Biologie und Biologismus

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Schon lange habe ich vor, einen Artikel über den Unterschied zwischen Biologie und Biologismus zu schreiben. Mir fällt nämlich auf, dass der Vorwurf des „Biologismus“ heute immer öfter auch gegen Frauen und ihre Ideen eingesetzt wird, was wiederum dazu führt, dass das Reden über Biologie, über Körperlichkeit und damit über die Grenzen, die unserem souveränen Weltgestalten möglicherweise gesetzt sind, tabuisiert wird.

Eigentlich handelt es sich dabei ja um eine traditionelle Kritik von Frauen an der Idee, ihre weibliche Biologie oder „Natur“ würde sie auf bestimmte Rollen oder Verhaltensweisen festnageln. Der „Biologismus“ hatte sich im 19. Jahrhundert ausgebreitet, weil die Männer in einer gewissen Erklärungsnot waren: Sie hatten (mit der Französischen Revolution) die Idee in die Welt gesetzt, dass alle Menschen gleich seien, aber für Frauen sollte das nicht gelten: Frauen hatten kein Wahlrecht, durften nicht auf Universitäten und so weiter.

Von Anfang an haben Frauenrechtlerinnen auf diese Inkonsequenz hingewiesen. Und weil es keine logische oder auch nur plausible Begründung gab, behaupteten maßgebliche Theoretiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Aufklärung kurzerhand, Frauen seien von ihrer „Natur“ her eben für solche Dinge nicht geeignet.

Das löste im Lauf des Jahrhunderts einen Riesenberg an Forschungen aus, die auch in der Tat ganz überwiegend zu dem Ergebnis kamen, dass Frauen nicht etwa aufgrund von bestimmten, von Männern getroffenen politischen Entscheidungen nicht wählen, nicht öffentlich auftreten, bestimmte Jobs nicht bekommen und so weiter konnten, sondern aufgrund der wissenschaftlichen Tatsache, dass ihre „Biologie“ das eben nun mal nicht zulasse (daher rührt übrigens meine chronische Skepsis gegen wissenschaftlichen Rationalismus).

Es ist daher naheliegend, dass der Kampf gegen den Biologismus in der Frauenrechtsbewegung eine zentrale Rolle spielte. Was mich allerdings wundert ist, dass der Kampf „Biologie oder Sozialisation“ auch heute noch mit großer Verve geführt wird, obwohl er doch seine politische Relevanz längst verloren hat. Denn der ursprüngliche Knackpunkt, nämlich die Frage, ob Frauen gleiche Rechte haben sollen, ist ja längst entschieden. Zumindest in der westlichen Welt würde das doch niemand mehr ernsthaft verneinen.

Und ich finde, es ist auch schlicht und ergreifend egal, ob – um ein banales Beispiel zu nennen – Männer deshalb mehr Interesse an bestimmten Macht- und Führungspositionen haben, weil irgendwelche Gene sie dafür disponieren, oder weil sie als Jungens ein entsprechendes Konkurrenzverhalten antrainiert bekommen haben. Zumindest ist diese Frage in politischer Hinsicht egal. Denn wir müssen darüber diskutieren, ob wir das, was Frauen oder Männer tun, gut oder schlecht finden. Und zu wissen, ob dieses Verhalten nun angeboren, anerzogen oder (eine Möglichkeit, die oft vergessen wird) selbst ausgedacht ist, hilft ja eigentlich nicht bei der Entscheidung darüber, wie man es bewertet, ob man zu dem Schluss kommt, es zu fördern oder möglichst zu unterbinden.

Der Biologie-versus-Sozialisations-Streit als solcher führt im Allgemeinen von den politischen Konflikten weg, weil weil er Fragen auf eine wissenschaftliche Ebene hebt, die in Wirklichkeit auf die politische Ebene gehören.

Aber: Auch wenn ich finde, dass Biologismus in der Politik nichts zu suchen hat, dass also niemand die eigenen politischen Argumente mit Hinweisen auf angeblich biologische Naturnotwendigkeiten verbrämen sollte, so bin ich doch der Ansicht, dass die Biologie ein Faktor ist, der in den politischen Debatten eine Rolle spielen muss, und zwar eine größere als zur Zeit. Menschen sind körperliche Wesen und keine vergeistigten Abstraktheiten. Sie sind Wesen aus Fleisch und Blut, die aus dem Körper einer Frau heraus in die Welt kommen, die bedürftig sind, Hunger und Durst haben, scheißen müssen, krank werden und so weiter. So gesehen ist Biologie sogar das eigentliche Thema der Politik.

Dass die Verdrängung von Körperlichkeit und der menschlichen Bedingtheit ein Wesensmerkmal patriarchaler Politik und Philosophie war, haben schon viele Denkerinnen festgestellt. Die Tradition des Körper-Geist-Dualismus, die mit den alten Griechen anfing und im Christentum fortgeführt wurde, hat zu jenem Denken geführt, dem schließlich auch die Frauen zum Opfer gefallen sind: Sie wurden mit dem dunklen, unkontrollierbaren Aspekt des Menschseins gleichgesetzt, sie hatten die Natur zu repräsentieren, während der Mann die Kultur für sich beanspruchte – das war das Grundmuster, auf dem dann später der Biologismus funktionieren konnte.

Doch können wir heute wirklich damit zufrieden sein, den Biologismus entlarvt zu haben und die Zumutungen, die das für Frauen bedeutet hatte, im Zuge der Gleichberechtigung abgelegt zu haben? Damit, dass wir, die Frauen, quasi auf die Seite des guten, klaren, hellen Geistes überwechseln durften? Ist die Biologie heute unwichtig, eine Nebensache, die keine Rolle mehr spielt, weil wir ja als unabhängige, freie Menschen die Welt einfach so machen, wie wir sie haben wollen, ohne dabei irgendwelche Grenzen des Möglichen beachten zu müssen?

Ich habe meine Zweifel, gerade was das freie politische Handeln von Frauen betrifft. Und zwar deshalb, weil heute der Vorwurf des „Biologismus“ gegen Frauen gewendet werden kann, und zwar immer dann wenn sie darauf hinweisen, dass politische Gleichheit nicht automatisch auch tatsächliche Gleichheit bedeutet (was im Übrigen ebenso eine Binsenweisheit ist, wie es im 19. Jahrhundert eine Binsenweisheit war, dass eine Demokratie, die Frauen nicht einbezieht, keine Demokratie sein kann).

