Die Männer und das liebe Geld. Zehn Thesen zum Equal Pay Day

Holt raus eure roten Taschen. Es ist wieder Equal Pay Day.

Am Freitag ist wieder Equal Pay Day – also dieser große Aktionstag, bei dem wir uns kollektiv darüber ärgern, dass Frauen bis jetzt arbeiten mussten, um das Geld zu verdienen, das Männer schon am 31. Dezember in der Tasche hatten. Ich mache auch mit. Obwohl mir dieser Tag und wie er begangen wird, durchaus ein paar Bauchschmerzen bereitet. And here is why:

1. Das eigentlich schlimme „Pay-Gap“, über das wir reden müssten, ist nicht das zwischen Frauen und Männern, sondern das zwischen Armen und Reichen. Deshalb ist es falsch, sich hier rein auf den Gender-Aspekt zu beziehen.

2. Das „Gender Pay-Gap“ ist nicht die Krankheit selbst, sondern nur ein Symptom für ein tiefer liegendes gesellschaftliches Problem. Und deshalb kann es nicht darum gehen, das Symptom zu kurieren, sondern wir müssen die Krankheit – die krasse materielle Ungleichheit zwischen Menschen – angehen. Wenn nämlich bei den Reichen und bei den Armen irgendwann das Geschlechterverhältnis hübsch ordentlich fifty-fifty beträgt, aber die Schere insgesamt genauso groß bleibt wie bisher oder sogar noch größer wird, dann wüsste ich nicht, was damit gewonnen wäre.

3. Es ist wenig sinnvoll, im Bezug auf Einkommen „die Männer“ und „die Frauen“ zu vergleichen. Statistik ist natürlich per se wenig aussagekräftig im Hinblick auf das reale Leben, aber in diesem Zusammenhang ist es ganz besonders wenig sinnvoll, weil sich nicht viele Frauen und Männer konkret in dieser Durchschnittssituation befinden: Besonders groß ist der Unterschied nämlich in den unteren Einkommensgruppen und bei den sehr viel Verdienenden, im „Mittelfeld“, also bei den Angestellten, und in bestimmten Berufen ist er nicht sehr groß.

4. Es wird immer sehr viel darüber geredet, dass Frauen weniger verdienen als Männer, aber für meinen Geschmack wird zu wenig darüber geredet, dass (manche) Männer schlicht zu viel verdienen. Zu Recht sind doch immer mal wieder die Managergehälter in der Debatte. Warum ist eigentlich noch nie jemand auf die Idee gekommen, die Managerinnen, die sich für dieselbe Arbeit auch mit weniger Geld zufrieden geben, als Vorbilder anzuführen?

5. Alle Studien (zuletzt wieder hier) zeigen, dass Frauen bei der Frage, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, weniger auf Geld und Status achten als Männer, und dafür mehr auf den Sinn und die Beziehungen. Und dann wird so getan, als wäre das ein Problem. Ich wüsste nicht, wieso. Eher ist es ein Problem (und zwar nicht nur eines im Bezug auf das Geschlechterverhältnis), dass es immer noch zu viele Männer gibt, denen es vor allem um Geld und Status geht und zu wenig um den Sinn und die Notwendigkeit ihrer Arbeit. Darüber sollten wir sprechen und darüber, welche Männlichkeitsbilder dahinter stecken und ob wir die noch wollen. Auch viele Männer wollen die ja zum Glück nicht mehr.

6. Das ist im Übrigen mein Vorschlag dafür, wie wir mehr Frauen in hohe Führungspositionen und Aufsichtsräte bringen können: Einfach dort deutlich weniger bezahlen. Dann werden nämlich all diejenigen, die solche Posten hauptsächlich wegen dem Geld und dem Status reizvoll finden, von selber wegbleiben. Und das wäre ganz sicher für die Qualität dieser Gremien von Vorteil. Der Frauenanteil würde sich dann wahrscheinlich ganz von allein erhöhen.

7. Es wird immer sehr viel darüber geredet, dass Frauen die falschen Berufe wählen. Aber wer soll denn eigentlich die Arbeit der Krankenschwestern, Altenpflegerinnen, Erzieherinnen machen? Wir sollten doch als Gesellschaft froh sein, wenn es genug Frauen gibt, die in diesen Berufen arbeiten wollen (und wenn Männer sich daran ein Beispiel nehmen möchten, nur  zu!). Nötig wäre eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie wertvoll und wichtig diese Berufe sind – und in der Konsequenz dann auch, wie sie besser bezahlt werden können.

8. Es ist richtig, Frauen dazu anzuregen, mehr über Geld zu reden und nachzudenken und ihre historisch ansozialisierte Abneigung gegen Gelddinge kritisch zu hinterfragen. Aber nicht mit dem Ziel, dass sie die nach „männlichen“ Maßstäben „normale“ Sicht auf das Geld übernehmen, sondern mit dem Ziel, dass sie ihre eigenen Vorstellungen davon entwickeln und in die Welt bringen.

9. Deshalb sollte endlich mal Schluss sein mit der Idee, die Männer und das, was sie tun, sei der Maßstab, an dem Frauen sich orientieren sollen, und wenn nicht, sind sie selbst an ihrer Benachteiligung schuld. Das, was Männer tun, und in diesem Zusammenhang eben ihre tendenzielle Überschätzung des Geldes, ist ja genauso historisch ansozialisiert und ganz und gar nicht „normal“. Und darüber hinaus ist es allzu oft auch noch schädlich für die Allgemeinheit. Finanzkrise und so.

10. Deshalb mache ich den Vorschlag, den Equal Pay Day in Zukunft im Oktober zu begehen: An dem Tag nämlich, an dem Männer bereits aufhören können zu arbeiten, während normale Leute (kleiner Scherz) noch bis Dezember weiter arbeiten.

Update: Bei Discipline and Anarchy ist dieser Text ins Englische übersetzt worden, many thanks! (gegen Ende des Blogposts)


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

87 Gedanken zu “Die Männer und das liebe Geld. Zehn Thesen zum Equal Pay Day

  1. Grundsätzlich: sehr große Zustimmung!
    zu 7. : Sobald es nicht mehr genügend Menschen gibt die solche verantwortungsvollen Arbeiten mit dieser Arbeitsbelastung zu solchem Lohn erledigen müssen die Löhne steigen. Ich glaube jeder würde unterschreiben, wie wichtig die Arbeit in den sozialen Berufen ist – und jeder möche auch immer die beste Betreuung für seine Kinder, seine Eltern oder sich selbst. Solange aber noch vor allem Frauen aus den unterschiedlichsten Gründen unter den heutigen Bedingungen in diesen Berufen arbeiten ist der Leidensdruck der Arbeitgeber nicht groß genug.

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  2. Hey Antje,
    bei Nr 10 bin ich sowas von dabei!
    Bei den restlichen habe ich größtenteils ein „Realo“-Problem: Aktuell sieht’s so aus, dass für Macht auch Geld gebraucht wird. Umso mehr Frauen mehr Geld verdienen, umso besser geht’s den Kassen der Vereine und Initiativen (zumindest in meiner Welt). Umso besser es „unseren“ Vereinen und Initiativen geht, umso schneller nähern wir uns der Gesellschaft, die „wir“ wollen.
    Zusammen gefasst: ich glaube nicht, dass die guten Ideen sich so schnell praktisch umsetzen lassen – eher sehe ich, wenn „die Frauen“ eher eine soziale-Gerechtigkeit-Lohnpolitik verfolgen, sie weiterhin für diese Gerechtigkeit beinahe ausschließlich zuständig bleiben… und das vor allem auf Kosten der Geringverdienerinnen.

    Vielleicht sollten wir mit einem Punkt 11 darüber reden, was wir Frauen mit 8-23% mehr Geld anfangen wollen? Z.B. einen Frauen-Grundeinkommen-Topf zur Überbrückung gründen?

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  3. @kraeuterzucker – Hm, ich glaube nicht so ungebrochen an das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Eine andere Möglichkeit ist auch, dass diese Arbeiten mit immer schlechterer Qualität gemacht werden. Denn die Leute, die diese Dienstleistungen benötigen, haben nicht unbedingt die Macht, das durchzusetzen. dann könnte es Luxuspflege und Luxus-Kitas für Reiche geben und immer schlechter werdende Minimalversorgung für den Rest – mit immer weniger qualifiziertem Personal. So ein bisschen in die Richtung sind wir ja leider schon unterwegs.

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  4. @Stephanie – Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Frauen viel Geld kriegen, überhaupt nicht. Es geht mir um die Art und Weise, wie über das Thema diskutiert wird bzw. welche Art von Argumenten wir wie und wo benutzen…

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  5. Was auch oft übersehen wird ist, dass sich die Schere auch entlang der Ethnizität (race) bzw. des Migrationshintergrunds öffnet.

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  6. Bei den restlichen habe ich größtenteils ein „Realo“-Problem: Aktuell sieht’s so aus, dass für Macht auch Geld gebraucht wird. Umso mehr Frauen mehr Geld verdienen, umso besser geht’s den Kassen der Vereine und Initiativen (zumindest in meiner Welt). Umso besser es „unseren“ Vereinen und Initiativen geht, umso schneller nähern wir uns der Gesellschaft, die „wir“ wollen.

    Hallo Stephanie, da vermischt Du aber Dein eigenes Einkommen mit dem Budget eines Non-Profit-Projektes. Siehe auch „Spielend scheitern“ von Luisa Franica, Test 10 😉

    Vielleicht sollten wir mit einem Punkt 11 darüber reden, was wir Frauen mit 8-23% mehr Geld anfangen wollen? Z.B. einen Frauen-Grundeinkommen-Topf zur Überbrückung gründen?

    Ich würde das Geld behalten und weiterhin für die Vermögenssteuer eintreten 🙂

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  7. Was die zehn Thesen angeht: Ich finde Punkt Sechs sehr schön.

    Mir geht diese Quoten-Diskussion mit ihrem beschränkten Blick auf Vorstände und Aufsichtsräte (schon zweitere sind nicht immer Teil der Debatte) zunehmend auf die Nerven. Mir scheint fast, dass die frühere Forderung, die wesentlich mehr Frauen betroffen hätte – nämlich nach einem Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft – deutlich weniger attraktiv war als die derzeitige Hoffnung, bald zu einigen wenigen Privilegierten da oben im Vorstand aufschauen zu können und dann so zu tun, als sei sie eine von uns, irgendwie. Wie konnte es so weit kommen?

