Alienaugen im Deko-Dschungel.

Dekoration und Reichweite. Oder: Was ist Relevanz?

Alienaugen im Deko-Dschungel.

Ich bin auf einer Mottoparty zum Thema „Raumstation“. In einer Privatwohnung, drei Zimmer, Flur, Bad, alle phantasievoll dekoriert. Ein Raum ganz dunkel zum Chillen, mit leuchtenden Planeten am Himmel, einer metallisch-silbern verkleidet, einer mit grünem Dschungel. Eine Woche Urlaub haben sich die Gastgeber genommen, um das so hinzukriegen, monatelang Ebay durchstöbert.

Ich kann mich nicht beherrschen und schicke Bilder auf Instagram. Es ist einfach zu schade, dass nur wir paar Partygäste dieses grandiose Kunstwerk sehen dürfen. Und dann kommt mir dieser bescheuerte Gedanke: Wenn es einen Wettbewerb für die am besten dekorierte Partywohnung gäbe, dann würden die hier gewinnen.

Und sofort weiß ich auch: Wenn es einen solchen Wettbewerb gäbe, dann wäre das ganze Schöne futsch. Dann kämen nämlich die Mikrofone, die Reporterinnen, die Dekorationsexperten. Die objektiven Maßstäbe. Dann würden auf einmal die unwahrscheinlichsten Leute anfangen, dekorierte Parties zu veranstalten, nicht für sich und ihre Gäste, sondern für den Preis, den Ruhm, das Rampenlicht. Es wäre Mist.

Das Schöne und Erstaunliche an unseren Gastgebern ist aber gerade, dass sie es einfach so machen. Weil es ihnen Freude bereitet, weil es uns Freude bereitet. Weil die Welt ein bisschen schöner und besser wird dadurch. Sie haben es nicht auf Reichweite abgesehen, sondern auf das gute Leben. Es geht ihnen nicht um Effizienz, sondern um Sinn.

Mir kommt eine Passage aus dem wmr-Podcast in den Sinn, wo Johnny Haeusler über die Reichweite von Blogs und Podcasts spricht. 3000 Leute, die den Podcast hören, das sei doch keine Reichweite. 100000 Leute, das wäre Reichweite. Ich höre raus: Drunter ist es doch nichts.

Ich bin nicht überzeugt. Denn Reichweite an Zahlen zu bemessen, das ist irgendwie 20. Jahrhundert. Wenn man sich bei dem, was man tut, an der Quantität orientiert, also an den Zahlen, hat man unweigerlich für das, was man tut, einen gefährlichen Maßstab eingeführt: den der messbaren Resonanz von anderen.

Ich bezweifle stark, dass jemand, der die Relevanz des eigenen Handelns daran misst, wie viele Leute „draufklicken“, sich der Versuchung erwehren kann, das eigene Tun entsprechend zu modellieren. Das traurige Extrem sind dann diese aus Keywords zusammengerotzten Texte, die für Werbekram Klickzahlen generieren sollen. Sie haben ganz offensichtlich überhaupt keine Relevanz, sie sind nämlich komplett sinnfrei. Aber sie haben Reichweite. Reichweite zu haben, ist ihr einziger Zweck.

Relevanz ist ja eine relative Angelegenheit. Sie ist keine objektive Eigenschaft einer Information, sondern ergibt sich erst aus der Wechselbeziehung zwischen einer Information und den Interessen und Wünschen anderer: Was für mich relevant ist, muss für jemand anderen nicht auch relevant sein.

Wahre Relevanz bemisst sich also nicht an Zahlen, sondern an der Passgenauigkeit dieses Scharniers: Ein Blogpost, der zwei Leute zum Umdenken anregt, ist objektiv „relevanter“ als einer, der zwanzigtausend in ihrer Meinung bestätigt.

Reichweite in Quantität zu messen ist 20. Jahrhundert. Aufgrund der physikalischen Knappheit von Verteilungsressourcen gab es ja vor dem Internet keine andere Möglichkeit für eine Idee, zu diesem Scharnier vorzudringen, als die der massenhaften Verbreitung. Je höher die Auflage, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass jemand es findet. Bekanntlich wurde diese Chance aber permanent durch den redaktionellen Zwang zum Konformismus unterlaufen.

Heute ist das anders. Was für mich wichtig ist, wird mich finden. Auch wenn ich möglicherweise die einzige Person auf dieser Welt bin, für die das wichtig ist.

