Wenn Markenexperten unsanft geweckt werden

Ist es ein Trend? Ich glaube schon.

Gerade mal einen Tag hat es gedauert, bis die Lufthansa ihre dümmliche Super-Women-Partnercard-Aktion wieder einstellen musste, nachdem Anatol Stefanowitsch vorgestern darüber gebloggt hat, Anke Domscheit-Berg dann über Twitter die Medien aufforderte, darüber zu berichten, und sich die Nachricht dann in gewohnter Geschwindigkeit über Blogs, Tweets und Zeitungsartikel durchs Internet verbreitete.

Vor ein paar Monaten gab es schonmal einen ähnlichen Fall, wo die Eon-Tochter e-wie-einfach einen gewaltverharmlosenden Videoclip für lustige Werbung hielt. Auch hier dauerte es nicht mal einen Tag, bis „das Internet“ die Verantwortlichen dazu brachte, den Clip wieder abzuschalten.

Der Grund ist natürlich nicht, dass die üblichen Witzbolde jetzt verstanden hätten, was an ihrer Art von „Humor“ problematisch ist. Der Grund ist auch nicht, dass die Mehrheit der Menschen inzwischen sensibel auf Sexismus reagiert.

Ich vermute, wenn man eine repräsentative Umfrage machen würde, wäre die Mehrheit der Leute wohl der Meinung, diese Art von Werbung sei doch irgendwie ganz witzig oder zumindest harmlos. Das zeigt sich ja auch in den Mehrzahl der Kommentare zu diesen Vorfällen ebenso wie an den bemühten Rechtfertigungsversuchen der zuständigen Werbeagenturen und Marketingabteilungen (die, wie üblich, sich nicht für ihre Kampagnen entschuldigen, sondern nur bedauern, dass wir sie falsch verstanden haben).

Aber egal. Der Punkt ist: Das nützt ihnen nichts mehr!

Offenbar genügt es, wenn eine gewisse Anzahl problembewusster Menschen – und das müssen im Anfang gar nicht viele sein, zwei, drei, vier – im Internet ihren Unmut kundtut und ihren Unwillen, sowas zu tolerieren. Sie haben durch ihre Vernetzung, durch ihre Blog-,  Twitter-, Google- und Facebook-Reichweiten genug Einfluss, um den Verantwortlichen das Leben unangenehm zu machen.

Heissa!

Und da hilft es diesen Verantwortlichen auch nicht, dass es – zum Beispiel – unter den Lufthansa-Business-Geschäftskunden wahrscheinlich tatsächlich immer noch eine Menge Männer gibt, die in Beziehungen zu Frauen leben, die so unsäglich spießig und klischeehaft sind, wie der Werbebrief, der sie ansprechen sollte. Es hilft ihnen nichts, dass die Kampagne womöglich – weil die Welt eben schlecht ist – tatsächlich funktioniert hätte.

Denn Teilöffentlichkeiten gibt es nicht mehr. Eine einzige undichte Stelle genügt – im Fall der Lufthansa der eine Mann, der sich von diesem Werbebrief nicht gebauchpinselt fühlt, sondern sich ärgert und diesem Ärger unkompliziert Luft machen kann. Öffentlich. Und der dann dafür Resonanz bekommt – von Leuten, die überhaupt nicht zur eigentlich vorgesehenen Zielgruppe gehören.

Ich glaube, hier werden alte Machtverhältnisse gerade ein wenig durcheinandergeschüttelt. Noch bis vor wenigen Jahren konnten sich die Werbeleute darauf verlassen, dass sie ruhig #sexistische Kackscheiße (so das inzwischen etablierte Label für sowas) produzieren können, ohne dass das zu größerem Aufheben führt. Die ganzen Briefe, die Frauenbeauftragte oder einzelne Frauen seit Jahr und Tag in entsprechenden Angelegenheiten verschickten, landeten eben auf irgendwelchen Ablagen.

Werber machen sexistische Mistwerbung ja nicht in erster Linie, weil sie ihnen so gut gefällt. Sondern weil sie funktioniert. Das ist blöd, aber leider der Fall. Es gibt Leute, die sowas erforschen, zum Beispiel dass Bilder von nackten, erotisierten, „hübschen“ Frauen Männer (statistisch gesehen) zum Geld Ausgeben animieren.

Aber heute muss man eben damit rechnen, dass nicht nur diese Männer, sondern auch die übrige geschätzte Öffentlichkeit von solcher Werbung etwas mitbekommt. Und nicht nur das – sondern die machen auch noch ordentlich Wirbel, diskutieren darüber, überzeugen andere, argumentieren. Damit ist ein Faktor dazu gekommen, der den Mehrwert, den sexistische Werbung auf der Einnahmenseite möglicherweise bringt, durch negatives Image auf der anderen Seite wieder zunichte macht.

Was dann zu dem einzigen Umstand führt, der den Verantwortlichen auf diesem Gebiet einsichtig ist und sie dazu bringen könnte, ihre Strategien zu ändern: Sexistische Werbung rechnet sich nicht mehr!

