Judith Butler und die Geschlechterdifferenz

Als prä-butlersche Feministin konnte ich mit der Idee des „Queer-Feminismus“ nie viel anfangen. In meinem letzten Blogpost stellte ich die These auf, dass die Art und Weise der Rezeption von Judith Butlers Denken an den deutschsprachigen Universitäten mit dazu beigetragen hat, die Kommunikation zwischen „Altfeministinnen“ und „Jungfeministinnen“ zu erschweren. Da ist es ein lustiger Zufall, dass mir gerade letzte Woche ein relativ unbekannter Text von Judith Butler begegnete (ich kannte ihn jedenfalls bis dahin nicht), der vielleicht helfen kann, den „Graben“ differenzierter zu sehen, beziehungsweise jenseits davon gemeinsam anzuknüpfen.

In diesem Text von 1997 schreibt Butler:

Ich stelle also nicht die Frage nach dem Ende der Geschlechterdifferenz, um ein Plädoyer für deren Ende zu halten. Ich werde nicht einmal Gründe dafür aufzählen, warum es meiner Meinung nach dieser theoretische Rahmen oder, je nach Einstellung, diese „Realität“ nicht wert ist, weitergeführt zu werden. Für viele, denke ich, ist die strukturierende Realität der Geschlechterdifferenz nicht etwas, das man hinwegwünschen oder gegen das man argumentieren könnte; ja hier überhaupt irgendwelche Forderungen aufstellen zu wollen scheint vielen sinnlos. Die Geschlechterdifferenz ist so etwas wie ein notwendiger Hintergrund für die Möglichkeit des Denkens, der Sprache und der Existenz der Körper in der Welt. Und wer gegen sie anzugehen versucht, argumentiert in genau der Struktur, die sein Argument möglich macht. (…)

Hier macht Butler letztlich klar, dass es sinnlos ist, über die Frage zu streiten, ob man die Geschlechterdifferenz nun behalten will oder ob man sie abschaffen will, weil das eben sowieso nicht geht. Genau das ist der Grund, warum ich von der Geschlechterdifferenz rede und mich mit ihren diversen Erscheinungsformen in der Welt beschäftigte, auch in diesem Blog: Nicht, weil ich sie für eine so tolle Sache halte, sondern weil ich finde, sie ist so untrennbar mit allen anderen Themen der Welt verbunden, dass man sie thematisieren muss, wenn man etwas Vernünftiges zum politischen Diskurs beitragen will.

Interessant auch, wie Butler an dieser Stelle Luce Irigaray positiv aufgreift, die ja eine der maßgeblichen Vordenkerinnen des Differenzfeminismus ist:

Die Geschlechterdifferenz – müssen wir uns als einen Rahmen vorstellen, aufgrund dessen wir schon von vorneherein besiegt sind? Was auch immer gegen sie gesagt werden kann, ist ein Beweis dafür, dass sie das, was wir sagen, strukturiert. Ist die Geschlechterdifferenz also irgendwie ursprünglich da und taucht wie ein Gespenst immer wieder in den allerersten Unterscheidungen und in dem strukturellen Schicksal aller Bedeutungsstiftung auf? Luce Irigaray macht klar, dass die Geschlechterdifferenz keine Tatsache ist: kein Fundament welcher Art auch immer, auch nicht das widerspenstige „Reale“ des Lacanschen Jargons. Im Gegenteil: Sie ist eine Frage, eine Frage an und für unsere Zeit. Als Frage bleibt sie ungelöst und nicht beantwortet, das, was noch nicht und niemals als Aussage formuliert werden kann. Ihre Anwesenheit ist nicht die von Tatsachen und Strukturen, sondern sie ist da als etwas, das uns erstaunen und Fragen stellen lässt und nicht zur Gänze erklärt werden kann.

Und wenn sie denn die Frage an und für unsere Zeit ist, wie Irigaray in Die Ethik der Geschlechterdifferenz betont, dann ist sie nicht eine Frage unter anderen, sondern ein besonders dichter Moment der Unlösbarkeit in der Sprache, der den gegenwärtigen Horizont der Sprache als den unseren markiert. Ähnlich wie bei Drucilla Cornell folgt die Ethik, an die Irigaray denkt, nicht etwa aus der Geschlechterdifferenz, sondern sie ist eine Frage, die sich genau in den Begriffen der Geschlechterdifferenz stellt: Wie kann man diese Andersheit durchqueren? Wie kann man sie durchqueren, ohne sie durchzustreichen, ohne ihre Begriffe zu zähmen? Wie kann man dem auf der Spur bleiben, was an dieser Frage ständig ungelöst bleibt? (…)

Hier setzt sich Butler mit einem Missverständnis auseinander, das sich häufig zeigt, wenn man von der Geschlechterdifferenz spricht und das vermutlich auch ein zentraler Grund für das verbreitete Unbehagen ist, wenn auf Begriffe wie „weiblich“ und „männlich“ rekurriert wird. Viele meinen, von der Geschlechterdifferenz zu sprechen, bedeute zu sagen, dass „Frauen dies tun“ oder „Männer jenes“. Aber genau das ist nicht das Anliegen des Differenzfeminismus – im Gegenteil.

Über Jahrhunderte hinweg war ja die Geschlechterdifferenz inhaltlich und funktional diskutiert worden, meist in der Form, dass Männer Frauen sagten, wie sie zu sein hätten. Oder auch dass Frauen selbst auf eine vermeintlich „weibliche Natur“ rekurrierten, um die männliche Ordnung zu kritisieren. Simone de Beauvoir war die erste, die zeigte, dass das nicht funktioniert, weil die Geschlechterdifferenz mit allem so verwoben ist, dass man nicht zu einer vor aller Kultur liegenden Bedeutung von „männlich“ und „weiblich“ vordringen kann.