Zeigen möchte ich das am Beispiel eines meiner Blogposts vom vergangenen August, in dem ich mich unter dem Titel „Vaterschaft ist mehr als Sex gehabt haben“ kritisch mit der heutigen Tendenz auseinandergesetzt habe, Vaterschaft zunehmend biologisch zu definieren. Ich schrieb:

Die Beziehungen von Vätern zu Kindern sind niemals evident, sie müssen per Gesetz garantiert werden. Das ergibt sich ganz einfach aus dem Umstand, dass bei der Geburt immer nur eine Person unausweichlich anwesend ist: die Mutter, aus deren Körper das Kind nämlich herauskommt. Die Anwesenheit jeder anderen Person – des Vaters, der Hebamme, der Freundinnen, der Ärztin – ist soziale Verabredung. Sie ist nicht notwendig für den Vorgang der Geburt als solchen.

Dass es den hier beschriebenen biologischen Unterschied zwischen Mutterschaft und Vaterschaft gibt, ist offensichtlich und wurde auch in den Kommentaren nicht bestritten. Aber es wurde von manchen die Ansicht vertreten, dieser Unterschied dürfe im Bezug auf politische Verhandlungen keine Bedeutung haben, zum Beispiel von milhouse, der/die schrieb:

Biologistischer als über die Tatsache der Geburt durch die Frau ein Geschlechterungleichverhältnis zum Kind zu konstruieren geht es ja wohl kaum.

Aber ist das so? Sind wir, wenn wir keine Biologistinnen sein wollen, verpflichtet, die Unterschiede zwischen Vaterschaft und Mutterschaft im Hinblick auf Schwangerschaft und Geburt (zum Beispiel) zu ignorieren? Müssen wir bei unseren Debatten so tun, als wären ein Vater und eine Mutter dasselbe, obwohl sie es in der Realität – shame on you, Biologie! – ganz einfach nicht sind?

Ich finde, biologische Unterschiede zu benennen und dafür aufmerksam zu sein, ist keine Konstruktion, sondern Realismus. Denn die Realität ist immer körperlich, sie bringt ständig Unterschiede hervor zwischen Menschen. Nicht nur zwischen Müttern und Vätern, sondern auch zwischen Alten und Jungen, zwischen Gesunden und Kranken und so weiter und so fort. Sicher, jede politische Schlussfolgerung, die aus der Kenntnisnahme dieser Unterschiede besteht, muss argumentativ begründet und vermittelt werden, niemals versteht sie sich von selbst oder ergibt sich aus der Biologie automatisch. Aber wie auch immer diese Schlussfolgerung aussehen mag, sie steht auf tönernen Füßen, wenn sie die Realität zuvor nicht realistisch zur Kenntnis nimmt.

Biologismus, also die Verbrämung eigener politischer Ansichten und Ideen durch angeblich wissenschaftliche Tatsachen, ist abzulehnen. Aber die Biologie, also die Körperlichkeit und Bedingtheit des menschlichen Lebens mit all ihren Unwägbarkeiten, Ungleichheiten und Konfliktpotenzialen, mit den Grenzen, die sie uns setzt – sie ist die Voraussetzung, von der wir bei all dem ausgehen müssen, wenn das, was wir verhandeln, halbwegs sinnvoll sein soll.


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

39 Gedanken zu “Biologie und Biologismus

  1. Bei dem Thema muss ich mich natürlich zu Wort melden.

    ich denke, dass man sich zunächst erst einmal bewußt machen muss, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau in der Biologie immer nur auf den Schnitt betrachtet werden und Abweichungen für den einzelnen Menschen zu erwarten sind.

    Die Ausprägung bestimmter Fähigkeiten ist bei Mann und Frau verschieden, es handelt sich um zwei Normalverteilungen mit unterschiedlichen Mittelwert, deren Träger überlappen.

    Demnach kann man nicht sagen, dass jeder Mensch, dessen Phänotyp männlich oder weiblich ist, bestimmte genau gleiche Eigenschaften hat.

    Eine Politik, die Eigenschaften nach männlich/weiblich zuweist, kommt daher auch zu ungerechten Ergebnissen.

    Etwas anderes ist es aber, wenn man feststellt, dass bestimmte Arbeitsbereiche, die bei den Geschlechtern im Schnitt verschiedene Fähigkeiten betreffen, auch von dem Geschlecht, das dort die stärkeren Fähigkeiten aufweist, mehr ausgeübt wird.

    Denn bei einer verschobenen Normalverteilung zeigen sich ja gerade bei den besseren Personen die größten Mengenunterschiede, auch wenn in der Mitte vielleicht fast gleich viele Männer und Frauen mit gleichen Fähigkeiten sind. Und gerade die Leute mit besonderen Fähigkeiten auf einem Gebiet wollen dieses Gebiet dann auch als Beruf ausüben.

    Nimmt man beispielsweise die besseren Sprachlernfähigkeiten von Frauen, dann verwundert es nicht, dass mehr Frauen als Männer Dolmetscher sind. Nimmt man das bessere räumliche Denken, dann verwundert es nicht, dass mehr Männer Piloten sind.
    Das schließt nicht aus, dass einige Frauen Piloten sind und dann genauso gut wie die Männer oder das einige Männer Dolmetscher sind und dabei genau so gut wie die Frauen. Deswegen wäre eine Gesetzgebung, die nur Männern erlaubt Pilot zu werden sinnleer. Ebenso sinnleer wäre aber ein Gesetz, nachdem 50% aller Piloten Frauen sein müssen.

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  2. @Christian – :)) nee, sicher hast du auf den Blogpost schon gewartet:)
    Vielleicht hast du recht, vielleicht auch nicht (wie gesagt, dieses Thema interessiert mich nicht so sehr), aber die politische Frage bzw. ein ggfs. zu erwartender Konflikt ist halt in dem Moment zu erwarten, wo entweder zufälligerweise die Berufe und Tätigkeiten, die von Männern bevorzugt werden (wieso auch immer) mehr Prestige, Einfluss und Bezahlung haben, oder wo Tätigkeiten und Ämter, die alle Menschen betreffen (professionelle Politik, wirtschaftliche Führungspositionen) so organisiert werden, dass sie eher männlichen Neigungen (woher auch immer die kommen) entsprechen. Dieses beides darf nicht so sein, auch dann nicht, wenn du mit deiner These von den biologischen Ursachen der beobachtbaren Unterschiede zwischen den Geschlechtern recht hättest.

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  3. Die Frage ist, ob man das ändern kann:

    „zufälligerweise die Berufe und Tätigkeiten, die von Männern bevorzugt werden (wieso auch immer) mehr Prestige, Einfluss und Bezahlung haben,“

    Wenn man davon ausgeht, dass Männer im Schnitt eher Wettbwerb mögen als Frauen (flight or fight vs. tend and befriend) und Männer zudem aufgrund sexueller Selektion auch eher hinter den Jobs mit Status her sind, dann werden Berufe, die Status geben automatisch umkämpfter, was die Berufe für Frauen im Schnitt uninteressanter macht. Verliert ein Job an Status wird er damit gleichzeitig für Männer uninteressanter.