    Dass sich so viele Frauen für eine derartige Elite-Frauenquote *) reinhängen, die nichts mit ihrem eigenen Leben und ihrem eigenen Umfeld zu tun hat, könnte daran liegen, dass sich die Mittelschicht irrtümlich mit den Interessen der Oberschicht identifiziert. Alles weitere bei der scharfsinnigen Ulrike Herrmann:

    Die Mittelschicht betrügt sich selbst

    Die deutsche Mittelschicht stellt die meisten Wähler, verliert aber immer mehr politischen Einfluss. Schuld ist das Bürgertum selbst: Es grenzt sich von den Armen ab, wähnt sich an der Seite der Vermögenden – und stärkt damit genau jene, die sich auf seine Kosten bereichern.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,687760,00.html

    *) zum Elitenbegriff siehe Michael Hartmann, der die soziale Herkunft von hohen Tieren in der Wirtschaft untersucht hat

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  8. @Antje
    einverstanden. Doch ich glaube wir brauchen alle Perpektiven.

    @Helga
    da liegt vermutlich auch der Hase begraben, wenn’s um diese „Entscheiden Sie (Frau) sich für den „richtigen“ Beruf“-Empfehlungen geht – warum ich umso mehr auf die Dominanz der 23-25% Zahlen Wert legen würde, um eine Erweiterung der Schere zwischen mit und ohne Migrationshintergrund entgegen zu wirken.

    @Irene
    Leider liegt mir „Spielend scheitern“ grad nicht vor und ich hab’s auch noch nicht gelesen. Ich vermute jedoch mein Zusatz „zumindest in meiner Welt“ dürfte die Antwort auf Deinen Einwand sein?

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  9. Ich finde Punkt 6. – Führungspositionen schlechter bezahlen – eine richtig gute Idee! Aber schwer durchzusetzen: es riecht nach Sozialismus! Es widerspricht der Ideologie, dass „die Besten“ nur durch die beste Bezahlung in die Führungspositionen zu locken sind. Dies Argument scheint momentan unverwüstlich, weswegen sich die Banken ja auch schon wieder trauen, unverschämt hohe Boni an ihre Manager auszuteilen.

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  10. Zu Punkt 2: Naja, mit dem Argument kann man so ungefähr jede Ungerechtigkeit, die man gerne beseitigen würde, zum bloßen Symptom erklären, und letztlich darauf zurückführen, dass die Menschen zu dumm und zu böse sind. Irgendwo muss man ja anfangen. Bedeutet Feminismus nicht (auch), sich auf die Ungerechtigkeiten zu konzentrieren, die zwischen Frauen und Männern bestehen?

    Punkte 5, 9 sprechen mir aus der Seele, siehe auch http://texttheater.net/karrierehengst-aus-konfliktscheu

    Zu Punkt 10: Sehr schöner Vorschlag! Ich bin versucht, die Idee gleich zu kapern und ein Facebook-Event zu kreieren.

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  11. Schöne Auflistung. 🙂

    Punkt 10 würde ich auch unterschreiben und mitmachen. In meinen Augen ist das viel leichter verständlich, noch so und so viele Tage arbeiten zu müssen um statistisch gesehen das gleiche Geld wie ein in ähnlichem Verhältnis arbeitender „Mann“ zu bekommen als diese ständige Rechnerei. Dann würde mein Gehaltsjahr quasi im März beginnen und ich dann nächstes Jahr bis ähm… Juni arbeiten und so zieht sich das ja ewig. Könnten wir auch gleich sagen, „Frauen“ müssen 4 Jahre arbeiten um das gleiche Gehalt zu bekommen, wie „Männer“ in 3 Jahren etc.

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  12. @ Cornelia:

    Speziell die Aufsichtsräte sind Kontrollgremien, deren Rolle ohnehin stark gesetzlich geregelt ist, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Aufsichtsrat

    Bei anderen Führungspositionen wäre es was anderes. Da sehe ich Antjes Vorschlag eher als Anstoß, um mal die Perspektive zu ändern.

    Manche Politiker (Cem Özdemir z.B.) weisen übrigens gern mal drauf hin, dass sie angeblich nicht viel verdienen, weil sie in der freien Wirtschaft für ihren Job viel mehr bekämen. Dabei wird aber gern mal vergessen, dass die Homogenität (nach Geschlecht, Herkunft…) in der Wirtschaft größer ist als in der Politik. Und dass man vielleicht gar nicht die passende Qualifikation hätte, um in der Wirtschaft ganz oben auf dicke Hose zu machen – Özdemir ist Sozialpädagoge.

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  13. Weltweit zählen ökonomisch (und auch sonst) nur Männerwerte, Frauenwerte zählen ökonomisch nichts. Es gilt eine Revolution in diese Richtung einzuleiten. Und in unserem Land müssen wir damit anfangen.

    Als Beweggrund für eine solche Revolution der Umwertung hier die Sektion „Frauen“ von AMNESTY INTERNATIONAL:

    Von Widney Brown, Amnesty International, Leiterin Law and Policy

    Vor hundert Jahren gingen in ganz Europa mehr als eine Million Frauen auf die Strasse, um ein Ende der Diskriminierung und gleiche Rechte für Frauen und Männer zu fordern: Zugang zu Arbeit, Stimmrecht und politische Beteiligung an der Gestaltung der Zukunft ihrer Länder. Es war der erste Internationale Frauentag.

    Hundert Jahre später sind gleiche Rechte für die meisten Frauen noch immer keine Selbstverständlichkeit. Frauen sind stärker durch Armut gefährdet als Männer. Sie sind häufiger Analphabetinnen. Sie verdienen nur zehn Prozent des Welteinkommens, aber leisten zwei Drittel aller Arbeit. In Entwicklungsländern produzieren sie bis zu 80 Prozent aller Nahrungsmittel, aber besitzen nur ein Prozent des Bodens.

    In vielen Ländern wird Frauen immer noch vorgeschrieben, was sie zu tun und zu lassen, ja sogar was sie anzuziehen haben. Frauen in Saudiarabien, Tschetschenien und im Iran werden belästigt, wenn sie konservative religiöse Kleidungsregeln missachten. Musliminnen in Belgien, Frankreich und einigen Teilen Spaniens könnten sie demnächst gegen das Gesetz verstoßen, wenn sie eben diese Regeln einhalten.

    Frauen, die sich für eine andere Zukunft einsetzen, werden oft lächerlich gemacht, erleiden Übergriffe oder Schlimmeres. So wurden in Russland, den Philippinen, Mexiko und Nepal vor kurzem führende Aktivistinnen ermordet, weil sie offen ihre Meinung sagten. In China, Bangladesh, Indien, Zimbabwe und vielen anderen Ländern werden sie systematisch inhaftiert und gefoltert.

    Die internationale Gemeinschaft jedoch sieht über diese Fakten weitgehend hinweg. Die Ungleichstellung von Frauen wird als bedauerlich, aber unvermeidlich betrachtet.

    Während der dramatischen Ereignisse der letzten zwei Monate in Nahost und Nordafrika sind Millionen von Menschen auf die Strasse gegangen, um eine andere Zukunft zu fordern.

    Frauen forderten Seite an Seite mit den Männern ein Ende der politischen Repression und umfassende Reformen. Unter der Unterdrückung durch die Regimes litten Frauen wie Männer. Frauen waren allerdings zusätzlich mit diskriminierenden Gesetzen und tief verwurzelten Geschlechterungleichheiten konfrontiert.

    Kein Wunder also, dass Frauen mit demonstrierten, dass sie lautstark ihrer Freude über den Sturz von Mubarak Ausdruck gaben und dass sie gerne an eine neue Morgenröte in der ägyptischen Politik glaubten. Was sich für die Ägypterinnen nun aber wirklich ändert, bleibt abzuwarten.

    Viele Regierungen, auch viele westliche, scheinen sich für Frauenrechte nur dann einzusetzen, wenn es gerade passt. Im politischen Ringen um die Hoheit über die internationale Agenda werden diese Rechte oft als Verhandlungstrumpf benutzt.

    Wenn Verhandlungen mit den Taliban angesagt scheinen, sind Frauenrechte plötzlich nicht mehr so wichtig. Wenn man Pakistan als Verbündeten braucht, darf die pakistanische Regierung schon mal Regionen Autonomie geben, in denen Frauen massiv unter Parallelgesetzgebungen leiden. Und im Irak kann man Bündnisse mit Milizen eingehen, die ansonsten Frauenrechtsaktivistinnen angreifen und umbringen. Nicht viel anders geht es nun auch in Ägypten. Während das Land in die Zukunft zu blicken beginnt, laufen Frauen Gefahr, einmal mehr aussen vor gelassen zu werden.

    Unglaublich, aber nach Jahrzehnten der Diskriminierung und der fehlenden Gleichberechtigung sollen Frauen in der Schaffung eines neuen Ägypten abermals keine Rolle spielen. Sie werden sowohl von der Übergangsregierung wie auch von der internationalen Gemeinschaft ausgegrenzt. Vor kurzem wurde ein nationaler Ausschuss eingesetzt, um die neue ägyptische Verfassung zu schreiben – zusammengesetzt aus ausschliesslich männlichen Mitgliedern. Das ist inakzeptabel.

    Würde sich die internationale Gemeinschaft ernsthaft für Frauenrechte im künftigen Ägypten interessieren, müsste sie jetzt dafür sorgen, dass Frauen in allen Belangen an der Gestaltung des neuen Systems und seiner Institutionen teilhaben.

    Die Übergangsregierung und die internationale Gemeinschaft legen ein paternalistisches Verhalten an den Tag, das den Frauen in Ägypten nur allzu bekannt vorkommen muss: Sie haben jahrzehntelang unter einer repressiven Regierung gelebt, die von Staaten unterstützt wurde, die sich der Einhaltung der Menschenrechten rühmen.

    Ob Regierungen um Veränderung ringen oder neue Regierungen entstehen, sie alle müssen das Recht der Frauen auf Gleichstellung in Gesetz und Praxis einhalten. Aber diese tatsächliche Gleichstellung wird nur erreicht, wenn Frauen aktiv an allen Verhandlungen und Entscheidungen teilhaben, die während dieser Übergangsphase stattfinden.

    Wenn der versprochene Wandel in Ägypten und anderswo in der Region – und auf der ganzen Welt – Wirklichkeit werden soll, müssen Frauen unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen politischen Überzeugungen als gleichberechtigte Partnerinnen am Verhandlungstisch sitzen.

    In den vergangenen hundert Jahren hat sich vieles verändert, doch viele Probleme sind dieselben geblieben. In vielen Ländern blieben die Reformen weit hinter den Versprechungen der Regierungen zurück. Diskriminierung zieht sich bis heute quer durch Gesellschaften und hinterlässt tiefe Spuren der Ungleichheit.

    Der Ruf nach Gleichheit, Gerechtigkeit und Respekt stand im Zentrum des ersten Internationalen Frauentags. Ein Jahrhundert später ist er so dringend wie damals.

