Simone Weils Plädoyer für die Abschaffung der politischen Parteien

Dass jemand ernsthaft die Abschaffung der politischen Parteien fordert, erscheint uns heute völlig absurd, denn wir haben uns angewöhnt, die Existenz von Parteien als Vorbedingung für jedes demokratische Gemeinwesen anzusehen.

Genau das hat aber Simone Weil in einer kleinen Schrift getan, die erst kürzlich aus Anlass ihres 100. Geburtstages auf Deutsch erschienen ist – verfasst hat sie sie kurz vor ihrem Tod im Jahr 1943.

Wie kommt sie nun auf diese Idee?

Zunächst einmal ruft sie in Erinnerung (auch das machen sich normalerweise die Wenigsten klar), dass die Demokratie kein Selbstzweck ist, sondern lediglich ein Mittel zum Zweck, der nämlich darin besteht, Gerechtigkeit und das Gute in einer menschlichen Gesellschaft hervorzubringen. Dabei beruft sie sich auf Rousseau und dessen Begriff des Gemeinwillens, der keineswegs besagt, dass der Gemeinwillen per se besser wäre als ein Einzelwille (etwa eines absolutistischen Herrschers):

Ein Wille, der ungerecht, aber der gesamten Nation gemein ist, wäre in Rousseaus Augen – und er lag richtig – dem ungerechten Willen eines Menschen keineswegs überlegen. Rousseau dachte nur, dass ein Wille, der einem ganzen Volk gemein ist, meistens der Gerechtigkeit entspricht.

Gleiches gelte für die Französische Revolution:

Der wahre Geist von 1789 besteht nicht in dem Gedanken, dass eine Sache gerecht ist, weil das Volk sie will, sondern darin, dass der Wille des Volkes unter gewissen Bedingungen eher der Gerechtigkeit entsprechen dürfte als jeder andere Wille.

Schon Rousseau nennt zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit dieser Mechanismus tatsächlich funktioniert: Erstens darf das Volk keinen „kollektiven Leidenschaften“ aufsitzen, denn die führen dazu, dass das Ergebnis der Willensbildung verzerrt wird und nicht mehr das Gute widerspiegelt. Und zweitens müssen die Menschen die Möglichkeit haben, ihren Willen und die Ansichten, die sie haben, auch wirklich frei auszudrücken.

Beide Bedingungen sind nur sehr schwer zu verwirklichen. Und die Existenz von politischen Parteien steht ihnen nach Ansicht von Weil konträr entgegen.

Denn sobald Parteien existieren, gesellt sich zu dem eigentlichen Zweck von Politik – das Streben nach Gerechtigkeit und dem Guten – noch ein zweiter Zweck hinzu oder setzt sich sogar ganz an dessen Stelle: das Wachstum der Partei. Entsprechend betreiben Parteien Propaganda (heute sagt man „Öffentlichkeitsarbeit“), um Mitglieder und Wählerstimmen zu gewinnen, wobei das Entfachen „kollektiver Leidenschaften“ ein probates Mittel ist. Außerdem üben sie Druck auf das Denken ihrer Anhängerinnen und Anhänger aus, sodass diese nicht mehr frei sind, ganz auf ihre innere Stimme zu hören (die ihnen nach Ansicht von Weil den Weg zu dem, was wahr und gerecht ist, weisen könnte).

Nehmen wir an, ein Mitglied einer Partei – Abgeordneter, Abgeordnetenkandidat oder einfach Aktivist – geht öffentlich folgende Verpflichtung ein: „Wann immer ich mich mit einem politischen oder sozialen Problem befasse, verpflichte ich mich, die Tatsache, dass ich Mitglied jener Gruppe bin, völlig zu vergessen und mich ausschließlich um das Gemeinwohl und die Gerechtigkeit zu sorgen.“

Es ist evident, dass so jemand es wohl kaum weit bringen würde. Die strategischen Erwägungen des Wohls der Partei stehen also dem wirklichen Suchen nach der Wahrheit entgegen. Wenn aber der Eintritt in eine Partei der einzige Weg ist, wie man „wirksam am öffentlichen Leben teilnehmen“ kann (weil zum Beispiel alle einflussreichen Positionen nur über Parteienkandidaturen erreicht werden können), ist der Widerspruch perfekt: Menschen, die die Wahrheit und die Gerechtigkeit über das Parteieninteresse stellen, haben kaum Chancen, Bundeskanzlerin zu werden – nicht, weil sie nicht gewählt werden würden, sondern weil sie gar nicht kandidieren könnten.

Die Parteien sind ein fabelhafter Mechanismus, der bewirkt, dass über ein ganzes Land hinweg nicht ein einziger Geist seine Aufmerksamkeit der Anstrengung widmet, in den öffentlichen Angelegenheiten das Gute, die Gerechtigkeit, die Wahrheit zu erkennen. … Vertraute man die Organisation des öffentlichen Lebens dem Teufel an, er könnte nichts Tückischeres ersinnen.

Die Wurzel des Übels sieht Simone Weil in der katholischen Kirche und ihrer Verfolgung von Häresie. Damit war der Grund gelegt, dass das Bekenntnis zur Autorität der Kirche für wichtiger gehalten wird als die wirkliche innere Überzeugung.

Insofern hält sie es für tragisch, dass gerade diejenigen, die gegen diese kirchliche Autorität angegangen sind – die Aufklärer – mit den Parteien letztlich wieder ein ähnliches System hervorgebracht haben: Jede Partei ist eine kleine Kirche, die nicht der Suche nach der Wahrheit verpflichtet ist, sondern der Verteidigung der Orthodoxie.

Was aber ist die Alternative, die Simone Weil vorschwebt? Es ist einfach die freie Konkurrenz zwischen Kandidaten (und Kandidatinnen, füge ich hinzu), die ihre Ideen vertreten:

Die Kandidaten würden dann den Wählern nicht etwa sagen: „Ich trage dieses Etikett“ – was dem Publikum über ihre konkrete Haltung zu konkreten Problemen praktisch überhaupt nichts sagt -, sondern: „Ich denke dies, dies und dies zu diesem, diesem und diesem großen Problem.“

Die Gewählten würden sich dann je nach Sachfragen miteinander verbünden oder voneinander abgrenzen. In der Gesellschaft würden sich natürlich verschiedene Milieus bilden, die eher „links“ oder „rechts“ oder „liberal“ oder „sozial“ oder „feministisch“ wären, aber es wäre verboten (und würde strafrechtlich verfolgt), dass sich solche Milieus in festen Organisationen kristallisieren. Diese Gruppierungen von „Geistesverwandtschaft“ blieben fließend, es gäbe „keine klare Trennung zwischen drinnen und draußen“.

