Alles, was ich machen muss, ist nichts kaputt

Keine Ambitionen: Kwai Chang Caine.

Seit der unvergleichliche Kwai Chang Caine (whatever happened to such Männerbildern?) in einer Kung Fu-Folge neulich die Frage „What are your ambitions?“ mit einem schlichten „I have no ambitions“ beantwortete, geht mir das im Kopf herum. Der Weg des Tao. Keine Ambitionen haben. Yeah. Wie schön.

Und welch ein Kontrast zu den heutigen Imperativen Leistung, Effizienz, Motivation, Commitment.

Aber Caine hat recht: Ambitionen sind zu nichts gut. Sie lenken davon ab, was notwendig ist, weil sie immer das Weltverbessern (das natürlich notwendig ist) mit persönlicher Ehre und Ruhm vermengen. Es ist kein Zufall, dass die Weltretter meistens die Katastrophen erst selbst herbeiführen, die sie dann hinterher wieder fixen müssen.

„I have no ambitions“ – das ist auch ein Männer-Frauen-Ding. Den Frauen war es früher ja erlaubt, keine Ambitionen zu haben, es war sogar die ihnen zugeschriebene Rolle. Heute hingegen stehen, Imperativ der Gleichstellung, vor allem sie in der Pflicht, Ambitionen zu haben. Wo kämen wir denn sonst hin mit der Emanzipation.

Die Männer hingegen dürfen manchmal auch faul sein. Das ist dann sozialkritisch. Sie bejubeln gerne in rhythmischen Abständen das olle Buch „Recht auf Faulheit“. Aber Faulheit ist nur die andere Seite der Medaille. Es ist NICHT das Gegenteil von Ambitioniertsein. Bei beidem steht nämlich das Ego im Zentrum des Handelns (oder Nicht-Handelns), nicht die Welt und ihre Notwendigkeiten.

Ich bin leider oft auch faul und ambitioniert, eben ein Kind meiner Zeit. Aber ich glaube, Kwai Chang Caine, Simone Weil und die anderen Mystiker_innen, die das seit Jahrhunderten predigen, haben Recht: Es ist ein Fehler.

Momentan mache ich jedenfalls gute Erfahrungen damit, mir jedesmal, wenn ich wieder etwas unglaublich Wichtiges zu tun vorhabe, sage: „I have no ambitions.“ Das ist wie eine Befreiung im Geist. Und eine echte Erleichterung. Denn mir wird klar:

Alles, was ich machen muss, ist nichts kaputt.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

29 Gedanken zu “Alles, was ich machen muss, ist nichts kaputt

  1. Meinst Du das so, dass wir – Du oder ich – also nur das tun sollten, was notwendig ist? Und dabei aufpassen müssen, dass wir es nicht versäumen, das zu tun was notwendig ist? Aber dann ist der Druck, nicht zu versäumen, das Notwendige zu tun und damit eine Ambition, ja doch wieder da. – Du gibst also der Antriebskraft, warum wir etwas tun, die größere Bedeutung?

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  2. @Juliane – Die Idee ist (nach Simone Weil) dass ich, wenn ich sehe, dass etwas notwendig ist, gar nicht anders kann, als entsprechend zu handeln, dazu brauche ich dann keine Ambition mehr (ich muss nur aufpassen, dass die Faulheit mich nicht träge macht). Zum Beispiel habe ich keine Ambition, ins Wasser gefallene Kinder zu retten, aber ich mache es, weil es notwendig ist.

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  3. Das hat wohl auch damit zu tun, dass du schon einiges erreicht hast in Bereichen, die durchaus mit Status zu tun haben. Da kann man dann leichter locker lassen, weil es auch ohne Ambition nicht so schlecht weiter läuft.

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  4. Beim Geld sind es übrigens auch meist Leute aus der sorgenfreien oberen Mittelschicht, die meinen, dass Geld nicht so wichtig ist und man da nicht so ein Theater drum machen soll. Man hat ja genug und kennt es nicht anders, aber nicht so viel, dass die Verantwortung irgendwo drücken würde.

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  5. @Irene – Hm, das kann schon sein – ich kann es nicht beurteilen, wie es ist, jemand anderes zu sein als ich – aber ist das ein prinzipieller Einwand gegen das, was ich geschrieben habe?

    Status ist ja von einem bestimmten Punkt an durchaus etwas Relatives, Geld ebenso. Ich würde dir zustimmen, dass man von beidem einen sicheren Mindest-Grundstock braucht (das ist der Grund, warum ich für ein Grundeinkommen bin, wie und ob man einen Mindest-Grundstock an „Status für alle“ bewerkstelligen kann, wäre eine interessante Frage). Mein Blogpost würde Argumente dafür liefern, warum es im gesellschaftlichen Interesse aller ist, das sicherzustellen.

