Das einzige Mittel gegen Fakes: Körperkontakt!

Man kann im Internet eine falsche Identität vortäuschen, das ist lange bekannt. Und man kann sie sogar sehr gut vortäuschen, wie Tom Mac Master uns gerade bewiesen hat: Mit seinem Blog „Gay Girl in Damascus“, in dem er so tat, als sei er eine junge lesbische Aktivistin in Syrien, hat er weltweite Aufmerksamkeit bekommen hat. Viele haben ihm geglaubt.

Die moralische Entrüstung ist nun groß, und natürlich ist auch der Schaden groß. “You took away my voice, Mr MacMaster, and the voices of many people who I know” schreibt etwa Daniel Nassar, Herausgeber des  Gay Middle East blog. „Weiße Privilegienpimmel, die sich als Lesbians of Color ausgeben. Diese Form von Gewalt ist perfide, ekelerregend und macht sprachlos“, twitterte @lantzschi.

Aber mit Moral kommt man im Bereich des Politischen nicht weit. Das Ganze ist nur zum Teil eine ethische Frage, sondern es ist eigentlich eine erkenntnistheoretische: Inwiefern hängt die eigene Identität mit dem Inhalt dessen, was man sagt, zusammen? Tom Mac Master etwa versteht das Problem nicht. Er verteidigt sich mit dem Argument, dass er zwar nicht sei, wer er vorgegeben hat, zu sein, aber was er geschrieben hat, war doch richtig? Und man muss zugeben: Das war es ja offenbar auch, wenn viele es so gut fanden und sogar große internationale Medien ihn/sie um Interviews baten.

Was also macht die Aussage einer lesbischen Syrierin zu einer solchen? Die mediale Antwort ist klar: Die Medien schätzen es, wenn eine lesbische Syrierin möglichst gut, mitreißend und eloquent das sagt, wovon sie glauben, dass eine lesbische Syrierin es so sagt. Und genau das hat Tom Mac Master geliefert. Etwas anderes konnte er ja auch gar nicht liefern, weil er nämlich keine lesbische Syrierin ist, sondern ein amerikanischer Student. Er musste also sich vorstellen, was eine lesbische Syrierin wohl so sagen würde, und das hat er – offenbar sehr überzeugend – aufgeschrieben.

Genau so funktioniert mediale Aufbereitung von politischer Dissidenz generell: Zu Wort kommt und Aufmerksamkeit bekommt, wer als Teil einer identitären Gruppe möglichst das aufschreibt, was man im Allgemeinen von einer Person aus dieser Gruppe erwartet. Bricht eine Person diese Erwartungen, wird es kompliziert, stimmt nicht mehr mit den üblichen Zuweisungen und Vorurteilen überein, erfordert Differenzierungen – und schon ist kein Platz mehr dafür in den Medien.

In meinem Text „Jenseits von Mainstream und Nische“, den ich für das demnächst erscheinende Buch „Soziale Bewegungen und Social Media“ geschrieben habe, geht es genau um dieses Thema. Darin vertrete ich die These, dass das Internet helfen kann, dieser Verengung in den Mainstreammedien entgegen zu treten.

Nach der Mac-Master-Affäre muss ich präzisieren: Das stimmt nur dann, wenn wir die Vernetzung über das Internet bewusst und aktiv mit körperlichen Begegnungen kombinieren. Politischer Aktivismus nur über das Netz reicht nicht. Denn es gibt nur genau eine Möglichkeit, um zu überprüfen, ob diejenigen, mit denen wir uns via Internet vernetzen, auch die sind, die sie vorgeben, zu sein: Wir müssen sie treffen. Körperkontakt haben, sozusagen.

Tatsächlich merke ich an mir selbst, dass das Bedürfnis, Menschen auch persönlich zu treffen, mit denen ich mich im Internet anfreunde, sehr groß ist. Inzwischen habe ich auch schon viele getroffen. Von ihnen weiß ich, dass sie „echt“ sind und kein Fake. Und ich habe auch gemerkt, dass ich sie dann jedes Mal nach anderen ausfrage: Kennt Ihr die und den? Habt Ihr die schon gesehen?

Das ist kein Voyeurismus. Sondern Zeuginnenschaft. Wenn @ihdl mir erzählt, dass sie @lantzschi schon getroffen hat, dann bezeugt sie mir gegenüber deren Echtheit. Die Frage ist dann quasi nicht mehr, ob @lantzschi überzeugend vorgibt, die zu sein, die sie behauptet, sondern die Frage ist, ob ich @ihdl glaube, von der ich ja schon mal weiß, wer sie ist, jedenfalls so grob.

Die Frauenbewegung (und, wie ich meine, jede ernst zu nehmende soziale Bewegung) ist eine Bewegung persönlicher Beziehungen. Eben deshalb, weil es darum geht, von der eigenen Position ausgehend Neues zu denken. Also um zu erfahren, was die lesbische Syrierin möglicherweise anderes denkt, als ich selbst – die ich nämlich eine heterosexuelle Deutsche bin – mir vorstellen könnte, was eine wie sie sagen würde.

Diese Möglichkeiten sind im Internet viel besser geworden als früher. Aber eben nur dann, wenn ich mir sicher sein kann, dass die anderen kein Fake sind. Das lässt sich über moralische Forderungen nicht gewährleisten. Wir kommen, Internet hin oder her, nicht ohne Treffen aus. Nicht ohne Zeuginnenschaft für die Echtheit der anderen. Nicht ohne gemeinsames „Denken in Gegenwart“, wie Chiara Zamboni es formuliert hat. Ohne das laufen wir Gefahr, den Klischees unserer eigenen Vorurteile zum Opfer zu fallen.

Kurz und gut, wir müssen, hin und wieder, gleichzeitig im selben Raum sein. Kein Medium – auch nicht das Internet – kann das jemals ersetzen.


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

49 Gedanken zu “Das einzige Mittel gegen Fakes: Körperkontakt!

  1. Ich weiß nicht ob das „in einem Raum sein“ wirklich vor Fakes schützt. Conmen gab es auch schon vor dem Internet, obwohl man natürlich mehr Dreistigkeit und Finesse braucht, um jemand im direkten Kontakt zu faken.
    Wichtiger scheint mir da die von dir auch genannte Verifizierung durch Zeugenschaft zu sein, als der direkte Kontakt.