Mir ist in dem Zusammenhang aufgefallen, dass genau dies die Organisationsweise des Feminismus ist, der nämlich keine klaren Strukturen, von Parteien ganz zu schweigen, hervorgebracht hat. Obwohl die Herausforderung natürlich für jede Einzelne bestehen bleibt, bei den eigenen Überlegungen immer darauf zu achten, ob wirklich die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit sie leitet, und ob sie der Versuchung widerstehen kann, „feministische Positionen“ festzuklopfen oder „den Feminismus“ generell zu verteidigen.

Simone Weil weist auch darauf hin, dass der schädliche Einfluss des Parteiendenkens längst auch auf andere gesellschaftliche Bereiche übergegriffen hat. Nicht nur das politische System im engeren Sinne, sondern die kulturelle Debatte insgesamt ist in der Logik von Parteien organisiert.

Selbst in der Schule weiß man das Denken der Kinder nicht besser anzuregen, als sie dazu aufzufordern, Partei zu ergreifen, pro oder contra. Man legt ihnen ein Zitat eines großen Autors vor und fragt: „Seid ihr einverstanden oder nicht? Entwickelt eure Argumente.“ … Und es wäre so einfach, ihnen zu sagen: „Denkt über diesen Text nach und formuliert die Überlegungen, die euch dazu einfallen.

Simone Weil: Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien, diaphanes, Zürich-Berlin 2009.


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Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

41 Gedanken zu “Simone Weils Plädoyer für die Abschaffung der politischen Parteien

  1. Uhm……… Im grossen und ganzen finde ich deinen artikel klasse.
    Aber an dem punkt wo du den feminismus ansprichst muss ich massiv widersprechen. Als frei und bi lebender mensch muss ich mich immer wieder feministischen anfeindungen erwehren nur weil ich klare gedanken über dinge wie z.b. frauenquoten o.ä. äussere. Ich sehe da schon eine starke bisweilen sogar über die maßen verfestigte struktur die einer parteiartigen organisation nahekommt. Das gilt an der stelle übrigends gleichermaßen für so einige „bewegungen“ die sich am ende in form von vereinen oder andersartig organisierten gruppierungen manifestieren.. (der beispiele gäbe es zu viele, deswegen lasse ich sie hier aus, möge sich jeder selbst die seinigen – pro und contra – suchen/denken 😉

    Ansonsten btw. wirklich schön gebloggt! 😉
    Gruß, Hacky

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  2. Ein bisschen schaffe ich -für mich wenigstens- die politischen Parteien schon dadurch ab, dass ich nicht (mehr) DIE SPD oder DIE Grünen
    oder DIE… wähle, sondern stets Themen/Fragen/Probleme anschaue und wie sie von diesem oder jener Wählbären behandelt werden; aber wie gesagt: ein bisssssssschen… Ansonsten wird mir dieser Artikel demnächst sehr helfen, das klarer zu sehen und auch zu formulieren, was mir an unserer FrauenWohnGenossenschaft grundsätzlich politisch fragwürdig geworden ist. – Simone Weil ist immer wieder einfach gut!

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  3. es geht nicht um parteien, es geht viel tiefer. es geht um die erkenntnis, dass
    wir im intersein miteinander verbunden sind. parteien sind an ihre vorstellungen doch nicht an das intersein gebunden, sie sind nützlichkeitsorientiert für ihre gruppe, was nachteile für die andere gruppe haben kann, so wie die besondere familie auch sich gegen andere besondere familien schützen will, weil nicht der vater die wahre natur ist, oder die mutter erde, sondern der vater der familie, der vorteile für seine gruppe sieht und durchsetzt, das ist die tiefere grundlage der zerstörung der erde. die matriarchatfoscherin claudia von werlhof drückt das in ihrer abschiedsrede noch sehr viel deutlicher aus: http://www.berndsenf.de/pdf/ClaudiavonWerlhofAbschiedsrede.pdf sie zeigt uns, dass parteien überhaupt keinen einfluss haben, weil wir ja nicht einmal eine demokratie haben, sondern eine gesellschaft, die von anderen imperatoren beherrscht wird, die benedict XVI. als die amerikanischen hegemoniemächte im gespräch mit jürgen habermas 2004 kritisierte:http://www.zeit.de/2004/05/Ratzinger_2fHaberm/seite-2 und in seiner uno-rede als die WENIGEN bezeichnet, die alles sich unterstellen, und damit demokratie als witz erscheinen lassen: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/april/documents/hf_ben-xvi_spe_20080418_un-visit_ge.html ich zitiere:(Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 43), die vom Subsidiaritätsprinzip inspiriert und geleitet und daher in der Lage sein muß, durch effiziente internationale Regeln und durch die Bereitstellung von Strukturen, die es vermögen, den harmonischen Ablauf des Alltagslebens der Völker sicherzustellen, auf die Bedürfnisse der Menschheitsfamilie zu antworten. Das ist um so nötiger in der heutigen Welt, wo man das offensichtliche Paradox eines multilateralen Konsenses erfährt, der sich weiter in der Krise befindet, weil er den Entscheidungen einiger weniger untergeordnet ist, während die Probleme der Welt von seiten der internationalen Gemeinschaft Interventionen in Form gemeinsamer Aktionen erfordern.

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  4. @hackbyte – Dass es diese Gefahren gibt, habe ich ja in dem Blogpost selber geschrieben. Aber dass der Feminismus sich als politische Bewegung nie eine verbindliche Struktur gegeben hat (oder geben konnte, Bemühungen gab es wohl hier und da), isttrotzdem wahr. Außerdem heißt das ja nicht, dass du auf deine Thesen keinen Gegenwind und keinen Widerspruch von Feministinnen bekommst. Die Frage ist: Widersprechen diese Frauen dir, weil sie davon überzeugt sind, dass du Unrecht hast, oder tun sie das, um eine feministische „Partei“ zu verteidigen, obwohl sie selbst vielleicht auch ihre Zweifel haben?