Noch nicht alle haben das freilich kapiert, zum Beispiel der „Markenexperte“ Thomas Otte, der in einem Interview sagt: „Die Werbekampagne der Lufthansa ist vorsichtig originell und besitzt keinerlei Polarisierungspotenzial. Diese Entrüstung ist ein interessantes Beispiel für künstlich entfachte Empörungskultur.“

So kann man die Augen vor der Realität verschließen. Denn eben diese Realität hat ja nun ganz unbestreitbar gezeigt, dass die Kampagne sehr wohl „Polarisierungspotential“ hatte. Nur dass sich dieses Potenzial heutzutage aber nicht mehr an das Urteil der so genannten Experten hält – sondern ganz allein von der Blog-, Tweet- und Retweetlust einer ausreichenden Anzahl von Personen abhängig ist.

Der Fachmann Otte irrt außerdem, wenn er glaubt:

Durch diese lächerliche Aufregung suchen gewisse Leute gezielt die Öffentlichkeit, um aus einem linden Lüftchen einen Orkan zu erzeugen. Diese übertriebene, politische Korrektheit vonseiten frustrierter Empörungskünstler erstickt jedwede Kreativität, Originalität sowie Individualität in unserer Gesellschaft. Das führt dazu, dass nur mehr der Mainstream akzeptiert wird.

Nichts könnte falscher sein!

Denn der Mainstream ist – und das macht diese Dynamik ja so interessant – keineswegs auf Seiten der zwei bis drei Handvoll antisexistischen Blogger_innen und Twitter_innen, sondern eher auf Seiten von Lufthansa, der Agentur und Herrn Otte. Der Mainstream findet den Brief harmlos. Denn der Mainstream hat sich mit dem Thema Sexismus, Geschlechterklischees, Rollenmuster und so weiter noch nicht großartig auseinander gesetzt. Und deshalb macht sich der Mainstream über klischeehafte Männlein-Weiblein-Werbung auch keine weiteren Gedanken. Das haben wir ja schließlich immer so gemacht!

Das Interessante an dem Fall ist, dass der Mainstream hier gerade nicht mehr den Ton angibt sondern diejenigen, die sich mit solchen Themen auskennen, weil sie – wie zum Beispiel Anatol Stefanowitsch und Anke Domscheit-Berg – sich schon lange damit beschäftigt haben und daher auf entsprechende Reichweiten kommen. Weil sie sich unter einschlägig Interessierten ein entsprechendes Ansehen erworben haben, was dazu führt, dass ihre Anstöße Aufmerksamkeit finden, weil dadurch andere, die ebenfalls Expertise auf diesem Gebiet haben, angeregt werden, ebenfalls darüber zu schreiben und das weiter zu verbreiten.

In anderen Worten: Es ist gerade nicht der uninformierte Internet-Mob, der sich hier Gehör verschafft, sondern eine informierte Gegenöffentlichkeit, der bislang aber vom „Mainstream“ kein Gehör geschenkt wurde.

Das ist es, was den Fall für mich so interessant macht. Dass wir es offenbar zunehmend hinkriegen, die Werber und „Markenexperten“ unsanft aus ihrer sexistischen Alltagsroutine aufzuschrecken.

Wer weiß, am Ende werden sie jetzt tatsächlich noch kreativ?

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

40 Gedanken zu “Wenn Markenexperten unsanft geweckt werden

  1. naja… das ist vielleicht die schöne seite der medallie. die andere seite ist, dass diese empörung ebenso für das marketing genutzt werden kann. siehe die axe-kampagnen und dass diese empörung sie auch dankbar aufnimmt.

    so sachen wie e.on oder lufthansa passieren viel zu selten, als dass man hier eine relevanz herleiten kann. überwiegend wird mit werbung gezielt ein tabu gebrochen und damit werden bestehende gräben verfestigt.. also auch vorurteile und diverse ansichten.

    die BEEF wäre btw. ein produkt, welches dieses spiel durch sich selbst spielt. oder auch die bild.

    also nein, ich sehe das nicht… es gibt diese ausrutscher, die nicht gezielt sind.. die können geglättet werden. alles andere passt sich dem nur an. in der werbung, wie auch als produkt an sich. klassische verstärker.

    mfg
    mh

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  2. …also ich habe mir den Text von Anatol Stefanowitsch über diese Lufthansa Werbeaktion für Miles-and-More-Kreditkarten für Ehefrauen auch mal durchgelesen. Mein Eindruck ist allerdings, dass damit eher schwule Marketingmänner ihren heterosexuell lebenden und beruflich erfolgreichen Mitmännern sehr perfide (und wohlmöglich auch ein wenig neidisch) in die „Fresse gehauen haben“… Ich habe auch mal in einer Werbeagentut gearbeitet und weiß daher, wie dort über Kunden und Zielgruppen gelästert wird.