    „wo Tätigkeiten und Ämter, die alle Menschen betreffen (professionelle Politik, wirtschaftliche Führungspositionen) so organisiert werden, dass sie eher männlichen Neigungen (woher auch immer die kommen) entsprechen“

    Die Frage ist, ob man sie anders organisieren kann.
    Ich finde es recht gefährlich einfach davon auszugehen, dass man Bereiche genauso gut auch „weiblicher“ organisieren kann, wenn man nur wollte. Es muss nicht immer zwei Wege geben.
    Wirtschaftliche Führungspositonen kommen Männern sicherlich entgegen, aber das liegt auch daran, dass sie stressig sind, Verzicht auf Zeit mit der Familie erfordern, man im Wettbewerb und in der Öffentlichkeit steht etc. Wenn Frauen dies aus bestimmten Gründen (andere Wettbewerbsorientierung, größeres Interesse an Familie, der Statuszuwachs nützt ihnen weniger) einfach nicht für so erstrebenswert finden, sondern lieber ein anderes, vielleicht sogar erfüllenderes Leben leben, dann ist das ja vielleicht sogar eine schlaue Entscheidung ihrerseits, die sie zu Recht getroffen haben.

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  4. Dies hier thematisierte Problem beschäftigt mich in vielen beruflichen und privaten Zusammenhängen und Debatten (u.a. aktuell in einer Fortbildung zu geschlechterreflektierter Jungenarbeit): Einerseits finde ich sind alle Zuschreibungen, die ans Geschlecht gebunden sind, um Personen zu charakterisieren, problematisch. Immer wieder gelangt man dazu andere Verhaltensweisen, dann implizit als „unweiblich“ bzw. „unmännlich“ zu qualifizieren, was ausgrenzend wirkt. Andererseits ist es doch unzweifelhaft so, dass es Differenzen gibt, die ans Geschlecht gebunden sind, deren Ursachen oft kaum aufzudecken sind und tatsächlich lenkt die Debatte über Biologie vs. Gesellschaft, Natur vs. Erziehung immer von der notwendigen Entscheidung ab, wie eine jede Einzelne, ein jeder Einzelne leben will und sich als Mann oder Frau verstehen.

    Für mich selbst ist eine Erfahrung sehr bedeutsam gewesen: eine schwierige Schwangerschaft hat meine Identität ganz grundsätzlich in Frage gestellt. Dass der Körper, den ich zuvor nicht dualistisch von „mir“ abgespalten hatte, plötzlich auch Gefäß für ein anderes „ich“ wurde, das zugleich immer noch „ich“, aber auch schon „Nicht-Ich“ war, hat meine Selbstwahrnehmung dauerhaft verändert. Die Identitätskonzeption, der Subjekt-Status – all das wurde mir fragwürdig. Und ich lernte, wie sehr diese Konzeptionen historisch männlich codierte sind (eben nicht geschlechtsneutral) und dass ich sie nicht so schlicht, wie ich gedacht hatte, übernehmen konnte. Die Wahrnehmung moderner Kunst und Psychologie, dass „Ich ein(e) Andere(r)“ ist, kann für eine Frau zur körperlichen Realität werden. Das macht einen Unterschied aus, den man nicht unterschätzen sollte. (In einem männlichen Körper k a n n kein anderes menschliches Wesen a n w e s e n d sein.)

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  5. @Christian – „Die Frage ist, ob man sie anders organisieren kann“ – Für mich ist die Frage erstmal, ob ich sie anders organisieren will und welche Ideen ich dafür habe. in einem zweiten Schritt überlege ich dann, wie ich das umsetzen kann. Da gibt es, je nach Situation, sehr viele Möglichkeiten. Man klappt es, mal klappt es nicht. Historisch gesehen hat sich ja schon vieles verändert auf der Welt, bei dem man früher auch davon ausging, dass man es bestimmt nicht ändern kann.

    @Melusine – Diese Erfahrung, die du beschreibst, hat Ina Praetorius als die „Zwei in einer“-Situation beschrieben und philosophisch-ethisch durchdacht. Sie ist der Ansicht, dass das die allgemein übliche Vorstellung von menschlicher „Identität“ als „mit sich eins-Sein“ als Konzept in Frage stellt. Ich war zwar noch nie schwanger, aber ich denke auch, dass das stimmt.

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  6. @Melusine – Und ja, es geht um die Begegnung, das Offen sein und Sich-zur-Verfügung stellen für Anderes. Die Bezeichnung „Gefäß“ ist problematisch, das ist alte patriarchale Tradition (ich glaube, Aristoteles oder so war’s), die den Part der schwangeren Frau als rein passiv, eben als „Gefäß“ oder „Nährboden“ verstanden hat. Es ist aber eine Beziehung, eine Beziehung zwischen zwei sehr Ungleichen, die aber dennoch keine Herrschaft ist. Und damit ist sie als Modell sehr interessant auch für andere politische Prozesse. Ein gutes Beispiel dafür, wie eine weibliche und rein biologische Erfahrung Ausgangspunkt für Kultur und Politik ist bzw. sein könnte.

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  7. Wg. „Gefäß“: Als ich in der Klinik lag, still gelegt, ans Bett gefesselt, von den Ärzten nur noch als „Muttermaschine“ betrachtet, habe ich mich so gefühlt: als Gefäß. Das war fürchterlich, auch weil ich mein Aufbegehren gegen diese Reduktion auf Funktion „für das Andere“ (und es prägt ja die Haltung – nicht nur der Mediziner, sondern auch des gesellschaftlichen Umfelds – gegenüber Müttern, auch nach der Geburt) als moralisch „schlecht“, geradezu verwerflich wahrgenommen habe. Das hat mich noch einmal zerrissen. Ich habe versucht das zu beschreiben: http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2010/03/zug-um-zug-3-1994.html
    Hier fällt das Wort „Gefäß“, weil es dem entsprach, wie ich mich wahrgenommen habe und meinte gesehen zu werden. Aber ich stimme zu: Es ist falsch, es in einem „Sachtext“ zu verwenden. Das werde ich nun nicht mehr tun. Danke für den Hinweis, der mir hilft, hier noch mehr Distanz und Reflexion anzustreben.

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  8. „Ich finde, biologische Unterschiede zu benennen und dafür aufmerksam zu sein, ist keine Konstruktion, sondern Realismus.“

    Nur dass es nach Meinung mancher Menschen keine Realität gibt, sondern alles konstruiert ist.