    Andersrum ist es aber eben nicht so, dass das „Ambitiöse“ proportional abnimmt, je mehr Geld und Status jemand hat. Eher ist es, soweit ich es sehe, andersrum, dass zum Beispiel wer viel Geld hat, oft noch mehr will.

    Das realistische Sorgen oder sich Anstrengen dafür, dass man „genug“ hat, würde ich im Übrigen unter „Notwendigkeit“ einsortieren und nicht unter „Ambitionen“.

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  6. Außerdem glaube ich an mir selber zu beobachten, dass die Ambitionen nicht mit zunehmendem „Status“ und „Erfolg“ abgenommen haben, sondern eher mehr geworden sind. Gerade wenn man in einem gewissen Grad „Mainstream-Anerkennung“ bekommt ist die Versuchung doch groß, die behalten zu wollen und sich entsprechend anzustrengen/anzupassen. Soweit ich es richtig erinnere, war ich früher auch ohne öffentlichen Status ganz zufrieden. Voraussetzung ist natürlich, dass Miete und Butterbrot bezahlt sind und man Freund_innen hat.

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  7. Erst habe ich den Titel grammatikalisch nicht verstanden, aber beim Textende hab ichs begriffen (ah, so! klar!) und will ihn jetzt aufschreiben, an eine Wand oder in ein Buch, denn, holy shit, ist das ein schöner Satz!

    Zur Sache selbst: mir taten manche Ambitionen, gerade die unrealistischen, oft gut, weil sie Lust machten auf etwas, das noch kommen könnte, sie mich wach hielten, ich merkte, dass ich etwas will.
    Andererseits hab ich mir schon ein paar Mal an Ambitionen, die nicht unrealistisch genug waren, die Knie aufgeschlagen.

    (Hm, eigentlich wollte ich nur kommentieren, wie schön der Satz ist, aber jetzt merke ich, wie sehr ich über das Thema nachdenken will, weil es mindestens seit der Grundschule an mir klebt. Uff.)

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  8. @Nicole – Das ist eine interessante Idee/Erfahrung/Beobachtung, dass es vielleicht vor allem die realistischen Ambitionen sind, die gefährlich sind, während die unrealistischen Ambitionen wach halten. Vielleicht meinst du was Ähnliches wie ich, wenn ich vom Begehren spreche, das – ja, wie so oft – natürlich verflixt nah an den Ambitionen dran ist aber dann doch wieder so etwas vollkommen anderes…

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  9. „I have no ambitions“ – das ist aber doch etwas, was in den entsprechenden Kulturkreisen jahre- oder jahrzehntelang trainiert und geübt wird, oder irre ich mich da? Andere Umschreibungen sind ja „Leben im Augenblick“ usw. – der Kung-Fu-Fuzzi z.B. soll jeden Gedanken an Sieg oder Niederlage oder sonstige Dinge vergessen – warum? Weil das bewußte Denken zu langsam ist – Ziel ist sozusagen, die Gestaltwahrnehmung von Tieren wie Mungo oder Schlange zu kopieren, die auf gegenseitige Angriffe ohne meßbare Zeitverzögerung reagieren können. Das erfordert aber eben eine Internalisierung von Reaktionsmustern durch jahrzehntelanges Training – und zwar extrem hartem Training, das wohl kaum ohne ambitionslos zu nennen ist.

    Können wir als Europäer wirklich das mal eben so feststellen – ach, wie schön, ich habe ein Grundeinkommen, da brauche ich doch glatt keine „ambitions“ mehr? Oder ist das jetzt eine Trivialisierung, frage ich mich?

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  10. Jedenfalls finde ich, das „I have no ambitions“ ist oft ein überaus ambitioniertes Programm !

    @AntjeSchrupp:
    Vielleicht passt für das, was Du meinst, doch der europäische Begriff „Wellness“ besser? Oder irgendwas im Umkreis von „Work-Life-Balance“?

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  11. @Andreas – Ja, ich glaube auch, dass man es üben muss, aber man kann ja mal klein damit anfangen. „Wellness“, so wie es oft gemacht wird, ist irgendwie auch nicht ganz frei von Ambitions… – Im Falle der Kung Fu-Serie: Das ist ja eine amerikanische, also spielt irgendwie schon in unserem Kulturkreis. Also es spiegelt weder das wirkliche Tao wieder als die amerikanischen Vorstellungen der 1970er Jahre davon.