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  14. Ich frage mich bei den ganzen positiven Kommentaren hier, ob tatsächlich jemand bereit ist, sich von anderen vorschreiben zu lassen, wieviel seiner Arbeitskraft er für den Erwerb welchen Gutes einzusetzen hat?

    Darauf laufen nämlich einige der Punkte hinaus; und da die obige Freiheit für mich ein sehr hohes Gut ist ( unabhängig von meinem tatsächlichen Einkommen), frage ich mich doch sehr, warum ich für das etwas komische und für mich nicht von Neid unterscheidbare Gerechtigkeitsempfinden einiger Leute Einschränkungen dieser Freiheit hinzunehmen bereit sein sollte!

    Ausserdem würde ich gerne mal eine Gegenüberstellung von Erwerbseinkommen und Transfereinkommen von Frauen und Männern sehen, wobei ich zu Transfereinkommen auch solche Dinge zähle wie etwa die Partizipation am Einkommen des Gatten, kostenlose Krankenversicherung und Rentenversicherung und was es da alles gibt.

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das mehr an Transfereinkommen von Frauen das weniger an Erwerbseinkommen mehr als aufwiegt – insofern bezweifele ich auch, dass Frauen Geld weniger wichtig ist als Männer und sie mehr auf Bezihungen und so weiter achten. Sie haben es nur nicht so nötig wie Männer, auf Geld zu achten, weil einen Großteil ihres Einkommens andere für sie erwirtschaften.

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  15. @Evelyn – Dein kommentar ist zwar etwas off the topic, aber doch sehr interessant, bzw. es gibt eine Gemeinsamkeit, und zwar das, was imho auch die Frage von @ke und auch den alltbekannten Einwand von @Andreas beantwortet: Das Problem an der Ungleichverteilung zwischen Frauen und Männern, sei es im Bezug auf Geldeinkommen (Equal Pay) oder im Bezug auf Partizipation an politischen Prozessen (Ägypten) ist NICHT in erster Linie, dass die Frauen dadurch benachteiligt werden, sondern dass es der Welt insgesamt schadet. Nicht die Gleichberechtigung der Frauen als formales Prinzip ist der Grund, warum es so wichtig wäre, dass Frauen jetzt in Ägypten an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, sondern damit diese Revolution was wird und nicht wie fast alles anderen bisherigen (Männer)-Revolutionen die Sachen nur noch schlimmer macht oder im besten Fall alles beim Alten lässt. Die Nichtbeteiligung von Frauen in Ägypten ist ein Symptom dafür, dass etwas schief läuft, ebenso wie die Ungleichbezahlung von Frauen ein Symptom dafür ist, dass etwas schief läuft. Und die Kurierung von Symptomen (formale Gleichbezahlung oder Quoten) hat eben das Problem, dass damit keine Garantie dafür gegeben ist, dass die Krankheit selbst auch geheilt wird. Obwohl – und da stimme ich den „realpolitischen“ Einwänden z.B. von @Stephanie durchaus zu – manchmal auch ein Linderung von Symptomen hilft, zum Beispiel damit man wieder zu Kräften kommt, um sich den eigentlichen Problemen zu widmen. Was mir nur wichtig ist, dass man sich auf keinen Fall mit der Linderung der Symptome zufrieden geben darf!

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  16. Die Thesen ,auf diesem Blog, so zu finden überrascht mich ein bisschen.
    Alle Punkte finde ich zutreffend.

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  17. @AntjeSchrupp:

    „Das Problem an der Ungleichverteilung zwischen Frauen und Männern, sei es im Bezug auf Geldeinkommen (Equal Pay) oder im Bezug auf Partizipation an politischen Prozessen (Ägypten) ist NICHT in erster Linie, dass die Frauen dadurch benachteiligt werden, sondern dass es der Welt insgesamt schadet. Nicht die Gleichberechtigung der Frauen als formales Prinzip ist der Grund, warum es so wichtig wäre, dass Frauen jetzt in Ägypten an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, sondern damit diese Revolution was wird und nicht wie fast alles anderen bisherigen (Männer)-Revolutionen die Sachen nur noch schlimmer macht oder im besten Fall alles beim Alten lässt. Die Nichtbeteiligung von Frauen in Ägypten ist ein Symptom dafür, dass etwas schief läuft, ebenso wie die Ungleichbezahlung von Frauen ein Symptom dafür ist, dass etwas schief läuft.“

    Leider stellst Du hier eine Reihe von Behauptungen auf, die meiner Meinung nach nur durch Mythenbildung einen Anschein von Begründung erlangen können. Ohne die haben wir nämlich gar keine Vorstellung davon, was eigentlich ein Schaden oder ein Nutzen für „die Welt“ sein soll, wir wissen auch nicht, welche Verbesserungen jemand in seinen Revolutionen gesehen hat.

    Abgesehen davon empfinde ich auch Deine Behauptungen als das komplette Gegenteil jeder Form von Individualismus – was ja dazu passt, dass Du zu wissen glaubst, welche Vorschriften man Leuten machen darf in Bezug auf den Einsatz ihrer Arbeitskraft für den Erwerb von Gütern.

    Als Individualist kann ich glücklicherweise sehr wohl sagen, doch, dass Problem ist genau, dass die einzelne Frau weniger verdient. Der einzelne Mann zu Transferzahlungen gezwungen wird. Die einzelne Frau in Ägypten vom Einfluss auf politische Entscheidungen ausgeschlossen wird.

    Und zwar ganz unabhängig davon, ob es damit der Welt insgesamt besser oder schlechter geht – selbst wenn es der Welt schlechter gehen sollte, falls Frauen gleich viel verdienen, Männer nicht mehr zu Transferzahlungen gezwungen werden und Frauen in Ägypten an politischen Entscheidungen beteiligt wären, wären wir doch schlicht für diese Verbesserungen.

    Wohl wissend, dass die Verbesserungen für den einen Macht- und Einkommensverluste für den anderen bedeuten.

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  18. Wohl wissend, dass die Verbesserungen für den einen Macht- und Einkommensverluste für den anderen bedeuten.

    Ja! Die armen Zeitarbeitsfirmen! Die leidenden Konzerne! Eine Runde Mittleid bitte 😉

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  19. Ich finde, daß soziale Tätigkeiten finanziell aufgewertet und spekulative Tätigkeiten abgewertet werden müssten. Aber wie soll man da ansetzen?

    Als ich meine Vollzeittätigkeit befristet auf Teilzeit reduzierte, um die Pflege meines demenzkranken Vaters zu unterstützen. waren alle älteren Herren in der Leitungsebene davon sehr angetan. Wohl, weil sie selbst die Zerbrechlichkeit am eigenen Leib spürten und sich wünschten, es wäre jemand auch für sie da, wenn es notwendig werden würde. Als ich zur Abwicklung mit der Personalabteilung Unterstützung ihrerseits gebraucht hätte, bewegte sich allerdings keiner der Herren. Sie verknüpften das eigene Verhalten eben nicht mit ihren Wünschen an die Zukunft. Sie hatten nur ihren eingeschränkten Blick auf Geld und Funktionalität im Konzern.

    Und genau da sehe ich die Geschlechterrollen zementiert. Ich habe auf Einkünfte verzichtet und aus gespartem die Lücke selbst finanziert, um mir diesen Ausstieg auf Zeit in Familienarbeit erlauben zu können. Ob das die Herren selbst auch getan hätten? Ich bezweifle es. Sie verlassen sich kollektiv darauf, daß es bezahlbare Pflegeleistungen (meist durch Frauen) gibt, während sie in der Wirtschaft (ganz „männlich“) den Rahm des Bruttosozialproduktes abschöpfen.

    Ich sehe, wie es zur Zeit gelebt wird. Aber leider habe ich keine Idee, wie man diese Einschätzungen, was etwas wert ist und auch so bezahlt wird, großflächig ändern könnte. Selbst führe ich in meinem Umfeld Gespräche darüber und hoffe, in dem ich die Unterschiede zwischen eigenen Wunschvorstellungen und tatsächlichem Verhalten hinterfrage und thematisiere, etwas in die richtige Richtung zu bewegen.

    Ich verbleibe vorerst ratlos, aber hoffe, vielleicht doch noch Ideen aufzutun.

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  20. Besonders das mit dem weniger verdienen bei Führungspositionen wird zu wenig thematisiert. Das liegt auch daran, dass zu wenig im Lande eine Idee haben, wie gut ab bestimmten Entscheidungsebenen verdient wird. Laut Gehaltstest der Wirtschaftswoche: Mitglied der Geschäftsleitung bringt knapp 200.000 pro Jahr, Vorsitz derselben 350000. Wenn das Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter hat geht es 10% rauf und bis zu 100% bei Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern. Abteilungsleiter/Business Unit Leiter können rund 130000 Euro brutto pro Jahr mit nach Hause nehmen – wiedermit Zuschlägen bei größeren Unternehmen. Frauen aber nur 80%-90% davon.

    Gerechtigkeit beim Einkommen zwischen Frauen und Männern ist an sich keine sehr revolutionäre Forderung. Gleiche Arbeit, gleiches Geld. Was den Equal Pay Day auch so erfolgreich macht. Eine gerechtere Vereilung des Einkommens generell hat da eine ganz andere Wirkung, die auch von Frauen nicht vorbehaltlos mitgetragen wird, weil zu viele abgeben müssten.

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  21. „Gleiche Arbeit, gleiches Geld. Was den Equal Pay Day auch so erfolgreich macht. Eine gerechtere Vereilung des Einkommens generell hat da eine ganz andere Wirkung …“

    Ich wäre viel eher für „ungefähr gleiche Arbeit, dann auch ungefähr gleicher Lebensstandard“.

    „Gleiche Arbeit, gleiches Geld“ führt dazu nämlich eben nicht, sondern blendet aus, dass sich Männer ihr Gehalt in der Regel mit sehr viel mehr Menschen teilen als Frauen, weswegen so eine Regel auch nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat. Für Gerechtigkeit müsssen auch noch die Transferzahlungen berücksichtigt werden.

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  22. Gute Thesen, denen ich im Ganzen zustimme, die aber trotzdem zum Nachdenken anregen.

    Leider ist es so, dass Erfolg im Leben immer noch zu einem großen Teil in verdientem Geld gemessen wird. Das ist der ideelle Teil des Problems, an dem muss sich auf jeden Fall etwas ändern.

    Leider ist es aber auch so, dass man, um selbstbestimmt zu handeln, Geld braucht. Und dass Frauen sich die Selbstverständlichkeit, eigenständig zu handeln, ohnehin immer noch schwer genug erkämpfen müssen, und sich dabei nicht unbedingt auf Unterstützung von umgebenden Strukturen verlassen können.