    Ich stehe dieser Ansicht noch immer skeptisch gegenüber: ich bin immer noch überzeugt, dass es eine Außenwelt gibt, auch „Realität“ genannt, zu der wir Beziehungen aufnehmen können und die uns hin und wieder unsere Grenzen aufzeigt, vor allem dann, wenn wir meinen, ohne diese Außenwelt auskommen zu können. Zu dieser Realität kann auch unser Körper gehören, auch wenn er nicht die Außenwelt ist. (Nun ja, für radikale Konstrukivisten ist alles außer dem Gehirn Außenwelt.)

    Über den Unterschied zwischen Vaterschaft und Mutterschaft, das heißt, über die Frage, ob wir aus dem Unterschied zwischen Vaterschaft und Mutterschaft politische und rechtliche Konsequenzen ziehen wollen, und wenn ja, welche, kann ich im Moment nichts sagen. Oder doch: Ich glaube, dass im Moment immer noch zu viele Ungleichheiten zwischen Müttern und Vätern bestehen, die mit der Biologie legitimiert werden (immer noch bleiben in aller Regel Mütter im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes zuhause) und dass die biologischen Väter, die keine Beziehung zur Mutter des Kindes mehr haben (Beziehung nicht nur als Liebesbeziehung), aber Kontakt zum Kind fordern, meistens spektakuläre Einzelfälle sind.

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  9. Sorry, aber wenn wir schon die Biologie zur Kenntnis nehmen wollen, dann doch bitte in der Komplexität, die dem Fach innewohnt – eine Wiedergabe biologischer Tatsachen als „Frauen sind bei der Geburt dabei, Männer nicht unbedingt“ halte ich für ziemlich sinnfrei; erstens ist auch das nur „soziale Konstruktion“ – man siehe zum Beispiel die Tendenz, Schwangerschaften per Kaiserschnitt zu beenden ( da sind die Frauen in gewissem Sinne auch nicht „dabei“ ). Zweitens interessiert die meisten Männer wohl nicht so sehr die Anwesenheit bei der Geburt, sondern bei der Zeugung – und die ist auch keine „soziale Konvention“, sondern eine ziemlich biologische Tätigkeit *g*.

    Weswegen die obige „Tatsache ( Anwesenheit der Mutter bei der Geburt )“ für die Biologie der „biologischen Vaterschaft“ völlig unerheblich ist – ich verstehe nicht, was das Ganze soll – es sei denn, es läuft eben doch auf Biologismus hinaus a la : Weil der Vater bei der Geburt nicht anwesend ist, bleibt ihm nur, den Unterhalt zu zahlen ( oder mehr Steuern, damit der Staat den Unterhalt zahlen kann), aber kein Erziehungsrecht usw. usf.

    „…oder wo Tätigkeiten und Ämter, die alle Menschen betreffen (professionelle Politik, wirtschaftliche Führungspositionen) so organisiert werden, dass sie eher männlichen Neigungen (woher auch immer die kommen) entsprechen. Dieses beides darf nicht so sein, auch dann nicht,…“

    Das Problem dabei ist nur, dass „die Männer“ den Kuchen nicht nur unter sich verteilen, nein, sie backen ihn auch selber – weswegen es eben doch so sein darf …

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  10. „Dass die Verdrängung von Körperlichkeit und der menschlichen Bedingtheit ein Wesensmerkmal patriarchaler Politik und Philosophie war, haben schon viele Denkerinnen festgestellt. Die Tradition des Körper-Geist-Dualismus, die mit den alten Griechen anfing und im Christentum fortgeführt wurde, hat zu jenem Denken geführt, dem schließlich auch die Frauen zum Opfer gefallen sind: Sie wurden mit dem dunklen, unkontrollierbaren Aspekt des Menschseins gleichgesetzt, sie hatten die Natur zu repräsentieren, während der Mann die Kultur für sich beanspruchte – das war das Grundmuster, auf dem dann später der Biologismus funktionieren konnte.“

    Das mag ja so sein – es ist trotzdem ein ziemlich vollständiges und in sich logisches Denkgebäude, das einige Dinge kohärent erklärt.

    Heute würde man das doch in Wirklichkeit nur anders formulieren – der moderne Evolutionsbiologe würde sich wohl so ausdrücken: Der Mensch ist in seiner Geschichte mit Veränderungen der Umwelt, in der er sich behaupten muss, konfrontiert worden. Diese Veränderungen lassen sich grob in zwei Klassen einteilen: Schnelle und langsame Veränderungen. Langsame Veränderungen können durch die Schnelligkeit der natürlichen Adaption an die Umwelt bewältigt werden – schnelle Veränderungen erfordern dagegen eine Programmierung, die sehr viel schneller als es die natürliche Selektion erlaubt, auf neue Bedürfnisse angepasst werden kann, begünstigen also die Entwicklung der körperlichen Grundlagen für kulturelle Codierungen.

    Und schon sind wir wieder bei sowas wie einem Körper-Geist-Dualismus: Körper = Anpassung an langsame Veränderungen, Geist = Anpassung an schnelle Veränderungen.
    Wir können auch das Spiel noch weiter treiben und uns fragen, ob eher Frauen oder eher Männer geschichtlich in ihren persönlichen Umwelten mit schnellen oder langsamen Veränderungen konfrontiert wurden usw. usf. …

    Jedenfalls – für ein Übers-Knie-brechen angeblich überkommener „patriarchaler“ Gedanken sehe ich keinen Anlass …

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  11. @Andreas – Danke dass du die „männliche“ Sicht hier in ihrer ganzen Typologie noch einmal so richtig authentisch demonstrierst : ) Genau diese Sichtweise ist es, gegen die ich anschreibe und in Opposition zu der ich politisch tätig bin. Nicht weil ich beweisen könnte oder wollte, dass du wissenschaftlich betrachtet unrecht hast, sondern weil ich anderer Ansicht bin als du. Genau dieser Prozess ist es, den ich mit meinem ganzen Post beschreiben wollte.

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  12. @Susanne – das „konstruieren“ in meinem Text bezog sich nicht auf die Theorie des Konstruktivismus, sondern auf das „Geschlechterungleichheiten konstruieren“ in dem aufgeführten Zitat. War von der Begrifflichkeit her etwas unklar, sorry. Also: Ja, einerseits ist alles, was ich tue, Teil der Konstruktion von Geschlechterrollen. Aber diese Erkenntnis finde ich letztlich banal.

    Aber Konstruktion ist nicht gleich Konstruktion, würde ich sagen. Es gibt ein Wahrnehmen der Realität (Ungleichheit von Schwangerer Frau und Gezeugt habendem Mann im Bezug auf den Embryo) und es gibt willkürliche Konstruktionen, die quasi aus der Luft gegriffen sind (Rosa Shirt für Mädchen, blaues Shirt für Jungens).