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  2. Ja, so ist das.
    Das Internet bietet eine größere Projektionsfläche als frau es manchmal wahrhaben kann/will.
    Ob es „echt“ ist, was ich in meinem Blog beschreibe, kann keine wissen, außer der die dabei war. Ich weiß, dass ich mich bemühe, die „Wahrheit“ darzustellen. Aber meine Wahrheit ist auch nur meine Wahrheit. Kann ja für jemand anderes schon wieder keine Wahrheit sein.
    Hm.
    Wobei ich mich gerade frage, ob es einen Unterschied macht, wenn ich über Geschehnisse, die mal passiert sind, schreibe oder über meine Meinung, Theorien und Thesen mich auslasse? Was passiert dann? Wie wichtig ist mir da die Echtheit des Gegenübers? Reicht mir da eventuell das virtuelle System, das mich dann in meinem Denken weiterbringt? Reicht mir sogar manchmal die Vorstellung, dass eine Frau schreibt, auch wenn es dann keine ist? Ja, manchmal schon. Zumindest für die Zeit, in der ich in diesem Glauben im Internet unterwegs bin.
    Aber für Konsequenzen bleibe ich in der realen Welt.
    Ich lasse mich nicht mit Gefühlen oder Finanzen ein.
    Das gehört in die reale Welt.

    Schwierig wird es nur, wenn die Meinungsmacht der Presse etc. die Unterscheidungen und das Recherieren verlernt haben. Dann geht die Instanz verloren, die die Darstellung im Internet verifizieren könnte.
    Und. Das. Macht. Mir. Schon. Angst.

    So ist das.
    (Und ich weiß, dass du echt bist. 🙂

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  3. @Heiko – ja, aber die Zeugin muss die Realität ja auch irgendwie überprüft haben. Da landet man dann doch wieder beim „dabei gewesen sein“, oder?

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  4. @irgendeine Userin – Genau das ist der Punkt. Eigentlich lernt man das auch in der Journalistenausbildung: Man darf nur schreiben, was man selbst überprüft hat, und überprüfen heißt eben nicht, dass man es in irgendeiner Pressemeldung gelesen hat. Überprüfen heißt: Selbst dabei sein, oder zwei voneinander unabhängige glaubwürdige Quellen haben. Heutzutage vielleicht sogar mehr, weil es fast keine glaubwürdigen Quellen mehr gibt.

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  5. Ist noch schwieriger. Ich weiß auch bei jemand, den ich in 3D getroffen habe, nicht, ob derjenige „echt“ ist oder mir nur etwas aufführt. Ich erinnere an die diversen aufgeflogenen Polizeispitzel der letzten Zeit. (Nein, ich habe keinen Verfolgungswahn. Bin nur etwas mißtrauisch.)
    Andererseits bin ich mir bei manchen Leuten auch sehr sicher, die ich nie getroffen habe, bei dir z.B.. Aber auch bei manchen Twitterern, von denen es nichtmal ein Foto gibt. Man kann das spüren.

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  6. Danke für diesen Blogeintrag.

    Nur ein kurzer Kommentar: Leider bedeutet das Treffen im Reallife nicht unbedingt, dass die Person kein Fake ist. In den letzten Wochen haben viele Twitterer diese Erfahrung mit einer Twitterin die sich @MissTruemmi nannte gemacht ( Hörensagen. Ich kannte Sie nur vom Lesen.)…. Jedoch sind auch ich und ein paar andere Twitterer letztes Jahr einer Hochstapplerin ( @A_of_D aka @izugga) bei Twitter auf dem Leim gegangen, die wir alle des öfteren getroffen hatten. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass diese Frau seit bestimmt 10 Jahren im Internet Ihr Unwesen treibt, sei es, dass sie sich in einem Blog als krebskranke Frau ausgegeben hat oder als freie Mitarbeiterin bei der Lufthansa Arbeitsveträge angeboten hat, um Vertrauen und Abhängigkeit zu schaffen. Ich habe nur Zeit, Verständnis und Freundschaft investiert, zum Glück kein Geld. Aber selbst unser Realifekontakt konnte mich nicht vor einem Fake nicht bewahren. Es geht auch nicht immer um Geld.

    Warum ich das schreibe? Ich denke wir sollten nicht aufhören fremden Menschen Vorschusslorbeeren in Vertrauen zu geben, aber ich denke, wir sollten sensibilisiert werden, dass es sowas gibt. Hier in unseren Reihen!

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  7. Das Resümee ist Gold wert, nicht nur zum gegebenen Anlass.
    Für mich ist das auch zu einer Motivation des Bloggens geworden, einige Bloggerinnen und Blogger mittlerweile persönlich zu kennen.

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  8. Mein erster Gedanke beim Lesen war: Vielleicht sollten wir lernen, besser zu erkennen, ob etwas ein Fake ist. Vielleicht sollten wir dabei auch lernen, darauf zu achten, ob etwas genau unseren Erwartungen entspricht – und dann misstrauisch werden.

    Aber da ich selbst diese Geschichte nur am Rand mitbekommen habe und auch nie das Blog selbst gelesen habe, kann ich darüber nicht urteilen. Vielleicht war dieser Mensch wirklich ziemlich gut.

    Sich treffen ist gut, aber nicht immer sind Zeit und Geld für eine Reise vorhanden. Zur Zeit stecke ich wieder mehr Energie in Beziehungen in Hannover und weniger Energie ins Internet.