    Darum tendiere ich als Frau, obwohl auch mir Beziehungen und Sinn eigentlich wichtiger sind als Reichtum und Prestige, doch dazu, mir meinen Beruf nach dem Gehalt auszusuchen, einfach um der Sicherheit und Unabhängigkeit willen, die mir dadurch vielleicht in höherem Maße zuteil werden.

    In den UK und Kanada wird der Equal Pay Day übrigens bereits an dem Tag in der zweiten Jahreshälfte begangen, ab dem die Frauen sozusagen kostenlos weiterarbeiten.

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  23. Zitat Andreas
    „Gleiche Arbeit, gleiches Geld“ führt dazu nämlich eben nicht, sondern blendet aus, dass sich Männer ihr Gehalt in der Regel mit sehr viel mehr Menschen teilen als Frauen, weswegen so eine Regel auch nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat. Für Gerechtigkeit müsssen auch noch die Transferzahlungen berücksichtigt werden.“

    Was ist denn das für ein Unsinn? Mir kommen gleich die Tränen.

    Wie der soziale Background aussieht, wird durch gesonderte Regelungen unterstützt, wozu ich auch einiges zu sagen hätte. Die Männer-sind-Ernährer-Zeiten sind vorbei. Auch wenn das in einigen Köpfen noch nicht angekommen ist.

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  24. Nachtrag @Andreas: Sicher erhalten Frauen mehr Transfereinkommen als Männer. Dass damit aber ein Ausgleich geschähe, ist Humbug, denn die sozial konditionierte Bewertung des selbst verdienten Einkommens ist eine wesentlich positivere als die des (zum Ausgleich / aus Gütigkeit / aus Bedürftigkeit) vom Einkommen anderer anteilig erhaltenen.

    Transfereinkommen hält diejenigen, die es erhalten – oft Frauen – in einer Abhängigkeit und quasi-moralischen Verpflichtung gegenüber denjenigen, die es zahlen – oft Männer.

    Das aber fördert dann das Fortbestehen von extern verschriebenen ungleichen Rollenverteilungen einerseits: Na klar macht die Frau mehr im Haushalt, der Mann verdient ja mehr vom gemeinsamen Budget, also ist sie ihm das schuldig – ohne dass die Frau aber von ihrem Mann ein offizielles, geregeltes Einkommen für ihre Putz/Koch/Organisations-Tätigkeiten erhält…

    – und den Gleichheitsbestrebungen hinderlichen Minderwertigkeitskomplexen andererseits: Wenn ich als Frau mir den Lebensstandard, den ich habe, nur zusammen mit meinem Mann und dessen höherem Einkommen leisten kann, beeinträchtigt das mein Selbstwertgefühl – ich habe ja das Geld, das ich ausgebe, nicht verdient (im ökonomischen Sinne) und vielleicht darum auch nicht verdient (im moralischen Sinne)… exemplarisch dafür ist in einem umgekehrten Szenario das Problem, das Männer laut Klischee damit entwickeln, wenn ihre Frau mehr verdient als sie.

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  25. „Leider ist es so, dass Erfolg im Leben immer noch zu einem großen Teil in verdientem Geld gemessen wird. Das ist der ideelle Teil des Problems, an dem muss sich auf jeden Fall etwas ändern.“

    Man kann dies aber auch noch anders sehen ( und das ist meine Sichtweise ) – Forderungen wie „gleiche Arbeit, gleiches Geld“ sind in der Regel etwas kurzsichtig, wenn es um das Verständnis von „gleicher Arbeit“ geht – in der Realität geht in die Definition von „Gleichheit“ ja ganz entscheidend ein, wie nötig die Arbeit gebraucht wird, bzw. eben die Knappheit der Arbeitskraft, gar nicht so sehr, ob die Arbeit anspruchsvoll ist oder nicht etc. pp.

    Derjenige, der viel Geld in seinem Beruf verdient, bietet also anderen genau das, was diese benötigen und wofür die einen hohen Teil ihres Einkommens zur Verfügung zu stellen bereit sind.

    Es ist also umgekehrt – nicht der Erfolg wird in Geld gemessen, sondern in Geld gemessen wird der Erfolg dabei, anderen Menschen das zu liefern, was sie am dringensten benötigen.
    Während die Leute, die nur liefern, was tausend andere Leute auch liefern oder sich gar sowieso nur um ihren eigenen Kram kümmern, eben wenig Geld verdienen.

    Und darin wird wohl niemand ein ideelles Problem sehen, sondern ganz im Gegenteil finden, dass das zu Recht so geschieht!

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  26. @
    Während meines sozialen Jahres bekam ich 1/3 dessen an Geld, was ein Freund von mir dort für seine 9 Monate Zivildienst in der gleichen Einrichtung bekam.
    Soviel zu gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit.

    Besonders gute Verdienste verspricht die Lobbyarbeit für Pharma- oder private Wirtschaftsunternehmen. Nix mit Lärm oder Dreck.

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  27. Solange Männer bereit sind, für die Gegenwart von Frauen und für Intimität mit Frauen, Geld abzudrücken, was schließlich die Grundlage der Prostitution, die Grundlage der Ehe und letztlich die Grundlage des Staates ist, so lange werden Frauen keinen Grund sehen, sich in gleicher Weise in den Beruf einzubringen, wie es Männer tun, nämlich den Faktor Geld höher zu bewerten als den Faktor Spaß.

    Und so lange die Attraktivität eines Mannes für Frauen ganz entscheidend von seiner gesellschaftlichen Stellung bestimmt wird, und die definiert sich eben auch in der Verfügung über Geld und Güter, so lange werden Männer nach Geld und Gütern streben.

    Wer den Equal Pay Day begeht, sollte auch den Equal Death Day begehen, denn es sind Männer, welche die gefährlichen und schweren Tätigkeiten ausüben, ohne die unsere Gesellschaft nicht exisitieren könnte. Bei jedem größeren Bauvorhaben kommt es zu ernsten Verletzungen und gar zu Todesfällen und in 94% der Fälle, sind Männer die Opfer. Auch darüber sollte gesprochen werden. Und viele dieser Männer ermöglichen durch ihr Einkommen ihren Frauen eine Teilzeittätigkeit mit wesentlich geringerem Risiko auszuüben.

    Carl Jung

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  28. @Andreas: Leider wird die Wertschätzung und damit die Entlohnung eines Berufs nicht an der bloßen Notwendigkeit dessen festgemacht, was die Ausübenden dieses Berufs erledigen. Der Markt wird nicht allein von Nachfrage, Angebot und (wie auch immer zu messender) Qualität miteinander wetteifernder Anbieter bestimmt, sondern auch von überkommenen kulturellen Vorstellungen darüber, was einfach oder schwer zu erledigen ist (die nicht immer stimmen), oder auch von der Gewöhnung unserer Gesellschaft daran, dass bestimmte Dienstleistungen zu geringen Kosten oder gar scheinbar kostenlos zur Verfügung gestellt werden, ganz unabhängig von deren Notwendigkeit. Darum verdienen ja z.B. Menschen in Pflege- und Bildungsberufen im Vergleich wenig, obwohl ihre Tätigkeiten für das Fortbestehen der Gesellschaft unerlässlich sind. Ein noch deutlicheres Beispiel: Würde man die Beseitigung des allenthalben anfallenden Mülls nach der Notwendigkeit (absolut dringend!) und nach der erforderlichen Überwindung (hoch!) entlohnen, dann wären die Leute von der Müllabfuhr Spitzenverdiener…

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  29. Sehr schöner Artikel, der den Statistikfeiertag bis Nr. 9 ins rechte Licht rückt, um dann aber in Nr. 10 selbst dem Trick anheim zu fallen. Es sind halt nicht die Männer, die im Oktober aufhören können, sondern manche Männer, die wahrscheinlich schon im Februar aufhören könnten. Wenn man dann unbedingt nach einem neuen Statistikfeiertag suchen will, sollte man doch den Stichtag nehmen, an dem die oberen 10% der Angestellten soviel verdient haben wie die unteren 10% im ganzen Jahr werden. Blöd halt, dass dann die Feiertage bis 2025 schon alle in dieses Jahr fallen.

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  30. Weltweit zählen ökonomisch (und auch sonst) nur Männerwerte, Frauenwerte zählen ökonomisch nichts.

    evelyn, was sollen den „frauen-“ und „männerwerte“ sein? mir fallen da nur stereotype ein. und die wollten wir (feministinnen) doch wohl überwinden, oder?

    Ausserdem würde ich gerne mal eine Gegenüberstellung von Erwerbseinkommen und Transfereinkommen von Frauen und Männern sehen, wobei ich zu Transfereinkommen auch solche Dinge zähle wie etwa die Partizipation am Einkommen des Gatten, kostenlose Krankenversicherung und Rentenversicherung und was es da alles gibt.

    das ist ein sehr guter punkt, andreas. es ist ja häufig von unbezahlter hausarbeit die rede, dabei „unterhält“ der arbeitende ehemann die nicht oder weniger berufstätige hausfrau. das ist auch eine art dienstleistungsverhältnis.

    Und genau da sehe ich die Geschlechterrollen zementiert. Ich habe auf Einkünfte verzichtet und aus gespartem die Lücke selbst finanziert, um mir diesen Ausstieg auf Zeit in Familienarbeit erlauben zu können.

    sylvia, damit hast du auch geschlechterrollen zementiert.

    „Gleiche Arbeit, gleiches Geld“ führt dazu nämlich eben nicht, sondern blendet aus, dass sich Männer ihr Gehalt in der Regel mit sehr viel mehr Menschen teilen als Frauen

    andreas, das ist kein kriterium. es wird die arbeit bezahlt, nicht was der einzelne mit seinem geld anfängt.

    Transfereinkommen hält diejenigen, die es erhalten – oft Frauen – in einer Abhängigkeit und quasi-moralischen Verpflichtung gegenüber denjenigen, die es zahlen – oft Männer.

    poetin, der unterhalt z.b. für eine hausfrau ist gesetzlich geregelt. das sind keine almosen aus moralischer verpflichtung.

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  31. @komme_gleich

    es ist ja häufig von unbezahlter hausarbeit die rede, dabei „unterhält“ der arbeitende ehemann die nicht oder weniger berufstätige hausfrau. das ist auch eine art dienstleistungsverhältnis.

    Sie haben ja eine ganz besondere Vorstellung von einer Lebensgemeinschaft. Die Hausarbeit ist also eine Dienstleistung für den Mann. Fehlt noch, dass man dafür eine Haushaltsgeld-Gap berechnet.

    Wenn einer der Partner weniger oder gar nicht erwerbstätig arbeitet, könnte das ja auch eine gemeinsame Entscheidung zur Aufgabenteilung sein. Oder die Folge äußerer (wirtschaftlicher) Umstände. Oder eine Maßnahme zur Selbstverwirklichung. Oder doch einfach ungerecht. Aber bestimmt kein Dienstleistungsverhältnis.