    Wobei mir schon klar ist, dass das nicht trennscharf ist, aber trotzdem sollten wir über den Unterschied nachdenken und nicht alles einfach unter „Konstruktion“ subsumieren, finde ich. Die Italienerinnen haben dabei noch eine hilfreiche Unterscheidung, nämlich zwischen Realität und dem Realen. Die Realität wäre die „konstruierte“ Realität, sowie sie uns begegnet (dazu gehören auch rosa und blaue Shirts), das „Reale“ ist etwas irgendwie „tieferes“, das letztendlich durch alle Konstruktion hindurch dennoch einen Maßstab bietet, an dem es sich zu orientieren lohnt. Das widerspricht natürlich dem Dekonstuktivismus in Reinform, aber ich sehe das auch so. Es gibt „etwas“, das unseren Konstruktionen nicht verfügber ist und ihnen dementsprechend auch nicht ausgeliefert.

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  13. @Antje

    „Für mich ist die Frage erstmal, ob ich sie anders organisieren will und welche Ideen ich dafür habe. in einem zweiten Schritt überlege ich dann, wie ich das umsetzen kann.“

    Dagegen spricht auch nichts. Solange in dem Schritt „ich überlege, wie ich das umsetzen kann“ auch die Gründe vorkommen aus denen bisher das andere Modell praktiziert wird und die Vorteile, die dies erhalten.
    Wenn man beispielsweise den Wettbewerb zurückschraubt, dann hat dies evtl. Leistungsauswirkungen. Es ist sehr schwer, den Leuten zu verbieten, sich selbst auszubeuten oder Gesellschaften zu verbieten, die Leute, die sich ausbeuten lassen wollen, nicht auch zu fördern. Natürlich kann man Spitzen abfangen und Ausbeutung wie Kinderarbeit ist etwas vollkommen anderes, als ein junger Manager, der unbezahlte Überstunden macht, weil er meint, dass er sich dann mit besseren Ergebnissen profilieren kann, weil er befördert werden will.

    „Historisch gesehen hat sich ja schon vieles verändert auf der Welt, bei dem man früher auch davon ausging, dass man es bestimmt nicht ändern kann.“

    Das ist richtig, aber es ist auch vieles gleich geblieben. Zuerst müsste man ja zumindest die Argumente kritisch analysieren, aufgrund derer die Unterschiede bestehen.
    Beispielsweise wäre es recht sinnleer die Körpergröße der Geschlechter anzugleichen, indem man Quoten für größere Frauen vorgibt, damit diese in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden und sich dann dafür entscheiden auch größer zu werden.

    Wenn andere Punkte ebenfalls auf biologischen Unterschieden beruhen, wie beispielsweise das räumliche Denken, bei dem starke Übereinstimmungen mit dem Testosteronspiegel festgestellt wurden, dann wären diesbezüglich Angleichungsbemühungen ebenfalls sinnlos. (das bedeutet nicht, dass man Frauen, die Talente auf dem Gebiet haben, nicht fördern sollte, aber dazu hatte ich ja bereits bei dem Punkt Normalverteilung etwas geschrieben. Man sollte eben Talente unabhängig vom Geschlecht fördern, aber nicht zwanghaft versuchen, den Anteil eines Geschlechts zu erhöhen).

    Wie du selbst schriebst muss man sich die Unterschiede bewusst machen. Wenn beispielsweise weniger Frauen Karriere machen wollen, weil ihnen das diesbezügliche Leben nicht gefällt, warum sollte man dann dies durch künstliche Maßnahmen ausgleichen müssen? Das Frauen im Schnitt weniger karriereorientiert sind zeigt sich ja in vielen Studien.
    Und wenn man meint, dass ausgleichen zu müssen, wäre der beste Ansatzpunkt dann nicht die Frau selbst? Also eine Erziehung hin zu stärkeren Karrierewünschen bzw. eine Erschwerung eines langen Ausscheidens aufgrund von Schwangerschaft und Kindererziehung?

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  14. @Christian – Der Punkt ist, dass es mir nicht in erster Linie darum geht, Frauen Vorteile zu verschaffen, sondern um die Frage, was gut ist für die Welt. Und wenn die Mechanismen, die du beschreibst, so stimmen (ich finde, sie stimmen Großteils nicht, aber egal), dann wäre das ein Problem. Dann wäre nämlich das freilaufende Testosteron sozusagen tatsächlich die Ursache für viele Übel wie Ausbeutung, Umweltzerstörung etc. Ich für meinen Teil hoffe diesbezüglich, es ist nicht das Testosteron, sondern eine falsche patriarchale Denke, die sich auch wieder ändern lässt, ohne dass alles noch mehr in die Scheiße geritten wird. Jedenfalls gehe ich in meinem politischen Handeln mal einfach davon aus, dass sich daran noch etwas ändern lässt.

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  15. @AntjeSchrupp:

    Es würde auch keinen Sinn machen, wenn Du versuchen wolltest, „wissenschaftlich“ zu beweisen, dass ich Unrecht habe, genauso wenig, wie es sinnvoll ist, den alten „Körper-Geist-Dualismus“ als patriarchalischen Biologismus abzutun und sich einzubilden, damit wäre alles nötige gesagt.

    Ich hoffe doch sehr, dass Du anderer Ansicht bist als ich.

    Aber warum befindest Du Dich in „Opposition“ zu „männlich-authentischen Sichten“ ? Mit meiner Sicht strukturiere ich halt meine Umwelt in einer Weise, die dafür sorgt, dass ich identifizieren kann, womit es mir gut geht.

    Kann es Dir nicht völlig egal sein, dass ich es mir gut gehen lassen möchte?

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  16. „Dann wäre nämlich das freilaufende Testosteron sozusagen tatsächlich die Ursache für viele Übel wie Ausbeutung, Umweltzerstörung etc.“

    Es wäre auch die Ursache für vielerlei Fortschritt wie die gesamte moderne Welt etc. Das Wettbewerb den Fortschritt antreibt ist denke ich unstreitig oder?
    Frauen genießen die Früchte dieser modernen Welt ja durchaus. Umweltzerstörung ist insoweit auch Folge ihres Tuns, indem sie entsprechend konsumieren. Das kann man nicht nur auf den Wettbewerb schieben.

    „Ich für meinen Teil hoffe diesbezüglich, es ist nicht das Testosteron, sondern eine falsche patriarchale Denke, die sich auch wieder ändern lässt, ohne dass alles noch mehr in die Scheiße geritten wird. Jedenfalls gehe ich in meinem politischen Handeln mal einfach davon aus, dass sich daran noch etwas ändern lässt.“

    Damit wirst du aber in gewisser Weise deiner eigenen oben dargelegten Denkweise untreu. Den du wertest ja nicht die Argumente oder überprüfst die Studien für Unterschiede, sondern „gehst einfach mal davon aus“. Das ist ja im Prinzip das gleiche wie die Gebärfähigkeit zu ignorieren, in der Hoffnung, dass es anders ist.