Das ist im Übrigen ja auch schon eine einfache mathematische Gleichung. Wenn alle Menschen publizieren können, dann können die quantitativen Reichweiten nicht mehr so sein wie in Zeiten, wo Publizieren ein Privileg von wenigen war. Wenn alle Blogs die Reichweite der Bildzeitung hätten, würde niemand mehr ihnen Aufmerksamkeit widmen können, denn wir müssten alle nur ständig klicken. Zum Lesen hätten wir gar keine  Zeit mehr.

Ich schreibe meinen Blog deshalb nicht für euch. Aber auch nicht nur für mich. Sondern ich schreibe meinen Blog, weil ich der Meinung bin, dass das, was ich hier schreibe, geschrieben werden muss, weil ich glaube, dass die Welt das braucht. Ob das auch noch andere so sehen, ist für mich kein Kriterium. Natürlich freue ich mich, wenn das so ist. Aber ich habe es halt nun mal nicht in der Hand. That’s life.

Das Wichtige am Bloggen ist nicht die quantitative Verbreitung, sondern diese Qualität: Ich muss meine Ideen und Gedanken bloggen, denn nur so können diejenigen, für die das eventuell relevant ist, sie auch finden (das geht nämlich nicht, wenn ich es in meinem Kopf oder auf meiner Festplatte lasse). Deshalb bemühe ich mich auch, diesen Prozess des „Scharnierfindens“ zu befördern: Ich verlinke, ich vernetze, ich mische mich in Debatten ein, ich formuliere (hoffentlich) halbwegs verständlich etcetera. Aber erhöhen will ich damit  nicht die Klickzahlen, sondern die „Scharnierfindungswahrscheinlichkeit“.

Darin liegt nämlich die wirkliche wahre Qualität jeder Sache, die getan wird – sei es die Dekoration einer Wohnung zu Partyzwecken oder das Schreiben eines Blogposts oder was sonst auch immer: Dass jemand etwas tut, weil er oder sie findet, dass das getan, gesagt, gemacht werden muss. Jeder schöpferische Prozess ist sozusagen eine Wechselwirkung zwischen dem Subjekt und der Welt, die gegenseitig aufeinander antworten. Es ist das Ergebnis einer Notwendigkeit, eines inneren Drangs, eines Wunsches, es möge so sein (oder es möge anders werden) – und genau nicht das Ergebnis einer Konkurrenz um Preise, Anerkennung des Mainstreams, Reichweiten und so weiter.

Benchmarking und Klickzahlenmessung ist bullshit. Weil Benchmarking und Klickzahlenmessung implementierter Konformismus sind, die Neues per default ausschließen.

Update 1: Lest als Ergänzung bitte unbedingt auch diesen Blogpost von das Nuf über „Relevanz und Firlefanz“

Update 2: Und bitte auch den von Journelle über Kleinstädtische Relevanz

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

60 Gedanken zu “Dekoration und Reichweite. Oder: Was ist Relevanz?

  1. Bingo!

    Ich find es immer wieder schön und interessant, dass auch alte Artikel auf meinem Blog „gesucht“ und angeklickt werden.
    Bei (fast) jedem Artikel, den ich auf meinem Blog veröffentliche, ist es mir wichtig, dass ein Mehrwert entsteht. Ich halte mich nicht für die Alltwissende, deshalb verlinke ich gerne auf weitere Quellen. Außerdem möchte ich den Leserinnen die Chance geben, sich zu den unterschiedlichsten Themen ein Gesamtbild machen zu können.

    Deshalb zucke ich auch immer nur mit den Schultern, wenn es um Vergleich mit Alphablogger geht. Dass Frauen nicht in den oberen Rankings abgebildet seien…
    Oder es amüsiert mich, wenn kleinere Blogs in ihren Blogrolls auf Alphablogs hinweisen – als würden die nicht sowieso schon gefunden.

    Spannend ist doch gerade, das Unerwartete zu finden.
    Das finde ich übrigens häufiger bei kleinen Blogs. Sehr häufig von Frauen geschriebenen Blogs,
    Deshalb messe ich mich nicht an Alphablogger, diese meist zudem noch männlich und sehr mainstreamig…
    Was finde ich denn bei denen noch Neues und Unerwartetes? 😉

    Relevant ist das, was mich weiterbringt… Irgendwie…
    Ich bin als Leserin im Internet die Hauptperson und nicht ob ein Blog relevanter ist, weil 100.000 Klicks täglich darauf stattfinden.

