“-Kiste wieder rauszukommen.
    Häufig habe ich eben auch noch die Erfahrung gemacht, dass mit der Dankbarkeitskiste auch eine „Rentenerwartung“ zusammenhängt – also das das Engagement aus Sicht der Älteren in der Vergangenheit liegt und eben nicht mehr in der Zukunft – teils weil’s „doch nicht mehr so schlimm ist“ und teils sicherlich weil irgendwann „das Alltagsleben beginnt/begann“. Gerade ersteres macht mich dann völlig kirre, da mir meine Erfahrung mit der Realität und wie beschissen ich diese erlebe, mir auf diese Art eigentlich abgesprochen wird (Was regst Du Dich eigentlich so auf, früher war es viel schlimmer!).

    Und ich spekuliere jetzt munter, vl. bekommt dann die junge Generation von erklärten Feministinnen den Frust ab, der eigentlich den (un-)erklärten Nicht- und Antifeministinnen unserer Generation gälte, die v.a. erstmal von ihren neuen Bildungschancen profitieren und sonst nichts weiter vom F hören wollen.

    Ich habe dafür keine guten validierbaren Daten. Sicherlich höre ich ab zu derartige Einschätzungen zu meiner Generation, weiß nur nicht ob diese in derBeziehung zu mir und anderen jüngeren Feministinnen eine Rolle spielen.
    Was ich aber zum Beispiel in Gießen nach der Podiumsdiskussion von 1-2 Zuschauerinnen mitgeteilt bekam war, dass ich aufgrund meiner vielen Internetbeispiele schwer verständlich war. Problem dabei ist, dass ich kein einziges Internetbeispiel gebracht habe – da war also eine Projektion von jung=Internet im Spiel.

    ich denke, dass jede Altfeministin einfach sofort deswegen, ohne dass wir Jungen viel dagegen tun können, in unserer Wahrnehmung etwas in diese Mutterrolle gerät.

    Da könntest Du durchaus Recht haben – es ist ja schon prinzipiell nicht einfach, diplomatisch zu sein, aber im Umgang mit Älteren geht zumindest mir dann ein jugendliches „Verdammt, ich mach/seh das aber anders“ durch den Kopf.

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  40. Wäre es vielleicht eine Idee, die Dankbarkeit zu entmoralisieren? Von beiden Seiten her, also von den jüngeren und den älteren Frauen her?
    Stimmt: manchmal ist Dankbarkeit eine „Kiste“. Nämlich dann, wenn sie als moralischer Anspruch daher kommt. Sie könnte aber auch einfach als eine realistische Form der Bezogenheit wahrgenommen und beschrieben werden, in diesem Sinne:
    – Ich Jüngere baue auf dem auf und freue mich an dem, was du Ältere getan hast.
    – Ich Ältere gebe die Gestaltung der Welt, zu der ich meinen Teil beigetragen habe, vertrauensvoll an dich Jüngere weiter und freue mich, wenn du auf deine Art weiter gestaltest.

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  41. @Lina – danke für die Schilderung. Tja, das ist wohl der Preis für die Anerkennung von Feminismus als Wissenschaft, dass es da jetzt auch „Chefparadigmen“ gibt und man studieren muss, was nachher abgeprüft wird :)) –

    Danke auch für den Hinweis mit der unterschiedlichen Diskussionskultur, der Gedanke war mir neu, scheint aber Plausibilität zu haben. Ich werde das mal im Hinterkopf behalten für künftige Begegnungen.

    Zum Thema Dankbarkeit: Was @Ina sagt. Der Unterschied wäre auch: eine „realistische“ (und nicht moralische) Dankbarkeit lässt Raum dann auch für Konflikte. Mir (bin ja Mittelfeministin mit 46) wurde auch schon öfter von älteren Feministinnen „Undankbarkeit“ vorgeworfen, wo ich meiner Meinung nach nur ernsthafte inhaltliche Kritik an ihnen geübt hatte. Und von jüngeren Feministinnen will ich eigentlich auch in erster Linie, dass sie sich mit meinen anderen Urteilen und Meinungen wirklich ernsthaft auseinandersetzen und nicht nur brav „Danke“ sagen in dem Sinn, dass sie meine Thesen zwar für historisch verdienstvoll, aber eben überholt halten.

