Luxusprobleme

Mein nasser Bademantel wartet, bis der Blogpost fertig ist. Im Hintergrund die Donau.

Heute morgen war ich schwimmen. In einem auf 29 Grad beheizten Außenpool auf  dem Hoteldach, mit Blick über die Donauhügel. Das Hotel, in dem ich als Referentin von den Veranstaltern eines Symposiums untergebracht wurde, hat so einen. Ich war ganz allein. Es war atemberaubend schön.

Natürlich dachte ich sofort: Wie pervers ist das denn! Wir haben Energiekrisen und hier wird ein 1,40 Meter tiefer Pool so aufgeheizt, dass Madame Antje vor dem Frühstück ein paar Runden in frischer Luft kraulen kann.

Luxusprobleme.

Normalerweise gibt es bei uns zwei Alternativen, wie Leute damit umgehen: Moral und Ingnoranz.

Die Moral sagt: Das ist böse, das darfst du nicht machen, oder wenn, dann nur mit schlechtem Gewissen. Du verbrauchst Ressourcen, die eigentlich anderen gehören. Du musst, um ein guter Mensch zu sein, gegen solche Ungerechtigkeiten kämpfen. Am Besten gehören beheizte Außenpools im Winter gleich ganz verboten.

Die Ignoranz hingegen – die meiner Ansicht nach eine Reaktion auf Moral ist – ignoriert das Problem. Sie denkt sich Rechtfertigungen aus, die die Illusion erzeugen, es gäbe gar kein ethisches Dilemma. Zum Beispiel: Das hab ich mir verdient. Ich hab ja dafür bezahlt. Dieser beheizte Pool kurbelt den Tourismus an und sichert Arbeitsplätze. Wenn die Leute sich nur mehr anstrengen würden, könnten sie auch in einem beheizten Außenpool schwimmen.

In der Realität treten Moral und Ignoranz sogar meistens gleichzeitig auf. Man redet bei dem einen Problem moralisch und handelt bei dem anderen Problem ignorant, oder – noch schlimmer – redet öffentlich moralisch und handelt insgeheim ignorant.

Hier eine Alternative, die ich mir heute im Pool zu der falschen Wahl zwischen Moral und Ignoranz ausgedacht habe.

Und zwar habe ich mir überlegt, dass man solche Luxusmomente mit Dankbarkeit genießen sollte und in dem Bewusstsein, dass man jetzt ein unfassbares Glück hat. Also wissend, dass man hier etwas genießt, völlig unverdient, worauf man kein Recht und keinen Anspruch hat.

Jedenfalls hatte ich den starken Drang, beim Hin- und Herschwimmen ständig zu rufen „Wow, ist das schön!“ Meiner Ansicht nach ist das eine mögliche Übersetzung von „Danke“, das als Wort wie als Konzept heute ja etwas antiquiert klingt.

Luxus ist etwas Schönes, weil es einfach Dinge auf der Welt gibt, die so unglaublich schön sind, dass sie das „Normale“ übersteigen. Und es stimmt nicht, dass das nur in der Natur oder in spiritueller Innerlichkeit erfahren werden kann. Nein, die von Menschen erfundenen Luxusgüter wie etwa beheizte Außenpools spielen da eine Rolle. Luxus ist hergestellt, ein Produkt.

Luxus bedeutet aber auch, dass diese Dinge selten sind, die Ausnahme von der Regel. Jeden Tag in einem beheizten Außenpool zu schwimmen, das wäre wirklich pervers. Man kann keine Umverteilung von Luxus auf alle fordern, wie man Umverteilung von Brot und Grundeinkommen auf alle fordern kann.

Und noch etwas: Damit Luxus „ethisch okay“ ist, muss wirklich der Genuss im Vordergrund stehen und nicht die soziale Distinktion, also das Sich über andere Stellen. Bei dem meisten, was heute als „Luxus“ gehandelt und verkauft wird, ist es genau andersrum. Wenn man also schon etwas verbieten will, dann Werbung, die nicht mit der Schönheit der Dinge wirbt, sondern mit dem sozialen Status, der damit verbunden ist. Die ist nämlich pervers.