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  9. @antje Ja, aber es kann ja nicht jeder jeden treffen. Und wenn es sich um Quellen handelt, die agieren, wo man niemanden kennt, kann man die sowieso nur sehr mittelbar verifizieren. Da gilt dann das „Pics-or-it-didn’t-happen“-Prinzip, das ich jüngst an mir selbst und den Protesten in Spanien beobachten konnte.
    Man glaubt erstmal nichts wenn es nicht in den Nachrichten kommt. Selbst dann nicht, wenn man es von Leuten serviert bekommt, die man online kennt. Man kennt sie ja eben nur online, die können ja alles mögliche schreiben. Sobald dann aber genug Fotos und Filmaufnahmen von Ereignissen eintrudeln, hat man quasi die Bestätigung, durch die dann auch nochmal die Glaubwürdigkeit der Leute unterstrichen wird, die man nur online kennt, und einem davon berichtet haben.

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  10. @Heiko Da beginnt dann aber auch die Krux, wenn die Medien nicht funktionieren, wie sie sollen…
    Und @Antje was mir noch so durch den Kopf geht: Die Welle, die plötzlich so einen emotionalen Druck aufbaut, dass reagiert wird, weil frau will ja nicht unmenschlich erscheinen und doch ein soziales Gesicht zeigen… Wups, wird die Beweiskette doch wieder beeinträchtigt….
    Und … sie wird durch die Technik beeinträchtigt: Was ist, wenn eine verifizierte Quelle gehackt wurde?
    Im Prinzip muss mensch lernen, auf sich aufzupassen. Im virtuellen wie im realen Leben. Nicht alles ist so wie es scheint.
    Ich bin auch nur irgendeine Userin – hier im Web. 😉

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  11. Inwiefern hängt die eigene Identität mit dem Inhalt dessen, was man sagt, zusammen?

    Das ist meines Erachtens die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang. Sich dieser Frage anzunehmen hat doch auch etwas mit der Reflexion über Erkennbarkeiten und Festschreibungen zu tun. Warum müssen wir sicher wissen, ob die Person weiblich und lesbisch ist? Und funktioniert dies über Verkörperung? Welche Norm soll hier durchgesetzt werden? Dieser Mensch fühlt sich offenbar mit dem Inhalt, den er_sie beschrieb und den Missständen, auf die er_sie hinwies verbunden. Wer möchte ihm_ihr als Person etwas absprechen und/oder gerecht werden.

    Ich möchte die Enttäuschung, die gerade überall zu lesen und zu spüren ist keinesfalls(!) verharmlosen. Auch möchte ich nicht davon ausgehen, dass mensch sich über eigene Privilegien bewusst ist. Zudem ist die tatsächlich geschaffene Gefährdung und der entstandene Vertrauensbruch mit nichts zu rechtfertigen. Aber ich möchte in diese Diskussion auf erkenntnistheoretischer Ebene die Perspektive (Selbst)Auskunft und (Selbst)Beobachtung einbringen, die für mich untrennbar mit von außen auferlegten Festschreibungen und einer Vielzahl an Erwartungen verbunden ist, die jede_r an Personen oder Gruppen hat.

    Das einzige Mittel gegen ‚Fake’-Identität ist Kommunikation. Oder?

    In Bezug auf Netzaktivismus möchte ich gern in Anknüpfung an das oben Geschriebene etwas fragen: Was wenn das Internet doch der einzige Raum ist, durch den Menschen die Möglichkeit gegeben wird jenseits von Reduzierung auf Körper oder andere Festschreibungen Inhalte zu reflektieren und fruchtbare Denkansätze zu entwickeln? Quasi wie ein anonymisierter Lebenslauf nur in Bezug auf netzpolitische Teilhabe? Würde das nicht gleichzeitig dazu führen, Räume bzw. Nischen zu öffnen und so noch mehr über den Kreis der ‚üblichen Verdächtigen’ hinauszutreten?

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  12. „Nach der Mac-Master-Affäre muss ich präzisieren: Das stimmt nur dann, wenn wir die Vernetzung über das Internet bewusst und aktiv mit körperlichen Begegnungen kombinieren.“

    oder zumindest mit tatsächlich auch leicht verifizierbarem – und was ist das dann, frage ich mich u.a. (langjähriges xing-profil mit aktuellem foto ? bei CouchSurfing alle schritte der verifizierung, die dann im profil angezeigt werden ?)

    denn solche „tips“/wichtige infos zum handling/“bewegen“ im webz habe ich ( als nichtbloggerin, nicht-chatterin, nicht-FB) u.a. zum thema „dating, facebook, chatrooms“ (leider zumeist auf englischsprachigen seiten) gefunden und für mich selbst sofort beherzigt.

    also spätestens als dieser „MacMaster“ (ist das wirklich kein pseudonym ?) sich weigerte, mit „Katherine Marsh“ (ein pseudonym) zu skypen o.ä. hätte ich mich „ausgeklinkt“ (dies berichten ja diverse medien; ich habs eben beim Guardian gelesen).
    wobei dann z.b. skypen/telefonieren bei mir 1. priorität hat bevor ich irgendetwas persönliches maile würde.

    und ergo ist für mich FB keine „reliable source“ da er ja das foto von FB „geklaut“ hat. und auch z.b. kein dt. evolutions-blogger, der kein konkludentes impressum hat, keine fotos etc.

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  13. @Nadine – „Warum müssen wir sicher wissen, ob die Person weiblich und lesbisch ist? Und funktioniert dies über Verkörperung? Welche Norm soll hier durchgesetzt werden? Dieser Mensch fühlt sich offenbar mit dem Inhalt, den er_sie beschrieb und den Missständen, auf die er_sie hinwies verbunden. Wer möchte ihm_ihr als Person etwas absprechen und/oder gerecht werden.“ –

    Wir müssen das aus folgendem Grund wissen: Jeder Mensch hat eine bestimmte, ziemlich einzigartige Position in der Welt, und die ist anders als die aller anderen. Solche „Identitäten“ wie lesbisch, weiblich, jung, Syrierin usw. sind dabei nur grobe Kategorien, aber sie machen eben einen Unterschied aus. Der Punkt ist: Kein Mensch kann von allen Standpunkten aus sprechen, oder also für die Allgemeinheit. Wir sind, um über die Welt etwas zu sagen, darauf angewiesen, auch die Orte, Erfahrungen und Standpunkte anderer zu kennen. (So was meine ich, wenn ich von „Politik der Differenz“ spreche). Und daher war es unmöglich, aus dem Blog von Macsowieso etwas über das Leben und die Erfahrung einer lesbischen Syrierin zu erfahren, weil er eben keine ist. Es war nur möglich, etwas darüber zu erfahren, wie sich ein amerikanischer Student das Leben einer lesbischen Syrierin vorstellt. Das ist keine moralische Anklage, sondern halt eben eine Tatsache.