Der Differenzfeminismus sagt nun, dass es gleichzeitig auch nicht jenseits der „Geschlechtlichkeit“ so etwas wie ein „neutrales Menschsein“ gibt. Das soll nicht heißen, Frauen oder Männer auf bestimmte Rollen festzulegen oder auch nur zu behaupten, sie hätten – über einen gegebenen Kontext hinaus – gemeinsame „Merkmale“. Sondern es bedeutet die Erkenntnis: Will man zu weiblicher Subjektivität und Individualität kommen, zur Freiheit der Frauen also, ist die Geschlechterdifferenz ein notwendiger Durchgang. Wenn ich nicht von meinem Frausein ausgehe (im doppelten Sinn des Wortes), kann ich, eine Frau, auch nicht frei sein. Luisa Muraro, eine weitere Vordenkerin des Differenzfeminismus hat das einmal so formuliert: „Wir haben nicht gewählt, als Frauen geboren zu werden, und gerade diese Tatsache macht es unabdingbar, das Frausein zu akzeptieren.“

Judith Butler schreibt weiter:

So, wie ich sie verstehe, ist die Geschlechterdifferenz ein Ort, an dem wieder und wieder eine Frage in Bezug auf das Verhältnis des Biologischen zum Kulturellen gestellt wird, an dem sie gestellt werden muss und kann, aber wo sie strenggenommen nicht beantwortet werden kann. Wenn wir sie als eine Grenzvorstellung verstehen, so hat die Geschlechterdifferenz psychische, somatische und soziale Dimensionen, die sich niemals gänzlich ineinander überführen lassen, die aber deshalb nicht letztlich voneinander abgesetzt sind. Schwankt die Geschlechterdifferenz also hin und her, als eine schwankende Grenze, die eine erneute Artikulation dieser Begriffe ohne jede Vorstellung von Endgültigkeit verlangt? Ist sie daher kein Ding, keine Tatsache, keine Vorannahme, sondern vielmehr ein Verlangen nach erneuter Artikulation, das niemals zur Gänze verschwindet – aber das sich ebenso wenig jemals zur Gänze zeigen wird?

Ich würde sagen: Ja.

Die Passagen stammen aus Judith Butlers Text „Das Ende der Geschlechterdifferenz?“ in: Jörg Huber, Martin Heller (Hg): Konturen des Unentschiedenen. Interventionen, Basel, Frankfurt/M, 1997. In einer längeren Fassung wieder abgedruckt in dies.: Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen, Frankfurt/M. 2009, S. 281-324. Ich entnahm die Zitate aus dem Buch „Paradigma Geschlechterdifferenz“ – das auch noch weitere interessante Textpassagen zum Thema versammelt.

Btw: Von Luce Irigaray gibt es ein neues Buch auf Deutsch.


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

39 Gedanken zu “Judith Butler und die Geschlechterdifferenz

  1. Ok, ich lerne.. ich lerne. Text dreimal gelesen und weitere zweimal überflogen. Erlaube mir zwei Rückfragen/These/Anmerkungen:

    Ich finde in Deiner Darstellung des Differenzfeminismus nur eine Sache, die als Abgrenzung zu anderen Feminismen funktioniert, nämlich im Bezug des Frauseins zur Freiheit:

    Wenn ich nicht von meinem Frausein ausgehe (im doppelten Sinn des Wortes), kann ich, eine Frau, auch nicht frei sein

    Richtig? Hab ich was übersehen?

    Ersetzte ich das „auch nicht frei sein“ durch „mich nicht zur Welt in Bezug setzen“, komme ich schnell zum queeren Ansatz, dass die Merkmale einer Person die Wahrnehmung und Handlungen einer Person bedingen und das ein Bewusstsein über die eigenen Merkmale und die damit zusammenhängenden Wahrnehmungen und Handlungen, dabei behilflich sein kann, der Welt differenzierter zu begegnen. Wenn ich eine differenziertere Sicht der Welt mit Freiheit übersetze (Frei nach dem Motto „Leben und leben lassen“), bin ich mit der queeren Perspektiv auf das Merkmal weiblich jetzt beim Differenzfeminismus?!?

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  2. @Stephanie – Ja, das war ja meine Überraschung, als ich auf diese Textpassage stieß. Wenn „queer“ so verstanden wird, wie in dieser Erläuterung von Butler, dann gibt es keinen großen Gegensatz mehr zwischen Queerfeminismus und Differenzfeminismus. Höchstens noch im Detail oder in der bevorzugten Praxis, aber nicht in der grundlegenden Überzeugung, dass die Geschlechterdifferenz eine Frage ist, die gestellt werden muss, ohne beantwortet werden zu können. Allerdings weiß ich nicht, inwiefern Queerfeministinnen sich dem so anschließen würden, das Bedürfnis, die Hauptenergie auf die „Dekonstruktion“ von Geschlecht zu legen (statt es als Ausgangspunkt zu nehmen) ist doch sehr groß. soweit ich das über den Graben hinweg mitbekomme :))

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  3. Die Queertheorie hat ja schon den Ausgangspunkt, dass es keine Differenz gibt, sondern lediglich Rollen, wobei ich bei Beauvoir bisher sehe, dass sie die Entwicklung zur Heterosexualität nicht als frei ansieht, sondern in so altertümlichen Sachen wie Penisneid, Ödipuskomplex und Inzesttabu lokalisiert. Wie der Körper auch nicht festgelegt sein soll verstehe ich auch nicht so recht.

    Wie ist dies denn im Differenzfeminismus? Was macht da den Unterschied aus?

    Und warum darf es angesichts recht deutlicher Unterschiede in Körper, Hormonen (Frauen und Männer hängen an verschiedenen Tröpfen starker Medikamente, die unstreitig auch geistige Auswirkungen haben), und Gehirnstrukturen eigentlich keinen biologischen Unterschied geben?