    Deshalb: Schöner Artikel. Gerade sehr passgenau. 🙂

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  2. In weiten Teilen stimme ich dir zu, wobei ich einwenden möchte, dass der Zusammenhang zwischen „Relevanz“ und“Reichweite“ noch nicht ausreichend duchdiskutiert ist. Was du „20. Jahrhundert“ nennst, ist für mich mit diesem Begriff zu wenig scharf erfasst. Eigentlich geht es doch um die im neoliberal unterlaufenen Werbesprech verbreiteten Sophismen, die aber sind weder 20. noch sonst ein Jahrhundert, sondern immerdar vorhanden. Wenn Sophismen nun durch Reichweite bestechen, ab wann ist diese Reichweite dann eine Qualität, mit der ich mich wiederum auseinandersetzen muss, weill sie Sinn unterläuft und unterhöhlt?

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  3. Schöne Gedanken, trotzdem: Kommt drauf an. Eine von den „New rules for a new economy“ aus der WIRED (zugegeben auch sooo 20. Jahrhundert http://www.wired.com/wired/archive/5.09/newrules.html) war: Significiance precedes momentum. Viele Dinge, die mir wichtig, schön, bemerkenswert erscheinen (signifkant) sind nicht relevant (keine momentum). Aber wenn’s Momentum bekommt (Wettbewerb der Dekorationen), kann das nur in Zahlen gewertet werden. Aber genau, eine Sache muss nicht Momentum haben, um für mich signifikant zu sein. Das Momentum ist dann eher Ausdruck das Tatsache, dass das für viele Leute signifikant ist. So gesehen ist es immer die Frage, ob ich Signifikantes (subjektiv) berichte – das tue ich für mich – oder ob ich testen will, ob etwas Momentum hat – das drücke ich dann schon in Zahlen aus. Stichworte sind hier: Macht, Narzismus

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  4. Ich bin oft sehr dankbar dafür, dass du deine Gedanken nicht auf der Festplatte liegen lässt, sondern sie mit uns teilst. Dieser Artikel ist ein wunderbares Beispiel dafür.
    Ich hoffe, er findet zu den Menschen, die sich von ihm inspirieren lassen.

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  5. @streetwolff – Ja, das mit dem Momentum stimmt, und ich nutze das auch, indem ich z.B. Gedanken und Texte von mir gerade dann blogge oder in Netzwerken darauf hinweise, wenn ich den Eindruck habe, sie sind ein wichtiger Beitrag zu der Sau, die gerade irgendwo durch Dorf getrieben wird. Es stimmt, dass dann auch die Reichweite steigt, aber das Phänomen lässt sich imho mit „Erhöhen der Scharnierfindungswahrscheinlichkeit“ noch besser beschreiben.

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  6. Sehr schön ausgearbeitet. Danke :).

    Schade ist nur, dass es einfach rein gar nichts helfen wird. Diejenigen, die laut schreien und möglichst viele Klicks und Aufmerksamkeit wollen, weil es ihnen gar nicht um Qualität geht, werden weiter laut schreien und Klicks bekommen und andere werden sehen, dass sie Klicks bekommen und sie deswegen weiter für „relevant“ halten. Dieses Chart-Denken kriegt man einfach nicht aus den Köpfen, das ist viel, viel älter als das Internet. Aber es ist dann doch immer beruhigend, zu sehen, wie sich im Laufe der Zeit das Problem löst, die schnell abgefeuerten Hits vom letzten Jahr plötzlich auf dem Grabbeltisch für nen Euro landen, während Qualität einfach für sich stehen bleibt. Auch beim Bloggen.

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  7. Grandios. Danke. Genauso isses.
    Auf der Rp12 habe ich mir die Quantify Self-Bewegungs-Sachen angehört und hab gerade überlegt, ob es genug Scharniere gibt, die die QSler solche Texte finden lassen.

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  8. Größtenteils gekauft. Aaaaber:

    Auch wenn Dein Kriterium des „Scharnierfindens“ gilt (ich würde behaupten, auch bei mir ist das die Hauptmotivation), ist es doch so, dass Reichweite nicht irrelevant ist. Die Wahrscheinlichkeit des Scharnierfindens erhöht sich doch nämlich auch mit der Reichweite. Sicher, Reichweite ist kein Garant dafür, aber eben auch ein nicht unwesentlicher Faktor.