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  3. @mh120480mh – Ja, ich glaube, da hast du recht. Der Unterschied bei Axe ist, dass die Zielgruppe genau nur diese Sorte Männer sind, d.h. deren sexistische Kampagnen werden durch feministischen Protest sozusagen noch „gekrönt“. Während Lufthansa und eon eine umfassendere Zielgruppe haben und daher vorsichtig sein müssen mit solcher Werbung. Ich glaube, es lohnt sich, das detaillierter zu verfolgen, weil man daraus auch ableiten kann, an welcher Stelle sich Protest lohnt und an welcher Stelle man eventuell nur das Spiel der Gegenseite mitspielt.

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  4. Sehr schöner Text, und ich sehe so ziemlich alles genau so.
    Der für mich mit noch am wichtigsten erscheinende Effekt ist, dass der Protest und die „Rückrufaktion“ ihrerseits in den Medien aufgegriffen werden. Das erhöht in meinen Augen die Chance, dass da Aufmerksamkeit für das Thema generiert wird (leider sicher auch in Form mobilisierter ‚Anti-Political-Correctness‘-Bewegungen). Aber je mehr Debatte darüber in den Mainstream gelangt, umso besser, glaube ich.

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  5. Hat jetzt etwas länger gedauert, bis ich diese Anzeige finden konnte… aber ja: Sie ist einfach nur hammerdämlich und beleidigend… Die Axe-Werbung finde ich dagegen witzig 😉

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  6. In diesem Beitrag schwingt, wenn auch nicht so extrem wie bei Anatol, die selbe Überheblichkeit mit. Alle, die das nicht sexistisch finden, haben sich mit dem Thema noch nicht auseinander gesetzt (oder sind halt selbst sexistisch). Die Deutungshoheit darüber, was sexistisch ist, wird darüber hinaus gleich mit beansprucht. In der Regel wird es mit Frauenfeindlichkeit gleich gesetzt, wie mir scheint.

    »Noch nicht alle haben das freilich kapiert…« ein Geisterfahrer? Hunderte!

    Wo Sprachwissenschaflter und andere, den man bis dato ein gewisses Grundniveau unterstellt hätte, dann mit Ausdrücken wie »Kackscheiße« hantieren, steige ich dann aus der Diskussion aus. So überzeugt man niemanden von seiner Sicht der Dinge. (Damit meine ich nicht diesen Artikel)

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  7. Ich hätte die Lufthansa-Aktion sicherlich schlimmer gefunden, wenn nicht mal von Dove etwas noch viel Dümmlicheres gekommen wäre:

    http://textkraut.com/2012/03/27/mir-wird-dove/

    Da könnte ich mich heute noch drüber ärgern. Als Frau, meine ich. Umso besser, wenn den Unternehmen postwendend auf die Finger geklopft wird. Dieses Internet ist schon eine praktische Sache. 😉

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  8. @David – Nein, das phantasierst du jetzt hier rein. Ich kenne auch Leute, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben und die zu anderen Schlüssen kommen als ich. Ob etwas „sexistische Kackscheiße“ ist (es handelt sich hier übrigens um ein Mem, es ist also ein Zitat), ist keine Sache, die man „beweisen“ oder „widerlegen“ kann, sondern es ist eine Frage kultureller Aushandlungsprozesse. Worum es in meinem Post ging ist, ist die These, dass sich die Aushandlungsprozesse gerade wandeln, weil Akteur_innen maßgeblich und einflussreich werden, die es vorher nicht waren, weil sie gegen die Werbeindustrie und den desinteressierten (oder im Falle vieler Frauen: entmutigten) Mainstream nicht durchkamen.

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  9. Antje, ich stimme dir voll zu: Heissa! 🙂

    Mein Haar in der Suppe: es gibt ja tatsächlich diese Art „Frau als Schmuckobjekt“, die Lufthansa als „normales“ Beziehungsmodell hinstellt. Und es gibt leider auch die von Dove angesprochenen Frauen, denen es vordringlich drauf ankommt, dass ihre Frisur gut sitzt, die gar noch stolz darauf sind, dass sie sich ungeschminkt nicht aus dem Haus trauen!

    Solange SIE sich nicht empören, sondern sich in ihrem SoSein als „besonders fraulich“ gefallen und ihren Status als Luxus-Weibchen und Kosmetik-Tussi als besonders beglückend und freie Wahl verteidigen – so lange werden „Kreative“ eben immer wieder auf die Idee kommen, diese Klischees zu nutzen.

    Es wird aber immer weniger funktionieren. Eben weil die Minderheit jener Männer und Frauen, die über diese Plattitüden längst hinaus sind, per Netzkommunikation einen Teil der Definitionsmacht zurück erobert hatt, die in der alten Medienwelt allein bei den Gatekeepern der Leitmedien lag.

    Gut so!

    Die in den Kommentaren erwähnte Axe-Werbung finde ich allerdings harmlos. „Sexeln“ ist nicht gleich „sexistisch“, sondern allenfalls pubertär. Mit dem Spruch „Such dir eine Stellung als Missionar“ als Beschäftigungstipp „bis zum Weltuntergang“ hat garantiert keiner der Macher an die Geschichte der christlichen Missionare und ihre Opfer in Zeiten des Kolonialismus gedacht! Frau kann’s auch übertreiben – hier mal nicht mit der Sexismus-. sondern der Rassismus-Keue vorexerziert.