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  4. @Antje

    Wie verstehst Du die Dekonstruktion von Geschlecht? Also klar, mit einem queeren Ansatz kann ich das Geschlecht nicht als einzigen Ausgangspunkt für Reflexionen nehmen, aber mir erscheint in Deiner Verwendung von Dekonstruktion etwas anderes zu liegen, als ein kreativer und reflektierter Umgang mit Zuschreibungen von Merkmalen.

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  5. @Stephanie – Na, ich verstehe Dekonstruktion im Wortsinn: Also als Bewegung, die „Konstruktion“ von Geschlecht zu hinterfragen, aufzulösen, als nicht notwendig zu enlarven usw. also zu „Ent-Konstruieren“. Dagegen habe ich auch gar nichts, das kann man machen, ist oft sinnvoll. Es ist für mich nur nicht das Vorrangige oder Wesentliche im Zusammenhang mit meinem politischen (feministischen) Handeln.

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  6. @Christian – also was mich betrifft, so darf es den biologischen Unterschied schon geben, man darf nur nichts normatives draus ableiten. Das erinnert mich dran, dass mein Blogpost über den Unterschied von Biologie und Biologismus immer noch nicht geschrieben ist 🙂

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  7. Da würde ich dir ja durchaus zustimmen (Beauvoir, Butler und Stephanie allerdings wohl nicht).
    Schon aufgrund der Unterscheidung zwischen dem Phänotyp und dem geistigen Geschlecht und dem Auftreten der Unterschiede in Gausschen Verteilungskurven wären normative Forderungen an den einzelnen Menschen, also die Forderung sich nach seinem Geschlecht zu verhalten, widersinnig.

    Etwas anderes ist es, wenn man Betrachtung über den Schnitt macht und diese nicht als Norm aufstellt, sondern lediglich die Unterschiede damit erklärt. Wenn Frauen im Schnitt eher als Männer eine bestimmte Fähigkeit X oder eine Vorliebe Y haben, dann muss sich dies auch in den ausgeübten Tätigkeiten niederschlagen, es müssten also die Tätigkeiten die die Fähigkeit X erfordern oder bei denen man seine Vorliebe Y nachgehen kann eher von Frauen besetzt werden, im Gegenzug natürlich würden andere Tätigkeiten, die im Schnitt eher männlichen Fähigkeiten und Vorlieben entsprechen, eher von Männern ausgeübt, ohne das dies normativ ist.

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  8. @Antje
    Für mich steckt die Auflösung von Geschlecht nicht im dekonstruktivistischen Feminismus (vielmehr ist die Auflösung davon ein daraus möglicher praktischer Schritt), sondern eher ein Leistungssport im Hinterfragen und in der Setzung, dass jede Geschlechtszuschreibung sozial konstruiert ist.

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  9. Antje,

    zwischen Dekonstruktion und Auflösung besteht ein Unterschied. Dekonstruktion verstehe ich in diesem Zusammenhang als Sichtbarmachung von unhinterfragten und unhinterfragbaren Normierungs- und Normalisierungsdiskursen, um danach die Frage zu stellen, was diese Diskurse auslösen, warum es sie gibt und wer sie mit Inhalten füllt. Insofern dürfte deutlich werden, warum sich Butler als Dekonstruktivistin (u.a.) zur Geschlechterdifferenz bekennt.

    Mir wird immer nicht so klar, warum (fast) alle bei Dekonstruktion sofort an Queer denken und damit gleich an die Auflösung der Geschlechterdifferenz. Queer kratzt außerdem doch eher an Heternormativität und Zweigeschlechtlichkeit statt ein ungeschlechtliches Individuum zu fordern bzw. Geschlecht unsichtbar machen zu wollen. Aufgelöst werden soll doch nicht Geschlecht als solches, sondern die Hegemonien und Machtverhältnisse drum herum.

    Ich behaupte, dass es schon einen massiven Unterschied zwischen Differenztheorie und Dekonstruktionstheorie gibt, inhaltlich wie methodisch. Differenztheorien betonen Unterschiede und Vielfältigkeit, arbeiten mit Identitäten und Entitäten. Sie konstruieren sozusagen (ohne das wertend zu meinen). Während Dekonstruktionen hinterfragen, warum diese Unterschiede diskursiv hergestellt werden und die Folgen davon in den Blick nehmen. Dekonstruktion wehrt sich gegen Identitätspolitik (und damit auch ein Stück weit gegen das Subjekt Frau), selbst wenn diese so formuliert wird, dass Menschen verschiedene Identitäten in sich vereinen, die wechseln können je nach Kontext, weil das stets impliziert, dass einer Identität mit einer Benennung Gewicht bekommt (verkürzt ausgedrückt). Bei Butler spielen diese Normen eine entscheidende Rolle in Sachen Geschlechterfragen, weil sie darüber entscheiden, wer sprechen kann, wer Macht hat und wer exkludiert wird und bleibt.

    Dekonstruktion geht damit nochmal einen Schritt hinter Identität und Vergesellschaftung. Es ist ein völlig anderer theoretischer Zugang im Kontext von Geschlecht. Dabei ist auch erstmal zweitrangig, ob Biologie (oder besser: Morphologie, Phänotyp) oder Soziologie eines Menschen fokussiert wird – beide sind in Diskurse eingebunden und damit Konstruktionen und Zuschreibungen ausgesetzt.