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  42. @Ina
    Ja, zu entmoralisieren und vielleicht zusätzlich zu standardisieren – also im Sinne von Etablierung einer Geste, die die Dankbarkeit ausdrückt, aber eben nicht den kompletten Raum einnimmt. Kulturell haben wir ja viele Möglichkeiten Respekt, Wertschätzung usw. auszudrücken (z.B. einer Person in die beim Reden in die Augen schauen usw.), die damit ermöglichen nicht erst inhaltlich beweisen zu müssen, dass Wertschätzung und Respekt für die Andere vorhanden sind. Sowas wünsche ich mir Dankbarkeit in feministischen Zusammenhängen. Dann käme ich vllt. nicht mehr in die Lage, mit meist sehr vielen Worten, Zeigen von Wissen usw. mein Bewusstsein für die Leistung von älteren Gesprächspartnerinnen beweisen zu müssen (und so jede Menge Raum und Zeit zu blockieren für ein tatsächliches Gespräch).

    Aber ich muss Dir auch wiedersprechen, denn Du hast ein perfektes Beispiel dafür gebracht, was mich komplett auf die Palme bringt und häufiger in anderen und sehr ähnlichen Worten mitgeteilt bekomme:

    – Ich Jüngere baue auf dem auf und freue mich an dem, was du Ältere getan hast.
    – Ich Ältere gebe die Gestaltung der Welt, zu der ich meinen Teil beigetragen habe, vertrauensvoll an dich Jüngere weiter und freue mich, wenn du auf deine Art weiter gestaltest.

    Bei ersterem Punkt stimme ich Dir vollkommen zu, aber den zweiten Punkt erlebe ich als respektlos, nicht wertschätzend und schlicht gemein.
    Ich weiß, dass dies gut gemeint ist, deshalb versuche ich meinen Zorn bei jeder Gelegenheit zu zügeln und das gelingt mir nicht immer. Ich werde mich also auch hier bemühen, den Grund für meinen Zorn möglichst höflich zu formulieren und bitte um Nachsicht, sollte mir dies nicht ganz gelingen:

    Diese Aussage nach dem Motto „Hier, mach Du bitte weiter“ wird nicht auf dem Sterbebett von älteren Feministinnen geäußert, sondern wenn diese noch viel Leben vor sich haben. Es ist also ein selbstgewählter Zeitpunkt, wo die andere gedenkt aufzuhören und zwar mit dem Wissen, dass die Welt noch nicht ausreichend toll ist. Doch erscheint das „nicht ausreichend toll“ für sie nicht so wichtig zu sein, dass sie ihr gesellschaftliches Engagement fortsetzt. Sollen doch die Jüngeren sich um das für sie Unwichtige kümmern. Diese Degradierung und das damit zusammenhängende Desinteresse an den zumindest für mich akut und schwerlastenden Problemen „der Welt“ empfinde ich als Marginalisierung, Denn genau dieses „Nicht mein Interesse“ und „Nicht wichtig genug“ ist Marginalisierung. Für mich kommt bei einer solchen Aussage einfach ein „Was interessiert mich Dein Scheiß?!?“ an.

    Ich weiß, dass es anders gemeint ist. Es hat vermutlich für die Äußernde eher etwas von einer vertrauensvollen Unternehmensübergabe. Aber die Verantwortung für eine gerechte(re) Welt ist kein Unternehmen, es ist nicht delegierbar und damit darf die Belastung mit dem aktuellen Zustand nicht ausgeblendet oder für das eigene Leben für unwesentlich erklärt werden.

