Parteipolitik, Lobbyismus, kommerzieller Journalismus – that’s why nix funktioniert

Beim Frühstück las ich die taz von gestern und darin einen Artikel über familien- und ehebezogene Sozialleistungen. Für erstere gibt der Staat im Jahr 123 Milliarden, für letztere 73 Milliarden aus (überwiegend Ehegattensplitting). Das ganze System ist der helle Wahnsinn. Es gibt 152 verschiedene familienpolitische Leistungen, und kein Mensch weiß, wie dieser ganze Wust an Bestimmungen sich überhaupt auswirkt – ein entsprechendes Gutachten ist schon lange angekündigt, wird aber irgendwie nicht fertig.

Also: Es wird viel Geld unnütz verschleudert, während die meisten Familien doch selbst sehen müssen, wo sie bleiben. Das Ganze wäre für mich kein Thema, wenn es hierbei bloß um verschiedene Meinungen und Ansichten gehen würde, nach dem Motto: Die einen sind für Ehegattensplitting, andere dagegen, man tauscht Argumente aus, stimmt ab, und macht dann das, wofür die Mehrheit ist. Da würde ich mich gegebenenfalls zwar ärgern, wenn die Mehrheit es anders sieht als ich selber, aber das wäre kein prinzipielles Problem. Denn so ist das eben im Leben, dass nicht alle meiner Meinung sind.

Nein, der Artikel hat mich aufgeregt, weil das derzeitige System für Familienförderung eigentlich von niemandem befürwortet wird. Es handelt sich also gar nicht um eine politische Meinungsverschiedenheit. Alle Parteien und alle Beteiligten wissen, dass das familienpolitische Leistungskuddelmuddel Unfug ist und man dringend eine Schneise hinein schlagen und sich irgend ein halbwegs sinnvolles Modell ausdenken müsste.

Der Punkt ist: Das ist im Rahmen unserer politischen Verfahrensweisen offenbar unmöglich. Die taz zitiert einen Politiker mit den Worten: „Die gesamte Sozialpolitik ist politisch vermint. Wer sich da an einer falschen Stelle meldet, der verliert ’ne Wahl.“

(Mal ganz abgesehen von der Frage, was so schlimm daran ist, eine Wahl zu verlieren, wenn sich herausstellt, dass die eigenen Ideen eben nicht mehrheitsfähig sind)…

… sieht man hier auch, wo das Problem ist. Das Problem ist die Art und Weise, wie über diese Dinge öffentlich verhandelt wird. Wir haben Politik in Form von Machtpositionen organisiert, um die Parteien konkurrieren, die sich entsprechend gegeneinander profilieren müssen. Sie haben kein Interesse daran, gemeinsam zu vernünftigen und sinnvollen Entscheidungen zu kommen, sondern vor allem daran, sich gegenseitig schlecht zu machen, die anderen  zu diffamieren und in ein schlechtes Licht zu rücken.

Und wir haben den gesamten öffentlichen Bereich in Form des Lobbyismus organisiert, das heißt, sobald eine Politikerin oder ein Politiker einen Vorschlag zur Reform der familienpolitischen Sozialleistungen unterbreiten würde, meldeten sich die Verbände dieser und die Verbände jener zu Wort, und ihr Kriterium wäre NICHT, ob der Vorschlag von einem allgemeinen Standpunkt aus sinnvoll wäre, sondern einzig und allein, ob er ihnen und den Interessensgruppen, die sie repräsentieren, nützt (dann wären sie Feuer und Flamme dafür) oder ob er sie im Vergleich zu heute schlechter stellt (dann würden sie ihn als Untergang des Abendlandes verdammen).

Und schließlich haben wir auch noch die veröffentlichte Meinung der Bildzeitungen, Spiegels, HartaberFairs und all den Kram, die unter Berichterstattung verstehen würden, genau diese Lobbyismus-Ansichten und Politik-Schaukämpfe gegeneinander zu hetzen, für die eine oder andere Seite, entsprechend ihrer „Blattlinie“, Partei zu ergreifen und Stellung zu beziehen. Sie würden die Sachen aufbauschen, „pointieren“, und dabei hätten sie weder eine gute Lösung für das zugrunde liegende Problem im Sinn, und noch nicht einmal die Unterstützung für diese oder jene Interessensgruppe, sondern allein ihre Quote und damit ihren kommerziellen Erfolg.

Parteipolitik, Lobbyismus und kommerzieller Journalismus sind das Dreigespann, das heute wirkliche Politik – im Sinne von: gemeinsam Regeln für das gute Zusammenleben aller zu finden – aktiv verhindert und unmöglich macht.

Die absurde Zersplitterung familienpolitischer Leistungen, die man nicht mehr eingefangen bekommt, ist natürlich nur ein Beispiel für dieses Versagen. Auch die Europapolitik funktioniert aus genau diesem Grund nicht, weil die Länder alle ihre Nationalismuskarte spielen (Deutschland vorneweg).

Auch dazu gab es ein Beispiel in der gestrigen taz. Ulrike Herrmann kritisiert in ihrem Artikel, wie die deutschen Parteien auf ein Interview von Mario Monti, dem italienischen Premierminister, im Spiegel reagiert haben – nämlich genau in der bekannt bekloppten Weise, die ich oben beschrieben habe.