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  5. Hach, das ist doch ein Artikel für mich.
    Im Jugendroman ‚Sayuri‘ (Bargmann*1991 erschienen 2010) wird der Widerstand gegen das nicht in Frage gestellte System, wohl aber gegen die Umsetzung bestimmter Restriktionen, durch Gruppen durchgeführt, die sich quasi spontan treffen. Zusammengerufen durch bekannte Persönlichkeiten des Stadtteils. Es wird diskutiert und jeder findet sich dann zu dem ein, was er/sie für richtig findet. Es wird nicht von oben vorgegeben oder gar eine Abstimmung gegen etwas erzwungen um Kräfte zu bündeln. Einige Vorhaben sind erfolgreich, andere nicht. Doch hat jede/r mit vollem Elan das gemacht, was sie/er für angemessen hielt. Was enorme Kräfte weckt und eine nicht gekannte Vielseitigkeit.
    Die junge Autorin hat sich(wohl ohne die Tragweite zu sehen und dadurch so spannend) gegen die Form des bisherigen Handelns für diese flashmop-Technik entschieden und liegt damit wohl nahe an dem, was wir in Zukunft erleben werden.
    Ich danke für die Vorarbeit des Lesens und die hier eingepflegte Zusammenfassung. Klasse und ganz auf meiner Linie.

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  6. Eine Demokratie ohne Parteien würde wahrscheinlich bedeuten, dass sich die Wähler und Wählerinnen viel intensiver informieren und für Politik interessieren müssten.

    Ich merke dies an mir selbst: Für die Kommunalwahl habe ich nicht nur eine Wahlbenachrictigung, sondern auch eine Anleitung bekommen: diese ist nötig, da es sich um eine Mischung aus Personalwahl und Parteienwahl handelt. Und ich werde wieder genauso ratlos die Namen auf dem Wahlzettel durchlesen wie früher. (Ich lese keine Lokalzeitung. Wahrscheinlich ein Fehler.)

    Was mir noch einfällt: Ich habe ein paarmal in meinem Leben versucht, mich einer politischen Gruppe (nie einer Partei) anzuschließen, aber am Ende habe ich mich immer unwohl gefühlt, da es immer eine Gruppenposition gab, die längst vor meinem Beitritt entstanden war, so dass es dann schwierig war, diese Gruppenposition zu hinterfragen.

    Aber vielleicht hatte ich einfach nur zu wenig Ahnung für fundierte Kritik.

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  7. Ahoi Antje..

    Der eindruck der bei mir da regelmässig entsteht ist der, das sie grundsätzlich sowohl die sinnhaftigkeit als auch die notwendigkeit ihres tun und handelns, und zwar als ganze gruppe, zu verteidigen und rechtfertigen suchen. Was manches mal schade ist, da es eine ernsthafte diskussion verhindert wenn jedes argument sofort als antifeministisch abgewertet wird statt es zu überdenken und ggf angemessen zu reagieren.

    Mein eindruck ist jedenfalls, das es leider grade dann in eine art religiösem gebahren endet, bei dem alles was nicht der feministischen idee entspricht aufs bitterste zu bekämpfen ist. *SEUFZ* 😉

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  8. Na, die Forderung ist plausibel und hat in den letzten Jahrzehnten an Plausibilität noch gewonnen, nur die Herleitung ist m.E. fragwürdig. So sehr ich Simone Weil schätze, in Bezug auf das Politische halte ich es mit Hannah Arendt: der Sinn von Politik ist Freiheit (und nicht Wahrheit). Ist das in diesem Kontext mehr als nur eine „Spitzfindigkeit“?

    M.E. ja, weil es im Politischen um Fragen des gemeinsamen (guten) Lebens geht, die eben nicht auf der Grundlage eines Wissens, einer Moral oder einer Wahrheit getroffen werden. Folglich ist das Politische auch
    mit solchen „Dingen“ wie Macht und Entscheidung tief verknüpft (Der Reflex darauf ist häufig ablehnend, weil Macht meist mit Herrschaft und Entscheidung meist mit Dezisionismus assoziert wird). In einer (arendtschen) Lesart geht das Politische grundlegend mit Auseinandersetzung und mit Pluralität zusammen – es gibt immer „etwas“, das nicht eingeschlossen werden kann; Anstoß weiterer Auseinandersetzungen.
    Es ist sicherliche kein Zufall, dass der herbei-zitierte Rousseau da ganz gegenteiliger Ansicht war: mit Bezug auf den Willen sollen die unkalkulierbaren Leidenschaften ausgeschaltet werden. Dem ganzen liegt m.E. ein bestimmtes „Repräsentationsmodell“ zu Grunde, das wir als aufgeklärte Menschen (homme, sic) nur allzu gerne teilen: Der Grund politischer Entscheidungen liegt – gut gegründet – immer woanders: bei der Rationalität, der Moral, dem Wissen, dem Willen, dem Interesse (rationalisierte Leidenschaft ;-). Alles was sich außerhalb dieser Gründe artikuliert, wird als defizitär (Leidenschaften, Gefühle) abgetan und und zum Teil verbannt.

    Ok…, also Pro oder contra Parteien: in einer komplexer werdenden Welt lassen sich politischen Frontverläufe nur schwer parteipolitisch ordnen. Aber ungebundere politische Personen werden u.U. auch bestimmten Zwängen folgen (siehe US-Wahlkampf). Nichtsdestotrotz: „freie“ Kanditaten und flexible Bündnisse sind eine Chance. Aber – mit Bezug auf oben – bitte Kanditaten, von deren politischer Urteilskraft ich überzeugt bin (auch passive Dimension von „hören auf“) – die innere Überzeugung, so sie mit einer Wahrheitsdimension verschmilzt, führt eher, so denke ich, auf unpolitische Wege (Und ist es Zufall, dass Weil hier ein kirliches „Wahrheitsproblem“ (Häresie) weltlich/politisch nutzbar machen will?).