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  43. @Stephanie
    ich versteh dich irgendwie. Aber wirklich nur irgendwie.
    Denn eigentlich ist doch klar, dass Frauen sich mit dem Älterwerden wandeln und damit auch die Qualität ihres Engagements. Es wäre irgendwie verlogen, wenn ich mich als 54-jährige freischaffende Denkerin mit derselben Verve für „Kindertagesstätten für alle“ oder „gleich viele Professorinnen wie Professoren“ einsetzen würde wie damals, als ich dreissig war. Das bedeutet nicht, dass solche Anliegen mir gleichgültig geworden sind. Sie sind einfach ein bisschen in die Ferne gerückt, und das tut der Frauenbewegung insgesamt meiner Meinung nach sehr gut, wenn verschiedene Frauen sich mit verschiedenen Aspekten der notwendigen Transformation befassen. Ich befasse mich jetzt halt vor allem mit dem, was ich „postpatriarchales Denken“ nenne, also mit der Frage, wie unsere Kultur aussehen könnte, wenn Gleichheit – mehr oder weniger – erreicht ist. Sich anders zu engagieren, heisst nicht sich gar nicht mehr zu engagieren. Ein Leben ohne Frauenpolitik wäre mir viel zu langweilig.
    Allerdings stimmt es, dass das „Anderswerden“ manchmal rüberkommt, als sei es ein „Überlegensein“. Bestimmt habe ich auch schon manchmal arrogant gewirkt, wenn ich junge Frauen gefragt habe, ob es denn Sinn mache, dieselben Parolen über Jahrzehnte hinweg immer weiter zu schreien. Vielleicht gehe ich ja dann auch wieder für Kindertagesstätten auf die Strasse, wenn ich mal Oma bin, was ich derzeit noch nicht bin.

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  44. @Ina
    Mit derselben Argumentation könnte ich mich aus vielen Verantwortungen schleichen. „Renten von Frauen“ betrifft mich noch nicht, Armut betrifft mich (noch) nicht, Frauen in anderen Ländern – da bin ich doch nicht, Auskommen von Hebammen – will eigentlich keine Kinder bekommen also was soll’s, Abtreibungen – bin lesbisch und wurde noch nicht vergewaltigt, Geschlechtergerechter Unterricht – bin nicht mehr Schülerin und hab keine Kinder etc.

    Die eigene aktue Betroffenheit reicht nicht aus, um ein Thema „vertrauensvoll an dich Jüngere weiter“ zu geben. Du sprachst in Deinem Satz nicht von Prioritäten, sondern von Verantwortlichkeit – jedenfalls nehme ich das bei Deinen und vielen anderen ähnlichen Sätzen so war.

    Ich wollte Dir übrigens nicht unterstellen, dass Du nicht mehr um eine bessere Welt bemühst. Es ging mir lediglich um Deinen Beispieläußerung – das Denken und das Handeln das darin zum Ausdruck kommt.

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  45. @Stephanie: jetzt gehst Du aber von der Total-Rundum-Allround-Überalldabei-Aktivistin aus. Bist du so eine? Ich nicht. Und ich möchte auch keine werden. Selbst wenn es „das allgemeine Fraueninteresse“ gäbe, möchte ich keine sein, die sich dafür stark macht. Aus einem einfachen Grund: ich kann nicht überall durchblicken. Zum Beispiel traue ich mir tatsächlich nicht zu, über ein Land, in dem ich noch nie war, politische Urteile zu fällen. Ich muss mich da und in vielen anderen Fällen auf das Urteil anderer verlassen, denen ich vertraue. Und selbst wenn ich solche kenne, nehme ich nicht zu allem und jedem Stellung, weil mir das vorkäme wie ein Allmachtstraum. Deshalb meine ich, dass es eben doch so ist, dass ich bestimmte Anliegen vertrauensvoll anderen übergebe, jüngeren oder anders engagierten. Zwar nervt es mich manchmal auch, dass Leute, die noch nie im Kongo waren, sich nicht für die Ermordung des Menschenrechtskämpfers Floribert Chebeya Bahizire am 2. Juni 2010 interessieren. Aber so ist es halt. Menschen sind keine Alleskönner- und wisserInnen.
    Wenn du mit deinem Zorn nun allerdings ältere Frauen meinst, die dir sagen, Feminismus sei out und heute interessiere sich frau halt für Bachblüten oder Kreistänze oder wasweissich, dann stimme ich dir zu. Sowas nervt mich auch. Und sowas habe ich auch schon erlebt. In Giessen wart ihr aber doch unter erklärten Feministinnen? Also kann’s doch darum eigentlich nicht gehen?