    PS: Reichweite ist vor allem aber auch deswegen für uns ein Thema, weil wir (speziell ich) auch gerne etwas mit dem Podcast verdienen wollen, bzw. abhängig von Einnahmen sind. Und Reichweite erhöht definitiv die Flattreinnahmen, das lässt sich feststellen, und lässt vielleicht auch Werbung als Möglichkeit erscheinen. Johnny bezog sich – so weit ich das beurteilen kann – auch vor allem auf diesen Bezug zur „Relevanz“.

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  9. @Silke – sehr lustig, in der Zeit, als du diesen Kommentar geschrieben hast, hab ich mir das Video von deinem Vortrag bei der Republica angeschaut :)) Was Quantify Self-Bewegung ist, weiß ich gar nicht… Ich glaube, wir sehen uns bald in Berlin bei der Commons-Veranstaltung der Böll-Stiftung, worauf ich mich schon sehr freue!

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  10. @Antje: Ja, habe mich sehr über Deine Zusage gefreut. Dumm ist nur, dass ich mir jetzt für den Salon was Neues überlegen muss 🙂

    Falls bei der Suche nach der Quantified Self Bewegung (da gibt es einen ziemlich unpolitischen Bewegungsbegriff), ein Verweis auf Lebensmittelanalyse erscheint, so ist das ein Irrweg. Enzyklopädisch neutral formuliert geht es darum: http://de.wikipedia.org/wiki/Quantified_Self_Deutschland

    „Du kannst Dich besser motivieren, Dich besser mit anderen vergleichen, besser vorankommen, besser werden … wenn Du Dich permanent vermisst.“ (Wie bei anderen Themen auch wird das dann in die große Legitimationsfolie ‚Gesundheitsvorsorge‘ eingeschlagen.) Und für das Vermessen gibt es tolle Geräte am Markt, für deren Fortentwicklung Du Deine Vermessungsdaten ins Netz speist. Firma xy bedankt sich und macht alles besser… für Dich!

    Ist „sich vermessen“ und „sich vermissen“ in der 2. Person Singular ortographisch eigentlich dasselbe? Oder habe ich da nur ein Problem mit der Rechtschreibung, welches auf einen interessanten Zusammenhang verweist?

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  11. @Michael – Ja, klar gibt es einen „positiven“ Zusammenhang zwischen Scharnierfinden und Reichweite, einerseits, aber es gibt andererseits auch einen „negativen“ Zusammenhang, wenn nämlich der Wunsch nach Reichweite das Handeln beeinflusst, man also nicht mehr genau das macht, was man machen „muss“ (subjektiv), sondern das, wovon man glaubt, dass es die Reichweite erhöht. Dann gibt es zwar mehr Scharniere, aber Scharniere zum Falschen möglicherweise.

    Die Frage nach dem Geld ist natürlich auch eine berechtigte. Deshalb bin ich unbedingt dafür, dass Leute nicht von der Contentproduktion leben müssen. Politisch bevorzuge ich daher das Grundeinkommen, persönlich bevorzuge ich, mein Geld mit anderen Sachen zu verdienen, solange es das Grundeinkommen noch nicht gibt. Wobei es aber natürlich auch nicht ausgeschlossen ist, dass Reichweite, Geld und Ruhm trotzdem kommen können, sozusagen als Zugabe (bei mir ist das sogar ein bisschen so, aus Blogposts entstehen Aufträge z.B.). Sie sind aber, steile These, kein Kriterium für Qualität oder Nicht-Qualität oder für Relevanz und Irrelevanz, sondern Zufall… Also weil das, was ich sage, zufällig auf eine Nachfrage stößt. Ich übe deshalb immer, mir nicht zu sehr was drauf einzubilden, wenn etwas gut ankommt, und nicht in Selbstzweifel zu verfallen, wenn etwas nicht ankommt. Aber ich gebe zu, das ist momentan noch etwas unausgegoren.

    Wir sehen uns ja auch bald in Berlin 🙂

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  12. @Silke – Danke. Kannte ich noch nicht. Klingt ja sehr skurril (obwohl ich die Lust an Statistiken auch nachvollziehen kann, aber es ist natürlich fatal, wenn man darin mehr sieht als einen Gag:) – „vermisst“ ist für beide Verben in 2.p Sing richtig und ein richtig schönes „Teekesselchen“!