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  12. geht es dabei um Ambitionen, die etwas im äußeren Leben erreichen wollen oder auch um innere Werte – die Ambition, keine Ambitionen zu haben…….

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  13. Antje, mir ging es nicht um absolute Gerechtigkeit, an die glaube ich sowieso nicht. Auch nicht daran, dass das Grundeinkommen viel ändern würde.

    Dein Artikel hängt halt etwas in der Luft, wenn du selbst einen Weg gegangen bist, der erst mal sehr statusbewusst und ambitioniert aussieht. Doktortitel, Bücher schreiben, auf Podien diskutieren – das sind doch genau die Dinge, mit denen man im Bildungsbürgertum am meisten Eindruck schindet, auch wenn man sich nicht darum bemüht.

    Ich habe mich zu wenig um Status gekümmert und hab jetzt den Salat.

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  14. @freundefinder – Ich glaube, sowohl als auch. Aber ich bin ja erst dabei, damit zu experimentieren. Ich glaube aber, innere Werte erreichen wollen, wären auch Ambitionen. Eher so etwas wie „einfach tun, was so anliegt und sich so ergibt, ohne damit irgend ein Ziel erreichen zu wollen, und dann mal schauen, wohin es führt“.

    @Irene – Das ist übrigens auch bei meinem Erreichten so gewesen. Ich hab es nicht bewusst angestrebt etwa in dem heute so oft propagierten Sinn „Wo willst du in fünf Jahren stehen“. Sondern es hat sich tatsächlich irgendwie so ergeben. Natürlich habe ich mir in meiner „Laufbahn“ auch Dinge bewusst vorgenommen und angestrebt. Die haben aber alle nicht geklappt.

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  15. Der Satz „Alles, was ich machen muss, ist nichts kaputt“ gefällt mir. Als ich ihn groß für meine Pinwand ausdrucken wollte, hörte ich: Halt! Papierverschwendung! Baum kaputt nein danke!
    Und dann ging es los: Indem ich lebe, mache ich kaputt.
    Mein Essen – selbst Bio – naturausbeutend / schädlich hergestellt, schädlich durch die Gegend transportiert – die Umwelt jaja.
    Die Kleidung.. die Wohnung samt Einrichtung…die technischen Einrichtungen…
    Der tägliche – selbst minimale –Verbrauch von diesem + jenem… bis zum Klopapier… Meine gesamte Existenz macht andere(s) kaputt. Soll ich mich entleiben?

    Über „No ambitions“ denke ich noch nach…

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  16. @Antje – bekannt ist ja der Ausdruck „falscher Ehrgeiz“, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, dass mannfrau nicht um der Idee oder Sache willen sich anstrengt, sondern diese eingesetzt wird um zu Ruhm/Ehre zu gelangen.
    Zwar wird heute auch von „gesundem Ehrgeiz“ gesprochen, doch den kann’s gar nicht geben, weil von der Wortbedeutung her die Gier nach Ehre gemeint ist.

    Was braucht’s aber, damit einem der „falsche Ehrgeiz“ bewußt wird und wir diesen nicht über Generationen weitergeben? Muß ich erst die Erfahrung von „falschem Ehrgeiz“, gemacht haben, um Ehrgeiz-los zu werden?

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  17. Mir gefällt der Artikel als Wegweiser.
    Klar, dass er die eigene Reise ins Neuland des anderen Lebens nicht ersetzt.

    Auch Caine konnte nicht aus dem Stand der sein, zu dem er in der Film-Serie erst geworden ist. Die zahlreichen Rückblenden zeigen das ja besonders deutlich.
    Mir haben diese Rückblenden immer besonders gut gefallen.

    Wir tun wohl gut daran, solche Wegweiser als Wegweiser nehmen, die eigenen Karten aufzuschlagen und Rat zu halten, wo’s am ehesten für uns lang geht.

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  18. Mit der – sprachlich durchaus gelungenen – Titelformulierung dieses Beitrags habe ich dasselbe Problem wie mit der Negativfassung der Goldenen Regel: Reicht Passivsein aus? Einfach nur nichts und niemandem schaden? Wie wäre es mit: „Alles, was ich machen muss, ist etwas ganz.“ Und das aber ohne Ambitionen. Geht das?

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  19. @Alexander Ebel
    ganz machen, heilen – ja das ist ein schöner Gedanke, der positiv formuliert ist.
    Ich sehe allerdings eine Gefahr: Wenn meine Vorstellung davon, wie etwas zu sein hat, dahinein mit einfließt, wird es problematisch. Kann ich das aber ganz ausschließen?
    Von daher liegt mit Antjes via negativa doch näher, die noch dazu den Vorzug hat, etwas bescheidener zu sein.
    Ganz machen wird ja auch erst dann nötig, wenn zuvor etwas kaputt gemacht wurde. Ich sehe in Antjes Formulierung deshalb auch die alte Werbeweisheit „Vorbeugen ist besser als Bohren“ anklingen.