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  10. @lantzschi @Stephanie – „Leistungssport im Hinterfragen“ trifft es gut, denn in dem Bild kann ich auch mein Unbehagen darin formulieren: Man läuft, um zu laufen oder um schneller zu sein als die anderen, aber nicht, um irgendwo hinzukommen 🙂 – Spaß beiseite: Okay, ich habe verstanden, dass es nicht um Auflösung der Geschlechter geht und dass Queer nur eine mögliche Weiterführung des Dekonstuktivismus ist. Worauf ich hinaus wollte ist, dass die Fokussierung auf die Konstruiertheit dessen, was Geschlecht als Phänomen hervorbringt, die Aufmerksamkeit so sehr absorbiert. Ich denke, dass es für politisches Handeln nicht notwendig und oft auch nicht hilfreich ist, das zu tun. Sondern dass man aus diesem Phänomen, wie es auch immer zustande gekommen sein mag, in einem bestimmten Kontext (und man handelt immer in einem bestimmen Kontext) auch einen Hebel für mehr Freiheit machen kann. (Beispiel: Die sicherlich „konstruierte“ Ferne der Frauen zur Macht).

    Zumindest was mich betrifft, bedeutet Differenzfeminismus auf keinen Fall Identitätspolitik. Ich betone Unterschiede nicht, ich nehme sie wahr und ernst, wenn sie sich zeigen. Und ich interpretiere Unterschiede gerade nicht als Vielfalt (Vielfalt macht nur Sinn im Hinblick auf ein Eines, das in vielfältigen Varianten auftritt), sondern eben als unreduzierbare Differenz. Das ist was ganz anderes. Es geht weder um Identitäten noch um Entitäten, sondern um politisch urteilende Individuen – und die „Wette“ ist, dass ein individuelles (subjektives) Urteil auch möglich ist, wenn man sozialisiert wurde, ein biologisches Wesen ist, also in vielfach-komplexer Weise „konstruiert“ wurde. Also: Weibliche Subjektivität zu stärken (einer Frau, die urteilt, Bedeutung zusprechen) ist etwas anderes, als vom „Subjekt Frau“ zu sprechen. Und: Ja: Die Benennung von „Frau“ gibt diesem Phänomen Gewicht, aber ja gerade nicht in Form einer Identitätsfestigung, weil die handelnde Frau ja möglicherweise etwas tut, das nicht „typisch weiblich“ ist, also „weibliche Identität“ gerade aushebelt (ein Aushebeln, das nicht passieren würde, wenn man die Tatsache, dass es eine Frau ist, verschweigt). So in etwa. Und das alles eben vor dem Hintergrund, dass handelnde und urteilende und begehrende Frauen historisch in unserer Kultur nicht vorgesehen waren und vielleicht auch immer noch nicht sind.

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  11. @Antje
    Zunächst: Auflösung von Geschlechtern ist auch nicht gleich Queer. (Dazu vllt. heiter scheitern)
    Ich hätte gesagt, dass die Auflösung von Geschlechtern ein mögliche praktische Gestaltung von zusammengefasster Theoriemasse ist. Was meinst Du, @lantzschi?

    Zumindest was mich betrifft, bedeutet Differenzfeminismus auf keinen Fall Identitätspolitik. Ich betone Unterschiede nicht, ich nehme sie wahr und ernst, wenn sie sich zeigen.

    Ich vermute, dass einige (dekonstruktivistischen und queeren) Feministinnen allein aufgrund Deines Untertitels Deines neuen Buches „Über das Begehren und die Bedinungen weiblicher Freiheit“ behaupten würden, dass Du Identitätspolitik betreibst.

    Was mir bei Dir Antje immer verschimmt ist Praxis und Theorie – sowohl in Deiner Darlegung des (differenzierten) Differenzfeminismus als auch z.B. jetzt bei dekonstruktivistischen Feminismus und Queer(feminismus).
    Meiner Auffassung nach folgt aus einer Theorie geradezu unzählige Praxen. Teilweise kann eine Praxis auch mit mehreren Theorien erklärt/belegt/gerechtfertigt werden. (Z.B.: Lusie F. Pusch Forderung „Die nächsten 100 Jahre den Frauen“ funktioniert nach meinen bisherigen Überlegungen mit fast jeder feministischen Theorie.) Wie siehst Du das? Differenzierst Du Praxis und Theorie, Antje?

    Worauf ich hinaus wollte ist, dass die Fokussierung auf die Konstruiertheit dessen, was Geschlecht als Phänomen hervorbringt, die Aufmerksamkeit so sehr absorbiert. Ich denke, dass es für politisches Handeln nicht notwendig und oft auch nicht hilfreich ist, das zu tun.

    Jaein, als Philosophiestudentin ist für mich das Zweifeln und die Offenheit im Geiste zentral. Ebenso ist es vielfach leicher im politischen Handeln durch eine möglichst geschärften Blick zu klaren Forderungen/Gestaltungsmöglichkeiten zu kommen. Vieles, was dafür an Reflexion notwendig ist, leisten für mich die queeren und dekonstruktivistischen Ansätze (sorry für den gemeinsamen Topf, aber an dem Punkt reicht für mich einer). Für mich bleiben die nicht mit Dekonstruktion zusammenhängenden Politiken zu sehr an der Oberfläche und verkrümeln mir die Sicht. Andererseits jedoch leistet die differenzfeministischen Ansätze für mich einen Einblick in eine Wahrnehmungskultur, die es mir erleichtern queere / dekonstruktivistische Ansätze z.B. zu Patriarchat zu verstehen, da diese dort gerne krümeln…

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  12. @Stephanie – Echt? Ich vesteh das nicht. Wie kann man den Titel für Identitätspolitisch halten?