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  32. @komme_gleich:

    „andreas, das ist kein kriterium. es wird die arbeit bezahlt, nicht was der einzelne mit seinem geld anfängt. “

    Klar, wenn man den Fokus nur auf die Arbeit richtet, ist das kein Problem – es ging hier aber um Gerechtigkeit und dann muss man auch fordern, dass Arbeitseinkommen im Mittel gleich belastet werden.

    Und das ist, wie gesagt, nicht der Fall – Einkommen von Männern werden, und zwar auch ganz ohne deren freie Entscheidung – durch den Gesetzgebern ungleich stärker belastet bzw. verteilt als die Einkommen von Frauen, und zwar in der Regel in familiären Zusammenhängen.

    Im übrigen hat VonFernSeher nicht Unrecht – Haushaltsführung ist keine Leistung, die man für den Unterhalt einfordern kann, Unterhalt muss auch so gezahlt werden, für gar nichts, sozusagen. Aber natürlich ist das kein Almosen, sondern gesetztlich geregelt.

    Würde man Haushaltsführung auf einem freien Markt einkaufen können, wäre sie auch sehr viel billiger als das, was man nun für eine Ehefrau bereitstellen muss.

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  33. @VonFernSeher:

    „Sie haben ja eine ganz besondere Vorstellung von einer Lebensgemeinschaft.“

    Die Ehe ist nach deutschen Gesetzen nichts weiter als eine für Männer besonders teure Form der Prostitution, meiner Meinung nach – mit „Lebensgemeinschaft“ hat die wohl kaum etwas zu tun.

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  34. @poetin:

    Aber Deine Beispiele (Pflege, Müllabfuhr) sind ja genau Beispiele dafür, dass eben nicht der Wert oder die Mühe der Arbeit das Arbeitsentgelt bestimmt, sondern einfach die Frage, wieviel Geld man aufbringen muss, um genügend Leute zu bekommen, so dass alle notwendige oder immer noch Gewinn bringende Arbeit getan wird.

    Und da haben eben Pflegekräfte und Müllabfuhr schlechte Karten – wenn sie mehr Geld fordern, gibt es eben ruck zuck Leute, die dieselbe Arbeit für weniger Geld machen würden, weil es eben wenig Mühe macht, die notwendigen Kenntnisse im Bereich Pflege/Müllabfuhr zu erlangen.

    Genauso wird auch jemand, der ein paar Millionen verdienen kann, weil er mit seinem Wissen und seiner Erfahrung einem Unternehmen zu Milliarden Gewinnen verhelfen kann, sich kaum von Leuten beeindrucken lassen, die meinen, er würde zu viel verdienen – zu Recht, wie ich finde.

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  35. @Andreas

    Ich gebe dir Recht, dass Pflegekräfte oft schlechte Karten haben, wenn Sie mehr Geld oder bessere Arbeitsbedingungen fordern und sich andere Menschen finden, die diese Arbeiten ausführen würden. Aber der Trugschluss liegt hier im Detail. Es wird eben nicht „dieselbe“ Arbeit getan, wenn ausgebildete Pflegefachkräfte gegen „billigere“ (evtl. ungelernte) Kräfte ersetzt werden.

    Vielleicht muss sich an diesem Punkt jeder selbst fragen, mit welcher Qualität er oder sie später gepflegt oder beim Sterben begleitet werden möchte.

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  36. @ Chaos Kind

    Du wirst du nicht ernsthaft ZWangsarbeit mit freiwilligem sozialen Jahr vergleichen?

    Intreressant, wie sich die Diskrimminierung der Frauen ergibt.

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  37. Sie haben ja eine ganz besondere Vorstellung von einer Lebensgemeinschaft. Die Hausarbeit ist also eine Dienstleistung für den Mann.

    @VonFernSeher
    was ist eine dienstleistung:
    „Eine Dienstleistung im Sinne der Volkswirtschaftslehre ist ein ökonomisches Gut, bei dem im Unterschied zur Ware nicht die materielle Produktion oder der materielle Wert eines Endproduktes im Vordergrund steht, sondern eine von einer natürlichen Person oder einer juristischen Person zu einem Zeitpunkt oder in einem Zeitrahmen erbrachte Leistung zur Deckung eines Bedarfs. Der Erbringer einer solchen Leistung wird als Dienstleister bezeichnet.“ WP

    genau das ist hausarbeit. eine hausfrau erbringt diese leistung für ihren mann, die gemeinsamen kinder – sofern vorhanden – und für sich. unter anderem dafür erhält sie ehegattenunterhalt. das ist die „klassische“ arbeitsteilung und so stand es früher auch im gesetz.

    Wenn einer der Partner weniger oder gar nicht erwerbstätig arbeitet, könnte das ja auch eine gemeinsame Entscheidung zur Aufgabenteilung sein. Oder die Folge äußerer (wirtschaftlicher) Umstände. Oder eine Maßnahme zur Selbstverwirklichung. Oder doch einfach ungerecht. Aber bestimmt kein Dienstleistungsverhältnis.

    wie die partner zu dieser regelung gekommen sind, ist für das ergebnis unerheblich.

    @Andreas

    Im übrigen hat VonFernSeher nicht Unrecht – Haushaltsführung ist keine Leistung, die man für den Unterhalt einfordern kann, Unterhalt muss auch so gezahlt werden, für gar nichts, sozusagen.

    stimmt. unterhalt gibts, sofern eine ehe besteht oder bestand. nur ist das ja eine entscheidung, die jedem freisteht. wer sich auf eine (nach seinem empfinden) ungerechte institution einlässt, muss später nicht klagen. es war die freie wahl eines mündigen bürgers. insofern sind die mehrausgaben für männer das ergebnis persönlicher entscheidungen und privatangelegenheit, da nur der einzelene privat die entscheidungen gegen diese mehrausgaben treffen kann.

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  38. Verstehe nicht, wieso der Komentar nicht freigeschaltet wurde? ODer ist das schon ein Angriff auf den Feminismus 😉

    Im Übrigen:

    Durch die Abschaffung der männlichen Zwangsarbeit hoffe ich sehr, dass die Leute in der Pflege mehr Geld bekommen werden.

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  39. @Max
    Ach, darf ich nicht Strukturen, die eher männliche Menschen betreffen mit Strukturen vergleichen, die eher weibliche Menschen betreffen?
    Fakt ist, dass mein Freund und ich die gleiche Arbeit verrichtet haben und dafür unterschiedlich entlohnt wurden.

    (zudem war mein Kommentar auf einen anderen bezogen, der nun nicht mehr existiert)

    Dass es in der Frage um Gerechtigkeit auch um die Strukturen geht und gehen muss – darüber habe ich auf meinem Blog auch schon geschrieben.
    Wenn aber 2 Menschen, beide ungelernt, die gleiche Arbeit machen, sollten sie in meinen Augen auch das gleiche Geld dafür bekommen.

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  40. @Antje
    Hab ich mir gedacht und kann ich gut verstehen. Konnte es mir in dem Moment nur nicht verkneifen, da was zu schreiben.
    Dein Einfachheit halber hättest meinen ja auch gleich löschen können 😉 Vielleicht ne kleine Message an mich, aus dem und dem Grund und ich hab damit kein Problem. Jetzt steht da so ein Beitrag, der irgendwie in der Luft hängt *g*

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  41. dass nenne ich mal eine rege Beteiligung!

    ansonsten möchte ich folgendes anfügen:

    die Welt ist voller unzähliger Diskriminierungen und die der Frauen zählt auch dazu. Es werden Behinderte, Arme, Kleine, Dicke, Dünne, Kluge und manchmal auch Männer diskriminiert.

    Bei mir auf Arbeit sind fast alle Vorgesetzten Frauen und sie können alle nicht miteinander reden, was oft sehr belastend ist. Denn Frauen diskriminieren auch ein paar Dinge, wozu meiner Meinung nach „offene, klärende Gespräche“ an erster Stelle genant werden müssen (mit Einschränkungen gilt das auch für Männer)

    Zu meiner Erfahrung gehört es auch, dass junge Frauen sich um gar nichts scheren, außer die Farbe des Kleides am Wochenende im Club. Also keine Diskriminierung, Ungerechtigkeit oder Geschichte der Emanzipation.

    zu 5. Auch wenn sich diese Rollenbilder trasnformieren: Die Männer streben nicht nach Geld und Status. Sie müssen danach streben, weil sie damit wiederum um Frauen konkurrieren, die sich unterbewusst immer noch vom wirtschaftlich potentesten Mann versorgt wissen wollen. Das gilt für eine Frau Christiansen, eine Frau Ferres oder Frau Illner genauso, wie für fast alle anderen Frauen auch, die eigentlich wirtschaftlich unabhängig sein sollten. die Frau achtet bei ihrer Selektionsentscheidung selbst viel stärker auf Status und Geld, womit sie sich zwangsläufig in ihrem eigenen Streben nicht mehr beschäftigen muss, da das Thema ja mit der Männerwahl abgehandelt ist..

    6. ist reine Polemik

    7. Hier gilt, wie so oft im Leben: wir bekommen, was wir fördern. soziale Berufe und „Hilfe“ im weitesten Sinne muss sich „teuer“ machen, um gerecht entlohnt zu werden. so paradox das auch klingen mag, aber dafür müsste das ganze System der ehrenamtlichen Arbeit abgeschafft werden. Denn Dinge, die nicht bezahlt werden, haben in unser aller Wahrnehmung keinen Wert. Jeder Mensch der hilft sollte dies asu einer Stärke und einem Bewusstsein über den Wert dessen, was er leistet tun und nicht, weil er ein Helfersyndrom hat.

    zu 8. “ ihre historisch ansozialisierte Abneigung gegen Gelddinge “ fällt mir vor lachen gar nichts zu ein :o) siehe oben…

    zu 9. ja, Frauen sollten tatsächlich die soziale Infrastruktur, die das Patriarchat hinterlassen hat einreißen. Leider haben sie keine Idee davon, wie sie das machen sollen…

    @ evelyn
    sehr informativer beitrag. allerdings:
    sind Frauen ein wichtiger Teil, der Gewalt gegen sie selbst und überhaupt auf der Welt. Ich sehe Frauen grün und blau geschlagen Schutz in Frauenhäusern suchen, um sich nach abheilen der Wunden wieder in die starken Arme des „geliebten“ Mannes zu werfen. Ich sehe Liebesbriefe an verurteilte Mörder. Ich sehe Frauen, die eine schicke Uniform heiraten, die eben noch im Gefängnis andere Menschen gefoltert hat. Ich sehe Kriege, die von einem Tag auf den anderen beendet wurden, weil Frauen den Sex verweigert haben (ich sehe so viele, die nicht zu Ende gehen??) ich sehe frauen, die sich schützend vor dem überführten Kinderschänder stellen, die ihren missbrauchten kindern vorwürfe machen udn selbst leidenschaftlich wegsehen. ich sehe unendlich viel Verantwortung, die nicht wahrgenommen wird..

    viele grüße!