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  13. Antje, ja, da hast du sehr recht. Ich muss mich auch immer wieder Zügeln nicht zu sehr auf Reichweite zu achten. Manchmal gelingt es mir nicht. Wenn ich tatsächlich richtig abhängig von meiner Reichweite wäre, wäre das vermutlich noch viel schwerer …

    Haben wir also gleich noch ein Thema für in zwei Wochen. Ich freu mich! 🙂

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  14. @Antje: Sehr schöner und anregender Beitrag. Mir bleibt da nur zu sagen: Ich bin überzeugt, dass es eine Menge Blogger / Künstler / Politiker gibt, für welche ihr Tun primär keine Selbstdarstellung für Vergütung ist, sondern ein ständiger Dialog und Zusammenarbeit. Ein Ansprechen von Themen und Motiven, ein Erarbeiten von Positionen und Bildern, ganz gleich mit wie vielen Mitmenschen. Sich über Flattrs oder andere Einnahmen zu freuen mag zwar die Gefahr der Kommerzialisierung bergen, aber auch da bin ich überzeugt, dass viele mit dem von mir beschriebenen Ansatz weitgehend dagegen ‚immun‘ sind. Aber ich wäre auch niemand, der ein abonniertes Blog sofort abbestellt oder aufhört, einen Musiker zu hören, bloß weil ich mal das Gefühl hab, dass da jemand Gefälligkeitsschreibe / -gesinge betreibt, das wäre mir ein bißchen zu radikal Authentizitäts-ideologisch, sozusagen. Und manchmal findet ich selbst in grundkommerziellem Pop + Mainstream für mich neues und wertvolles – und wenn es nur neue kritische Gedanken sind. 😉

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  15. @Alexander – 100pro einverstanden! Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Relevanz und Reichweite/Einnahmen, weder einen positiven noch einen negativen. Deshalb ist es auch völlig okay, sich über Einkünfte und Reichweite zu freuen!

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  16. Oh. So hatte ich das bisher noch nicht gesehen (womit schon mal die eine, die umdenkt, geschafft wäre). Allerdings weil ich die Irrelevanz immer als befreiend und erleichternd empfunden habe: Liest eh kaum eine, richtet also auch nichts an, hurra Narrenfreiheit.
    Doch was du überzeugend darlegst, wird mein letzter Anlauf den PR-Kollegen zu erklären, was an ihrer Arbeit im Betätigungsfeld Web anders sein muss als auf anderen Feldern. Auch wenn sich vor dem Vorstand große Zahlen besser machen.
    Danke.

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  17. Kurz: Reichweite ist da überflüssig, wo man sie nicht braucht. Wusste ich schon 😉

    Wenn Du über Google gefunden werden willst, musst Du aber bei Google vorne stehen, weil auch die lustigen Relevanz-Spötter aus Faulheit nur auf Seite 1 und 2 schauen und nicht etwa auf Seite 21 oder 158.

    Und wenn Du gut bezahlte Auftritte willst, müssen genug Leute im Publikum sitzen, sonst wird das Ganze nämlich abgesagt oder es gibt zumindest keine Folgeaufträge. Damit braucht der Veranstalter Reichweite. Red doch mal mit denen, die das Marketing für Deine Veranstaltungen machen…

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  18. @irene – Ja, da hast du Recht, was die Vorträge betrifft. Das liegt eben auch an der Analogheit des Mediums Vortrag: Überall wo es physikalisch wird, muss mit Ressourcen kalkuliert werden (wobei ich Vorträge anders als Zeitungen zum Beispiel nicht für 20. Jahrhundert halte, sondern ich glaube, dass sie wieder wichtiger werden, aber das ist ein anderes Thema).
    Aber auch da ist die Qualität des Austauschs wichtiger als die Quantität des Publikums. Also nicht: Je mehr Leute kommen desto besser. Sondern: Es müssen genug sein, damit sich der Aufwand rechnet. Also die Frage ist bei Vorträgen imho nicht: Wie kriege ich möglichst viel Publikum? Sondern: Wie kriege ich das notwendige Minimum an Publikum?

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  19. Unter meinem Blog klebt seit Jahren ein Aufkleber der Aktion „small is beautifull“ , ich habe alle Suchmaschinen per Robots.txt ausgesperrt, und bin in praktisch keinem Social Network und resyndiziere meine Inhalte auch über keinen anderen Kanal. Statistiken über mein Blog lese ich ebenfalls schon seit Jahren nicht mehr.

    Und doch (oder vielleicht gerade deswegen) habe ich die besten Leser der Welt, eine wundervolle Gemeinschaft von tollen Menschen.