Aber wenn diese drei Punkte bedacht sind: Man ist dankbar für das Großartige, das man momentan genießt, man macht sich klar, dass das ein Glück ist und dass man das nicht selbst verdient hat, und man genießt wirklich die Sache als solche und nicht das „Mehr wert Sein“ als die anderen – dann ist Luxus wirklich okay.

Und in diesem Sinn will ich Luxus für alle. Genau so, wie wir ja auch alle Königinnen sind.

(Ähnliches Thema: Die Regeln der anderen)

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

11 Gedanken zu “Luxusprobleme

  1. Das Jubeln in dir beim Schwimmen, kann ich gut nachvollziehen. Auch die Gedanken dazu, diese innere Stzimme die sagt: Darfst du das jetzt?“. Musste herzlich lachen bei dieser samstäglichen Frühstückslektüre.

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  2. Sorry, aber in Zeiten in denen immer noch fossile Brennstoffe in die Luft geblasen werden, gibt es keine Rechtfertigung für einen künstliche erwärmten Aussenpool im Winter. Nein.

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  3. Ich glaube, dass diese Auffassung gar nicht so revolutionär und neu ist und zwar vor allem unter Menschen, die nicht viel Geld haben. Wenn ich mir alte Traditionen ansehe, sieht man, wie wichtig es ist, hin und wieder etwas Schönes zu haben, was nicht unbedingt nötig ist und daher eher unvernünftig ist: Das scheint mir bei vielen Festen der Fall zu sein.

    Das fängt beim traditionellen Sonntagsbraten an: das war etwas für Leute, die es sich nicht leisten konnten, jeden Tag Fleisch zu essen. Natürlich ging es da auch um Distinktion: die, die jeden Tag Fleisch essen konnten, standen besser da als die, die nur sonntags Fleisch esseen konnten, und die, die sonntags Fleisch essen konnten, standen besser da als die, bei denen es auch sonntags nur Kartoffeln gab.

    Ich frage mich auch gerade, wann Konsum zu einer moralischen Frage geworden ist. Es war nicht immer so – siehe oben. Es ist wohl einerseits die Umweltschädlichkeit von unseren Konsumgewohnheiten, und andererseits, dass uns bewusst geworden ist, dass das, was wir mehr konsumieren, anderen Menschen fehlt. Ich weiß nicht, ob es diese Haltung schon früher gab. Asketismus gab es schon früher, aber dabei ging es mehr um das eigene Seelenheil.

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  4. Ich bin der Meinung, das ich, von wenigen lokalen kleinen Ausnahmen, bei denen ich auch mal Gutes weitergebe, nur auf Kosten anderer lebe. Starke Kosten die viele andere ungefragt „zahlen“. Damit ich mich nicht nun von der nächsten Brücke springe habe ich mir ein hohes Maß eines Tunnelblicks angeschafft. Und den schwachen Trost, das ich mich ja auch nicht selber in dieses Leben gesetzt habe. (Wenngleich ich grundsätzlich sehr glücklich mit dem Umstand bin, wann, wo und vom wem ich ins Leben gesetzt wurde und selbiges eben durchaus genieße… und mir jeden Tag bewusst mach… nein, nicht bewusst mache: mir einfach bewusst ist.)

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  5. Was für ein schönes Posting. Sie bringen es auf den Punkt: Das Problem fängt da an, wo der Luxus instrumentalisiert wird, um Ungleichheiten zu schaffen, dem Luxus mithin einen Wert über den ganz persönlichen Genuss hinaus zuschreibt. Dabei reicht letzteres eigentlich doch völlig.

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  6. Der Pool scheint ja der Hammer zu sein! 🙂

    Ich verstehe nicht, warum die Nutzung des Pools, wenn man schon in dem Hotel einquartiert ist, eine moralische Frage sein kann. Er ist ja da und wird eh beheizt.
    Ich würde mir höchstens die Frage stellen, ob ich es mit mir vereinbaren kann,ein Zimmer in einem solchen Hotel zu buchen. Denn wenn niemand so etwas nachfragen würde, wäre es ja nicht da…
    Hier stellt sich dann die spannende moralische Frage: wie groß ist meine Verantwortung als Konsumentin für z.B. die Entscheidungen von Hoteliers, die von Landwirten, Arbeitgebern, etc.? Und: ist indivdueller Konsumversicht wirklich das adäquate Mittel um etwas an schlechten Zuständen zu ändern? Ich weiß es nicht.
    Ich teile deine Feststellung, es sei gut, Luxusdinge ohne schlechtes Gewissen aber mit Dankbarkeit zu genießen. Nur sind meine Fragen damit weder beantwortet noch werden sie dadurch irrelevant. Oder? Ideen?