    Wobei dann natürlich auch noch hinzu kommt, dass nicht alle lesbischen Syrierinnen dieselben Erfahrungen machen und schon gar nicht dieselben Ansichten haben usw. usw. Das Entscheidende ist aber, dass die Frage, ob mir etwas plausibel erscheint, kein Kriterium sein kann, weil ich eben aufgrund meiner eigenen Positionierung in dieser Welt nicht in der Lage bin, das zu beurteilen (einfach weil ich historisch-zufällig eine andere Position inne habe). Das heißt im übrigen nicht, dass man dem, was die andere sagt, zustimmen muss oder nicht diskutieren darf. Aber das steht dann wieder auf einem anderen Blatt. Erstmal muss ich erkennen, dass es eine Andere ist, deren Position ich rein logisch schon nicht einnehmen kann. Das ist das, was der Herr Macsowieso nicht berücksichtigt hat und offenbar immer noch nicht versteht.

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  14. @irgendeine Userin – Ja, diese „Wellen“ im Netz mache ich aus diesem Grund auch nicht mit. Ich bin mir noch nicht klar, ob sie mehr Schaden oder mehr Nutzen anrichten. Ich mache nur mit, wenn es eine halbwegs „persönliche“ Kette gibt.

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  15. Diese Affäre finde ich einfach sehr vielsagend. …eine echter Streich, eines Till Eulenspiegels würdig.

    Hätte gay girl Abhandlung über höhere Mathematik verfaßt, dann wäre das irreführende Nick irrelevant gewesen. Das Problem ergibt sich daher, daß gay girl sich eine falsche Opfer-Identität zugelegt hat. In Zeiten, in denen das ganze Internet über Definitionsmacht debattiert, und den Kachelmann-Prozeß auswertet, bedeutet die Angelegenheit einen sehr delikaten Einwurf. Wie oft kommt es nämlich vor, daß sich Deutsche als Juden ausgeben und den anderen Deutschen ihre Schld vorhalten oder als verfolgte, mißhandelte Kreaturen auftreten, nur um ein bißchen öffentliche Aufmerksamkeit zu ergaunern? Das passiert nicht nur im Internet sondern auch im real life.

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  16. @Antje

    Aus der Perspektive eines Ist-Zustandes kann ich das alles unterschreiben. Keine Frage. Nur meine ich, dass eine einzigartige Position in der Welt an mehr als nur einen Ist-Zustand anknüpfen kann, da dieser gerade durch was auch immer vorgegeben ist.

    Ist es – auf der Metaebene – nicht wichtig, Menschen losgelöst von Kategorien unter Einbeziehung von nicht einschätzbaren und nicht sichtbaren Möglichkeiten zu betrachten und ihnen darin erst einmal Raum zu geben, sich zu positionieren?

    Dadurch, dass ich diese Möglichkeiten stets versuche mitzudenken, habe ich dann wohl zugegebenermaßen ein Benennungsbrett in der Lebenswirklichkeit vorm Kopf. So ist es meinerseits verfehlt, das am Beispiel dieses übergriffigen weißen Mannes zu tun, der sich eine Sichtweise auf übelste Art und Weise angemaßt hat. In diesem Sinne – Vielen Dank für die Antwort!

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  17. Also wenn das Geschriebene nicht zu abstrus ist, dann nehme ich denjenigen oder diejenige erst mal so wie sie/er sich präsentiert. Denn wenn ich sofort annehme, dass es ein Fake ist, dann würde ich mich ja selbst verrückt machen.

    Und treffen würde ich mich sowieso nur, wenn sie/er in meiner Nähe wohnen würde. Ansonsten hätte ich dafür gar keine Zeit. 🙂

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  18. Danke. Sehr viele Leute führen Twitter-Listen wie meine „Verifizierte Twitterer“, wo sie „sammeln“, wen sie alles schonmal „in echt“ kennengelernt haben. Das hat für viele so einen schalen Beigeschmack von Angeberei – ich fand das die, aber du hast wunderbar auf den Punkt gebracht, was mir unbewusst schon die ganze Zeit klar war. Daher wohl überhaupt auch der Drang, sich zu treffen, selbst wenn das über große Entfernungen hinweg ist.

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  19. Warum müssen wir sicher wissen, ob die Person weiblich und lesbisch ist?

    Müssen „wir“ nicht. Man kann sich aber leichter mit ihr solidarisieren, wenn sie weiblich, lesbisch, what ever ist, weiß sie in die richtigen Schubladen einzusortieren und wertet ihre Nachrichten im Kontext positiv.

    Wir müssen das aus folgendem Grund wissen: Jeder Mensch hat eine bestimmte, ziemlich einzigartige Position in der Welt, und die ist anders als die aller anderen. Solche „Identitäten“ wie lesbisch, weiblich, jung, Syrierin usw. sind dabei nur grobe Kategorien, aber sie machen eben einen Unterschied aus.

    Welcher signifikante Unterschied sollte das sein? Wo genau liegt z.B. in einem Bericht über eine Demo der Unterschied zwischen einer lesbischen und einer heterosexuellen Reporterin? Vermutlich gibt es tausende junge lesbische Syrierinnen und jede hat eine andere Position in der Welt. Es wäre also die Frage, ob nun mehr die einzigartige Position oder die groben Kategorien einen Unterschied ausmachen.

    Man hat dem Fake seine Nachrichten gierig aus den Händen gerissen. Nicht WEIL da jemand lesbisch, weiblich, jung und Syrierin war und das einen Unterschied gemacht hätte, sondern weil es eben keinen Unterschied gab. Der Unterschied entstand in den Köpfen der Rezipienten.