    Also ein „Unterschiede wo sie mir gefallen, ansonsten Kopf in den Sand“.

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  17. > Das Wettbewerb den Fortschritt antreibt ist denke ich unstreitig oder?

    Nein, überhaupt nicht.

    Wettbewerb kann den Fortschritt auch behindern, wenn halbgare Entwicklungen in den Markt gedrängt werden, nur damit man Erster ist (Beispiel: HPV-Impfung, die als „erste Impfung gegen Krebs“ bejubelt wurde). Diese Art von Wettbewerb ist manchen Forschern ein starkes Motiv, wissenschaftliche Studien zu manipulieren.

    Schlecht für den technischen Fortschritt ist es, wenn marode Technik (Kraftwerke, Eisenbahnzüge…) nicht ausreichend repariert oder ausgetauscht wird, weil die weitere Verwendung am meisten Profit bringt.

    Wettbewerb um niedrige Kosten und Preise führt zu niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen, zu minderwertigen und schadstoffbelasteten Produkten (made in China), zu gefährlichen Autobahnen und anderen unschönen Erscheinungen.

    Lesetipp: Deutschlands gefährlichste Straße

    Endlose Baustellen, viele Tote auf der A 1: Seit die Regierung Autobahnen wie die zwischen Hamburg und Bremen an private Firmen verpachtet, sind sie zu Horrorpisten geworden.
    http://www.zeit.de/2010/29/DOS-Autobahn

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  18. @Irene

    Kreativität wird eben im Wettbewerb am meisten gefördert. Das ist ja der Grund, warum die kommunistischen Länder technologisch meist zurückhängen, während marktwirtschaftlich ausgerichtete Länder technisch fortschrittlicher sind.

    Dein Argument mit den Straßen geht meiner Meinung nach fehl. Da ist ja kein echter Wettbewerb vorhanden. Anscheinend betreiben die Firmen hier einen Wettbewerb nur dahingegend, wer am wenigsten Reparaturarbeiten durchführt. Ein echter Wettbewerb würde aufkommen, wenn der Sollzustand besser definiert würde und dann derjenige, der die beste Methode entwickelt, diesen Zustand so kostengünstig wie möglich zu halten, den meisten Gewinn macht.

    Die halbgaren Entwicklungen beruhen ja auch auf dem Wettbewerb. Wenn es den nicht gebe, hätte es vielleicht noch nicht einmal die halbgaren Entwicklungen gegeben, auf denen man dann aufbauen kann.

    Die meisten modernen Entwicklungen sind aus Wettbewerbssituationen heraus entstanden. Deswegen werden Computer leistungsfähiger, Fernseher flacher etc.

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  19. @Lena:

    Das Männer ein besseres räumliches Denken haben, ist, soweit ich weiss, eine erste Annäherung gewesen, um Daten zu beschreiben – heutzutage ist die Erklärung eine andere, und die beruht zum Teil auf der Beobachtung, dass z.B. bei den mathematischen Fähigkeiten von Jungen und Mädchen ganz entscheidend ist, wie die Aufgaben präsentiert werden.

    Insbesondere in der Mathematik hat man festgestellt, dass Mädchen dann gleich gute Leistungen bringen, wenn ihnen die Aufgaben in einer algebraisch-statischen Weise dargelegt werden, die an Bekanntes anknüpft, während sie abfallen gegenüber Jungen, wenn die Aufgaben einen hohen Charakter von trial and error beinhalten.

    Weswegen man laut Forscherinnen wie Bischoff-Köhler eben die Ergebnisse nicht z.B. auf die Physik oder den Maschinenbau übertragen kann, weil diese Fächer inhärent einen hohen Grad an trial and error – Charakter haben.

    Natürlich muss ich nicht darauf hinweisen, dass das ganz hervorragend zu der Theorie passt, dass die Lebensumwelt von Männern ein sehr viel höheres Maß an Unsicherheit und fehlender Bekanntheit für diese aufwies ( Männer sind eher auf trial and error angewiesen ) als die von Frauen ( Kinder aufziehen braucht seit zwanzigtausend Jahren immer dieselben Fertigkeiten ), die eben Realität anscheinend mit einem anderem, statischeren, Modell bewältigen.

    Köstlich übrigens der Hinweis von Bischoff-Köhler auf das – auf den Unbeteiligten ja oft idiotisch wirkende – aus diesen Dingen folgende Selbstvertrauen von Männern, welches scheinbar ohne jede Basis ist: Trial and Error bedeutet natürlich auch eben sehr viel Error, und den muss Mann ja auch verkraften -> deswegen die Tendenz, die Realität rosiger zu sehen, als sie ist usw. usf.

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  20. > Kreativität wird eben im Wettbewerb am meisten gefördert.

    Das sagst Du jetzt so. Wettbewerb ist nicht gleich Wettbewerb. Es hängt auch von den Rahmenbedingungen ab. Und es ist Typsache, in welcher Situation man besonders kreativ ist.

    Ich persönlich denke, dass in der DDR der Zentralismus ein großes Problem war. Kreative Mitarbeiter gab es dort ja auch – manche Leute können ja gar nicht anders, egal in welchem System oder Betrieb. Aber wenn alles von oben geplant und ggf abgewürgt wird, kommen die nicht recht zum Zug.

    In den meisten arabischen Ländern gibt es übrigens keinen Kommunismus und auch nur wenig technologische Innovation. Das gilt mehr oder weniger auch für die reichen Golfstaaten. Indien ist da anders. Woran liegt es?

    > Dein Argument mit den Straßen geht meiner Meinung nach fehl.

    Da sind eigentlich die Bedingungen zu undurchsichtig, um viel dazu sagen zu können. Aber dass die LKWs durch die engen Baustellen geleitet werden, um mehr Maut einzunehmen, fand ich schon bemerkenswert.

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  21. Wenn ihr schon unbedingt über Wettbewerb und Konkurrenz diskutieren wollt, anstatt über Biologie und Biologismus, dann schmeiß ich jetzt noch mal den Link zu dem Text in die Runde, wo ich speziell dazu was geschrieben habe: http://www.antjeschrupp.de/konkurrenz.htm
    Er ist schon ein bisschen älter, ein Vortragsmanuskript. Die neue Version ist ein Kapitel in meinem neuen Buch und heißt: „Konkurrenz ist unlogisch. Zum weiblichen Unbehagen an einer Kultur des Wettbewerbs“. Dafür müsstet ihr aber das Buch kaufen, hehe.