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  42. @komme_gleich:

    „insofern sind die mehrausgaben für männer das ergebnis persönlicher entscheidungen und privatangelegenheit, da nur der einzelene privat die entscheidungen gegen diese mehrausgaben treffen kann.“

    Ja, schön – aber Männer treffen ihre Privatentscheidungen genauso wie Frauen nicht im luftleeren Raum, sondern im Rahmen dessen, was ihnen Institutionen und Gesetze momentan ermöglichen – und „Ehe“ bzw. „eheähnliche Lebensgemeinschaft“ ist nun einmal der alleinige Rahmen, welchen der Staat für so etwas wie geförderte und geschützte Elternschaft und Familie derzeit bereithält.

    Insofern ist das eben kein Privatproblem einzelner Männer.

    Übrigens finde ich es immer lustig, zu sehen, was die jeweiligen Fraktionen gerne zum Privatproblem erklären – Feministinnen wie Du behaupten immer, in meinen Augen zynischerweise, sollen Männer halt auf Familie und Ehe verzichten, wenn ihnen die Gesetze nicht passen.

    Umgekehrt wird aber für die privaten Lebensentscheidungen von Frauen a la „Ausbildungswahl, die auf den späteren Versorger setzt“, „Jahrelanges Aussetzen auf Kosten des Gatten, wenn Kinder da sind.“ usw. usf. die volle Unterstützung des Staates verlangt, wenn diese Entscheidungen eben zu Einbussen führen, wie etwa dem Pay Gap!

    Findest Du das nicht etwas heuchlerisch? So habe ich oben den Pay Gap Day ja schon bezeichnet ( hat Frau Schrupp allerdings gelöscht ) …

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  43. @Antonia:

    „Vielleicht muss sich an diesem Punkt jeder selbst fragen, mit welcher Qualität er oder sie später gepflegt oder beim Sterben begleitet werden möchte.“

    Das ist ja ein ganz entscheidender Punkt.

    Ich wäre sehr dafür, z.B. die Ausbildung zum Erzieher/in (Kindergarten/Hort) zum Fachholstudium zu machen, oder von Pflegekräften eine gute Ausbildung zu erwarten – allerdings führte dies eben auch zu einer entsprechenden Verteuerung dieser Leistungen, also dazu, dass eben ein größerer Teil der Gesellschaft sich diese Güter nicht mehr leisten kann, es sei denn, er wird vom reicheren unterstützt bzw. der Staat übernimmt die Finanzierung des Konsums.

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  44. @Antje
    Wenn das so ist, kann ich das gern noch etwas ausführen (zumindest kurz).
    Grundlegend sind das die unterschiedlichen Strukturen, in denen gearbeitet wird.
    Zivildienende werden nach den Maßstäben des Staates/des Militärs entlohnt, weil sie ja einen sogenannten „Wehrersatzdienst“ leisten. Bei meinem Freund waren das 500-650€.
    Menschen, die ein Soziales Jahr absolvieren, fallen eher in die Struktur der „Ehrenamtlichen“ und die werden eigentlich gar nicht für die Arbeit bezahlt, sondern erhalten eine je nach Bundesland variierende Form von „Essensgeld“ und „Taschengeld“. Bei mir waren das je 150€, also 300€ im Monat. In anderen Einrichtungen bekommen die FSJlerInnen nur 150€ Taschengeld und dürfen dafür in der Mensa/Cafeteria der jeweiligen Einrichtung mitessen.

    Rein theoretisch würde sich daraus ableiten, dass es eben nicht nur um „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ gehen muss, sondern auch um „gleiche Arbeit unter gleichen Bedinungen/Strukturen und DIE dann gleich entlohnen“

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  45. @komme_gleich #41

    Das ist wohl der entscheidende Unterschied in der Wahrnehmung. Wenn ich z.B. etwas koche und das dann mit meiner Frau esse, steht für mich nicht die Dienstleistung „Essenszubereitung“ als ökonomisches Gut im Vordergrund. Das sind Aufgaben des Alltags, die gemeinsam bewältigt werden müssen (wenn es denn ein Muss ist), genauso wie ein Teil des Berufes ist Geld zur Versorgung zu erbringen.

    Ich gehöre nicht zu den Menschen, die das in ihren privaten Beziehungen fein gegeneinander aufrechnen. Man sollte als Lebensgemeinschaft doch einfach Aufgaben so verteilen, dass jeder Mensch mit dem Resultat leben kann, dass er sich einerseits weitestgehend verwirklichen kann und trotzdem seinen Teil der Verantwortung übernimmt.

    Ob sich also alle dementsprechend eingerichtet haben, ist für das Ergebnis überhaupt nicht irrelevant. Wenn sich ein Partner in seiner Rolle übervorteilt wird oder sich nicht verwirklichen kann, ist das doch Teil des Resultats.

    @secuni #47 ad 7.

    Dann sollten wir vielleicht nicht das Ehrenamt abschaffen, sondern diese antiquierte Bewertung.

    @Andreas #49

    L’etat c’est moi. Und du! Und die anderen. Wenn wir also eine Mehrheit finden, die diese Dienstleistungen als soziale Aufgabe ansieht, muss es solidarisch finanziert werden, d.h. wer mehr leisten kann, soll das auch müssen. Die Geschichte von den unbezahlbaren sozialen Leistungen ist eine Mär, denn schließlich bezahlen wir alle da Dienstleistungen von anderen Menschen, die Teil der Gemeinschaft sind. Wenn sich also keiner ausklinken würde, wäre es überhaupt kein Problem die finanzielle Wertigkeit von Berufen zu verändern.

    Auch wirtschaftlich ist das eigentlich kein Problem, denn in eine studierte Krankenpflegerin sind ja wesentlich größere Investitionen geflossen, die dann auch ein anderes Einkommen rechtfertigen.

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  46. @ KhaosKind

    “ Wenn aber 2 Menschen, beide ungelernt, die gleiche Arbeit machen, sollten sie in meinen Augen auch das gleiche Geld dafür bekommen“

    Sicher, ich habe auch nie was anderes gesagt.

    Aber man kann keine Zwangsarbeit mit einer freiwilligen Entscheidung vergleichen.

    DU hast dich freiwillig dazu entschieden, dein Freund wurde dazu gezwungen, es ist also als eine Art Entschädigung zu sehen.

    Im Übrigen habe ich als Wehrpflichtiger beim Bund auch keine 500-600 € wie ein Zivi bekommen, sondern 350- 420€…so in etwa.

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  47. Die patriarchal-kapitalistischen Strukturen ändern sich nicht durch „gleiche Bezahlung“ und die Arbeitgeber wären „unverantwortlich“ würden sie weniger nach Profit streben. Sicher können Manager ihre eigenen Gehälter runterschrauben, aber warum sollten sie? Sicher könnte man „soziale Berufe“ besser bezahlen, aber warum sollte man? Würde alles der kapitalistischen Logik wiedersprechen.

    Selbst wenn man es schaffen würde den Anteil der Männer und Frauen in „Männerberufen“ und „Frauenberufen“ anzugleichen, da stimme ich dir zu, wäre damit nicht viel gewonnen – die Ungerechtigkeit der kapitalisischen Produktionsweise wäre nur unäbhängiger von der Person verteilt. Das ist, so scheint mir, der linksliberale Traum: Männer und Frauen, Homos und Heteros, Migranten und Nicht-Migranten können es alle schaffen. „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ für alle, jeder hat die Chance! Der Kapitalismus produziert Reiche und Arme. Wird er mit „sozialen Maßnahmen“ gebändigt, weniger, sonst mehr.

    Viele Feministinnen sehen das und haben tolle Konzepte.
    „Aber nicht mit dem Ziel, dass sie die nach „männlichen“ Maßstäben „normale“ Sicht auf das Geld übernehmen, sondern mit dem Ziel, dass sie ihre eigenen Vorstellungen davon entwickeln und in die Welt bringen.“
    Genau. Männerberufe ändern sich nicht dadurch, dass Frauen sie machen, denn auch die müssen ihre berufliche Funktion ausüben. Männerberufe, Frauenberufe da liegen strukturelle Probleme vor. Strukturen sind Verhältnisse, sind Beziehungen. Aber der bürgerliche Feminismus fährt da m.E. in eine andere Richtung, nämlich die „linksliberale“ wie oben beschrieben.
    So gesehen, bewegt sich dieser Teil der Frauenbewegung i.S. der Verbesserung der Verteilung der Ungerechtigkeit unabhängig der Person.

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  48. @Max
    Inwieweit mein Freund da NUR gezwungen ist, in einem Staat, der theoretisch auch ein Verweigerungsrecht enthält – ist da noch offen.
    Männer können sich ja nicht nur gegen den Dienst an der Waffe entscheiden und stattdessen einen Wehrersatzdienst (also „Zivildienst“) machen, sondern das System ganz ablehnen. Wenn diese Möglichkeit strukturell erschwert wird, ist dem nachzugehen, denn das fände ich auch diskriminierend.

    Andererseits ist auch die Frage, wie „freiwillig“ mein Soziales Jahr sein kann, wenn mir als weibliche Person gar nicht die Möglichkeit offen steht in diese „Zivildienst“-Struktur zu kommen. Wenn, dann steht mir ja der Militärdienst offen – der Wehrersatzdienst wohl kaum. Aber da bin ich zuwenig informiert.

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  49. @Khaos.Kind

    Männer können sich ja nicht nur gegen den Dienst an der Waffe entscheiden und stattdessen einen Wehrersatzdienst (also „Zivildienst“) machen, sondern das System ganz ablehnen.

    Natürlich. Genauso, wie sie es ablehnen können, im Geschäft zu bezahlen, oder wie sie Kinderpornos sammeln können. Das vorgesehene Strafmaß ist jedenfalls das gleiche.
    (Alternativ können sie das System als Ganzes natürlich ablehnen, indem sie Deutschland auf Dauer verlassen. Das könnte aber auch einen gewissen Einfluß auf die Lebensplanung haben.)

    Wenn diese Möglichkeit strukturell erschwert wird, ist dem nachzugehen, denn das fände ich auch diskriminierend.

    Das ist jetzt ein Witz, oder?

    Andererseits ist auch die Frage, wie „freiwillig“ mein Soziales Jahr sein kann,

    Genau so freiwillig, wie Du es ohne Folgen auch lassen könntest. Oder etwas anderes tun.

    wenn mir als weibliche Person gar nicht die Möglichkeit offen steht in diese „Zivildienst“-Struktur zu kommen.