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  9. @ensof – Sehr guter Einwand! Allerdings habe ich so eine Ahnung, dass sich die beiden Positionen (Weil und Arendt) nicht prinzipiell ausschließen müssen. Iris Murdoch hat in dem Zusammenhang die Idee von der „Souveränität des Guten“ ins Spiel gebracht, das heißt die Idee, dass das, was „gut“ ist, eben nicht beliebig verhandelbar ist, sondern eine eigene Souveränität hat. Und was Weil an den Parteien kritisiert ist ja gerade, dass die Pluralität dabei verloren geht, dass sie ein „Einheitsdenken“ befördern. Und dieses „Etwas“, das bei Arendt nie ganz in den pluralistischen Verhandlungen aufgeht, könnte doch genau jenes „Gute“ und „Wahre“ sein, das sich eben nie ganz in Besitz nehmen lässt, das aber als Maßstab und Orientierung dennoch real ist? Und Freiheit wäre nur möglich, wenn man sich dessen bewusst ist? (also sowohl der Souveränität des Guten als auch der Tatsache, dass ich nur über die Pluralität und das Andere eine Chance habe, frei zu sein?)

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  10. Gut, wenn man mal den völlig überflüssigen Absatz, der mit „Mir ist in dem Zusammenhang aufgefallen, …“ beginnt, wegdenkt ein hervorragender Artikel. Auch unter Frauen gibt es kluge Denker. Ohne Frage. Ayn Rand zum Beispiel, deren Ideen übrigens in die selbe Richtung gehen.

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  11. Rousseau ist einer, der vielen oft missverstandenen Klassiker. Und mit missverstanden meine ich nicht, ich haette ihn verstanden. Doch sich auf ihn zu beziehen, setzt Auseinandersetzung voraus — und mit dem Autoren selbst ist das nicht mehr moeglich. Bezug kann also immer nur neue Debatten unter Lebenden fuettern, nicht jedoch zu sinnvollen Urteilen beitragen. Ich freue mich darum um so mehr, dass hier zu neuer Debatte angeregt wird. Danke!

    Zur Entdeckung von Missinterpretationen Rousseaus empfehle ich zu beachten: Gemeinwille ist nicht Mehrheitswille. Schau einfach noch mal, was sich mit der Perspektive findet. Aber ich sagte ja: Oft missverstanden.

    Rousseau hat es sich selbst aber auch nicht leicht gemacht, mit seinen Ausfuehrungen. Warum das so ist, da ist die Kirche ein guter Verdacht, wie ich finde.

    Gestatte, dass ich aus John Henry Mackay zitiere (Roman: Die Anarchisten, 1891): „Chicago war das Golgatha der Arbeiter geworden. Ewig, wie hier das Kreuz, wuerden dort die Galgen ragen ..“
    http://www.scribd.com/doc/46563615/Die-Anarchisten
    http://librivox.org/die-anarchisten-by-john-henry-mackay/

    Schaue man sich „unser“ Kreuz einmal an als ein Werkzeug des Todes des Scharfrichters (Wortherkunft: Tötender Beamter), die Verurteilte als Märtyrer sterben lassen… deren Märtyrertum sich jedoch erst nach ihrem Tod im Sinne einer höheren Sache bildet, gegen die sie sich selbst zu Lebzeiten einzusetzen wussten — es ihnen dann jedoch genommen ist.

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  12. Dass sich Organisationen automatisch in Hierarchien und Machtgeplänkel, war mir schon als Kind immer sehr suspekt. Ich hatte noch meine Kommunion mitgemacht, mich dann aber auch aus diesen Fängen schnell verabschiedet.
    In den letzten Wochen und Monaten ist mir erst klar geworden, dass ich seit dem ich politisch begonnen habe mitzudenken, ein Anarchist bin. Insofern habe ich immer schon sehr skeptisch auf unsere Parteien genauso wie auf unsere Kirchen geschaut. Und ich habe mit immer gefragt, warum die „kleinen Leute“, also die ganz unten in unseren Hierarchien nicht gefragt werden. Einmal in 4 Jahren dürfen sie (wir) unsere Stimme „abgeben“ und in eine „Urne“ werfen, wo sie was dann wert ist?
    Wenn wir wirklich frei sein wollen, dann kann es nur bedeuten, dass wir nur dort entscheiden, wo wir leben. In der Kommune, wo wir uns alle kennen. Und hier kann doch jeder für sich einstehen, was er gut findet und muss sich nicht hinter einer Organisation verstecken.
    Und wenn etwas in einer nächst größeren Region entschieden werden muss, dann schicken wir eben einen Delegierten, der nur so handeln darf, wie wir es beauftragt haben. Gibt es Probleme dort, kommt der Delegierte mit den Alternativen zurück und es wird neu verhandelt.
    Das kann beliebig fortgesetzt werden. Unser Staatsoberhaupt wäre dann ein Repräsentant in unserem „Sinne“.
    Aber bevor wir daran gehen können, unser Parteiensystem umzukrempeln, müssen wir erst einmal das mit dem Geldschöpfen gelöst haben. Denn wenn die private Geldhand hier das Recht hat und nicht der Staat, wie ich bisher fälschlicherweise angenommen habe, werden wir gar nichts lösen können. Dann wird uns das Geld auch weiterhin unfrei lassen.

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  13. Wie immer wird das Kind mit dem Bade ausgekippt und auf einmal haben Parteien keine sinnvolle Funktion mehr – nicht, dass sie die immer ausfüllen würden!

    Aber wie, bitte, soll denn, wenn nicht durch Parteibildung, sicher gestellt werden, dass es irgendeine Instanz gibt, die politisch handlungsfähig ist?

    Dass die durchgeführte Politik aus einem Guß ist – und nicht völlig disparate und unvereinbare Maßnahmen gleichzeitig beschlossen werden?

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  14. PS.

    „Die Gewählten würden sich dann je nach Sachfragen miteinander verbünden oder voneinander abgrenzen. I[…] Diese Gruppierungen von „Geistesverwandtschaft“ blieben fließend, es gäbe „keine klare Trennung zwischen drinnen und draußen“.“

    Ich glaube, diese Gruppierungen haben wir schon, und nicht nur im Feminismus – sind gemeinhin bekannt unter dem Namen „Lobbyverbände“.

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  15. @AntjeSchrupp:

    Aber Deine Regierung wäre ja nichts weiter als eine Partei – oder sie wäre ein Haufen von Lobbyisten.