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  22. Man kann auch glatt im Rahmen der Biologie über Konkurrenz sprechen, auch sogar über das ziemlich unterschiedliche Konkurrenzverhalten von Männern und Frauen – wenn ich da auch mal ein Buch empfehlen darf, dann Bischof-Köhler, <Von Natur aus anders – die Psychologie der Geschlechtsunterschiede< und hier besonders die Kapitel 20., "Selbstvertrauen", 21., "Geborgenheit und Neugier", 22., "Macht und Geltung" sowie 23.,"Konkurrenz zwischen den Geschlechtern" und 24."Fürsoge und Verantwortlichkeit".

    Wenn man es gelesen hat, weiss man auch, wie Frauen Wettbewerb und Konkurrenz organisieren und gar nicht daran denken, auf beide zu verzichten 😉 ….

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  23. @Andreas – ich kenne solche Bücher. Ich glaube, diese Art von Analyse stimmt nicht, weil sie versucht, das Handeln von Frauen im Raster dessen zu interpretieren, was wir uns immer schon vorstellen konnten.

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  24. @AntjeSchrupp:

    Also, ohne das „immer schon“ ist der Satz sowieso klar, mit dem „immer schon“ eine Unterstellung; hinter den Bergen wohnen aber auch Menschen.

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  25. @Antje Schrupp

    In dem Text stimmst du ja grundsätzlich der These zu, dass Frauen eher Wettbwerb vermeiden, wenn sie es können. Ob das nun Biologie oder Gesellschaft ist wäre eine andere Frage.
    Es zeigen sich meiner Kenntnis nach auch Unterschiede innerhalb der einzelnen Gruppen, die mit dem Testosteronspiegel korrelieren. Frauen mit einem höheren Testosteronspiegel neigen eher zu risiko- und wettbewerbsorientierten Berufen, Frauen mit einem niedrigen Testosteronspiegel zu risikoarmen und wettbewerbsarmen Berufen. Bei Männern das gleiche Bild. Das legt dann ja eine biologische Komponente nahe.
    Es scheint mir ein schlechtes Argument zu sein, eine solche Analyse abzulehnen, weil sie mit der Beobachtung der Leute, die das Raster hervorruft, einhergeht. Denn genau das wäre ja zu erwarten, wenn die Unterschiede tatsächlich bestehen.

    @Irene

    „Das sagst Du jetzt so. Wettbewerb ist nicht gleich Wettbewerb. Es hängt auch von den Rahmenbedingungen ab. Und es ist Typsache, in welcher Situation man besonders kreativ ist.“

    Das mag für den Einzelfall stimmen sein. Aber Wettbwerb führt dazu, dass die kreativen Lösungen auch aufgegriffen werden, weil man damit im Wettbewerb Vorteile erlangen kann. Während es bei Ausschaltung des Wettbewerb durchaus möglich ist, dass man auf „bekannt und bewehrt“ setzt und kreative Ideen liegen läßt, unabhängig davon wie sie entstanden sind.

    „Ich persönlich denke, dass in der DDR der Zentralismus ein großes Problem war. Kreative Mitarbeiter gab es dort ja auch – manche Leute können ja gar nicht anders, egal in welchem System oder Betrieb. Aber wenn alles von oben geplant und ggf abgewürgt wird, kommen die nicht recht zum Zug.“

    Die Frage ist, warum es abgewürgt wurde. Bei einem Wettbewerb wäre derjenige, der davon überzeugt ist,dass er eine gute Idee hat entweder zum Konkurrenten gegangen oder hätte selbst einen Betrieb aufgemacht. Schon hätte die Idee eine Chance und würde sich, wenn sie tatsächlich besser ist, durchsetzen. Die Konkurrenz wäre im Zugzwang nachzuziehen und ihr Produkt ebenfalls zu verbessern. Eine Zentrale, die keinem Wettbwerb ausgesetzt ist, spürt diesen Marktdruck eben nicht. Da das Aussitzen ohne Konkurrenz keine Gefahr beinhaltet überholt zu werden, ist es gefährlicher für sie ein neues Produkt einzuführen, für dessen Scheitern sie verantwortlich sind als ein altes Produkt fortzuführen, dass einigermaßen klappt.

    „Das gilt mehr oder weniger auch für die reichen Golfstaaten.“

    Die reichen Golfstaaten leben vom Öl, sind häufig keine Demokratien und keine freien Marktwirtschaften.

    “ Indien ist da anders. Woran liegt es?“

    Indien hat meine ich eine freie Marktwirtschaft oder?

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  26. Wenn ihr schon unbedingt über Wettbewerb und Konkurrenz diskutieren wollt, anstatt über Biologie und Biologismus, dann schmeiß ich jetzt noch mal den Link zu dem Text in die Runde, wo ich speziell dazu was geschrieben habe:
    http://www.antjeschrupp.de/konkurrenz.htm

    Ich komme eben gern vom Thema ab 🙂

    Ich habe das Manuskript gelesen, und eine Stelle hat mich sehr irritiert:

    Alle Untersuchungen belegen, dass den Frauen gerade auch im öffentlichen Bereich das Private wichtig ist, sie arbeiten lieber mit Menschen zusammen, die ihnen nicht „fremd“ sind. Das ist im Konkurrenzprinzip der bürgerlichen Gesellschaft aber nicht vorgesehen – denn es führt zu Korruption, indem etwa die Beziehungen mehr zählen als Regeln und Fairness.

    Wenn es mir wichtig ist, dass mir meine Kollegen vertraut sind, führt das doch nicht zu Korruption. Wie kommst Du drauf, dass Frauen und der weibliche Beziehungsstil der Korruption verdächtigt werden? Es heißt doch Vetternwirtschaft und nicht Basenwirtschaft…

    Außerdem schließt der Begriff Vetternwirtschaft auch die Begünstigung von Vereinskollegen und dergleichen ein – und Kontakte aus Verbänden oder Burschenschaften oder Parteien zählen ja nicht wirklich zur Privatsphäre, sondern sind eher halböffentlicher Art.

    An wirklich privaten Kontakten, die nennenswerten Einfluss bringen, fallen mir nur die Kontakte aus solchen Internaten ein, in denen die Kinder der Oberschicht ausgebildet werden. Deren Privatheit bei gleichzeitig hohem Einfluss ist fast tabu, außer dem Soziologen Michael Hartmann steckt da niemand seine Nase rein.

    Ich denke, Frauen irritieren eher in gegenteiliger Weise: Ich habe mal den Vorwurf aufgeschnappt, Frauen seien ja so korrekt. Das ist nur logisch, wenn sie sich auf fremdem Terrain bewegen – nur keinen Fehler machen! Leuten aus einfachen Verhältnissen geht es teils ähnlich, wenn sie über ihr Milieu hinaus wachsen.