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  10. Ich sehe das ähnlich wie ClaudiaBerlin. Solange es Menschen gibt, bei denen die Werbung funktioniert, wird sie auch gemacht. Werbung hat die Aufgabe zu funktionieren. Steigert sie den Umsatz, war sie gut.
    Und auch ich denke, dass „sexeln“ nicht gleich sexistisch ist. Dazu gibt es zuviel sexy Werbung, die auch bei Frauen funktioniert.

    Interessanter finde ich die Tatsache, dass diese Werbung funktioniert. Warum kann sie das? Zum einen vermutlich, weil Männer wirklich so ticken (ich bin da nicht so weit weg davon). Einer verführerischen Frau ein Geschenk zu machen, verführt den Mann zum Kauf der Karte. Deshalb wird die Absenderin auch als Verführerin dargestellt. Daran, dass Männer auf so etwas reagiern, wird sich die nächsten 500 Jahre auch nichts ändern. Jedenfalls nicht solange es Frauen gibt, die ihre Verführungskünste dazu einsetzen, von Männern etwas zu bekommen. Und davon muss es viele geben. Sonst gäbe es in der Sexbranche zwar Nachfrager aber keine Anbieter. Irgendwie müssen die Milliardenumsätze aber zustande kommen.
    Zum anderen muss es aber auch Frauen geben, die sich so eine Partnerkarte schenken lassen. Sie hat also kein Bedürfnis sich selbst eine Kreditkarte, Bankkarte oder Miles&More-Karte zu besorgen. Sie will sich nicht selber informieren und die für sich passende Karte aussuchen.
    Würde eine selbstbewusste Frau sich so verhalten? Würde sie eine Kreditkarte nutzen, deren Umsätze der Karteninhaber, also der Besitzer der Erstkarte, kontrollieren kann, während sie die Umsätze der Erstkarte nicht einsehen kann?
    Muss man nicht bestätigen, dass solche Werbung nur funktioniert, weil es zu wenig Frauen gibt, die sich selbst um ihre Finanzen kümmern und sich selbst Kompetenz in diesem Thema verschaffen wollen?
    Ich habe 15 Jahre als Finanzberater gearbeitet und viele Abende mit Ehepaaren verbracht, um deren Finanzen zu besprechen. Und einer der häufigsten Sätze dabei war „das macht mein Mann“.
    Gleichberechtigung wird niemandem geschenkt. Man muss sie sich erarbeiten. Das ist mit Mühen und Aufwand verbunden.
    Meiner Meinung nach hängt es in erster Linie von den Frauen einer Gesellschaft ab, wie schnell Gleichberechtigung selbstverständlich wird und wie tief sie greift.

    Nur gegen die Macher einer solchen Werbekampagne herzuziehen, ist mir zu einfach und zu wenig selbstkritisch.

    Dennoch sind Frauen, die für Frauenrechte kämpfen, sich engagieren und empören wichtig. Würde sich niemand aufregen, würde sich in der Gesellschaft auch nichts verändern. Veränderung geht immer Empörung und Kritik voraus. Und Veränderung ist wichtig. Ohne sie würden wir noch in Höhlen wohnen. Aber wir kritischen Menschen müssen auch die Kirche im Dorf lassen und selbstkritisch bleiben, wenn wir was erreichen wollen. Sonst gelten wir bald als genauso verbohrt, rechthaberisch und reaktionär wie die, die wir aufrütteln wollen. Meine Meinung.

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  11. „… ihren Status als Luxus-Weibchen und Kosmetik-Tussi als besonders beglückend und freie Wahl verteidigen …“

    wieso sollte es keine freie wahl sein? gezwungen wurden sie ja wohl nicht.

    die feminist*_Innen* von heute betonen immer wieder, dass alle lebensmodelle zu respektieren sind, keines besser oder schlechter ist und jede/r leben können soll, wie es beliebt.
    allerdings ist es das wesen und der zweck von werbung, eine zielgruppe anzusprechen. in keiner werbung der welt wurden jemals alle lebensformen, familienmodelle, sämtliche sexuellen orientierungen, alle ethnien und körperlichen attribute berücksichtigt. man kann konstatieren, dass man selbst nicht zu der zielgruppe gehört. aber wenn man sich darüber empört, bringt man eigentlich nur zum ausdruck, dass man das lebensmoell der angesprochenen zielgruppe nicht akzeptiert. so eine positionierung ist nur dann legitim, wenn der anspruch, alle lebensmodelle zu respktieren, nicht erhoben wird.

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  12. Ich könnte mir vorstellen das die Wörter „Empörungskultur“ und „Empörungskünstler“ von, seines Zeichen „Markenexperte“, Thomas Otte, zu Lieblingswörtern von Innenministern und Polizeidirektoren werden könnten…

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  13. @Antje, Inez: Kann Eure Meinung verstehen, sehe allerdings die Schlussfolgerungen („wir können jetzt auch Shit storm“) nicht ganz unterschreiben.