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  20. @Horst_Sabine – Du scheinst davon auszugehen, dass es für die eigenen Erfahrungen keinen Unterschied macht, an welchem historischen Ort und in welchem Kontext jemand lebt. Ich glaube, es macht einen Unterschied – aber welchen, das kann ich nur erfahren, wenn ich mich mit den anderen ernsthaft auseinandersetze. Dazu muss ich hören, was sie sagen, denn von selbst weiß ich es nicht und kann es nicht wissen. Die Alternative, die du aufmachst – entweder einzigartige Position oder große Kategorien – ist eine falsche Alternative. Ich zum Beispiel bin eine Frau und einzigartig gleichzeitig. Einzigartig sein heißt nicht, dass man auf ein abstraktes Niveau des allgemein-individuell Menschlichen abhebt, das quasi von jedem konkreten Bezug (Geschlecht, Sexualität, Land usw.) „gereinigt“ wurde. Sondern Einzigartigkeit existiert grade (und nur) in der Anerkennung dieser Bedingtheiten. Deinem letzten Satz stimme ich zu. Ja, in diesem Fall entstand der Unterschied in den Köpfen der Rezipienten. Das heißt aber nicht, dass es keine Unterschiede gibt, sondern nur, dass in diesem Fall eben keine zum Tragen kamen.

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  21. @ Nadine K.
    „Das einzige Mittel gegen ‚Fake’-Identität ist Kommunikation. Oder?

    In Bezug auf Netzaktivismus möchte ich gern in Anknüpfung an das oben Geschriebene etwas fragen: Was wenn das Internet doch der einzige Raum ist, durch den Menschen die Möglichkeit gegeben wird jenseits von Reduzierung auf Körper oder andere Festschreibungen Inhalte zu reflektieren und fruchtbare Denkansätze zu entwickeln? Quasi wie ein anonymisierter Lebenslauf nur in Bezug auf netzpolitische Teilhabe? Würde das nicht gleichzeitig dazu führen, Räume bzw. Nischen zu öffnen und so noch mehr über den Kreis der ‚üblichen Verdächtigen’ hinauszutreten?“

    Vielen Dank für die Worte!

    @ Antje
    Genau das bietet eine Fake-Identität oder anders ein Anonymous eben auch. Und das Internet wurde/wird doch auch als Raum gesehen, wo ein hierachie/barrierefreier Austausch möglich sein könnte. Bietet das Internet nicht wirklich auch die Möglichkeit Kategorien wie „Fake“ aufzulösen?

    “ Politischer Aktivismus nur über das Netz reicht nicht.“
    Netzaktivismus auf Vernetzung zu beschränken, finde ich zu kurz gedacht, wenn mensch sich z.B. die jüngsten Aktionen von Anonymous anschaut. Schönes Beispiel auch dafür, dass ein Fake auch schützen kann…

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  22. @Gerda – stichwort „Anonymous“ : leider wird auch dies mE „miss-braucht“ – bitte landes-/politische kontexte erkennen –
    mEn ist (fast) niemand ist im webz „anonym“ und ES ist lediglich „eine frage der zeit“.

    darf ich – hier nur 2 aktuelle beispiele dazu :

    – Spanien verhaftet 3 „suspected members of“ … – englisch :
    http://www.bbc.co.uk/news/technology-13727639

    wer u.a./auch „die situation i.d. Türkei“ und rundum „die Wahlen“ dort beobachtet/hat … :
    – > Turkish police carried out raids in a dozen cities arresting 32 people, alleged to be linked to the “hactivist” group Anonymous, state media reported Monday <
    http://blogs.wsj.com/tech-europe/2011/06/13/turkey-arrests-32-in-hacker-swoop/

    Frau Schrupp, ich lese Ihren blog seit 2+jahren und kommentiere selten. dieses thema finde ich generell wichtig und es stimmt mich nach-/vor-denklich.

    allgemein : die besten "inputs" zu meiner eigenen selbstentwicklung habe ich seit 2007 im webz gefunden, zumeist in englisch.
    nichtsdestotrotz dieser "faken blogs" werde ich auch "dt. feministische blogs" weiterhin lesen & mit-denken – und meine "eigene meinung" weiter-entwickeln.

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  23. Einzigartigkeit existiert grade (und nur) in der Anerkennung dieser Bedingtheiten.

    Sicher. Aber da diese Einzigartigkeit jeden Menschen betrifft, macht sie in vielen Zusammenhängen irrelevant. Sie ist nur für den Einzelnen einzigartig und spielen nur eine Rolle, wenn der Einzelne als solcher wahrgenommen wird / werden muss, also wenn seine Person explizit eine Rolle spielt. Es ist jedoch nicht möglich, alle, die uns etwas mitteilen, persönlich zu kennen und ihre Einzigartigkeit zu berücksichtigen.
    Überdies kann man durchaus von einem anderen Standpunkt aus, als dem eigenen, eine Position beziehen. Wäre das nicht möglich, gäbe es keinerlei fiktionale Erzählung.

    Einzigartig sein heißt nicht, dass man auf ein abstraktes Niveau des allgemein-individuell Menschlichen abhebt, das quasi von jedem konkreten Bezug (Geschlecht, Sexualität, Land usw.) „gereinigt“ wurde.

    Die Bezugnahme auf Kategorien ist das genaue Gegenteil von EInzigartigkeit: Du unterstellst nämlich eine universelle Gemeinsamkeit aller „Frauen“, „Geschlechter“, „in einem Land lebenden“. Damit führst du die zuvor postulierte Individualität ad absurdum.

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  24. @Horst_Sabine – Genau nicht. Ich unterstelle genau NICHT eine „universelle Gemeinsamkeit aller Frauen“ usw. Worauf ich hinaus will ist im Gegenteil folgendes: Frausein, Lesbischsein, Syrierinsein Wasauchimmersein hat eine Bedeutung, die gerade NICHT darin liegt, dass alle Frauen, Lesben, Syrierinnen etc. dasselbe machen. Es geht mir genau darum, dass wir davon wegkommen müssen, „Frau“ mit „alle Frauen“ usw. gleichzusetzen. Beispiel: Diejenigen Personen, die dafür gekämpft haben, dass Frauen studieren dürfen, waren Frauen. Und es liegt auf der Hand, dass die Tatsache ihres Frauseins dabei eine Rolle spielte. Aber sie waren innerhalb der Frauen eine Minderheit, die meisten Frauen waren dagegen. Also: Eine bestimmtes Merkmal kann auch dann eine Bedeutung haben, wenn es nicht generalisierend ist. Das Problem ist, dass man das – wenn man immer von der Existenz eines allgemeinen, nicht-identitären Universalmenschen ausgeht – nicht denken kann. Man denkt dann die anderen immer als homogene Gruppe.