    Ich glaube sogar, dass die Anwesenheit von Frauen (übergangsweise) die Korruption behindert, weil Frauen beim Mauscheln stören – mann weiß ja nicht, ob auf sie Verlass ist, wo sie doch so ängstlich-beflissen an den Regeln kleben. Außerdem können Frauen unbewusst als kontrollierende Instanz empfunden werden, denn als Kinder wurden wir ja auch von Frauen kontrolliert, bis in intimste Bereiche hinein (ob wir uns sauber gewaschen haben z.B.). Das sitzt!

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  27. @Irene – Ja, da hast du ganz recht, „Vetternwirtschaft“ ist nicht „Basenwirtschaft“, aber wenn wir die „Basenwirtschaft“ nicht als politische Alternative formulieren zu dem in männlicher Logik aufgeworfenen Dualismus – nämlich dem zwischen „Korruption“ und „Ohne Ansehen der Person“ – dann kommen wir nicht weiter. Und dann ist die Gefahr groß, dass Frauen, um hier die Erwartungen zu erfüllen und sich keinen Vorwürfen auszusetzen, tatsächlich besonders „korrekt“ handeln. Das Phänomen lässt sich an vielen Themen entlang beobachten. Frauen sind in solchen Strukturen oft „päpstlicher als der Papst“, während Männer, gerade weil es ihre Strukturen sind, dazu eine kleine Distanz einnehmen können, die die Strukturen insgesamt zwar nicht aufbricht, aber doch „abmildert“. Das ist eines der grundlegenden Probleme beim Ablauf der Emanzipation als reine Eingliederung von Frauen in historisch männliche Strukturen. Mein Text sollte ein Beitrag dazu sein, diese „andere Logik“ (inwiefern Basenwirtschaft eben etwas anderes als Vetternwirtschaft ist) zu formulieren und so auf die Ebene der politischen Auseinandersetzung zu bringen.

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  28. „oder wo Tätigkeiten und Ämter, die alle Menschen
    betreffen (professionelle Politik, wirtschaftliche
    Führungspositionen) so organisiert werden, dass sie eher männlichen
    Neigungen (woher auch immer die kommen) entsprechen“
    Wie
    sollten diese Bereiche denn organisiert werden, damit sie auch für
    Frauen interessant sind? Es gibt doch immerhin eine große Anzahl
    von Frauen in der Politik. Wo ist da das Problem? Wie sollten denn
    Ihrer Meinung nach die Bereiche Kindergarten, Pflegeberufe und
    Ähnliches organisiert werden, damit dort mehr Männer arbeiten? Was
    müßte dort geändert werden? Oder könnte es sein, daß Männer von
    Natur aus hier einfach weniger Interesse haben und Frauen z.B.
    weniger erpicht sind auf Führungspositionen in der Wirtschaft? Sie
    dürfen doch nicht pauschal voraussetzen, daß Männer und Frauen hier
    gleich ticken. Also wie schließen Sie aus, daß hier einfach alles
    mit rechten Dingen zugeht und gar keine Probleme vorliegen? Dies
    wäre Grundlage für die Seriosität Ihrer Denkweise.

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  29. hallo antje, ihre argumentation macht sinn, nur muss man
    sie aus meiner sicht weiterdenken. wenn man biologie anerkennt –
    also moleküle und so – bedeutet das nicht, dass man zwei
    geschlechter annehmen müsste. schön beschreibt das ein biologe voss
    auf seiner homepage ( http://www.heinzjuergenvoss.de ). er knüpft direkt
    an biologie an – und setzt an sie individuelle entwicklung. das
    könnte doch eine lösung sein – biologie ja, aber keine
    biologistische beschränkung. ralf

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  30. Ich möchte gern auf das Zitat aus dem anderen Blogpost eingehen. Ich habe den anderen Beitrag, auf den sich das Zitat bezieht, nicht gelesen und eventuell werden sich auch meine Fragen und Kritikpunkte erübrigen, weil sie sich als Missverständnisse entpuppen, dennoch finde ich es sinnvoll, sie nun schon zu äußern, da ja vielleicht auch viele andere Leser diesen Artikel erst einmal als alleinstehend erfassen werden.

    Das Zitat(-Zitat :P) lautet:
    „Die Beziehungen von Vätern zu Kindern sind niemals evident, sie müssen per Gesetz garantiert werden. Das ergibt sich ganz einfach aus dem Umstand, dass bei der Geburt immer nur eine Person unausweichlich anwesend ist: die Mutter, aus deren Körper das Kind nämlich herauskommt. Die Anwesenheit jeder anderen Person – des Vaters, der Hebamme, der Freundinnen, der Ärztin – ist soziale Verabredung. Sie ist nicht notwendig für den Vorgang der Geburt als solchen.“

    Warum sollen Beziehungen von Vätern zu Kindern niemals evident sein? Was meint hier ‚evident‘? Biologisch nachweisbar? Wie ist ‚Beziehung‘ in diesem Kontext zu verstehen? Als Verwandtschaft? Als zwischenmenschliche Bindung?
    Wenn biologisch nachweisbar und Verwandtschaft, dann muss die Aussage falsch sein. Denn die Verwandtschaft von Vätern zu ihren Kindern lässt sich eindeutig biologisch feststellen (DNA und so).
    Wenn allerdings die zwischenmenschliche Bindung gemeint ist, dann würde ich behaupten, dass das völlig unabhängig von Biologischen Evidenzen ist und die Aussage somit auch nicht wahr sein kann. Wenn wir über zwei uns unbekannte Frauen nur aus verlässlicher Quelle wissen, dass die eine die andere geboren hat, können wir keine Aussage über deren zwischenmenschliche Bindung treffen. Vielleicht wurde das Kind sofort abgegeben und es besteht keine zwischenmenschliche Bindung (das kann natürlich nur so sein, wenn man die Schwangerschaft an sich nicht als zwischenmenschliche Bindung bezeichnet). Wenn man die Schwangerschaft alleine schon als eine zwischenmenschliche Beziehung sieht, so weiß man natürlich hier mehr von der Mutter als von dem Vater. Väter können während der Schwangerschaft abwesend sein, Mütter natürlich nicht. Allerdings könnte man nun auch den Begriff der zwischenmenschlichen Beziehung auch auf während der Schwangerschaft anwesende Väter ausweiten. Man könnte bestimmt auch Gründe dafür finden, wie z.B. dass das Sprechen des Vaters von dem Ungeborenen wahrgenommen wird.
    Selbst wenn man das alles so definiert, dass hier große Unterschiede zwischen Vätern und Müttern bestehen, so ist doch der einzige Anhaltspunkt, den wir nehmen können, der Moment der Geburt. Das ist natürlich auch nicht etwas, was sich zu jedem Zeitpunkt zuverlässig prüfen lässt. Und wenn dieser Moment verpasst wurde, so sind nun Väter und Mütter wieder auf gleicher Ebene, was die Evidenz ihrer Beziehung zum Kind angeht.

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