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  20. „Das Wichtige am Bloggen ist nicht die quantitative Verbreitung, sondern diese Qualität: Ich muss meine Ideen und Gedanken bloggen, denn nur so können diejenigen, für die das eventuell relevant ist, sie auch finden….“

    das ist der Beginn, aber gefunden habe ich es über Roberts Eintrag bei G+

    Bereits kleine Buben messen sich, sowohl die Länge eines bestimmten Körperteiles wie ihre Kräfte, aus welchen Gründen auch immer wurde uns Frauen dies seit ewigst und drei Tage abgewohnt => oder Buben anerzogen. Wer weiß es wirklich genau.

    Die anständige Frau hat sich noch zu Großmutters Zeiten brav in die Ecke gestellt und wartete dort bis sie hervorgelobt wurde – aber wehe sie wurde nie hervorgelobt, dann reagierte sie extrem moralinsauer.

    Und heute noch: wage es mal bei einem Besuch nicht den selbstgemachten Kuchen zu loben.. .

    Ich glaube, dass unter vielen Frauen sehr wohl Statistiken zählen,aber andere als in der Männerwelt => wieviele Blicke zog ich auf mich, sind die Falten mehr oder weniger geworden, Huch schon xyz graue Haare

    Die Dinge, die für viele Frauen relevanten Maßstab haben sind vermutlich andere als bei den Männern => ich kann nicht wie ein Mann denken, ich kann es mir nur gut vorstellen.

    Beides hat seine Richtigkeit und beides erleb ich auch in der Bloggerszene.

    Ich bin Geschäftsfrau im WWW, ich kann es mir schlichtweg nicht leisten nur zur Selbstbefriedigung öffentlich zu sein – und gibt es wo einen Ehrenkodex, dass Blogger kein Geld damit verdienen dürfen… .

    Im Verein backen die Frauen gigantische KuchenKunstwerke, beim Fest wird er dann billigst verkauft, weils ja selbstgemacht ist. Arbeiten die Männer am Vereinshaus, wirds als Eigenleistung mit dem Hilfsarbeiterlohn budgetiert.

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  21. Na wenn er so eine Art Internet-Unternehmer ist, muss er anders rangehen als Leute, die nur zum Spaß bloggen oder intuitiv das passende Marketing zusammenspinnen. Wenn er in Berlin Sääle mietet, kann es ihm nicht wurst sein, wie viele Leute er erreicht, so lange diese Summen für ihn keine Peanuts sind.

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  22. @monika – Ja, genauso war die aufgedrückte Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern bisher, die Frage ist ja, was wir ändern.

    Ich habe nämlich nicht geschrieben, dass ich zur „Selbstbefriedigung“ blogge (so scheinst du es verstanden zu haben), sondern ich habe geschrieben: „Ich schreibe meinen Blog, weil ich der Meinung bin, dass das, was ich hier schreibe, geschrieben werden muss, weil ich glaube, dass die Welt das braucht.“ Das ist ja genau mein Gegenprogramm zu dem „brav in die Ecke gestellt werden und warten, bis ich hervorgelobt werde.“! –

    Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Frauen, die nicht dasselbe machen wie „Alphamänner“, ihre Sachen „nur zur Selbstbefriedigung“ machen würden. Ich würde dem widersprechen – auch wenn es natrürlich manchmal vorkommt. Ich würde andersrum sagen, die Alphamänner machen das zur Selbstbefriedigung 🙂 _

    Mein Maßstab ist jedenfalls ein anderer: Ich mache das, weil ich es notwendig finde, das zu machen, weil es gemacht werden muss, weil ich auf eine Notwendigkeit antworte, auf ein „Bedürfnis in der Welt“. Weiß auch nicht, wie ich es besser ausdrücken soll. Jedenfalls NICHT bloß, weil es ich mal eben Lust drauf habe oder weil ich geil auf Lob, Ruhm und Ehre bin. ABER: Das spricht überhaupt nicht dagegen, dass es mir Spaß macht oder dass es Lob, Ruhm und Ehre bringen kann!

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  23. stimmt Antje
    „“Ich schreibe meinen Blog, weil ich der Meinung bin, dass das, was ich hier schreibe, geschrieben werden muss, weil ich glaube, dass die Welt das braucht.”

    Ich backte auch Kuchen, weil ich der Meinung war und bin, dass meine Familie das brauchte und braucht.