    Shit storms kann quasi jeder auslösen, ja, allerdings hat die Medienöffentlichkeit (inkl. Blogs usw.) jeweils nur ein begrenztes Aufregungspotential. Wenn da schon was anderes der Aufreger der Woche ist, gehen die wichtigsten Sachen unter. Also nur ein paar Leute, von denen man vielleicht sogar mal den Namen gehört hat, reicht nicht. Das funktioniert ja gerade noch so mal für Greenpeace.

    Was mich wundert und was ich für deutlich erfolgversprechender halte, ist direkt auf die Unternehmen zuzugehen – und zwar derjenige, der angesprochen wurde. Bei dem Lufthansa-Fall: Wieso hat der Mensch das veröffentlicht? Er sollte vielmehr der Lufthansa schreiben, dass sie ein Ding an der Waffel haben und gefälligst mit solchem Blödsinn aufhören sollen. Und im Zweifelsfall, wenn es einem eben ernst genug ist, auch mal Konsequenzen ziehen und dann eben Dienste bei Lufthansa abbestellen.

    Dito bei Dove. Ich würde denen einen gepfefferten Brief schicken und sie auffordern, mich sofort aus dem Verteiler zu nehmen und mir nie wieder was zuzuschicken, statt wie ein Kaninchen reflexartig den Kram ins Netz zu kippen und auf den nächsten Brief (mit höherem Gutschein) zu warten.

    Antwortet direkt den Unternehmen – sie werden auf Euch hören, denn sie haben was zu verlieren. So viele Shit storms wie man bräuchte, kann man halt gar nicht lostreten.

    Grüße,
    Olaf

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  14. In Frankfurt am Main klebt an der S-Bahnstation Hauptwache ganz furchtbare Werbung einers Warenhauses auf dem Boden, so ungefähr: „Liebe Rockträgerin- wir haben auch schöne Unterwäsche im Angebot!“ Da, lieber Horst_Sabine fällt es mir doch schwer mich nicht angesprochen zu fühlen, und ich fühle mich da nicht gerade positiv angesprochen. Die Werbung erinnert mich vielmehr daran, dass ich jederzeit damit rechnen sollte, dass meine Grenzen überschritten werden und ich ein potentielles Opfer für Spanner und Vergewaltiger bin!

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  15. Axe-Werbung: Hinzu kommt ja noch, dass die keine Ahnung von Religion haben, oder? Weltuntergang, das ist doch der Job der Zeugen Jehovas, jedenfalls heutzutage.

    Horst_Sabine: in keiner werbung der welt wurden jemals alle lebensformen, familienmodelle, sämtliche sexuellen orientierungen, alle ethnien und körperlichen attribute berücksichtigt. man kann konstatieren, dass man selbst nicht zu der zielgruppe gehört. aber wenn man sich darüber empört, bringt man eigentlich nur zum ausdruck, dass man das lebensmoell der angesprochenen zielgruppe nicht akzeptiert.

    Nö, man bringt zum Ausdruck, dass man sich von der Werbung übergangen fühlt und das für einen Missstand hält, oder sich als Sprachrohr der Übergangenen sieht.

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  16. „Da, lieber Horst_Sabine fällt es mir doch schwer mich nicht angesprochen zu fühlen, und ich fühle mich da nicht gerade positiv angesprochen.“

    Diese Werbung ist unverschämt, denn sie sugeriert, Rockträgerinnen müssten sich extra für Spanner schick machen. Geschmacklos und sexistisch. Da gibt es keinen Interpretationsspielraum.
    Aber wo bleiben Stefanowitsch et.al. mit ihrem Shitstorm?

    Und wo sind die, wenn im öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Fernsehen eine super lustige Form von Geschlechterkrieg in Unterhaltungsshows „Frauen gegen Männer“ inzeniert wird? Wo sind Stefanowitsch et. al., wenn jeden Nachmittag im ZDF Frauen gegen Männer kochen, das Publikum nach Geschlecht getrennt sitzt und der Moderator dümmlich-sexistische Kommentare vom Stapel lässt?

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  17. Der Spleen rund um 2012 kommt aus der Esoterik-Szene, aber die schickt ja keine Missionare los. Die Zeugen Jehovas tun das umso ausdauernder, und die haben sogar den Weltuntergang im Paket mit drin. Ich halte das Axe-Gewitzel für einen etwas wirren Remix, dessen Verfasser sich vermutlich für besonders originell halten.

    Was Antje da oben schreibt, von wegen Forschung: Halte ich für überschätzt. Wenn eine Werbekampagne rauskommt und dann der Umsatz steigt, ist das erst mal nur eine Koinzidenz. Und kein Beweis, dass die Masche zieht. Dass sexistisches und rassistisches Gewitzel signifikant besser verkauft als sonstiges Gewitzel – ist das wirklich bewiesen? Wo kann man das nachlesen?

    @supatyp schrieb mal auf Twitter, dass BWL nicht an die Uni gehört. Kann man meinetwegen auf Werbepsychologie erweitern.