    @lantzschi – habe jetzt den Text zu Irigaray gelesen. Kann daran gut erklären, was mich an der Dekonstruktivismus-Debatte nervt. Nämlich: HIer wird sich nicht wirklich mit Irigaray auseinandergesetzt, sondern sie wird daraufhin „abgeklopft“, wie nah oder fern sie dem Paradigma Dekonstruktivismus ist. Und je näher, desto gut.
    Also die Frage ist nicht: Was sagt Irigaray und bin ich mit dem einverstanden oder nicht und wenn nein, warum nicht? Sondern das „Nicht-Einverstandensein“ scheint sich automatisch aus dem Nachweis ihrer Unterschiedenheit zum Dekonstruktivismus zu ergeben. Das ist doch hegemoniales Auftreten par excellence, oder nicht?
    Also bei mir löst das emotional tatsächlich „Widerwillen“ aus und verhindert, dass ich mich mit den Argumenten dann überhaupt noch en detail befasse. Allerdings war das jetzt auch ein Beweis dafür, dass die These mit den konkreten Beziehungen stimmt. Wärest es nämlich nicht du gewesen, die mir diesen Link empfohlen hat, hätt ich den Text nicht gelesen. So hab ich mich zwar trotzdem geärgert, aber natürlich auch das ein oder andere inhaltlich bedenkenswerte Argument aufgeschnappt 🙂 – also, danke dafür.

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  13. „Wikipedia“ schreibt:

    Demgegenüber versucht die Identitätspolitik der dominierten Gruppen zu einem „Wir-Gefühl“ zu finden, um emanzipatorische Forderungen zu entwickeln und durchzusetzen. Es geht in den dominierten Gruppen darum, sich selber zu repräsentieren und den von außen auferlegten Zuschreibungen eine Selbstdefinition entgegenzusetzen. Dies schließt gegebenenfalls eine Politik der Separation mit ein (z. B. Autonome Feministinnen). Ein Konzept von Identitätspolitik ist die Positive Diskriminierung oder auch affirmative action. Identitätspolitik in diesem Sinne fordert nicht nur Anerkennung für die dominierten Gruppen, sondern auch Bildungszugänge, soziale Mobilität, etc. Auch die Standpunkt-Theorie basiert auf Identitätspolitik, da sie behauptet, dass die Gewinnung von Erkenntnis sozial situiert sei, dass die dominierte Gruppe ein besserer Ort zur Erkenntnisgewinnung / -produktion sei. Dominierte Gruppen verstehen ihre Identitätspolitik oftmals als vorübergehendes notwendiges Stadium, um in einem dialektischen Prozess zur Aufhebung der Differenzen zu gelangen (z. B. klassenlose Gesellschaft).

    Zum Beispiel so: Der Ausdruck „weibliche Freiheit“ kann verstanden werden als eine spezifisch weibliche Form von Freiheit – sollte ich als Frau allein dieser Auslegung folgen, komme ich zu einem „Wir-Gefühl“ über die Gemeinsamkeit des gemeinsamen Verständnis von Freiheit.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn Du auf meine andere Frage eingehen könntest:

    Wie siehst Du das? Differenzierst Du Praxis und Theorie, Antje?

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  14. Wie immer interessant, Antje.
    Mir fiel vor allem der Satz auf:
    „Der Differenzfeminismus sagt nun, dass es gleichzeitig auch nicht jenseits der „Geschlechtlichkeit“ so etwas wie ein „neutrales Menschsein“ gibt.“
    Ich habe unlängst einen Anhänger der Meditation sich äussern sehen, der meinte, daß im „idealen“ Versenkungszustand etwas denkt, das jenseits von Mann/Frau ist. Das klingt eigentlich logisch/einleuchtend.
    Ich würde hierzu gerne mal einen Zenmeister fragen, ob dem so ist, wenn man „den Urgrund des Seins“ fühlt.

    Das nur mal so als Anmerkung.

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  15. @Stephanie – danke für die Wikepedia-Definition. Wenn das so ist, bin ich definitiv gegen Identitätspolitik. Aber ich sehe ein, dass der Unterschied schwer zu erklären ist, weil es nach außen manchmal so aussieht. Wäre ein anderes Thema.

    Zu Praxis und Theorie: Nein, das differenziere ich nicht. Ich finde diese Unterscheidung ist einer der vielen falschen Dualismen der (männlichen) Philosophie: Jemand denkt sich mit Hilfe der Logik oder sonstwas am Schreibtisch was aus, das dann auf das reale Leben „angewendet“ wird. Das funktioniert aber nicht, meine ich, und interessiert mich nicht. THeorie bedeutet für mich, dass ich (im Gespräch mit anderen) meinen realen Erfahrungen, der Praxis sozusagen, Sinn und Bedeutung gebe. Und wenn einmal etwas gedacht ist, eine Erkenntnis gewonnen, dann braucht man sie nicht eigens in die Praxis umsetzen, denn wenn man wirklich etwas neu denkt, handelt man auch automatisch anders (oder man hat noch nicht zu Ende gedacht oder sich beim denken geirrt). Also: Man kann THeorie und Praxis gar nicht trennen, daher braucht man sie auch nicht zusammenbringen, das sind sie sowieso schon. Das beinhaltet auch eine Ent-Objektivierung von Theorien: Sie sind nur richtig, wenn sie auf eine konkrete Situation Antwort geben oder in ihr hilfreich sind. Das heißt, Theorien sind nicht „wahr“ oder „falsch“, sondern sie bewähren sich im Alltagsleben oder eben nicht. Manche bewähren sich auch bei manchen und bei anderen nicht, oder in manchen Situationen und in anderen nicht. Das fiel mir ein bei deinem „Glasklar“. Meiner Erfahrung nach ist in einer konkreten Situation niemals etwas „glasklar“, sondern immer dubios und undurchsichtig und komplex. „Glasklare“ Erkenntnis liefert imho nicht die Philosophie oder das Denken, sondern höchstens ein mystisches Sehen, für einen kurzen Augenblick… So in etwa…

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  16. @Gerhard – ja, das habe ich auch schon gehört, diese Idee, dass man in der Meditation zu einem geschlechtsneutralen „Urgrund“ vordringen könnte. Ich bezweifle das :))

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  17. @Antje
    Danke für Deine Erläuterungen zu Deiner Sicht auf Theorie und Praxis.
    Das „Glasklar“ bezieht sich auf mein „verkrümeln“?