    Empfohlene Lektüre: Sechster Abschnitt des Zivildienstgesetzes, jedenfalls §§ 52-54 ZDG.
    Du hättest Dich natürlich bewerben können, aber hättest vermutlich noch aus anderen als den offensichtlichen Gründen abgelehnt werden müssen. Catch-22 light, quasi. (Obwohl das in der Praxis wohl nicht passiert – wie im Original.)

    Obli: Der Sold von Zwangsdienstleistenden geht übrigens nicht in die Berechnung des Gender Pay Gaps ein. Aber es handelt sich ja auch nicht wirklich um Erwerbstätige. Kleidergeld und Verpflegungspauschale hätten allerdings vermutlich auch im anderen Fall nicht mitberechnet werden dürfen.

    B20

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  50. @Bombe 20
    Natürlich. Genauso, wie sie es ablehnen können, im Geschäft zu bezahlen, oder wie sie Kinderpornos sammeln können. Das vorgesehene Strafmaß ist jedenfalls das gleiche.
    Kann ich ja nicht wissen. Dass ich das mies finde, hab ich ja bereits geschrieben.

    Genau so freiwillig, wie Du es ohne Folgen auch lassen könntest. Oder etwas anderes tun.
    Es ging um die Freiwilligkeit der schlechteren Bezahlung. Und die such ich mir nicht aus. (Lassen ist auch nicht in jedem Fall eine Alternative, wenn das zur Abhängigkeit vom Arbeisamt führt)

    Obli: Der Sold von Zwangsdienstleistenden geht übrigens nicht in die Berechnung des Gender Pay Gaps ein. Aber es handelt sich ja auch nicht wirklich um Erwerbstätige. Kleidergeld und Verpflegungspauschale hätten allerdings vermutlich auch im anderen Fall nicht mitberechnet werden dürfen.
    War auch nur ein Beispiel zur unterschiedlichen Bezahlung bei gleicher Arbeit – weil Struktur. (und Beispiele haben manchmal ein Holzbein)
    Auch wenn es nicht in den Gender Wage Gap mit reinfallen sollte – besser macht es das auch nicht.

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  51. @ Khaos.Kind

    Dann sei doch so nett und führe ein anderes Beispiel an und sag, wo Frauen bei gleicher Qualifikation, Berufserfahrung, Eignung und fachlicher Leistung schlechter bezahlt werden als Männer.
    In dieser Diskussion kommen mir nämlich zuviele Behauptungen vor und zu wenig Fakten.
    Komisch, dass in dieser Diskussion weder eine Firma, noch ein Chef namentlich genannt wird !

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  52. @DirkD
    Nur so am Rande: Ich studiere (das lässt sich notfalls über mein Blog erfahren). Dass ich da weder Firma noch ChefIn nennen kann, sollte klar sein.

    Abgesehen davon könntest du ja mal lesen, dass ein Individualfall nicht unbedingt aussagekräftig ist, sondern der Wage Gap auch die unterschiedlichen Berufssparten und -strukturen aufzeigt. Selbst wenn zwei ManagerInnen gleich viel verdienen und zwei AltenpflegerInnen auch – dann sind Posten im Management eben trotzdem zu 80% mit Männern besetzt und Pflegeberufe haben einen Frauenanteil von 80% (ganz platt gesagt). ManagerInnen verdienen mehr als PflegerInnen und da haben wir den Gap.

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  53. @Antje

    Dies ist eine Falschdeutung: Unter Bereinigung von einigen Faktoren beträgt der Unterschied 8 %. Es ist hiermit nicht gesagt, dass Diskriminierung der einzige verbleibende Faktor ist. Vielmehr ist dies fast sicher nicht der Fall, da z.B. Risikobereitschaft bei Gehaltsverhandlungen nicht figuriert.

    Für Schweden und USA habe ich bereinigte Zahlen von 1–2 % gesehen, wo noch gewarnt würde, dass man eventuell nicht alle Erklärungsfaktoren berücksichtigt haben. Auch für Deutschland meine ich erheblich kleinere Zahlen als 8 % schon gesehen zu haben, bei besseren Bereinigungen.

    (Vgl. auf Schwedisch z.B. http://debatt.passagen.se/show.fcgi?category=3500000000000014&conference=10500000000000129&posting=19500000005646131 , das sich auf offizielle Zahlen bezieht. Eine US-Quelle habe ich leider nicht griffbereit.)

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  54. @Khaos.Kind

    Kann ich ja nicht wissen.

    Natürlich kannst Du das wissen. Die Informationen sind frei verfügbar und auch nicht übermäßig versteckt. Daß Du es nicht wissen mußt, könnte man, wenn man der entsprechenden Theorie anhinge, als weibliches Privileg bezeichnen.
    Und das Du es schließlich nicht wissen tust (Autsch, ging aber nicht besser.), obwohl Du das Thema durch Deinen Freund ja offenbar zumindest mittelbar mitbekommen hast, diesen temporären Interessenschwerpunkt gestehe ich Dir gerne zu. (Nicht, daß ich da was zu sagen hätte.) Aber ob das für Deinen Wunschberuf nun gut oder schlecht ist, das mag ich nicht sagen. (Zyniker würden wahrscheinlich meinen, es sei Voraussetzung. ;-))

    Aber mich würde doch interessieren, wie Du Dir den ganzen Vorgang vorstellst. Mann bekommt einen Brief von der Bundeswehr „Na, Wehrpflicht und so, wie isset?“, antwortet darauf „Nein danke, ich lehne dieses System ab“ und damit ist die Sache gegessen, oder wie? Liest sich hier nämlich so.
    Würdest Du eigentlich Deinen Wissensstand als repräsentativ für einen signifikanten Teil der Frauen in Deutschland einschätzen? Das würde angesichts von einigen Umfragen, die ich gelesen habe, mein Frauenbild nämlich tatsächlich verbessern.

    Dass ich das mies finde, hab ich ja bereits geschrieben.

    Offenbar findest Du es ja nicht mies genug, um Dich nicht zu beschweren, daß Männer, die gegen ihren Willen, unter Strafandrohung und massivster Einschränkung einer ganzen Reihe von Grundrechten zu Tätigkeiten gezwungen werden, die Du auch freiwillig ausüben würdest, dafür mehr Geld bekommen. (Wobei man sich so gesehen natürlich fragen könnte, warum die überhaupt bezahlt werden…)

    Ich bin eigentlich ein Fan von übertreibenden Analogien, aber gelegentlich kommt es vor, daß mir keine einfällt, deren Absurdität tatsächlich größer ist als die der ursprünglichen Aussage. In diesem Fall kommt mir zum Glück unser Wirtschaftsminister Brüderle zur Hilfe, der letztens zu seinem Kollegen Schäuble meinte: „Ja, ich muß stehen, Sie dürfen sitzen bleiben“…

    Es ging um die Freiwilligkeit der schlechteren Bezahlung. Und die such ich mir nicht aus. (Lassen ist auch nicht in jedem Fall eine Alternative, wenn das zur Abhängigkeit vom Arbeisamt führt)

    Du darfst mich gern naiv nennen, wenn ich Unrecht habe, aber im Falle eines FSJ steckt die Freiwilligkeit ja schon im Namen. Ich glaube nicht, daß viele ein solches ableisten, weil sie auf die Bezahlung angewiesen sind. Da fände sich sicher etwas finanziell interessanteres.

    FSJ, FÖJ und Konsorten sehe ich eher als Mischung aus Praktikum und gemeinnützigem Engagement, und die sind ja in den meisten Fällen auch nicht im Sinne eines Broterwerbs bezahlt. (Den aktuellen Vorstoß, unbezahlte Praktika zu verbieten, halte ich auch für hoch gefährlich. Wenn das durchgehen würde, hätten sicher viele Studenten mit Pflichtpraktia ein echtes Problem, überhaupt noch einen Platz zu finden.)

    War auch nur ein Beispiel zur unterschiedlichen Bezahlung bei gleicher Arbeit – weil Struktur. (und Beispiele haben manchmal ein Holzbein)

    Nee, sorry. Das Beispiel hat nicht gehinkt, das durfte sitzen bleiben.

    Auch wenn es nicht in den Gender Wage Gap mit reinfallen sollte – besser macht es das auch nicht.

    Besser -im Sinne von kleiner- würde den Gender Pay Gap zum Beispiel auch machen, wenn der öffentliche Dienst mit berücksichtigt würde. Dort beträgt schon der unbereinigte Verdienstunterschied nur 7,5%. Ich gehe (aufgrund der Verhältnisse in der Privatwirtschaft) davon aus, daß der bereinigte sogar negativ sein müßte.

    @Michael

    Vielleicht hilft Dir diese Studie weiter?

    Bombe 20

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  55. @Bombe 20
    Ich bin dir ja für deine Informationen dankbar, wäre aber erfreuter, würdest du das nicht auf meine berufliche Qualifikation übertragen, dass ich etwas NICHT weiß.

    Natürlich kannst Du das wissen. Die Informationen sind frei verfügbar und auch nicht übermäßig versteckt. Daß Du es nicht wissen mußt, könnte man, wenn man der entsprechenden Theorie anhinge, als weibliches Privileg bezeichnen.
    Dass Wehrpflicht/Wehrersatzdienst kein „überleg mal, ob du Lust dazu hast“ ist, ist mir schon klar. Ich war nur eben hauptsächlich von Männern umgeben, die entweder von vornherein ausgemustert wurden oder den Zivildienst als Art Praktikum gesehen haben. Oder vom „Bund“ erzählt haben, bei dem sie nur Playstation spielten.
    Es gibt genug Regelungen in Dt, die zwar unter Straftaten fallen aber straffrei sind – wie Abtreibungen z.B. Ich bezweifle, dass die meisten meiner männlichen Freunde und Familienmitgliedern dir sagen können, wie hoch das Strafmaß für Verweigerung ist.

    Würdest Du eigentlich Deinen Wissensstand als repräsentativ für einen signifikanten Teil der Frauen in Deutschland einschätzen?
    Da ich mich irgendwann im Laufe meiner Jugend mit der Wehrpflicht und deren Verweigerung in den 68ern und Folgejahren beschäftigt habe, würde ich dazu tendieren, dass noch viel weniger Frauen (und auch Männer) wissen, welches Strafmaß eine Verweigerung mit sich bring. Dass es Wehrpflicht und Zivildienst gibt, werden viele wissen.
    Viele stellen sich die Frage nach Verweigerung nicht. Also gar nicht. Für die ist es quasi wie Wählen gehen. Wähle a oder b. Dazu muss niemand wissen, wie das Wahlsystem funktioniert. (und zumindest seit dem Fall der Mauer ist Nicht-Wählen auch nicht sanktioniert aber „Wahl in der DDR“ ist ein anderes Thema).