    Eine der sinnvollen Aufgaben von Parteien ist z.B. gerade, uns vor der Allmacht von Lobbyisten zu bewahren, finde ich.

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  16. parteien sind gruppen, die wie fußballvereine im wettbewerb stehen, und damit die grundlage einer wettbewerbsgesellschaft sind, wo gewinner und verlierer produziert werden. also kapitalismus pur. nur das parteien, nicht mehr dem bürger gehorchen, sondern denen von denen sie finanziell abhängig sind, und da gibt es nur einer herrschende partei die hegemoniemächte die benedict XVI. in seiner unorede am 18.04.2008 als die wenigen bezeichnet, die sich alles unterordnen.

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  17. Übrigens erinnern die Auslassungen von Frau Weil an die Ergüsse, die die demokratiefeindliche Bürgerlichkeit, deren Verachtung für das „Parteiengezank“ ja bekannt ist, nach dem ersten Weltkrieg zum besten gab – mit bekannten Folgen für die Demokratie in Deutschland.

    Thomas Mann, sinngemäß: Ich will in einem Staat leben, in dem Sachverstand, Umsicht und Gerechtigkeit regieren, nicht das Parteiengezänk. Wobei er Sachverstand, Umsicht und Gerechtigkeit wohl vor allem in seiner Klasse zu entdecken meinte – von der Demokratie hielt er nicht viel, weil in der die Stimme von Leuten wie ihm auch nicht mehr Gewicht hatte wie die eines anderen.

    Diesem Glauben, Politik wäre der Ort, wo positive Entwicklungen ihren Ursprung finden sollten, hält ein Demokrat und politischer Realist wie Popper entgegen, der hauptsächliche Wert einer Demokratie läge darin, schlechte Regierungen vergleichsweise einfach loswerden zu können.

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  18. Wer kann den behaupten, dass wir in einer Demokratie leben, wo die Macht vom Volke ausgeht? Wie leben in einer Olegarchie, sprich geheime Plutokratie, die uns demokratische Zustände vorgaukelt doch streng nach den Regeln des Marktes immer mehr ihre Interessen durchsetzt, und das bedeutet in sich logisch, die Vernichtung der Menschheit, die zahlungsunfähig wird, und das ist der Automatismus der Zinseszinsen.Wer das als einer der wenigen ForscherInnen klar ausdrückt ist Prof. Dr. Claudia von Werlhof in ihrer
    Verabschiedungrede anlässlich ihrer Emeritierung 2011 am 27.6.2011, Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie, SOWI, Universität Innsbruck http://www.berndsenf.de/pdf/ClaudiavonWerlhofAbschiedsrede.pdf

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  19. Schade, dass die Werke von Simone Weil teilweise nur antiquarisch auf Deutsch verfügbar sind. Da sie 1943 starb, sollten ihre Texte 2014 gemeinfrei werden, vielleicht lässt sich bis dahin zumindest ein Digitalisierungsprojekt umsetzen – es müsste nur jemand die alten Texte scannen und ins Netz stellen.

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  20. Die Grundannahme, die dieser Überlegung zugrunde liegt, nämlich dass es ein objektiv definierbares Gemeinwohl gäbe, ist falsch. Menschen haben verschiedene Interessen. Es geht darum, einen Ausgleich zwischen den Interessen zu finden.

    Einen Ausgleich zwischen Interessen zu finden geht in Parteien, die einen gemeinsamen Wertekanon haben, besser. Gäbe es nur noch frei schwebende „Abgeordnete“, die sich jedes Mal neu entscheiden dürften/würden, dann würden Lobbyverbände noch mehr als heute Stück für Stück ihre Zähne in das öffentliche Gut schlagen und immer größere Stücke herausreißen. Stück für Stück und demokratisch legitimiert.

    Nein, das ist kein guter Vorschlag.

    Es ist dem Menschen auch fremd. „Parteien“ gab es schon immer in Demokratien, auch im Römischen Reich, wenn sich die Form derselben auch gewandelt hat.

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  21. @Christian – Ja, da bist du glaube ich, genau am Kern der Frage: der Kategorie des Gemeinwohls. Ich bin da eher mit Weil als mit dir: Es gibt das Gemeinwohl, allerdings ist es natürlich nicht „objektiv definierbar“. muss es aber auch gar nicht.

    Welche politische Grundannahme (Gemeinwohl oder Parteieninteressen) besser geeignet ist, Lobbyismus und Wirtschaftsegoisten in die Schranken zu weisen, ist nochmal eine andere Frage, da machen die Parteien ja momentan auch nicht so eine gute Figur 😉

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  22. Ich kenne halt kein historisches Beispiel, bei dem es mal ohne Parteien demokratisch abgelaufen ist. Das macht mich dann immer sehr stutzig, wenn noch so clevere Ideen noch nie erprobt worden sind.

    Dass die Parteien, die wir heute haben, nicht perfekt sind – geschenkt. 😉

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  23. @Soeder

    Die Anarchisten in Spanien in den Dreißigern, oder die anarchistische Machnowitschija in der Ukraine, bevor sie von den Bolschewiki besiegt wurden (mit denen sie zuvor in der Revolution gegen die Zarentruppen gekämpft hatten)… die Münchner Räterepublik, die Pariser Commune… es gibt da schon einiges in der jüngeren Geschichte des Abendlandes. Verschüttete Erinnerungen allerdings.

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  24. die demokratie ist auf mehrheiten aufgebaut, die von minderheiten manipuliert werden. die lösung wäre die freiheit durch die wahrheit. doch was ist die freiheit? und was ist die wahrheit? und ehe diese grundlagen nicht geklärt sind, können wir bis zum nimmerleinstag weiter diskutieren. denn hier setzen schon die unterschiedlichen ideologien ein und erzeugen so „parteien“. deshalb glaube ich nicht an die demokratie sondern an die freiheit, die jedoch bindung in der harmonie ist, und zwar bedingungslos, so wie der mond nur frei erscheint, und doch millimetergenau in seiner laufbahn HARMONISCH an die erde gebunden ist.

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  25. 1. Politik ist Herrschaft. Herrschaft bedeutet Menschen mit Gewaltandrohung zu zwingen. Das ist weder gerecht, noch ist das gut. Daraus leiten sich dann auch die negativen Formen der Herrschaft ab die zu immer stärkerer Unfreiheit führen.