    Ich kann Dir leider nicht zustimmen, einerseits was Deine Gleichsetzung von Auseinandersetzung und Praxis betrifft und andererseits was für Dich falsche Dualismen sind.
    Was wohl vor allem mit meiner meiner Präferenz für mein Gehirn zusammenhängt. Ich verstehe die Praxis erst, wenn ich sie am Schreibtisch bestimmt habe und mache „Praxis“ größtenteils erst, nachdem ich sie am Schreibtisch bestimmt habe (und ja, irgendwie in der Reihenfolge).
    Somit tue ich mich schwer mit mystischem Sehen, finde jedoch die daraus entstehenden Gedanken spannend, nachdem ich sie mir in Thesen, Argumente und so weiter zerlegt und begründet habe…

    Übrigens dein mystisches Sehen gibt es auch in der männlichen Philosophie, z.B. Levinas.

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  18. @Stephanie, ja und auch auf dein „Ebenso ist es vielfach leicher im politischen Handeln durch eine möglichst geschärften Blick zu klaren Forderungen/Gestaltungsmöglichkeiten zu kommen“. Ich denke eigentlich, dass Aufmerksamkeit, Empathie, Unvorgenommenheit usw. zu einem guten politischen Handeln zu kommen. Intellektualität kann genauso hilfreich wie fatal sein, wie Hannah Arendt schon sagte, fielen den meisten deutschen Intellektuellen ganz großartige kluge Dinge zu Hitler ein. Hieb- und stichfest analysiert. Während ein Georg Elser ohne jede Analyse aber intuitiv den Eindruck hatte, man müsste den umbringen. Also den Zusammenhang zwischen klugen theoretischen Analysen und angemessenem politischen Handeln, den bezweifle ich jetzt einfach mal :))

    Achja: Mystisches Sehen gibt es auch in der männlichen Philosophie, klar. Ist ja auch nicht alles falsch, was die gesagt haben. Das was richtig ist, ist richtig. Bloß: Dass die männliche Philosophie was für „richtig“ befunden hat (oder auch die Universitätsphilosophie) ist für mich, aus feministischer Praxis heraus, kein Argument und kein Maßstab. Weder im Positiven noch im Negativen…

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  19. @Antje

    zu dem Elser-Beispiel: Es gab ja aber auch genug Leute die intuitiv und von Herzen fühlten das der Hitler ein ganz dufter Typ war oder das diese Nachbarn die in letzter Zeit immer häufiger verschwanden schon immer irgendwie schlecht waren.

    Was ich damit sagen will: Den Streit was jetzt nun besser sei, „Intellekt“ oder „Intuition,“ halte ich irgendwie für albern, weil BEIDE fehlerhaft sein können, teils mit dramatischen Folgen. (und natürlich auch BEIDE positives bringen können.)

    Ohne fehlende Selbstkritik und Mut die eigenen Grenzen des Erkennens zu … äh… erkennen, würden wohl beide Strategien über kurz oder lang eine Bruchlandung hinlegen.

    Das Bild zu Theorie&Praxis, welches im meinem sozialen Kreis häufig verwendet wird, ist übrigens das von zwei Tanzpartnern.

    D.h. sie treten sich von Zeit zu Zeit mal gegenseitig auf die Füße, aber wenn sie insgesamt gut zusammenarbeiten ergeben sie ein großes positives Ganzes.

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  20. @Cassandra – ja, ich wollte auch nicht sagen, dass Intuition immer zu angemessenem Verhalten führt. Ich wollte nur sagen, dass es keinen klaren Zusammenhang zur intellektuellen Klugheit gibt. Das kann man ja momentan auch an der Sarrazin-Debatte sehen. Das sind nicht nur die „Ungebildeten“, die ihm applaudieren. (Aber ja: die auch)

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  21. Schön, dass ihr miteinander redet!

    Was ist eigentlich mit der queeren Identitätspolitik? Also ich finde, die gibts ja durchaus auch (also jetzt rein intuitiv). Und was mit den „alten“ Gleichstellungsfeministinnen? Die sind ja weder queer noch differenz aber „alt“, oder?

    Bitte justiert mir mal meine (identitären?) Schubladen. Danke 🙂

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  22. @Benni – So eine richtige „Gleichheitsstellungsfeministin“ habe ich schon lange nicht mehr getroffen, wenn ich es recht überlege. Der Ansatz war aber auch wirklich zu schlicht (sieht man ja an der Schlichtheit der Argumentation ihrer Überbleibsel, Stichwort Schwarzer und Kopftuch). Es gibt heute höchstens sehrpragmatische Gleichstellungsbeauftragte in den Verwaltungen, aber die realisieren meist auch genau, dass sie innerhalb des Systems arbeiten und nur beschränkte Möglichkeiten haben. Das heißt, sie erklären sich nicht selbst zur Speerspitze der feministischen Revolution, sondern sind, naja, eben pragmatisch und dabei aber durchaus interessiert an Anregungen „von außerhalb“ ihrer Institutionen. Ich habe jedenfalls schon lange keine prinzipiellen Einwände von einer „Gleichheitsseite“ gegen „Differenzfeminismus“ gehört, ich glaube, dieser Streit ist im wesentlichen ausgestorben. Eher sehe ich es als ein Problem, dass die Attraktivität von biologistischen „Differenztheorien“ (Gene, Hirnströme u dgl) wieder zunimmt, da bin ich manchmal bei Veranstaltungen verblüfft, welche Attraktivität das hat. Inwiefern ehemalige Anhängerinnen der Gleichheit zum Dekonstruktivismus oder Queer übergewechselt sind, kann ich nicht sagen.