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  18. @Irene – Das Beispiel, auf das ich mich bezog, war keine Untersuchung über die Wirksamkeit von sexistischer Werbung, sondern eine experimentelle Studie, bei der einer Gruppe von heterosexuellen Menschen Fotos von sexualisiert dargestellten Personen des anderen Geschlechts gezeigt wurden und dann nachher eine Kauf-Situation simuliert wurde, und das Ergebnis war, dass Männer, die solche Fotos gesehen hatten, bereit waren, mehr Geld auszugeben als die Vergleichsgruppe von Männern, die keine Fotos gesehen hatten, während es bei Frauen keinen solchen statistischen Zusammenhang gab. Die Quelle weiß ich jetzt leider nicht mehr, falls ich sie noch finde, wird sie nachgereicht.

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  19. Zur Axe-Werbung, der Missionarsstellung, dem deutschen Kolonialreich in Schwarzafrika, und der Verbindung zwischen diesen dreien ein aufschlussreicher Artikel bei wikipedia, über Südseeinsulaner, die „Sexualpraktiken“ weißer Nicht-Missionare ungehörig finden: Händchenhalten in der Öffentlichkeit.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Missionarsstellung

    „Ihren Namen hat diese Stellung nach landläufiger Meinung daher, dass christliche Missionare bei der Christianisierung anderer Völker diese Stellung als die einzig zulässige beim Geschlechtsverkehr zwischen Eheleuten durchzusetzen versuchten. Das ist jedoch unzutreffend. Wie Robert J. Priest nachweisen konnte, ist Alfred C. Kinsey (1894-1956) der Urheber dieses Gerüchtes.“

    und

    „Die ihnen [den Insulanern] vorher unbekannte Mann-oben-Frau-unten-Stellung bezeichneten die Einheimischen in ihrer Sprache als „ibilimapu“ („sie [die Frau] kann nicht mitmachen“). Allerdings beklagten sich die Trobriander über die von den Weißen übernommene neue Sitte, dass sich Liebespaare händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen. Dieses Verhalten galt bei den älteren Trobriandern als unanständig und wurde von ihnen als „misinari si bubunela“ („Missionarsmode“) bezeichnet, „eine dieser neumodischen, von Missionaren eingeführten Unschicklichkeiten.“[3]“.

    Kinsey verwechselte einfach die Begriffe „ibilimapu“ und „misinari si bubulena“.

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  20. Frage mich jetzt echt, was ich mit der Axe-Werbung anfangen soll?

    Macht sich Axe – so wie die Südseeinsulaner – mit seiner unverschämten Frage über mein eintöniges Sexualleben lustig? Oder muss ich als weisser Mann mich schämen, dass brutal auf den Gefühlen von schwarzen Frauen rumgetrampelt wird, die sicherlich alle den Kinseyschen Irrtum internalisiert haben, wofür ich ja eigentlich nichts kann, aber eben ihre Gefühlswelt?

    Ja, das ist schon sowas mit der kollektivierten moralischen Schuld, man weiss nie, was richtig ist …

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  21. @AntjeSchrupp:

    *spott on*Konnten die Forscher auch klären, warum Frauen so geizig sind?*spott off*

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  22. Antje, danke für die Erläuterung. Ich bleibe skeptisch, was die Übertragbarkeit angeht. Offline liegt ja zwischen dem Blick auf die sexualisierte Werbung und der nächsten Kaufgelegenheit oft viel Zeit, da kann die Wirkung längst verflogen sein. Vielleicht wollten die Macher der Studie nur die Gepflogenheiten der Branche rechtfertigen.

    Ich bin dafür, dass eine weitere Studie die kauffördernde Wirkung halbnackter Frauen mit der Wirkung flauschiger Kaninchen vergleicht 😉

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  23. Vor allem durch die Verschränkung beider Effekte ( Stichwort Bunny-Kostüm ) dürften sich Erregungen nachweisen lassen, im BIP!

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  24. Vielleicht habe ich ja etwas mißverstanden, aber mich irritiert der Widerspruch zwischen Ihrem Blog-Titel „Aus Liebe zur Freiheit“ und Ihrer Begeisterung darüber, daß es

    „genügt […], wenn eine gewisse Anzahl problembewusster Menschen – und das müssen im Anfang gar nicht viele sein, zwei, drei, vier – im Internet ihren Unmut kundtut und ihren Unwillen, sowas zu tolerieren. Sie haben durch ihre Vernetzung, durch ihre Blog-, Twitter-, Google- und Facebook-Reichweiten genug Einfluss, um den Verantwortlichen das Leben unangenehm zu machen.“

    Im Kern sagen Sie, daß Sie es gutheißen, wenn eine (sehr) kleine „peer-group“, mit deren Ansichten Sie kontingenterweise konform gehen (weil sie das gleiche „Problembewußtsein“ besitzt und es artikuliert), sich zum Meinungsmacher und zur Meinungsführung aufschwingt und gegen

    „die Mehrheit der Leute“, die „wohl der Meinung [sind], diese Art von Werbung sei doch irgendwie ganz witzig oder zumindest harmlos“

    Druck und Einfluß ausübt.