    Wenn ich die „Welt“ miteinbeziehe, dann ist dies entschieden ein größerer Kreis als meine Familie, daher stellt sich die Frage – zumindest für mich – erreiche ich „die Welt“ indem ich mich ihrer Maßstäblichkeiten entziehe oder erreiche ich „die Welt“ eher indem ich ihre Maßstäblichkeiten für mein Anliegen nutze,selbst dann, wenn mein Anliegen darin besteht die Maßstäblichkeiten dieser Welt zu ändern.

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  24. @Monika – Genau das ist die Frage! Und ich glaube, dass man sie nicht ein für allemal als Entweder-Oder entscheiden kann, sondern dass der Punkt gerade ist, dass man sie sich eben immer wieder in einer konkreten Situation stellt. Dazu muss man aber, so behaupte ich, zu den „Maßstäblichkeiten dieser Welt“, so wie sie momentan sind, eine gewisse Distanz wahren und eben wissen, dass sie nicht die wirklich relevanten Maßstäblichkeiten sind. Sie berücksichtigen und sich drauf einstellen muss man aber trotzdem. Luisa Muraro nennt diese Haltung „symbolische Unabhängigkeit“ und dieser Begriff gefällt mir recht gut.

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  25. „ich schreibe … weil ich der Meinung bin, dass das, was ich hier schreibe, geschrieben werden muss, weil ich glaube, dass die Welt das braucht.“
    Weil ich es kann, und weil es sonst niemand macht. Genauso seh ich (mit etwa 10 Lesern am Tag) das auch. Danke für die Ermunterung.

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  26. „symbolische Unabhängigkeit“ magich glaub ich auch 🙂 ich werde diesen Begriff für mich erarbeiten,
    aber vorher muss ich Statistiken erstellen, weil sonst für meinen Geschäftspartner mein intuitives Wissen nicht verifizierbar und somit nicht glaubwürdig ist => Paradoxa des Alltags.

    Danke für den gedanklichen Anstoß!

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  27. @Antje: Na, aus dem gleichen Grund, warum man Themenparties für Freunde bei sich zuhause macht. Wenn man 10, 20, 50 oder vielleicht sogar 100 Leute einlädt wird es ein schönes Fest. Wenn man 500, 1000 oder 10.000 einlädt, wird es vielleicht ein rauschendes Fest, aber von der Schönheit dürfte wenig übrig bleiben, ebenso wie von der Einrichtung und obendrei ist es schrecklich viel Arbeit für die Gastgeber … erklärts das so ungefähr?

    Äh. Und. Mein Blog ist überigens anmutunddemut.de und nicht verstaerker.wordpress.com (letzteres hat WordPress eben von alleine eingetragen, nach dem Login, freches WordPress …). :]

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  28. @Antje Schrupp

    Ein interessanter und anregender Beitrag zu diesem Thema.

    Den Ausdruck von Murano („symbolische Unabhängigkeit“) finde ich sehr treffend. Leider ist diese Haltung nicht häufig anzutreffen. Oder sie bleibt auf die theoretische Ebene beschränkt.

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  29. Erinnert mich an die säuerliche Feststellung, lieber gesund und arm als krank und reich zu sein.
    Dabei schliessen sich Gesundheit und Reichtum nicht gegenseitig aus – genauso wenig wie Qualität/Relevanz/Passgenauigkeit und Quantität/Reichweite/Überzeugungsarbeit.

    Warum sollte man, wenn man denn schon davon überzeugt ist, dass „die Welt“ die eigene „Botschaft“ braucht, nicht auch daran arbeiten, dass sie zuhört?

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  30. @Andreas – naja, das habe ich ja in dem Blogpost geschrieben: weil eben dann die Gefahr besteht, dass man nicht mehr das sagt, was man sagen will, sondern das, was man glaubt, dass die Leute hören wollen.

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  31. @Andreas

    Du beziehst dich auf Informations- und Kommunikationsinhalte und -prozesse ohne den Machtdiskurs und die Machtmechanismen zu berücksichtigen.

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  32. @AntjeSchrupp:

    Wenn Reichweite Selbstzweck wird, kann das vielleicht so sein – wobei eventuell das Publikum nicht so unkritisch ist, wie Du denkst?

    Aber die Antwort kann doch nicht sein, auf Reichweite zu pfeifen – schon alleine weil letzteres ja keine „gefahrlose“ Situation ist.

    Ich kenne jedenfalls mehr Blogs ohne Reichweite, deren Leserschaften den Eindruck einer eingeschworenen sich selbst bestätigenden In-Group erwecken, als solche mit Reichweite.