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  46. Ursula Müller, die als älteste Feministin bei der Podiumsdiskussion dabei war, hat sich nun auch zu meinem Blogpost geäußert und mir geschrieben. Sie gab mir die Erlaubnis, das hier im Blog zu posten, was ich hiermit tue:

    Liebe Antje,

    ich habe deine Nachlese zum Podium in Gießen am 24.9.2010, also deinen Text über den Graben, mit Interesse gelesen, stimme deiner Einschätzung aber nur bedingt zu.

    Sicher hat es an dem Abend Verständigungsschwierigkeiten unter den Podiumsteilnehmerinnen und zwischen allen TeilnehmerInnen gegeben. Es mag sein, dass Jüngere uns Ältere mit Positionen von Alice Schwarzer und Emma-Beiträgen identifizieren; das kam allerdings nach meiner Erinnerung dort nicht zur Sprache. Auch ist es sicher richtig, dass vielen die maßgebliche Literatur und Theorien aus den verschiedenen Jahrzehnten der Frauenbewegung nicht bekannt sind. Aber was heißt das? Können wir nur dann ein Gespräch miteinander führen, wenn wir vorab ein Seminar über Literatur und Theorien der Frauenbewegung belegt haben? Oder ist es bei einer Veranstaltung wie der in Gießen nicht vielmehr Aufgabe derjenigen, die ein Stichwort in die Diskussion einbringen, dies auch verständlich erläutern und deutlich machen, welchen Aspekt davon sie für die Diskussion für relevant erachten? So ist jedenfalls mein Anspruch an mich selbst, denn ich gehe nicht davon aus, dass die Zuhörenden all das gelesen haben, was ich für wichtig und diskutierenswert erachte.

    Was nun speziell den Queer-Ansatz und die Dekonstruktionstheorie angeht, so ist meine Wahrnehmung nicht, dass Ältere deswegen aus einer Theoriediskussion ausgestiegen sind. Vielmehr spielen/spielten sich diese Diskussionen in einem universitären Umfeld ab, wie z. B. die Forschung von Melanie Groß deutlich macht. Dazu hat frau tatsächlich ab einem bestimmten Alter keinen Zugang mehr. Aber ist es dann nicht wichtig, dass solche Ansätze aus den Elfenbeintürmen herausgetragen werden? Dass sie „übersetzt“ werden in Begriffe und evtl. politische Konzepte, die für ein nicht akademisches Publikum verstehbar sind? Gerne wäre ich dazu in ein Gespräch eingestiegen, aber damit hätte sich das Podium völlig vom Publikum abgehoben und das hätte ich sehr bedauert. Du hast ja selbst gemerkt, wie deine Erklärung des Dekonstruktivismus als „Abschaffung der Geschlechter“ (einen nebenbei bemerkt unglückliche Formulierung, die den Zugang nicht eben erleichtert) Heiterkeit und absolutes Unverständnis auslöste.