    „Sexismus“, wie jede andere „Untugend“, ist kein objektives wissenschaftlich definierbares Kriterium, sondern unterliegt immer auch kulturellen und individuell-persönlichen Einflüssen, die Begriffsbildung ist damit immer kontingent, also beliebig. Aus der richtigerweise anerkannten persönlichen Betroffenheit des einzelnen Menschen und seinem Recht, diese zu artikulieren („Definitionsmacht“), läßt sich jedoch keine verallgemeinernde Objektivität ableiten (sonst gäbe es das Konzept bspw. der „Definitionsmacht“ nicht).

    Wenn nun ein kleines mächtiges Häuflein „Problembewußter“ seine „Definitionsmacht“ in Sachen „Sexismus“ ausübt, dann müssen wir in einer Gesellschaft mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung nach deren Legitimation fragen, gerade, weil Sie ja begrüßen, deren Einfluß würde selbst gegen eine (indifferente oder) schweigende „Mehrheit der Leute“ geltend gemacht.

    Freiheit ist, das wissen wir nicht erst sei Voltaire, vor allem die Freiheit der Andersdenkenden, allein unsere eigene Freiheit zu lieben, ist noch keine Tugend.

    Objektive Kriterien für die Schaltung einer Werbekampagne resultieren aus dem erwarteten Erfolg bei einer anvisierten Zielgruppe, erreicht durch die Art der Ansprache. Der Erfolg oder Mißerfolg einer Direktwerbe-Kampagne ist objektiv meßbar in der sog. „Rücklaufquote“, je breiter die Streuung und je allgemeiner die Ansprache, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß die Werbesendung selbst geöffnet sofort in der „vertikalen Ablage“ landet (nicht jede Werbung, die ankommt, kommt auch an). Es wird also Gründe geben, warum die inkriminierte Kampagne so und nicht anders geplant und umgesetzt wurde, man sich für diese Form der Zielgruppen-Ansprache entschieden hat.

    In einer Gesellschaft, die wir mit Recht „frei“ nennen dürfen, ist also das Kriterium für Werbung jeder Art die „Rücklaufquote“ und nicht die Rückmeldung einzelner tugendsamer Meinungsführer.

    Die Gegenprobe macht uns sicher: Was würden Sie (oder würde ich) sagen, wenn dasselbe Unternehmen eine „queere Kampagne“ für Partnerkarten lanciert hätte und Henryk Broder und andere von der „Achse der Guten“ sich darüber – gut vernetzt – mokiert hätten und das Unternehmen gehorsam zurückgerudert wäre?

    (Individuelle) Freiheit bedeutet nicht nur, etwas für dumm, albern oder auch sexistisch zu halten und zu kritisieren, sondern, etwas Dummes, Albernes oder auch Sexistisches zu tun, ganz unabhängig von der Akzeptanz der Allgemeinheit oder einzelner Weniger.

    Aus Liebe zur Freiheit. 🙂

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  25. @Joachim – Als Politikwissenschaftlerin interessiere ich mich für die Art und Weise, wie Regeln und Themen politisch ausgehandelt werden. Mein Blogpost war eine Antwort auf die Beobachtung, dass Populismus als Meinungsfindungsprozess nicht besonders gut funktioniert, und dass einfache Mehrheitsentscheidungen auch nicht gut funktionieren, was durch die Dynamik des Internet mit Shitstorms und Rumpöbeleien einer uninformierten Masse nochmal deutlicher sichtbar wird und ja auch allenorten derzeit problematisiert wird. Demgegenüber wollte ich darauf hinweisen, dass auch ein informierter Diskurs möglich ist, indem bestimmte Menschen sich durch ihre Beteiligung an Debatten eine gewisse Reichweite und Autorität erwerben.

    Der Punkt ist ja gerade, dass dieses „kleine Häuflein“, um das es hier geht, ja gerade keine „Macht“ hat im Sinne von institutionell abgesicherten Befugnissen. Sein Einfluss beruht auf Autorität und gerade nicht auf Macht.

    Die Alternative „Objektiv beweisbar“ und „kontingent“, die Sie aufmachen, erkenne ich auch so nicht an. Es gibt noch andere Ebenen von Wahrheit, die sich dazwischen bewegen. Oder anders gesagt: Kontingenz ist imho kein prinzipieller Gegenpart zu Wahrheit, da Wahrheit niemals universal ist, sondern eben immer kontingent. Kontingenz bedeutet nicht Beliebigkeit.

    Im Übrigen ist auch mein Freiheitsbegriff ein anderer als Ihrer und der von Voltaire, wenn es Sie interessiert, empfehle ich diese Posts.
    https://antjeschrupp.com/2012/02/27/freiheit-in-bezogenheit-eine-auseinandersetzung-mit-joachim-gauck-und-co/
    https://antjeschrupp.com/2011/02/02/kleiner-disput-uber-freiheit/

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  26. Ich erinnere mich daran, daß der Soziologe Habermas der politischen Internetöffentlichkeit einen geringeren Stellenwert beimaß bzw. beimißt, als er in der kakophonen Vielstimmigkeit der Meinungen und Äußerungen im Netz jene leitende und ordnende Kraft sieht, die die traditionellen Zeitungen und Zeitschriften bieten.