    2. Sie haben vergessen, dass der Begriff Partei aus etymologischer Sicht heraus nur Teil bedeutet. Anhand dieser Sprachphilosophie ließe sich schon erkennen, dass Parteien gar nicht das Wohl der Gesamtheit anstreben können. Zudem kann das Wohl eines einzelnen Menschen nicht zu einem öffentlichen Anliegen gemacht werden. Andernsfalls muss jedes individuelle Wohl zum öffentlichen Anliegen gemacht werden was zu Widerspruch und Chaos führen würde.

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  26. @ Antje Fuchs:
    Es gibt „das Gemeinwohl“? Was ist „das Gemeinwohl“? Dazu: Arrows Unmöglichkeitstheorem! Aggregation individuellen Präferzen ist tricky.Gemeinwohl ist schwer zu fassen…

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  27. Parteien sind doch eine wunderbare Erfindung: dort kann diskutiert werden, dort sammelt sich Sachverstand. Parteien können uns sehr wohl in Sachfragen gut beraten. Aber zu entscheiden haben sie eigentlich nichts, sie sind ja nicht der Souverän. Das sind wir alle, jeder von uns. So sollte es zumindest sein…
    Mich wundert schon sehr, dass in dieser Debatte hier noch niemand den Diskussionen und Lernprozessen, wie sie in einer direkten Demokratie im Vorfeld von Sachhentscheiden sehr wohl zu so etwas wie einem Gemeinwohl führen können, das Wort geredet hat! Es wäre ja schon ein riesiger Fortschritt, wenn die guten Erfahrungen mit plebiszitären Elementen aus den verschiedenen Bundesländern (allen voran Berlin, Hamburg und Bayern, um nicht das Beispiel Schweiz zu bemühen) endlich auch auf Bundesebene ernst genommen würden.
    Ich schätze Simone Weil sehr, aber offensichtlich sah sie bei ihrer durchaus berechtigten Parteienkritik den entscheidenden Punkt nicht, dass nämlich das Prinzip der Repräsentanz selbst früher oder später in eine Krise kommen muss, da es in einem wesenhaften Widerspruch zum Prinzip der Selbstbestimmung und Selbstorganisation des Menschen steht.
    Es geht ja nicht darum, die repräsentative Demokratie gleich abzuschaffen, aber wenigstens endlich auch auf Bundesebene (und auch europäischer Ebene) Artikel 20 Absatz 2 GG vollständig – und nicht nur zur Hälfte – einzulösen: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt.“ Wahlen UND Abstimmungen steht da also…

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  28. Interessanter Blog 🙂

    Warum macht man es sich soooo schwer und diskutiert hier über Ja oder Nein? Warum hinterfragt man nicht, warum Menschen überhaupt so oder so handeln? Was sie für ein Interesse dabei verfolgen. Warum versucht man nicht auf der Ebene…Wie ist ein Mensch eigentlich gestrickt? Es gibt dazu genug Erkenntnisse in Psychologie und Soziologie!

    Ich finde, dass in jeder Aussage eine gewisse Wahrheit steckt. Das Patriarchat, wie es C. von Werlhof beschreibt ist mit Sicherheit eine Ursache. Nur steht auch hinter einem Manne auch meißt eine starke Frau, die ihm den Rücken freihält! Und auch Frauen können ihre Macht zum negativen ausnutzen und unterdrücken. Da gibt es in der Geschichte genug Beispiele.

    Der Gruppenzwang in Organisationen, zu dem ich mich noch NIE bekannte, ist ein anderes Übel.

    Ich war auch immer gegen Parteien und ihren damit verbundenen Gruppenzwang. Hatte mich eher zur Anarchie bekannt. Mittlerweile sehe ich das aber auch anders. Es gibt genug Menschen, die mit Freiheit nicht vernünftig umgehen können.

    Woraus resultiert eigentlich dieser Zwang zum gleichgeschalteten Denken? War es nicht schon immer die Macht und die Gier, welches die überwiegende Menschheit in`s Elend stürzte? Sind Hochkulturen (Westliche Welt) nicht schon immer untergegangen?!

    Ich schliesse mich da eher Dr. Bartonitz an. Gehe aber noch weiter und halt es mit Silvio Gesell. Das Kapital, das Geld ist der Tyrann des Menschen. Die Gier nach Besitz, Grund und Boden. Und nicht letzendlich die Gier nach Macht. In einer Welt, in der Geld Götze ist, kann es nur brutal zugehen!

    http://www.silvio-gesell.de/html/theologen_uber_geld-zins-boden.html

    Der Mensch ist ziemlich einfach gestrickt. Seien wir doch mal ehrlich mit uns…Der Mensch neigt zum Lügen und betrügen aus reinem Eigennutz. Der eine mehr, der andere weniger. Also kann auch eine einzelne Person ohne Partei das blaue vom Himmel erzählen um zu Macht, Anerkennung und „Reichtum“ zu kommen! Nichts anderes machen Parteien!

    Es gibt auch einen schönen Ausspruch

    Man geben einem Menschen genug Geld und sehe dann seinen wahren Charakter!

    Wenn man nicht die Wurzeln allen Übels beseitigt, nämlich für mich in 1. Linie der Besitz an Grund und Boden, die Geldschöpfung mit ihrem Zinseszins, wird es nie zu einem Frieden der Menschen auf Erden kommen! Der Mensch ist käuflich, auch Frauen sind davon NICHT ausgeschlossen. Im Gegenteil!

    Im übrigen gefällt mir das Gesellschaftsmodel von Professor Hörmann.

    http://www.franzhoermann.com/

    Und dabei betrachte ich dieses Model ohne links oder rechts, sondern aus rein humanistischen Gesichtspunkten. Hier wäre auch noch auf Erich Fromm zu verweisen.