    Nach meiner Wahrnehmung werden in jüngerer Zeit in der Theorie andere Akzente sichtbar: es geht einigen Autorinnen (die von mir am 24.9. zitierte Nancy Fraser gehört dazu, aber auch Gabriele Winker, Professorin in Hamburg) um eine Kritik des Neoliberalismus aus feministischer Sicht. Außerdem beginnt sich zaghaft eine Diskussion um „linken Feminismus“ zu entwickeln, wie etwa der Argumentband 281 und die breite Resonanz, die Frigga Haug mit ihrer Vier-in-einer-Perspektive findet. Das finde ich sehr spannend und vielleicht geeignet, Alt und Jung näher zueinander zu führen. Dazu gehört dann allerdings auch, dass wir neue Beiträge nicht von vornherein als „alt“ abtun, nur weil die Autorin zu den Älteren gehört. Eine Klassifizierung nach inhaltlichen Schwerpunkten und Positionen dagegen ist m. E. wesentlich zileführender.

    Recht gebe ich dir, was den durch das Internet vergrößerten Graben angeht. Ich selbst nutze seine Möglichkeiten des Protestierens gerne bei internationalen Themen wie Rettung des Regenwalds etc. Nationale Anliegen dagegen erreichen die „klassischen“ Print- sowie elektronischen Medien (wie Radio und Fernsehen) immer noch viel eher durch „klassische“ Formen des Protests besonders dann, wenn dafür kreative Formen gefunden werden. Dabei kommt es, wie ich während meiner sechs Greenpeace-Jahre gelernt habe, darauf an, eindrucksvolle Bilder zu erzeugen. Dann braucht es auch keine große Zahl von Beteiligten.

    Wenn du nun Älteren rätst, dringend ins Internet zu gehen, so habe ich dabei dasselbe mulmige Gefühl, das mich befällt, wenn ich vor meinem PC sitze, was ich täglich mehrere Stunden tue. Denn so sehr ich die von mir genutzten Möglichkeiten, die sich dort bieten, schätze, so beklommen ist mir bei den Gedanken zumute, dass allein der Strom für eine Stunde PC-Nutzung 75 g CO2 produziert, dass die bereits heute in Deutschland vorhandenen Rechner so viel CO2 ausstoßen wie der gesamte Luftverkehr über Deutschland. Frühere Untersuchungen hatten belegt, dass Frauen im Durchschnitt ein anderes, pragmatischeres, distanzierteres, aber auch kritischeres Verhältnis zur Technik haben; nicht einfach neue Möglichkeiten nutzten, sondern sich konkret nach dem Verwendungszweck erkundigten und nach den Nachteilen. Auch heute ist bekannt, dass Frauen sehr viel umweltbewusster an Technik herangehen; das gefällt mir gut. Ich würde mir sogar wünschen, dass sie/wir damit öffentlicher würden und konsequenter handelten, woran es nach entsprechenden Untersuchungen noch hapert.

    Wenn du nun im Gegenzug Jüngeren rätst, in die altmodischen Frauenzentren zu gehen, zu Vortragsreihen und in Bildungsinstitute, so wüsste ich keine Antwort, sollte mich eine junge Frau fragen, wo sie denn da in Schleswig-Holstein hingehen soll. Solche Orte gibt es in meiner Region nicht mehr.

    Ab und zu kann man und frau jedoch Vorträge zu solchen Themen hören. So gab es vor einigen Monaten an der Fachhochschule in Kiel einen Gender-Tag. Ich war die einzige Ältere, die daran teilgenommen hat. Der Landesfrauenrat Schleswig-Holsteins hatte, ebenfalls vor einigen Monaten zu einem ersten frauenpolitischen Salon eingeladen. Eine junge Freundin von mir war die einzig Jüngere dort. Was ich damit sagen will: Es gibt derzeit in der realen Welt wenig Orte, an denen beide Altersgruppen sich treffen könnten. Trotzdem bin ich nicht pessimistisch, denn derzeit scheint sich einiges in Bewegung zu setzen. Im kommenden Jahr bin ich zu mindestens einer, evtl. zwei Veranstaltungen über Feminismus als Referentin eingeladen. Mal sehen, was sich dabei tun wird und was sich daraus ergibt.