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  7. Die Lösung: Nächstes mal im Landgasthof übernachten, am Stammtisch und in der Küchentür mit den Eingeborenen reden und rausfinden, was die unter Religion verstehen 😉

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  8. Ich gestehe, dass ich die Relevanz der Frage, in welchem Geist irgendjemand seinen Luxus geniesst, nicht einzusehen imstande bin.

    Selbst die Aussage, „Luxus“ dürfe nur ab und zu genossen werden, führt ja zu keiner realen Änderung der Verhaltensweisen von Menschen, da es relativ ist, was sie als Luxus ansehen, sprich: Frau Schrupp wird wohl das Schwimmen im warmen Becken als Luxus ansehen, weil sie es selten macht/machen kann, während jemand, der ein beheiztes Schwimmbecken sein eigen nennt, vielleicht eher den Privatjet luxuriös findet.

    Übrigens bin ich hiermit

    „Man kann keine Umverteilung von Luxus auf alle fordern, wie man Umverteilung von Brot und Grundeinkommen auf alle fordern kann.“

    auch absolut nicht einverstanden. Ich finde, es ist eine ganz wesentliche Aufgabe der Gesellschaft, ihren Mitgliedern Luxus zur Verfügung zu stellen – wobei natürlich klar ist, dass nicht jeder jeden Luxus zu jeder Tag-und-Nacht-Zeit geniessen kann.

    Aber es sollte jeder die Möglichkeit haben, beliebigen Luxus ab und zu mal zu geniessen.

    Weswegen zum Beispiel die Stadt, in der ich lebe, ziemlich viele Bäder unterhält, die ein beheiztes Schwimmbad unter freiem Himmel anbieten, wenn auch nicht alle mit Donaublick ….

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  9. Luxus oder Annhemlichkeiten & Erleichterungen vom Alltag sind im Grunde genommen der einzige Antrieb des Menschen, sich zu entwicklen. Wäre dies nicht, würden wir heute immer noch in Hölen hausen und gejagtes rohes Fleisch „fressen“.
    Hier im speziellen Fall stellt sich die Frage, woher kam die Energie, die diesen Pool erwärmt hat ? Kam sie von Regenerativen Quellen oder von Fossilen oder gar vom örtlichen AKW ?

    Meine Sichtweise: Luxus kann auch sein, den Moment der Zeit zu genießen so wie er ist. Und das kann durchaus auch in der rohen freien Natur sein – ganz ohne „Luxus“.

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  10. „Damit Luxus ‚ethisch okay‘ ist, muss wirklich der Genuss im Vordergrund stehen und nicht die soziale Distinktion, also das Sich über andere Stellen.“

    Welche Gedanken man sich beim Luxuskonsumieren macht – und seien es noch so hehre – machen das jeweilige Tun zB das Schwimmen im geheizten Pool im Winter nicht ethisch mehr oder weniger ok. Eine sehr verständliche, aber unehrliche Art der Gewissensberuhigung finde ich.

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  11. Was Du schreibst, was Dich beschäftigt ist unser aller liebste Beschäftigung. Ich nenn‘ es Hirnwixen!
    Dabei ist es völlig schnurz, was Du Dir im Pool, beim Völlern, beim Herumreisen, was immer … denkst.
    Es geht darum was Du TUST!
    Und Du hast getan!
    Du hast ein irrwitziges Angebot angenommen.
    Du hast sozusagen falsch, gegen den Paneten, gegen Achtsamkeit, gegen Rücksichtnahme, etc. abgestimmt!
    That’s it!
    In diesem Sinn: paradise your life ! 😉

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