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  29. Wunderbar, also lasst uns das Geld abschaffen oder wie mein Freund Franz sagte: Das Ende des Geldes ist gekommen, denn positiv wie negativ Zins (Silvio Gesell) kennt die wahre Natur nicht, auch kein Eigentum, alles ist uns nur geliehen.Und wer ausreichend versorgt ist, hat der noch einen Mangel? Hier liegt der Schlüssel, bin ich im Mangel brauche ich mehr, lebe ich in der Fülle bin ich ein Schenkender, das ist doch ganz einfach und unsere wahre Natur

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  30. Interessantes Thema, interessante Vorlage der bloggerin, sehr interessante Ausführungen der Kommentatoren – dennoch:
    „Bin ich so klug als wie zuvor“

    Deshalb schmeiße ich mal mit Steinen, damit dieses wichtige Thema nicht in der Sofagemütlichkeit allgemeiner Übereinstimmung versinkt:
    Abgeschafft werden kann nur, was da ist.
    Wie in der Physik tritt sofort an die Stelle des einen Körpers (der einen Kraft), der „abgeschafft wird, eine andere Kraft, SOFORT! – da es kein (echtes) Vakuum gibt.
    Es ist die Frage, ob die(se) dann auch wieder abzuschaffen ist.

    Bleiben wir bei „den“ Parteien, woher kamen die?
    Zunächst ist jede Position in der sozialen Existenz „Partei“ – oder sie existiert nicht.
    „Partei“ sein oder nehmen ist damit nicht nur regulär legitim, sondern unabdingbar zur Erfüllung eigener Identität.

    Im größeren Sozialverband wird das schwieriger: Es ist zu sortieren und zu bündeln nach „Parteien“, nach wenigen überschaubaren, die eine Regelung eröffnen, zulassen oder steuern.

    Dann wurde in weiterer Qualifizierung „Die Demokratie“ erfunden, gemeint: Herrschaft von Volk.

    Dieses Volk, bereits zwecks Steuerung der einzelnen Sozialverbände nach Parteien (legitimen und unlegitimen Interessen) sortiert, gruppiert und formiert bildet so nun EINEN Sozialverband in Demokratie – so die Theorie, bis heute.
    Damit gab es erst „Partei“ (Interesse), und daraufhin (!!) Demokratie.

    Demokratie wurde also gestaltet, um der Vielfalt der VORHANDENEN Interessen / Parteien besser Rechnung tragen zu können, als objektiv erforderliche Maßnahme.
    Demokratie ist also die „Krönung der Partei – Interessenwirtschaft“, sie ist damit aus sich heraus eine schlechte Gesellschaftsordnung, da sie aus einem Anspruch des Parteienausgleiches entstand, den sie schon mit ihrer Entstehung pervertieren mußte, denn:
    Es gab und gibt keine „Demokratie“ auf unseren Planeten, die nicht zwangsweise auf einer Sklavenwirtschaft beruht und anders nie entstanden wäre – Möge man mir eine einzige nennen, die ohne Zwangsentrechtete und deren Be- und Ausnutzung oder Beseitigung entstand und bestand und besteht, in der ALLE „Parteien“ (wie vorgedacht) an der „demokratischen Lenkung des Interessenausgleiches“ teilhatten oder haben – und ich widerrufe mich.

    Demokratie ist also die Erfindung eines Teiles des Volkes zur Klärung dessen Interessenausgleiches bei gleichzeitigem Ausschluß anderer Teile, die im Status des Sklaven „dabei“ sind, bis hin zur modernsten Lohnsklaverei der Gegenwart überall in der Welt.
    Damit ist also Demokratie eine eigentlich untaugliche Ordnung zum gesamtgesellschaftlichen Interessen-(Parteien)ausgleich.

    Da wir jedoch bis heute keine bessere kennen, ist Demokratie, als „Krönung von Parteiwirtschaft“ und als schlechte Gesellschaftsordnung auch leider derzeit die einzige, die überhaupt gesellschaftliche Interessenausgleiche (bedingt) ertäglich organisieren läßt.
    Deshalb, nund nur deshalb ist unsere Demokratie auch entsprechend sorgsam zu hegen und zu pflegen, und eventuell, wo erreichbar, von ihren Mängeln zu befreien, zum Beispiel hinsichtlich der Rahmen, die mit / durch sie gesetzt werden können, um statt rein egoistischer „Parteiinteressen“ mehr zu einem „mutualistischen Miteinander Nutzen ziehen für alle“ zu kommen, nach einem „Gesetz der gegenseitigen Hilfe“ (Kropotkin), nach dem derart organisierte Sozialisationen grundsätzlich sich besser verbreiten und erhalten konnten.

    Und nun endlich PARTEIEN – abschaffen , oder nicht?
    Bleiben wir bei „Partei“ als Organisation – die lassen sich per Federstrich abschaffen – falls „man“ das will
    (Nur: Wer ist „man“?)

    Allerdings das Grundelement von Demokratie, die „Interesse als Partei“, die Bündelung von Interessen in parteilichem Verhalten – ist damit weder abgeschafft, noch läßt sich das abschaffen, denn es ist elementarer Bestandteil und wesentliche Triebkraft unserer Gesellschaft von Menschen.

    Ich könnte sie auch als die Unterschiedlichkeit, oder Unterscheidbarkeit oder den UNTERSCHIED schlechthin bezeichnen, der uns, als INFORMATION, systemisch zu dem entwickelte, was schließlich Mensch wurde.
    Nur die sich ständig verstärkende Wahrnehmung, Erkennung und Verwertung von UNTERSCHIEDEN zu Information und Handeln in der Folge erlaubte diese biologische und soziale Entwicklung Mensch zum Heutigen.

    Es ist also der Unterschied, die Informaqtion, der/die treibt, entwickelt, sichert und Regelung ermöglicht, im menschlichen wie in jedem anderen System.
    Im Bereich der Menschen findet er Ausdruck – na? In seiner Identität, seiner Interesse – seiner PARTEI, er ist Partei oder ist nicht.

    Und nun schaffen wir die „Parteien“ ab, als Organisationen – wird der Mensch als unterschiedliche unterscheidende und sich dadurch identifizierende Partei im Ganzen (!!), in einem GANZEN, dadurch auch abgeschafft, oder WIE artikuliert und verwirklicht er nun seine Identität, seine Interessen, seine PARTEILICHKEIT?

    Natürlich durch Parteien, die zu organisieren sind, neue, andere?