    In deinen Überlegungen scheint anzuklingen, dass wir uns besser verstehen würden, wenn wir mehr voneinander wüssten. Da wäre ich mir nicht so sicher. Was, wenn wir dann feststellen, dass wir immer noch verschiedene Positionen vertreten? Denk doch nur an die endlose Geschichte über Gleichheit und Differenz. Hat da eine Annäherung stattgefunden? Wohl nicht in dem gewünschten Maße. Dabei gibt es auch hier interessante Beiträge (z. B. einer von Renate Bitzan), die wichtigen Begriff Herrschaftskritik vorschlägt. Herrschaftskritisch können sowohl Ansätze sein, die Gleichheit betonen wie auch solche mit Differenzfocus. Beide können aber auch herrschaftsunkritische Elemente enthalten. In diese Richtung sollten wir weiter denken und diskutieren.

    Sollte ich Recht haben, mit dieser Einschätzung bestehende Kontroversen betreffend, dann stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen können und wollen. Nach einer Information über andere Positionen muss dann vielleicht etwas entwickelt werden, was wir Alten in der Vergangenheit nicht ausreichend haben leisten können: eine Schwesterstreitkultur zu schaffen.

    Ursula Müller
    10.10.2010

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  47. @Ina
    Nein, ich gehe nicht von der Allround-Aktivistin aus. Ich spreche von Verantwortlichkeit, nicht Prioritäten. Ich spreche auch nicht von Dir, schließlich kenne ich Dich nicht.

    Es geht mir um Deinen Beispielsatz:

    Ich Ältere gebe die Gestaltung der Welt, zu der ich meinen Teil beigetragen habe, vertrauensvoll an dich Jüngere weiter und freue mich, wenn du auf deine Art weiter gestaltest.

    Die Ältere spricht von ihrem Beitragsteil zur Gestaltung der Welt in Vergangenheitsform. Damit liegt ihr Beitrag in der Vergangenheit. Zudem übergibt sie „ihr Werk“ vertrauensvoll an eine Jüngere. Damit weiß sie das die Arbeit an der Gestaltung der Welt noch nicht abgeschlossen ist.

    Der Rest in Beitrag 43 ist in diesen Satz hereininterpretiert, unbestritten. Aber ich kenne diese Art von Sätzen und eine weitere junge Feministin, die ich gestern noch fragen konnte, kennt sie auch. Diese Sätze wurden auch auf der Podiumsdiskussion in Gießen geäußert, denn ich erinnere mich gut daran, dass ich einen ziemlich langen Redebeitrag gehalten habe, warum Rente von der Frauenbewegung nicht drin ist (denn da ging es nicht um alle Baustellen der Welt).

    Ich bin Dir auch dankbar, dass Du so eine Aussage mal niedergeschrieben hast, denn dies gab mir die Chance einmal anders darüber nachzudenken und wie ich finde, meine Kritik und meine Wut darüber klarer zum Ausdruck bringen zu können. Aber es ist mir viel daran gelegen, dass Du verstehst, warum so eine Aussage zumindest für mich nicht geht.

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  48. Ursula Müller: „Was nun speziell den Queer-Ansatz und die Dekonstruktionstheorie angeht, …Dazu hat frau tatsächlich ab einem bestimmten Alter keinen Zugang mehr. Aber ist es dann nicht wichtig, dass solche Ansätze aus den Elfenbeintürmen herausgetragen werden? Dass sie „übersetzt“ werden in Begriffe und evtl. politische Konzepte, die für ein nicht akademisches Publikum verstehbar sind?“

    Ich bin noch diesseits von „älter“ und finde auch keinen Zugang zu bestimmten Diskussionen. Die Trennlinie verläuft nach meinem Eindruck nicht nur zwischen akademischem und nicht-akademischem Publikum. Ich bin auch akademisch, nur halt „anders akademisch“. 😉

    Was ich gerne die hier lesenden und schreibenden „Insiderinnen“ fragen möchte: Wenn also „Queer-Ansatz und die Dekonstruktionstheorie“ den Elfenbeinturm offenbar nicht verlassen – wie steht es dann mit kritischen Stimmen? Gibt es da im deutschen Sprachraum welche, die so schreiben, dass es zumindest von „anders Akademischen“ verstanden werden kann? Gibt es beispielsweise ein deutsches Pendant zu The Professor of Parody von Martha Nussbaum? (Oder gar akademische Polemik à la Butler vs. Nussbaum – When poststructuralist feminists begin to attack each other, the end of the pc dynasty is near. von Camille Paglia?)