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  20. @Alexaneder – Ich sehe es wie @heisch, dass Ganzmachen ein etwas hoch gegriffener Anspruch ist, denn was ist schon „ganz“. Religiös gesprochen könnte man auch sagen, dass man das „Ganzmachen“ lieber Gott überlassen sollte und es schon reicht, wenn wir sie dabei nicht behindern 🙂 _ Aber nichts kaputt machen bedeutet natürlich nicht „Nichtstun“. Simone Weil hat den schönen Ausdruck „Passives Handeln“ verwendet. Ihre Anleitung ist – etwas kurz gesagt – eine Situation so aufmerksam beobachten bzw. sich ihr aussetzen, dass man unweigerlich die Notwendigkeit spürt, dieses oder jenes zu tun. Und ihr Rat ist, nie weiter in Richtung „Gutestun“ zu gehen als das, was aufgrund dieser Notwendigkeit leichtfällt.

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  21. Die gespürte Notwendigkeit ist freilich auch eine recht subjektive Kategorie. Was ich schon als notwendig erachte, mag ein/e andere/r noch lange durchgehen lassen, oder umgekehrt.

    Allerdings ist mir inzwischen etwas anderes aufgegangen: nämlich, dass Dein Satz „Alles, was ich machen muss, ist nichts kaputt“ ja geradezu als Zusammenfassung der zweiten mosaischen Gebotstafel gelten kann. (Auch der ersten? Da bin ich unsicher.)

    Aber selbst dann: Zufällig (?) den Heidelberger Katechismus, Frage 107 aufgeschlagen – „Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?“ – „Nein. Indem Gott Neid, Hass und Zorn verdammt, will er, dass wir unseren Nächsten lieben wir uns selbst, ihm Geduld, Frieden, Sanftmut, Barmherzigkeit und Freundlichkeit erweisen, Schaden, so viel uns möglich, von ihm abwenden, und auch unseren Feinden Gutes tun.“

    Hoch gegriffen? Absolut, und oft zu hoch. Aber sollten wir die Messlatte für das Ideal, an dem wir uns orientieren wollen, niedriger hängen? (… womit ich nicht sagen will, dass Simone Weil sie niedriger hängt, denn ich behaupte nicht, bereits verstanden zu haben, was ihr Rat konkret austrägt …)

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  22. @Alexander – ja, aber dass die Notwendigkeit eine subjektive Komponente hat finde ich gerade gut, als Gegenmittel gegen die Verkünder universaler Wahrheit und Notwendigkeiten. Wichtig ist nur, dass nicht der „eigene Wille“ Maßstab ist, aber das etwa habe ich ja mit „keine Ambitionen“ gemeint.
    Nächstenliebe wäre für mich auch keine Ambition, sondern eher eine Praxis. Klar gefällt die Gott. Das Ziel darf aber nicht sein, ein besonders guter oder gottesfürchtiger Mensch zu werden oder in den Himmel zu kommen, Nächstenliebe muss Selbstzweck sein.

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  23. „Das Ziel darf aber nicht sein, ein besonders guter oder gottesfürchtiger Mensch zu werden oder in den Himmel zu kommen, Nächstenliebe muss Selbstzweck sein.“

    Ja, der alte Kant – seinem Verwandten Gutes tun, ist nichts Gutes, es muss mindestens auch keinen Spass machen; protestantische Arbeitsethik.

    Wenn ich, als Beispiel, meiner Freundin zuliebe, einen zweiten Blick auf ihre Verwandtschaft werfe, nachdem ich sie beim ersten irritierend fand, mit dem Willen, nach den guten Seiten an derselben zu suchen, dann ist das doch vollkommen OK – warum man sich in der Praxis um den Nächsten bemüht, ist doch völlig egal, warum sollte der Anlass nicht ein externer sein? Wichtig finde ich nur, dass man der entstehenden Beziehung dann auch eine Chance gibt, sich vom äusseren Anlass zu emanzipieren, sonst läuft es ja auf Benutzen des anderen hinaus …

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  24. Danke für diesen Beitrag! Es passt sehr gut, weil ich gerade dabei bin, mir die „Kung Fu“-Serie auf DVD anzuschauen. Ich liebe diese Serie, auch weil sie sich 1971 (!) traute, ein so definsives und weises Männerbild zu vermitteln.

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