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  25. Eine meiner Freundinnen ist eigentlich ein Mann. Sie wird die Erwartungen mancher Internetuser, ob ihrer Anatomie bei einem persönlichen Treffen enttäuschen müssen. Ein Fake ist sie darum nicht, sie sucht sich nur ihr soziales Geschlecht unabhängig von biolgistischen Zuweisungen aus. Im Internet funktioniert das, im realen Kontakt eher weniger.

    Mich beschäftigt nun schon seit Jahren, wie es überhaupt zu Erwartungen kommen kann und warum die Enttäuschungen daraus als schwerwiegend wahrgenommen werden. Ich selbst lebe nun schon einige Zeit damit, die Erwartungen anderer Internetuser im persönlichen Kontakt ob meiner Persönlichkeit und Biografie mal mehr oder weniger heftig enttäuschen zu müssen. Das muß mir aber egal sein, weil die mitgeteilten Erwartungen darart unterschiedlich sind und heftig voneinander abweichen (und am heftigsten wohl von meinem Selbstbild), dass der Drang sie erfüllen zu wollen, mich irre machen muß. Das Faken seiner selbst finde ich hochgradig spannend, denn immerhin können im Internet allein durch die Wahl des Geschlechts verschiedene Effekte und Reaktionen hervorgerufen werden und man kann sich bestenfalls aus Zuweisungen befreien, die an das oder jenes Geschlecht gebunden sind. Im Internet kann man sich aber heute schon aus eben jener Bevormundung befreien, die doch so vielen sonst das Leben schwer macht.

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  26. @Feminenz – Ja, das ist eben die eine Seite. Die andere Seite ist, dass das Tür und Tor öffnet, damit sich die Leute auf der dominanten Seite des Diskurses anmaßen, im Namen der anderen zu sprechen, wie in diesem Text gut beschrieben ist: http://www.philibuster.de/themen/neue-welten/amina-abdallah-arraf-das-gesicht-der-macht-bleibt-weiss.html

    Generell finde ich, die Tatsache, dass wir in einer bestimmten historischen Situation geboren sind (als Frau, in Deutschland etc.) und bestimmte einzigartige Entwicklungen durchgemacht haben, einerseits beschränkend (weil damit eben bestimmte Erwartungen verknüpft sind und wir Rollenmustern und Zuschreibungen ausgeliefert sind), andererseits auch befreiend und eine Ressource, weil wir Dinge wissen und erlebt haben, die andere (die nicht in dieser Situation sind), einfach nicht wissen können. Jedenfalls: Wenn Menschen mit einanander Politik machen, muss diese Pluralität und Differenz berücksichtigt werden, und es kann nicht so sein, dass wir so tun, als würden wir über diesen irdischen Dingen drüberschweben als „Idee von einem Menschen“ oder so.

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  27. @Feminenz – Achja, zu deiner Freundin, die „eigentlich“ ein Mann ist: Vielleicht geht es bei einem Treffen auch gar nicht darum, die „reine Wahrheit“ zu erfahren, sondern sich eben ein eigenes Bild von der – immer komplexen – Situation zu machen. Und dass dabei Erwartungen enttäuscht werden (und damit neue Ideen in die Köpfe kommen), ist ja einer der positiven Aspekte dabei. Wobei das Phänomen, dass Männer sich anmaßen, im Namen von Frauen zu sprechen, durchaus auch bedenkenswert ist. Ist ja in der Geschichte nicht selten vorgekommen.

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  28. @AntjeSchrupp:

    „Diejenigen Personen, die dafür gekämpft haben, dass Frauen studieren dürfen, waren Frauen. “

    Ja nun – alleine an diesem Satz wird doch schon das Problem deutlich; mit Deiner Ansicht kannst Du unmöglich akzeptieren, dass es auch Männer gab, die dafür „gekämpft“ haben, dass Frauen studieren durften.

    Wobei der Kampf ja irgendwann auf Grund des Bedarfs an Wahlvolk und gut ausgebildeten Bürgern dann auch durchaus dem Einrennen von angelehnten Türen glich …

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  29. @AntjeSchrupp:

    Ah – Du kannst es ?

    Und, würdest Du sagen, dass das Frau-sein der Männer, die für den Studienzugang für Frauen gekämpft haben, „irgendwie“ eine Rolle gespielt hat? Oder dass die sich etwas „angemaßt“ haben, indem sie Studienzugang für Frauen forderten?

    PS. Ich denke, ich verstehe Dich sehr gut – vor allem sehe ich Deinen Bemühungen, den ganzen Individualkram zu systematisieren, momentan auch immer befremdeter an; als ob das Indivduum das Recht hätte, von der Gesellschaft – also allen anderen – zu verlangen, dass alles um seine Individualität tanzt. In meinen Augen kommst Du nicht voran, aber gut, ich werde mal eine Zeitlang nicht kommentieren (langweilen).

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  30. Beispiel: Diejenigen Personen, die dafür gekämpft haben, dass Frauen studieren dürfen, waren Frauen. Und es liegt auf der Hand, dass die Tatsache ihres Frauseins dabei eine Rolle spielte. Aber sie waren innerhalb der Frauen eine Minderheit, die meisten Frauen waren dagegen.