    Und mehr Autoren, die ein Problem damit haben, dass die Qualität, die sie liefern, nicht reicht, um in großen Gruppen, die alles von jeder Seite beleuchten, den Ton anzugeben, als solche, die verkannte Genies oder alternativ everybodies darling sind.

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  33. Damit sich irgendwas rentiert, braucht man Reichweite. Auch um die richtigen Leute zu erreichen, muss eine Information erst mal mehr oder weniger gestreut werden, und dann geht es im Idealfall über Empfehlungen an die Richtigen weiter.

    Dieser links-feministische Snobismus gegenüber Reichweite, Marketing, Kommerz und anderen vermeintlich schlimmen Sachen führt unter anderem auch dazu, dass pragmatischere Menschen Ideen erfolgreich vermarkten, bei denen man sich hinterher fragt, wieso eigentlich keine Feministin darauf kam. Die Community MyNFP.de (Zyklus online auswerten) gehört zum Beispiel einem Mann.

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  34. @Irene:

    Das Problem, das ich sehe, ist auch nicht, dass gute Ideen auf Grund der römischen Verdorbenheit des Publikums keine Resonanz erfahren, sondern ganz im Gegenteil:

    Ein echter Ideen- oder Informationsvorsprung wird heutzutage so schnell von Konkurrenten oder Nachahmern integriert ( auch übrigens z.B. in Legitimationen von Macht ), dass schon vor jeder Rendite der Markt fragmentiert und die Reichweite damit begrenzt wird.

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  35. @Irene – Ist das so? Mein Newsletter hat gut 800 Adressen. Allerdings ist das wohl auch eine Frage der Zielgruppe und deren Nutzungsgewohnheiten. Ich beziehe keine Newsletter mehr.

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  36. Irgendwie hab ich so den Eindruck, hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Marias Hinweis auf „Machtdiskurs und die Machtmechanismen“ find ich da sehr spannend.
    Bloggen ermöglich ja gerade einfach so, ohne große Resourcen, die eigenen Themen im Web darzustellen. Themen, die wichtig sind, weil sie einfach genannt werden sollen. Zum Beispiel Lesbengeschichte, Beschreibung von besonderen Situation, in denen manche Frauen leben. All das, was in den großen Medien aufgrund von Reichweite und Klickzahlen nicht gebracht wird, weil das „niemand“ interessiere…
    Das ist nicht die einzige Wahrheit.

    Und deshalb ist es relevant, was in manchen Blogs steht, die nicht darauf achten, dass sie möglichst eine große Reichweite haben. Die eventuell von sich aus eine bekommen, wie es manche auch beschrieben, weil die Themen so wichtig sind, dass Userinnen immer wieder zurück kommen.

    Wenn ich natürlich eine/meine Dienstleistung – Webservice etc. – verkaufen möchte, oder als Schreiberin irgendwo mal texten möchte, dann ist vermutlich, wahrscheinlich, eventuell die Reichweite wichtig, um über diesen Gießkannenstreueffekt an die richtige Stelle zu geraten…

    Aber ich hab auch schon davon gehört, dass manche Unternehmen vom Gießkannenprinzip langsam Abstand nehmen, weil es witzigerweise im Internet gerade leicht sein könnte, die richtige Zielgruppe am richtigen Ort anzusprechen…

    Naja, ich blogge, weil es mir Spaß macht und es mir wichtig ist, dass die Erlebnisse und Ereignisse gesagt werden. Und für eventuell Vorbeisurfende dann sichtbar sind.

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  37. … jedes Mal wenn ein newsletter von Ihnen in meinem mail-kasten landet freu‘ ich mich und lese mit grösstem Interesse … Danke für alle diese Gedanken die mich zum Nachdenken, meistens Kopfnicken oder manchmal auch Kopfschütteln anregen … bin eine treue Leserin, auch wenn ich bis jetzt nie einen Kommentar hinterlassen habe … das ein oder andere Mal habe ich auf fb geteilt und ich hoffe, dass das auch in Ihrem Sinne ist. Da ich in Frankreich lebe und gerne auf dem Laufenden bleiben möchte, vor allem was die Themen betrifft über die Sie schreiben, sind Ihre Beiträge für mich besonders wertvoll !
    Un grand merci
    Du bien à vous
    Susan-Barbara

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  38. Zustimmung meinerseits! Ich befuerchte bei der ganzen Sache nur, dass die Suche nach „Scharnierfindung“ bloß eine Handbreit entfernt ist von der Sehnsucht nach Klickzahlen. Allerhoechstens.

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