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  23. @Stephanie – achja, auf den Sinn deines Wikipedia-Zitates bin ich noch nicht eingegangen. Aber das ist eine für die deutschsprachige Diskussion typische Verwechslung und Gleichsetzung, die mich oft ärgert: „Frau“ wird verstanden als gleichbedeutend mit „alle Frauen“ oder „speziell Frauen“. Dabei bedeutet es eben einfach nur (eine) „Frau“. „weibliche Freiheit“ ist einfach die Freiheit von Frauen, und damit ist logisch eben nicht gesagt, dass es die Freiheit „aller Frauen“ oder eine „typisch weibliche“ Freiheit ist.

    Ich fand gut, wie Andrea Günter das bei der Buchvorstellung am Verständnis des Satzes „Ich bin eine Frau“ deutlich gemacht hat. Betont man das „eine Frau“ ist es eine Identitätszuweisung, in dem Sinne, dass die Person, die das sagt, das Frausein repräsentiert. Liest man es mit Betonung auf dem „Ich bin“, ist es ein Urteil, ein Bedeutungsgeben, das von der Subjektivität dieser Frau ausgeht. Ist das für dich irgendwie verständlich?

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  24. @Antje: Ich halte den Gleichheitsfeminismus in der politischen Diskussion weiterhin für hegemonial. Das sieht man ja schon alleine daran, dass sich alle Antifeminist_innen immer noch an dem abarbeiten.

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  25. Intellektualität kann genauso hilfreich wie fatal sein, wie Hannah Arendt schon sagte, fielen den meisten deutschen Intellektuellen ganz großartige kluge Dinge zu Hitler ein. Hieb- und stichfest analysiert. Während ein Georg Elser ohne jede Analyse aber intuitiv den Eindruck hatte, man müsste den umbringen. Also den Zusammenhang zwischen klugen theoretischen Analysen und angemessenem politischen Handeln, den bezweifle ich jetzt einfach mal

    Ich denke, man darf Intellektualität nicht mit Klugheit und Rationalität verwechseln. Irrationalismus ist gerade Sache der Intellektuellen. Antisemitismus, völkischer Nationalismus, Kriegsverherrlichung und manche großartigen Dinge zu Hitler sind kulturelle Errungenschaften des Bildungsbürgertums. Intellektuelle verbreiten ihre giftige Propaganda vermittels der Medien, damit auch der letzte zeitungslesende Kleinbürger von ihr angesteckt wird. Das passiert sicher, denn Bürger sind das Denken nicht gewohnt. Die Zeitung nimmt ihm das ab. Der Plebs hingegen hat keine Beziehung zu Nietzsche, Luther, Schiller und Wagner, begeistert sich nicht für Reformpädagogik, Religion, Philosophie und Esoterik, und sieht daher viele Dinge manchmal klarer. Na obwohl, so ganz richtig im Kopf sind auch altruistische Attentäter wie Elser nicht.

    Der Schandtaten mancher Intellektueller zum Trotz bin ich der Ansicht, daß politische Analysen unbedingt notwendig sind, wenn man die Welt verbessern möchte. Diese Analysen müssen aber, wie Christian schon ausführte, wissenschaftlichen Grundsätzen genügen.

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  26. @Benni – ja, das mag sein. Und es ist natürlich auch ein Medienphänomen. Aber sie arbeiten sich dann halt an ihren Phantasiebildern ab. Das ist aber im Bezug auf den Feminismus leider auch nix neues ;((

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  27. @Antje
    erstmal zu Deinem Beitrag unter 19:
    Bei Deinem von mir zitierten Satz habe ich eine populären Fehler gemacht: Ich schließe von mir auf andere. Daher auch meine Ausführungen zu meinem Hirn, denn gerade im „Wie denken/wie handeln“ Bereich, spielt das eine große Rolle.
    Levinas hat ein ganzes Buch seiner Version dieses Fehlers gewidmet. Er versucht sich an einer athestischen Theologie und behauptet alle Menschen könnten hinter dem Antlitz des Anderen sehen, was Richtig und was Falsch ist. Er projeziert sozusagen ein mystisches Sehen, das vielleicht ihm zu Eigen ist, auf alle. Unnötig zu sagen, dass bei aller Autorität die die akademische Philosophie ihm gibt, ich von ihm nicht profitiere?

    zu Deinem Beitrag 24:
    Ich weiß, was Du meinst, hätte Dich so interpretiert, aber die mißverständliche Ausdruckweise, birgt Glatteis. Dieses gallte Es hat vielleicht lantzschi mit folgendem gemeint:

    Dekonstruktion wehrt sich gegen Identitätspolitik (und damit auch ein Stück weit gegen das Subjekt Frau), selbst wenn diese so formuliert wird, dass Menschen verschiedene Identitäten in sich vereinen, die wechseln können je nach Kontext, weil das stets impliziert, dass einer Identität mit einer Benennung Gewicht bekommt (verkürzt ausgedrückt).

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  28. Sehr spannend! 2007 ist ja mein Buch über den Dritten Feminismus erschienen. Ich unterscheide, mehr systematisch als historisch zwischen Gleichheitsfeminismus, Differenzfeminismus und einer dritten Position, die beiden miteinandern in Einklang bringt. Besonders wichtig ist mir, die Polarisierung zu vermeiden, also die beiden Positionen nicht gegeneinander auszuspielen sondern nach Verbindendem zu suchen. Seitdem wurde mir klar, und das habe ich auch in meinen Veranstaltungen und Vorträgen immer betont, dass auch Butler eine Differenzfeministin ist. Ja, und da freut es mich natürlich, dies hier zu finden! – Während z.B. das Phänomen Alice Schwarzer die Problematik eines sehr einseitigen Gleichheitsfeminismus deutlich macht.

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  29. @Bettina,

    noch vor kurzem lagen Deine Veröffentlichungen zu Kristeva auf meinem Nachttisch ;-). Aber ich glaube das von dir erwähnte Buch (Der dritte Feminismus. Denkwege jenseits der Geschlechtergrenzen) ist mir noch entgangen. Danke für den Tip!