    Eben. Deshalb war ihr „Frausein“ auch nicht allein ausschlaggebend für ihre Aktivitäten, sondern andere Attribute. Die erfahren wir aber nicht, wenn „Frausein“ das Alleinstellungsmerkmal ist, denn das „Frausein“ teilt uns diesen Unterschied nicht mit. „Frausein“ ist ebenso banal wie lesbisch / syrisch / what ever sein. Es sagt nichts über das Individuum, sondern unterstellt, dass eine lesbische oder syrische oder *sonstwie* Frau unbedingt und prinzipiell anders handeln (in diesem Falle bloggen) muss als ein wie auch immer anders gearteter Mensch. Damit macht diese Denke das Geschlecht allein am Handeln fest. Wer sich als Frau / als Lesbe … versteht, müsse demnach dringend „als Frau“ / „als Lesbe“ … handeln und sich die jeweiligen Gruppenzuschreibungen zu eigen machen, um Glaubwürdigkeit bei einem Publikum zu erlangen, das diesen Zuschreibungen über seine Erwartungshaltung zustimmt.

    Es geht mir genau darum, dass wir davon wegkommen müssen, „Frau“ mit „alle Frauen“ usw. gleichzusetzen.

    Das ist m.E. ein Strohmannargument. Es ist allgemein bekannt, dass „Frauen“ / „Männer“ / „Lesben“ oder welche Kategorie auch immer, Individuen umfasst, die nicht alle gleich sind. Wenn von Büchern, Autos oder Tassen die Rede ist, weiß auch jeder, dass nicht alle Bücher, Autos oder Tassen gleich sind. Menschen können diese Abstraktionsleistung problemlos erbringen.

    Das Problem ist, dass man das – wenn man immer von der Existenz eines allgemeinen, nicht-identitären Universalmenschen ausgeht – nicht denken kann. Man denkt dann die anderen immer als homogene Gruppe.

    So kann man durchaus denken. Nur wird man weder mit der Gruppen-Denke noch mit der Einzigartigkeits-Denke jedem Problem gerecht. Es gibt aber durchaus Fragestellungen, die sich auf Gruppen beziehen, und die man nicht diskutieren kann, wenn immer wieder auf das Individuum und mithin auf die Annekdote verwiesen wird. Einfaches Beispiel: Rauchen ist ungesund, auch wenn der kettenrauchende Herr Schulz stolze 95 Jahre alt wurde. Andererseits wird man dem Individuum nicht gerecht, wenn man es auf Gruppenspezifika reduziert, dann werden diese nämlich zum Vorurteil.

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  31. @Horst_Sabine – Frausein ist kein Attribut, weil es keine inhaltlichen Beschreibungen enthält, sondern eine soziale Position markiert. Aber insofern ist es überhaupt nicht banal und sagt sehr wohl etwas über das Individuum aus – aber, und das ist der springende Punkt – nun eben genau nicht in dem Sinne, dass dieses Individuum machen müsste, was man im allgemeinen von dieser „Sorte“ erwartet. Vielleicht kann ich es so verständlich machen: Nur ich – weil ich eine Frau bin – kann Vorurteile und Klischees, die über Frauen kursieren, aushebeln. Ich kann z.B. Fußball spielen, und das bedeutet etwas anderes, als wenn ein Mann Fußball spielt. EInfach weil es eine historische Tatsache ist (für die weder ich noch der Mann was können), dass Fußball für Frauen bis vor kurzem verboten war. 1950 hatt eine Frau, die Fußball spielte, eine andere Bedeutung als ein Mann, der Fußball spielte. Klar, es besteht immer die Gefahr, dass das eine Anekdote bleibt. Aber es besteht eben auch die Chance, das nicht, im Falle Frauenfußball war es keine, sondern der Anfang einer Entwicklung (deren Folgen wir im Sommer in Form einer WM ausbaden müssen, hehe)

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  32. Nur ich – weil ich eine Frau bin – kann Vorurteile und Klischees, die über Frauen kursieren, aushebeln.

    Das kannst du, können Männer aber auch.
    Aber zurück zum Thema: Da weiß ich noch immer nicht, was – gesetzt den Fall, die Informationen in dem Blog wären sämtlichst richtig gewesen – die persöliche „Einzigartigkeit“ diesen Informationen an Wesentlichem und für dich Entscheidendem hätten hinzufügen können.
    Ich bin ja z.B. auch einzigartig. Mein Nick ist Horst Sabine. Persönliches teile ich nicht mit, ich „boykottiere“ quasi die Einordnung meiner Person in Schubladen. Dennoch können wir diesen Fall diskutieren.

    Frausein ist kein Attribut, weil es keine inhaltlichen Beschreibungen enthält, sondern eine soziale Position markiert.

    Das ist zwar nicht falsch, aber auch nicht richtig, denn die sozialen Positionen von Frauen sind sehr unterschiedlich. „Frau“ als solche ist keine soziale Position. Hier machst du das, was du ja weiter oben ablehnst: alle Frauen gleichsetzen.

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  33. @Horst_Sabine – Inwiefern können Männer Vorurteile und Klischees über Frauen aushebeln? Sie können höchstens versuchen, nicht auf selbige reinzufallen.
    Zu dem MacMaster-Blog: Es geht bei politischen Debatten nicht nur um rein sachlich-objektive Fakteninformationen, sondern es geht um Urteile, die aus einer bestimmten historischen Situation resultieren. Und es gibt Konflikte. Beispiel aus der Frauenbewegung: Die Frauen wollten separate Frauenräume, die Männer haben das falsch gefunden (war in vielen Studentengruppen so). Bei solchen Konflikten geht es nicht darum, OBJEKTIV zu entscheiden, wer recht hat, sondern eine Lösung zu finden. Die Männer z.B. mussten lernen, das, was die Frauen (im Sinne von diesen bestimmten Frauen, mit denen sie es zu tun hatten) wollten zu akzeptieren, auch wenn sie es nicht verstanden oder richtig fanden. Politik funktioniert nur, wenn ich mich auf den Standpunkt einer anderen Person stellen kann, wenn ich verstehe, dass sie anders sein kann, auch ohne dass sie mich davon zuerst überzeugen muss, so als wäre ich der objektive Schiedsrichter. Daher bin ich darauf angewiesen, auf andere zu hören – und das hat mir der MacMaster versaut, weil er gar kein anderer war, sondern sich nur dafür ausgegeben hat.

