Hallo Feminismus, du Nervensäge!

Vor sechs Monaten begann ich ein Experiment: Angenervt von der Art und Weise, wie über das Thema „Feminismus“ diskutiert wird, beschloss ich, das Wort ein halbes Jahr lang nicht zu verwenden.

Es hat nicht geklappt. Immer wieder ist es mir zwischen die anderen Wörter gerutscht. Keine Ahnung, wieso, sinnvoll finde ich es nämlich immer noch nicht. Ich hatte mir auch vorgenommen, nach diesem Zeitraum Bilanz zu ziehen. Seit dieses halbe Jahr um ist, sitzt also dieser kleine Quängelgeist wieder auf meiner Schulter: Feminismus, hallo, du Nervensäge!

Ein Grund, warum ich nicht auf das Wort verzichten konnte, war (glaube ich) mein Wunsch, deutlich zu machen, wie wichtig das Handeln von Frauen für die Politik war und ist – in früheren Zeiten war und heute ist. Und dass man ohne eine Analyse und eine Praxis der Geschlechterdifferenz nichts, rein gar nichts Sinnvolles zu dieser Welt sagen kann. Und weil ich meine Zugehörigkeit zu all jenen deutlich machen will, denen die weibliche Freiheit am Herzen liegt, auch wenn sie ganz andere Positionen vertreten wie ich, etwa die Quote oder die Geschlechtergleichheit.

In all diesen Situationen habe ich „Feminismus“ gesagt, aber es ist dafür einfach ein doofes Wort. Weil es die falsche Vorstellung nahe legt, es handele sich dabei um eine inhaltlich bestimmbare Weltanschauung und Theorie. Um eine „Partei“, so wie sie sich im Bereich des Politischen überall breit gemacht haben, um Leute irgendwo hin sortieren zu können, um die Komplexität einer Begegnung mit einer echten Person zu reduzieren. Politik funktioniert aber nicht über Schubladen, im Gegenteil, wo Menschen und ihre Ideen und Verhandlungen in konkreten Situationen unter der Perspektive solcher Schubladen betrachtet werden, endet Politik.

Keine Ahnung, was man da tun kann. Es ist mir nicht gelungen, dieses Anliegen wirklich befriedigend anders auszudrücken, als mit dem F-Wort. Now what?

Bis mir etwas einfällt, lasse ich das Wort jetzt einfach mal links liegen. Soll es doch machen, was es will.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

7 Gedanken zu “Hallo Feminismus, du Nervensäge!

  1. Habe noch einmal den ursprünglichen Artikel nachgelesen, und die Debatten, die in deinem Blog geführt werden, drehen sich bestimmt nicht um die Frage, was jetzt „richtiger“ Feminismus ist. Also führt die Verwendung dieses Wortes allein anscheinend noch nicht zu Scheindebatten. Vielleicht ist es am besten, das Mediengetöse und das Gerede aller derjenigen, die vom Feminismus nur eine sehr oberflächliche Ahnung haben (so wie jetzt zur Fußball-WM) einfach zu übersehen?

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  2. … ich habe nach langem „Analysieren“ festgestellt, dass ich keine Feministin im heute gebräuchlichem Sinne bin. Mir fielen für mich viele andere Bezeichnungen oder Positionen ein. Meine politische Arbeit ist sehr privat. Sie findet sozusagen im Alltag statt, ist aber deshalb nicht weniger wirkungsvoll. Daher hat das Wort Feminismus für mich fast keine Bedeutung und ich wende es quasi nie an. Dafür gibt es bei mir jedoch eine Menge andere Worte, ohne die ich auch einfach nicht auskomme und die in der öffentlichen Wahrnehmung so besetzt sind, dass ich es manchmal schwer habe, verstanden zu werden.
    Laut Wikipedia werden unter dem Begriff Feminismus zahlreiche, teilweise auch gegenläufige Strömungen zusammengefasst, das macht den Feminismus für mich so schwer fassbar. Trotz vieler Erfolge herrscht doch noch immer eine gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen Mann und Frau vor (weltweit sowieso). Der Feminismus will die Lage der Frau verbessern und ihr zur Gleichstellung in der Gesellschaft verhelfen. Das ist mir immer noch zu sehr auf den Mann bezogen, also einfach zu wenig. Daher kann ich auch leichten Herzens den Feminismus links liegen lassen.

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  3. @Stephanie – Ja, aber genau deshalb ist der „Feminismus“ ja auch kein „ismus“ im üblichen Sinn. Ich will der Frau übrigens auch nicht zu Gleichstellung verhelfen, aus genau demselben Grund wie du – es ist ein Ziel, das auf den Mann bezogen bleibt. Dass etwas anderes überhaupt möglich ist, habe ich aber gerade vom Feminismus gelernt. Die Anliegen der Frauenbewegung waren immer viel mehr und anderes, aber das, davon in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist, war „Gleichstellung“. Vielleicht, weil sich die Männer darunter etwas vorstellen konnten („Gleichstellung“ als politisches Instrument ist ja – auf Stände bezogen – ihre Erfindung).

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  4. Ich benutze das Wort „Feminismus“ seit Jahren nicht mehr. Zum einen, weil alles, was irgendwie mit „aufmüpfigen“ Frauen zu tun hat, in dieses schwammige Wort gepackt wird.

    Zum anderen, weil die Nennung oft dazu führte, dass Gespräche sehr schnell zu Ende gingen. (die Sache mit den Schubladen)

    Auch wenn viele Menschen für Gleichberechtigung gekämpft haben, beim Gebrauch des Wortes „Feminismus“ fährt bei mir im Kopf ein Film ab – ich sehe Alice Schwarzer, die ihren Kopf durch die Tür steckt und mir die Welt mit politisch korrekten Vokabeln erklären will.

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