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  30. „@Christian – also was mich betrifft, so darf es den biologischen Unterschied schon geben, man darf nur nichts normatives draus ableiten. “

    Die Frage, ob daraus etwas Normatives abgeleitet wird, stellt sich so ja auch erstmal gar nicht – es stellt sich viel eher die Frage, ob die biologischen Unterschiede auch Unterschiede in den Aushandlungsmöglichkeiten des Zusammenlebens bedingen.

    Und die Antwort darauf ist ganz klar „Ja“ – auch wenn diese Aushandlungsmöglichkeiten/Verhandlungspositionen im Kontext der aktuellen Gesellschaft variieren.

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  31. Übrigens ist das Zusammenleben ja ein Dogma – bei ziemlich vielen Tierarten beschränkt sich das Zusammenleben auf die Zeiten der weiblichen Empfängnisbereitschaft; ansonsten würde man Männchen und Weibchen noch nicht einmal derselben Tierart zurechnen.

    Ganz interessant, was in dem Zusammnenhang Evolutionsbiologen über den versteckten Eisprung und die durchgehende Sexualbereitschaft bei Menschen vermuten …

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  32. Andreas:

    Übrigens ist das Zusammenleben ja ein Dogma – bei ziemlich vielen Tierarten beschränkt sich das Zusammenleben auf die Zeiten der weiblichen Empfängnisbereitschaft; ansonsten würde man Männchen und Weibchen noch nicht einmal derselben Tierart zurechnen.

    Du scheinst irgendwo ganz allein und splitternackt im Wald zu leben, und Dich von Waldbrombeeren zu ernähren ohne Computer und alle Errungenschaften moderner und nicht so moderner Technologie, unter noch primitiveren Bedingungen als die primitivsten der auf der Erde lebenden Naturvölker, die ausnahmslos alle in relativ hochentwickelten Gesellschaften leben. Übrigens, Menschen können sprechen und denken. Das können alle anderen Tiere nicht. Warum können Menschen sprechen und denken? Um sich in komplexen Menschengesellschaften zurechtzufinden! Diese Gesellschaften erzeugen auch alle die Konflikte, unter denen die Menschen leiden, u.a. auch die zwischen den Geschlechtern.

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  33. @georgi:

    Das ist albern, finde ich; so weit muss man gar nicht gehen – einige Gesellschaften, die ein hohes Maß an Freiheit für Männer und Frauen bereithielten, hielten diese Freiheit für beide Geschlechter bereit, weil eben Frauen und Männer weitestgehend getrennt lebten. Zumindest so mein Wissen über den Forschungsstand – und das finde ich hinreichend radikal, um auf den Gedanken zu kommen, dass im Grunde Männer und Frauen einander nicht benötigen.

    Mit dem tierischen Beispiel wollte ich sagen, dass nur das Kopulieren kein hinreichender Grund ist, um anzunehmen, dass Männer und Frauen die gleiche Form von Gesellschaft brauchen, um sich wohlzufühlen. Vielleicht brauchen sie eher völlig unterschiedliche Auslaufformen ;-).

    Individualismus findet jedenfalls in solchen kollektiven Verhandlungsstrategien wenig Platz, schätz‘ ich mal.

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  34. Hallo Antje… Mit etwas Verwunderung habe ich grad deinen Kommentar Nr. 16 gelesen.
    Ich lese ihn als (fast lehrbuchhafte) Dekonstruktion der Theorie-Praxis-Differenz. Bist du vielleicht doch dekonstruktivistischer, als du dir selbst eingestehst? Was hält dich davon ab, die Mann/Frau-Differenz ähnlich zu handhaben?

    Zur Mystik: Gewisse Bewusstseinszustände ergeben sich aus der (zumindest annähernden) Abwesenheit von Unterscheidungen. Je weniger unterschieden wird, desto weniger wird *männlich oder *weiblich unterschieden und desto weniger kann man hinterher darüber sprechen…

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  35. Bin immer wieder überrascht wie scheinbar intelligente Menschen ideologische Themen rein wissenschaftlich behandeln wollen. Flying spaghettimonster ?
    Und dann Judith ?
    Bei diesem Tempo der Dekonstruktion jeglicher Wissenschaftlichkeit wird in wenigen Jahren mit dem Hintern mehr umgeworfen, als mit den Händen(Geist) je erschaffen wurde. In Bezug auf „Feminismus“, oder was man dafür hält.
    Was dazu passt, zwar off topic, aber wie gesagt, passt gerade so gut;
    die Quote in Norwegen wird ja noch immer so hoch gejubelt, dabei merkt kaum jemand, nicht einmal die Reading, oder die EU(die sind ja eh mehr als unfähig 😉 ), dass die Unternehmen in Norwegen ihre Gesellschaftsform ändern, um diese unsägliche Quotenregelung zu umgehen, da ganz klar kontraproduktiv.
    Die Anzahl der betroffen Unternehmen hat sich fast halbiert, und damit auch die Anzahl weiblicher Führungskräfte wieder vermindert,man konnte eh nie genug finden, nur kann man in der Deutschen Presse nichts darüber lesen.
    Bin mir ziemlich sicher auch hier hat niemand etwas mitbekommen, schwimmen ja fast alle auf der „grünen Welle“ 😉
    Oder ist Norwegen ganz plötzlich wieder patriarchalisch gesteuert ?
    Das ganze nimmt mittlerweile lächerliche Züge an, sorry dies so offen sagen zu müssen.
    Explizit mit Butler beschäftigte ich mich vor einigen Jahren, konnte ihrer Schreibe aber absolut nichts abgewinnen, dazu denkt Butler zu schematisch und zielorientiert.
    Nicht die Anstrengung zur Findung einer Antwort ist ihr Ziel, sondern ein akzeptabler Weg zur Erklärung des vorgegebenen Ziels, und das hat mit Wissenschaft absolut Nichts zu tun, ist nur simple Ideologie.

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