    Und, klar, Frausein ist nicht der einzige Faktor in meiner sozialen Position, sondern nur einer unter vielen. Es kommen noch viele andere Aspekte hinzu. Die bewirken dann, dass Frauen nicht gleich sind.

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  34. Ich sehe den Wert von beidem, von der Idee, dass es nicht auf die Person, sondern auf die geäußerten Gedanken ankommt, und von der Idee, dass jede Person aus einer bestimmten Situation heraus und von einer besonderen persönlichen Geschichte ausgehend ihre Gedanken entwickelt. Das Problem von MacMaster besteht m.E. darin, dass er nicht darauf vertraute, dass seine eigenen Gedanken, von seinem eigenen Standpunkt aus vorgetragen, genügend Leser und Leserinnen anziehen würden, so dass er stattdessen meinte, sich eine fake-Indentität zulegen zu müssen, um jene Menschen anzuziehen, die sich eben für das interessieren, was eine lesbische Syrerin und nicht ein amerikanischer Politikstudent zu sagen hat.

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  35. Inwiefern können Männer Vorurteile und Klischees über Frauen aushebeln?

    Da auch Männer Vorurteile praktizieren und perpetuieren, können sie auch etwas dagegen tun. Es ist ja nicht so, dass ausschließlich Frauen sich selbst als „different“ von der Norm „Mann“ inszenieren. In deinem anderen Blogartikel schreibst du ausführlich darüber.

    Es geht bei politischen Debatten nicht nur um rein sachlich-objektive Fakteninformationen, sondern es geht um Urteile, die aus einer bestimmten historischen Situation resultieren.

    Es geht aber nicht um Situationen, die aus der Situation des einzelnen Politikers resultieren. Wenn ein Politiker sich beispielsweise um das Thema Armut kümmert, muss er nicht zwangsläufig selbst arm gewesen sein.
    Auch gehts nicht um Urteile, die beispielweise aus der sexuellen Neigung eines Politikers resultieren. Es geht z.B. bei der deutschen Außenpolitik nicht darum, dass Guido Westerwelle schwul ist. Ginge es uns in Deutschland darum, müssten wir nämlich akzeptieren, dass diese Tatsache auch in anderen Ländern, die mit Homosexualität ein Akzeptanzproblem haben, diese private Angelegenheit des deutschen Außenmiisters thematisiert wird.

    Politik funktioniert nur, wenn ich mich auf den Standpunkt einer anderen Person stellen kann, wenn ich verstehe, dass sie anders sein kann, auch ohne dass sie mich davon zuerst überzeugen muss, so als wäre ich der objektive Schiedsrichter.

    Aber du weißt doch, dass jede Person anders ist. Du hast es selbst oben dargelegt.
    Außerdem weißt du von den allermeinsten in der Politik tätigen rein gar nichts über deren Person, bis auf ihr Geschlecht. Das aber ist keine Ausweis dafür, wie sich sich z.B. in Geschlechterfragen verhalten.
    Du kannst auf Grund deiner eigene Subjektivität nie ein objektiver Schiedsrichter sein. In gar keinem Fall. Weil das so ist, gibts z.B. bei Gericht Anwälte und Schöffen und in der Wissenschaft die Peer Review.

    Die Männer z.B. mussten lernen, das, was die Frauen

    Hier behandelst du schon wieder Menschen als Gruppen. Geschenkt.
    Die Lage in Syrien ist auch keine, die mit der Frauenbewegung vergleichbar wäre.

    Und, klar, Frausein ist nicht der einzige Faktor in meiner sozialen Position, sondern nur einer unter vielen. Es kommen noch viele andere Aspekte hinzu. Die bewirken dann, dass Frauen nicht gleich sind.

    Ja, Frauen sind nicht gleich, Kinder sind nicht gleich und nicht mal weiße Mäuse sind gleich. Was genau möchtest du mir damit sagen, was ich nicht selbst weiß und bereits geschrieben habe? Ich empfinde das als eine Binsenweisheit, die nicht weiter führt.

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  36. Hallo Antje,
    nach langer Zeit (ich war beschäftigt) schaue ich mal wieder hier rein…
    Wir waren schon einmal in einem Raum. Ich war auf einem deiner Vorträge. Ich hatte mich gefragt, ob ich mich Dir vielleicht vorstellen soll, dachte aber, ich schreibe so selten etwas und habe es deshalb nicht getan. Jetzt denke ich, ich hätte es tun sollen.

    Gruß, Sylvia

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  37. Toller Beitrag wieder mal!

    Allerdings: Zum Beispiel bei dir kann ich auch ohne persönlichen Kontakt sicher sein, dass du „echt“ bist: denn es gibt Fotos von dir zusammen mit deinen „Mitdenkerinnen“ – und davon kenne ich eine persönlich!

    Auch sonst bin ich meist überzeugt von der Realität einer Person, wenn ich sie auf Fotos zusammen mit Geschäftspartnern, Kollegen, Vereinsmitgliedern etc. sehe – quasi im Umfeld ihrer realen Daten. Gegen Fakes, mit denen man per E-Mail in Kontakt steht, ist das natürlich auch kein absoluter Schutz – es könnte jemand ja eine fremde Identität „angenommen“ haben. Je öffentlicher eine Person agiert, desto unwahrscheinlicher ist das, denn dann würde das ja schnell auffliegen…

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  38. Sorry, der Link wurde aktuell herum gereicht – ich dachte, das wäre ein „neuer“ Artikel und bemerke erst jetzt, dass er aus dem Juni stammt. Na, egal, stimmt ja alles trotzdem… 🙂

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  39. Das Internet ist für mich keine eigene, abgeschlossene Welt; ich sehe es eher als Vorbereiter für reale Treffen an: Viele Begegnungen finden heutzutage nur statt, weil man sich übers Internet kennengelernt hat.

    Mit Fakes ist es dasselbe Problem wie mit dem Verlieben (ausschließlich) übers Netz: Man verliebt sich in das Bild, welches man sich selbst gemacht hat. Solange man zwischen der Realität und der eigenen Vorstellung unterscheiden kann, sollte man das in den Griff bekommen.

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