    Es wurde die falsche Frage gestellt: Nicht die „Abschaffung der Parteien“ ist das zu lösende Problem, sondern die „Herstellung sinnträchtigen Funktionalität dieser und / oder neuer Parteien“ auf der Basis des gleichermaßen ALLER auf mutualistisches Wirken orientierten Parteien – was zwangsläufig ZUGLEICH JEDE ART VON SKLAVEREI, auch die moderne Lohnsklaverei, ZUM NUTZEN ALLER ausschließt.

    Nicht „ohne“ Partei, sondern „Partei sein, ergreifen“, auch unter dem blumigen Namen „Bewegung“ (auch nur Partei), überlaßt sie nicht dem Amtsschimmel (der „Parteienwirtschaft), gebt ihnen die erforderlichen zielführenden Zügel …

    Ob das dann endlich / noch „Demokratie“ – oder schon „Demoskratur“ ist?

    Wir sind eine INFORMATIONSgesellschaft – seit 6000 Jahren, ihr (der Information, dem wahrgenommenen Unterschied) verdanken wir, daß wir sind, wie wir sind und weiter werden.
    Nur, wenn Information gleich UNTERSCHIED ist, dann sind wir auch eine UNTERSCHIEDSgesellschaft (wie auch: Gesellschaft von Parteien), seit 6000 Jahren.
    Es wird Zeit, das nun, nach 6000 Jahren, auch mal so zu nutzen, daß der AusGLEICH (das ist keine Gleichheit, sehr wohl aber Chancen- und generelle Teilhabegleichheit) tatsächlich vor allem anderen zum Tragen kommt, zum „Bestimmer“ wird, nun für alle, auch für die Parteien der Sklaven.

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  31. Ein Stein noch hinterher (wer beide Positionen GENAU gelesen hat, wird sich völlig andere Fragen stellen müssen …):
    Aus der Schlußfolgerung der Antje:
    „Simone Weil weist auch darauf hin, dass der schädliche Einfluss des Parteiendenkens längst auch auf andere gesellschaftliche Bereiche übergegriffen hat. Nicht nur das politische System im engeren Sinne, sondern die kulturelle Debatte insgesamt ist in der Logik von Parteien organisiert“ –

    Ja, und wieso liegt D A S nun an der EXISTENZ von Parteien? WER oder besser WAS sind „Parteien“?
    Vergessen?
    DAS sind MENSCHEN. Konkrete Menschen, die denken und handeln, ob das von Weils so bezeichnete Problem nicht vielmehr an DIESEN Menschen liegt, anstatt an der „Existenz von Parteien“?
    Und gleich „vorbeugend“ noch dazu: Sollte das bejaht werden, daß es an diesen Menschen liegt, und zugleich festgestellt werden, daß sich mit diesen Menschen das auch nicht ändern läßt, weil eventuell Menschen prinzipiell und folgesdessen nur so „parteisystemisch“ handeln können – dann geht mit diesen Menschen erst recht nichts Anderes, wie die „fließende“ Parteilichkeit.

    Da ich an den Menschen und an nichts anderes glaube, wenn es um Menschen geht, sage ich, das was Weils als „fließende“ (auch wie asystemische) Parteilichkeit meint und gut wäre (ist!), bildet kurz über lang eigene Parteilichkeitssysteme und damit wieder „Parteien“ aus.
    Es ist jeweils INNERHALB UND MIT DEN GEGEBENEN Rahmen und Srukturen durchzusetzen, nicht gegen das Wesen sytemischer Existenz, die grundsätzlich nach Erhalt, Identität durch Abgrenzung, Entwicklung, Bündnis und Koexistenz zu anderen Systemen strebt.
    Manche sagen zu dieser systemischen Existenz (hier) auch die „Natur des und der Menschen“.
    Dazu, zur Natürlichkeit und Kultürlichkeit von Mensch, ist bisher leider kaum etwas zu erfahren gewesen.
    KULTÜRLICHKEIT (menschgemachtes, z.B. „Partei“) funktioniert nur nachhaltig MIT (der systemischen) NATÜRLICHKEIT, nie dagegen.

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  32. es geht um mangel oder fülle, es geht um begrenzung oder glück, parteien gehören wie das system zu dem mangel. der begrenzung erzeugt. somit können sie keine zukunftsrelevanz haben, wenn ich unter gewinner jemand verstehe, der auf der herzebene einen freund oder freundin gewonnen hat, doch dazu hat man uns noch nicht erzogen, das dürfen wir selber tun. prof. dr. hüther durchleuchtet das mit hilfe der hirnforschung http://www.youtube.com/watch?v=Xt0B3Y4FMl4

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  33. Ich habe selber in meinem Blog, ohne überhaupt von dieser Schrift zu wissen, ein paar viel einfachere Argumente dafür gegeben, dass man die Parteien in der jetzigen Form abschaffen sollte. Ich finde es schon interessant, wie man auf ganz anderen Wegen zu doch halbwegs ähnlichen Ergebnissen kommen kann. Schön geschrieben.

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  34. Einfach Klasse Ihre inhaltlich-zugespitzten, zusammenfassenden Überlegungen der S. Weill.

    Ich stieß auf S. Weill in einem Interview mit Ulricke Guérot zur Zukunft Europas. Dort führte sie aus, dass das zukünftige Europa eine Republik (res publica) sein sollte – sich also eine europäische Gesellschaft entwickeln könnte, die sich an der Verfolgung/Erringung des Gemeinwohls orientiert. Dabei verwies sie auf die kritischen Überlegungen von S. Weill, dass die Gemeinwohlorientierung mit bzw. durch Parteien nicht unbedingt sichergestellt ist.

    Im ökonomischen Paradigma, bei dem die Neo-Klassik vorherrscht, kommen mir die Überlegungen zu einer „Schaffung“ einer Gemeinwohlökonomie bzw. die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf das Gemeinwohl viel zu kurz bzw. unterbleibt. Die Kritik von Weill an Parteien wird für mich besonders augenfällig und konkret, wenn ich an die FDP und deren ökonomische Ausrichtung denke. Wobei mein Urteil in Bezug auf die anderen Parteien möglicherweise noch zu relativieren ist…

    Angesichts der aufgeregten Diskussion über die Ausgestaltung „unserer“ Demokratie und der breiten Streuung der (parteipolitischen) Ziele könnten m.E. die Gedanken von S. Weil wieder an Aufmerksamkeit gewinnen.

    Vielen Dank für Ihren Beitrag – Ulrich S.

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