    Mit Dank für entsprechende Hinweise (und für die bislang sehr interessante Diskussion).

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  49. @Ursula: lies doch mal das:
    http://www.bzw-weiterdenken.de/2008/11/uns-ist-ein-kind-geboren/
    Ich finde den Ansatz bei der Geburtlichkeit (bzw. deren Verdrängung) viel interessanter als dieses selbstbezügliche Hickhack zwischen den verschiedenen Gendertheorien. Die blenden nämlich alle weiterhin aus, woher wir eigentlich kommen. Und vom Herkommen, von der Konzeption der Matrix her lässt sich vieles verstehen, das dunkel bleibt, wenn ich immer nur aufs gewordene Erwachsensein schaue.
    @Stephanie: hast du dich jetzt vielleicht ein bisschen verrannt? Zwar ist richtig, dass ich noch lebe und daher mein Engagement für eine bessere Welt streng genommen nicht in der Vergangenheit formulieren kann. Andererseits ist es ein unabschaffbares Faktum, dass Menschen, auch Frauen, irgendwann sterben. Je älter ich werde, desto mehr befasse ich mich logischerweise mit meiner Endlichkeit. Und dazu gehört, dass ich mein Leben aufräume und mir überlege, was ich wem wie am besten weitergeben kann. Ich war meiner Mutter, die letztes Jahr im Alter von 93 Jahren gestorben ist, dankbar, dass sie irgendwann angefangen hat, ihr Leben in diesem Sinne zu sortieren und sich dazu auch öfter mal zurückgezogen hat. Das gab mir Freiheit, selbst Verantwortung zu übernehmen, auf meine Weise. Und ihr gab es Freiheit zu spüren, dass es im Leben tatsächlich noch anderes gibt als Arbeit und Einsatz: Ruhe, Distanz, Weisheit, Genuss. So verstehe ich die – offensichtlich missverständliche – Vergangenheitsform in dem Satz, der dich so aufregt. Und weil ich das so richtig finde, lasse ich sie auch so stehen.

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  50. @Ina
    Für mich gehst Du mit Deiner Eingangsfrage zum Zweiten (erstes mal „Bist du so eine?“) mal „unter die Gürtellinie“. Würde ich Dir also in einem privaten Rahmen gegenübersitzen, würde ich jetzt ein anderes Gespräch mit Dir führen, z.B. darüber warum Du auf meine Argumentation nicht inhaltlich einzugehst und stattdessen versuchst, meine Aussagen zu diskreditieren.

    Bist Du an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit meiner Kritik interessiert oder antwortest Du mir aus anderen Gründen? Ich sehe nicht, dass Du auf meine Darlegung eingehst.

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  51. @Stephanie: tschüss Stephanie. Das bringt’s hier für mich gerade nicht mehr. Wir müssten jetzt wirklich live weiterreden. Also dann auf ein andermal. Ich hoffe, du nimmst jetzt nicht die gesamte ältere Feministinnengeneration in Sippenhaft, so im Sinne von „Alles blöde Gurken“. Es reicht vollkommen, wenn du mich doof findest.

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  52. @Antje

    Wo ich gerade den von dir hier reingesetzten Brief lese:
    Vielleicht solltest du eine Rubrik einrichten: „Aus der Nichtdigitalen Welt“. „Altfeministinnen“ könnten dir Briefe schreiben und du setzt sie dann hier (oder zur Not in einem neuen kostenfreien WordPressblog) rein. Da könnten alte und neue Welt etwas mehr zusammen rücken.

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