    Offenbar findest Du es ja nicht mies genug, um Dich nicht zu beschweren, daß Männer, die gegen ihren Willen, unter Strafandrohung und massivster Einschränkung einer ganzen Reihe von Grundrechten zu Tätigkeiten gezwungen werden, die Du auch freiwillig ausüben würdest, dafür mehr Geld bekommen.
    ist ok, das Beispiel ist unpassend gewählt. Asche auf mein Haupt 😉

    Du darfst mich gern naiv nennen, wenn ich Unrecht habe, aber im Falle eines FSJ steckt die Freiwilligkeit ja schon im Namen. Ich glaube nicht, daß viele ein solches ableisten, weil sie auf die Bezahlung angewiesen sind. Da fände sich sicher etwas finanziell interessanteres.
    Da kann ich nur von mir sprechen. Mein Studienplatz wurde relativ spät abgelehnt und ich hatte genau 2 Wochen, mir ne Beschäftigung zu suchen, bis ich den nächsten Anlauf zum Studium machen konnte. Geld war da meine geringste Sorge.
    Und auch freiwillige Arbeit ist Arbeit. Wie Antje ja in ihrem aktuellen Eintrag anreißt. Oder ich in meinem zum Equal Pay Day.

    FSJ, FÖJ und Konsorten sehe ich eher als Mischung aus Praktikum und gemeinnützigem Engagement, und die sind ja in den meisten Fällen auch nicht im Sinne eines Broterwerbs bezahlt.
    Ich war dort 40h die Woche. Und auch wenn ungelernt, dass es strukturell gesehen nicht mal als Arbeit (sondern als Art Aufwandsentschädigung) bezahlt wird, ist schon genug Grund es zu kritisieren.

    Besser -im Sinne von kleiner- würde den Gender Pay Gap zum Beispiel auch machen, wenn der öffentliche Dienst mit berücksichtigt würde.
    Ob das dann zielführend und international vergleichbar ist, ist die Frage. Wenn der öD mit reinspielt, dann aber bitte auch alle Ehrenamtlichen Tätigkeiten, alle 1-Euro-Jobs, die Reproduktionsarbeit, die nicht mal bezahlt wird etc.

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  56. Ich habe mich in den letzten Tagen gefragt, warum mich die Diskussion um die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern nicht so anhebt wie die Nicht-Diskussion um die, nach über 20 Jahren deutscher Einheit, Tarifunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Noch heute werden unterschiedliche Tarife ausgehandelt und ich frage mich warum. Und weiter frage ich mich: „Was macht das mit uns Ostdeutschen?“ Die Jugendlichen verlassen unseren Landstrich, warum sollten sie auch für weniger Lohn arbeiten als ihre Mitbürger, und die Alten, die Heimatverbundenen oder die, die hier Wohneigentum besitzen oder einen der begehrten Arbeitsplätze haben, bleiben hier.
    Das Stadtbild wandelt sich langsam und gäbe es nicht die vielen Studenten, würde mir Angst und Bange werden.

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  57. @Antonia – Gute Frage. Eine andere Sache, die gar nicht diskutiert wird, sind die Unterschiede zwischen Älteren und Jüngeren. Gerade im öffentlichen Dienst bekommen Ältere oft viel mehr als Jüngere, die zu viel schlechteren Bedingungen anfangen und für exakt dieselbe Arbeit nicht nur weniger Geld kriegen, sondern auch ansonsten schlechtere Verträge haben.

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  58. Tatsächlich wurden beim Übergang vom „Bundesangestelltentarifvertrag“ (BAT) zum „Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes“ (TVöD) die Vergütungstabellen für neu Angestellte z.T. massiv verschlechtert. Gleiches geschah im übrigen bereits mit der Dienstrechtsreform des Jahres 1997 und den anschließenden Reformen des Beamtenbesoldungsrechts (Stichworte: Dienstrechtsreformgesetz bzw. Föderalismusreform II) auch im Bereich der Beamtinnen und Beamten.

    Auch existierte – wie in den allermeisten Tarif- und Arbeitsverträgen _aller_ Branchen bis in die späten 90er Jahre – ein „Senioritätsprinzip“, welches im Einzelfall sicherlich hinterfragt werden konnte, sich im Großen und Ganzen allerdings bestätigt hat.

    Allerdings war im „Gleichschritt“ mit diesen „Reformen“ auch zu beobachten, dass der Organisationsgrad der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den DGB-Gewerkschaften bzw. der Organisationsgrad der Beamtinnen und Beamten in den Organisationen des Deutschen Beamtenbundes (DBB), der „Gewerkschaft“ der Beamtinnen und Beamten, z.T. massiv sank. Dies mag zwar auch an Fehlentwicklungen in diesen Organisationen gelegen haben, es mag seinen Grund auch darin gefunden haben, dass es im Bereich der Kommunen den „Arbeitgebern“ sehr einfach gefallen ist, Dienstleistungen der Kommunen auf Private auszulagern (Müllabfuhr, Wasserversorgung, Krankenhäuser usw.).

    Es wird indes auch eine Ursache darin liegen, dass es medial gesteuerten Kampagnen gelungen ist, seit Mitte der 90er Jahre den „öffentlichen Dienst“ madig zu machen mit dem Ziel, die Zustimmung der Öffentlichkeit für eine weitgehende „Privatisierung“ öffentlicher Dienstleistungen zu erreichen. Dies kann ein Nachschlagen auf den von mir sehr geschätzten „Nachdenkseiten“ (www.nachdenkseiten.de), die ich – mehr oder weniger – seit ihrem Start finanziell unterstütze, belegen.

    Es hatte seinen Grund aber auch darin, dass „Jüngere“ keine „Notwendigkeit“ mehr sahen, sich zum Zweck der Interessenvertretung in (quasi-) gewerkschaftlichen Organisationen zusammenzuschließen. Dies hat dazu geführt, dass seit Mitte der 90er Jahre die öffentlichen „Arbeitgeber“ und „Dienstherren“ (für die Beamten“) diese beiden Gruppen nicht nur trefflich gegeneinander ausspielen könne, dies hat auch dafür gesorgt, dass selbst im Öffentlichen Dienst keine wirkliche „Tarifmacht“ der Gewerkschaften und gewerkschaftsähnlichen Vereinigungen mehr besteht, die „Arbeitgeber“ und „Dienstherren“ also letztlich die von ihnen gewünschten „Bedingungen“ durchsetzen können.

    Vorsicht also vor dem Ausspielen der „Jüngeren“ gegen die „Älteren“ ! Dies ist ein beliebter neoliberaler Ansatz, der nur die vorhergehende Indoktrination der „Jüngeren“ verschleiern soll. Nichts hätte sich für die „Jüngeren geändert“, wenn sie im gleichen Maß wie die „Älteren“ für ihre Interessenvertretung gesorgt hätten.

    Gruß,
    Frank

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  59. @Khaos.Kind

    Gna, nicht vergessen, nur verpeilt. Sorry. Nur noch kurz:

    wie hoch das Strafmaß für Verweigerung ist.
    […]
    Viele stellen sich die Frage nach Verweigerung nicht.

    Das könnte das Mißverständnis erklären: Umgangssprachlich steht „Verweigerung“ für das Stellen eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen nach Art. 4 Abs. 3 GG, der bei positivem Bescheid (also Akzeptanz des geforderten Seelenstriptease zur Darlegung der Gründe, aus denen sein Gewissen dem Antragsteller verbietet, einen anderen Menschen zu töten) dazu führt, daß der erzwungene Kriegsdienst ohne Waffe und damit üblicherweise als Zivildienst zu leisten ist, und -abgesehen von einer wahrscheinlicheren Einberufung und phasenweise einer höheren Dienstdauer- für sich gesehen nicht mit Strafe bedroht ist.

    Was Du meinst, heißt entweder Wehrpflichtvermeidung (pragmatisch) oder Totalverweigerung (politisch).

    Bombe 20

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  60. @Bombe 20
    Ui, wieder was gelernt 🙂

    Ich meinte die Totalverweigerung, weil ich mich wie gesagt, mit der ein wenig beschäftigt hab aber auf einem historischen Stand blieb.

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  61. @ Khaos Kind

    „Abgesehen davon könntest du ja mal lesen, dass ein Individualfall nicht unbedingt aussagekräftig ist,“

    Nö. Für mich ist bei der Frage der gleichen Bezahlung ganz alleine der Individualfall maßgebend.

    Schaut man sich nämlich Individualfälle an, dann werden vermutlich Frauen und Männer viel gerechter und gleicher bezahlt.

    Beim Equal Pay Day gehts es , wie ich jetzt gelesen habe aber um Durchschnittseinkommen bezogen auf Berufsgruppen. Das ist aber nicht die Diskussion um gleichartioge Bezahlung, sondern das ist die Baustelle „Frauenquote“. Und die wird einfach in einem anderen Kino diskutiert !

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  62. „An dem Tag nämlich, an dem Männer bereits aufhören können zu arbeiten“

    Meist haben sie dann allerdings auch schon einiges mehr an stunden.
    Wäre interessant den Tag zu bestimmen, an dem Frauen bei Vollzeit aber gleichen Stunden aufhören könnten

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  63. Hallo Antje, ich hab diesen Text von Dir erst gestern entdeckt. Ich finde ihn sehr interessant, und mir sind gleich zwei Fragen eingefallen:

    Mit Deinem Vorschlag, Manager einfach mal deutlich schlechter zu bezahlen, stößt Du wahrscheinlich bei den Leuten, die Manager einstellen, auf sehr offene Ohren. Die würden sich wahrscheinlich extrem freuen, wenn sie diesen Ausgabenposten deutlich drücken könnten. Die Frage, die sich dann stellt, ist aber: Warum machen die das nicht jetzt schon? Die werden doch sicher auch profitorientiert denken. Warum zahlen sie also heute soviel?

    Zudem scheint es auch so zu sein, dass Frauen reiche Männer attraktiver finden als arme (siehe als Beispiel diese OKcupid/Statistik aus diesem Blogbeitrag. Wenn man also das Männlichkeitsbild, dass man reich sein muss, nachhaltig aufbrechen will, müsste offenbar auch (heterosexuelle) Frauen mitmachen. Würdest Du also Frauen dazu aufrufen, auch mal ihre Attraktivitätmaßstäbe zu überdenken?

    Schließlich gibt es auch Berufe, bei denen Frauen sehr gut bezahlt werden – und viele diese wählen, weil damit auch ein Status-Gewinn verbunden ist: Nämlich Schauspielerei und Modeln. Wärst Du auch hier dafür, deutlich weniger zu bezahlen, damit diese falschen Anreize beseitigt werden?

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