    In diesem Sinne geben Sie also mit der „causa Lufthansa“ ein Beispiel dafür, daß sich Meinungsführerschaft im Sinne feuilltonistischer Autorität und Geistesaristokratie (vom Schlage eines Adam Soboczynski) auch außerhalb der traditionellen „vierten Gewalt“ bilden und wirkmächtig werden kann. Damit haben Sie zweifelsohne Recht, es gibt inzwischen einige namhafte Blogs und Autoren, deren Stimmen gehört werden und mit wachsender Reichweite an Gewicht gewinnen – und derartige Mechanismen sind nicht abhängig vom Medium. (Weswegen ja auch befürchtet wird, daß mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger die traditionellen Zeitungen im Netz an Reichweite verlieren, weil das LSR bei ihrer Vernetzung und Verbreitung Rechtsunsicherheit für die Disseminatoren mitsichbringt.)

    Ihre Beobachtung, daß nicht nur ein „Sturm von Schei-e“, sondern auch ein gezielt öffentlich platziertes einzelnes #sexistischenkackschei-e mehr Wirkung zeitigt, als derselbe Blog-Text, wäre er als Postbrief abgesandt worden, ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Traditionelles „gatekeeping“ der Druckerpressen-Ära ist in dieser Form passé und Macht (im Sinne von: Wirkung) im Netz läßt sich nicht nur durch schwarmartige Zusammenrottung von Pseudonymen erzielen (Populismus).

    Selbst bin ich allerdings sehr im Zweifel, ob wir in diesem Fall nicht gerade über Scylla und Charybdis verhandeln, im Grunde also beiden Möglicheiten (Trends?) in einer freheitlichen Demokratie eine Abfuhr erteilt werden muß. Denn wir reden hier im konkreten Fall über Tugend bzw. über als untugendhaft-weil-sexistisch gebrandmarktes Verhalten.

    Einige wenige Menschen, die in ihrem Netzwerk als Experten und damit als informiert gelten, legen den Maßstab für tugendhaftes Verhalten (hier: Werben) in einer Gesellschaft, normieren allgemeines Verhalten vor der Folie einer als solche apriori definierten „strukturell sexistischen Gesellschaft“. Vor einiger Zeit hat sich jemand per Twitter über die Vorarlberger „Mohrenbrauerei“ echauffiert, besonders deren Signe (natürlich: ein schwarzer Scherenschnitt eines Lockenkopfs) sei #kolonialrassistisch (der Gründer der Brauerei hieß übrigens Josef Mohr).

    Das „agendasetting“ für Sexismus, Rassismus, Homophobie und was der Begriffe („wordings“) mehr sind, war immer die Sache einzelner, mal mehr oder minder wirkmächtiger Menschen oder Kleingruppen, und die haben natürlich etwas mit Macht im Sinne nicht-instutionalisierter Definitions-Macht und -Hoheit zu tun. Wenn demnächst wohl in Nordrhein-Westfalen selbst Clubs ausschließlich für Raucher Nichtraucher-Clubs werden müssen, dann hat das nichts mehr mit Nichtraucherschutz zu tun, sondern mit dem Willen zur Definitionsmacht.

    Es ist letztlich gleichgültig, ob eine kleine Zahl von informierten Experten oder eine große Menge von uninformierten Empörten mir in Sachen Tugend und Untugend Normen vorschreibt: Eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft kann nur der „Schaffung eines Raumes, in dem Wahrheit gefunden werden kann“ dienen (C. F. Weizsäcker über Toleranz), über den Versuch, normierend zu wirken, wird dieser Raum jedoch verhindert. Gerade, weil „Wahrheit“ paradoxerweise konsensunabhängig jedoch gleichzeitig allgemein zugänglich ist.

    (Meine Rede zuvor handelte von verobjektivierbarer „Richtigkeit“ im Sinne von intersubjektiv-wissenschaftlicher Definierbarkeit. „Wahrheit“ ist natürlich nicht nur das, womit wir schmeißen können.)

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  27. @joachim – Danke für die ausführliche Antwort, momentan kann ich nicht antworten, da im Urlaub und ohne Notebook – und Handytastatur…

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  28. Ich würde gerne ergänzen, dass nicht nur sexistische Werbung funktioniert. Ich beobachte seit einer Weile, dass Firmen (Bsp. Amazon, Ikea), die vor allem Frauen klar als Zielgruppe definieren und entsprechend (also nicht sexistisch) werben, äußerst erfolgreich laufen – auch bei Männern, was wahrscheinlich keiner erwartet hätte. Das sollten sich alle Werbeprofis mal auf der Zunge zergehen lassen. So macht man Umsatz und das ist doch wirklich ein Grund!

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