Allerdings macht sie ihnen daraus einen moralischen Vorwurf, sie appelliert an die Verantwortlichen, doch bitte nicht nationalistisch zu sein. Ich glaube aber, dass es sich hier um ein grundsätzliches Problem handelt, um einen systemimmanenten Mechanismus, und nicht um ein Problem des Missbrauchs, persönlicher Eitelkeiten oder negativer Einzelfälle. Es sind nicht die einzelnen Politiker, Lobbyistinnen oder Journalistinnen schuld, wenn sie bei diesem Theater mitspielen.

Trotzdem hat aber der und die Einzelne durch aus Handlungsspielraum. Niemand ist gezwungen, sich so zu verhalten. Auch nicht innerhalb des Systems, denn „Macht und Politik sind nicht dasselbe“, und es ist durchaus möglich, auch innerhalb der gegebenen Strukturen nach einer anderen Logik zu spielen.

Allerdings: Man muss sich darüber bewusst sein, dass man dort nach einer anderen Logik spielt. Man muss bereit sein, das Risiko der Niederlage einzugehen – dafür kann man dann aber auch mehr gewinnen als Wahlen. Man kann gewinnen, dass endlich wieder Politik gemacht wird, in der Sinnhaftigkeit und Allgemeinwohl etwas bedeuten. Man kann diese wirkliche Politik aber nur zurückgewinnen, wenn man sich von der Logik der Macht (nicht von den Orten der Macht!) fernhält.

Ich werde das Thema weiter verfolgen. Auch Simone Weil ist dabei noch immer meine Lehrerin. Über ihr „Manifest zur Abschaffung der politischen Parteien“ habe ich ja schon gebloggt. Sie hat sich aber auch ausführlich mit dem Thema Pressefreiheit beschäftigt (die sie für falsch hält) – ein heikles Thema, aber ich werde es demnächst mal angehen.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

50 Gedanken zu “Parteipolitik, Lobbyismus, kommerzieller Journalismus – that’s why nix funktioniert

  1. Ich glaube, diese Logik ist inzwischen vielen zumindest unbewusst „bewusst“. Was mir bis vor kurzem gefehlt hatte, war eine Alternative bei der Wahl. Die Piraten sind ein erster Schritt. Was mir bei der nächsten Wahl sehr helfen würde, wären Kandidaten, die betonen, dass sie dieser Logik der Macht nicht folgen.

    Gute Begründungen wären z.B.:
    1. Ich werde nur eine Legislaturperiode als Abgeordneter arbeiten
    2. Über die Entscheidungen, die ich für Euch treffe, berichte ich in meinem Blog (inklusive der Entstehung) /Podcast.

    1. würde dazü führen, dass man keine Wahlkreisarbeit mehr machen muss, und damit vielleicht auch mal Zeit hätte über die Dinge zu reflektieren, die man entscheidet.

    2. würde diese Logik der Macht (hoffentlich) aufdecken.

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  2. Das appelieren an das allgemeine Wohl gegen die kleinlichen Partial-Interessen hat halt das Problem, dass es niemand kennt, dieses ominöse allgemeine Wohl…

    … und dann tritt immer mal wieder jemand auf, dem es glaubwürdig gelingt zu behaupten, dass er das allgemeine Wohl vertrete gegen die „Schwatzbude“ Parlament müsse man halt nur mal richtig „durchregieren“. Nene, dann lieber die Partialinteressen.

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  3. @benni – Na schön, dann haben wir ja ein Thema für den nächsten Podcast. Vielleicht streiten wir uns ja mal richtig schön 🙂 _ Nein, das allgemeine Wohl kennt niemand, aber man kann sich ja deshalb trotzdem daran orientieren, behaupte ich.

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  4. Ich selbst habe aus den geschilderten Gründen seit geraumer Zeit ein großes Problem mit unserer parlamentraischen Demokratie. Denn der Ursprungsgedanke: Sich offen, ehrlich und direkt äußern zu können, der ist längst ad absurdum geführt worden. Das Gegenteil ist längst der Fall, man kann eben nicht mehr direkt am Thema diskutieren und argumentieren. Und die eigene Meinung sagen schon gar nicht mehr, da es – selbst wenn man einfach nur richtig liegt – vom Gegner, von den Medien oder manchmal auch vom parteifreund tausendfach um die Ohren gehauen wird. Herr Rösler ist da derzeit ein gutes Beispiel, dieser Satz, dass ein Austritt Griechenlands aus dem Euro kein Schreckensszenario mehr ist, nun, das ist ein für ihn so typischer WischiWaschi-Satz. Tausendfach von tausend Leuten schon gesagt worden und von noch viel mehr Menschen gedacht. Aber aufgebauscht wurde es als hätte er den Holocaust geleugnet oder soetwas.
    Darum reden Politiker ja auch so wachsweich daher und darum gibt es so bizarre Verdrehungen wie „Fraktionszwang“ – unsere parlamentarische Demokratie hat uns unsere ehrliche Sprache gestohlen.

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  5. „Man kann diese wirkliche Politik aber nur zurückgewinnen, wenn man sich von der Logik der Macht (nicht von den Orten der Macht!) fernhält.“

    Spricht mir aus der Seele, danke! Ich sehe darin auch nicht wie Benni den grundsätzlichen Widerspruch zwischen „durchregieren“ und der „Schwatzbude“. Es ist meiner Ansicht nach durchaus möglich, Partialinteressen so zu vertreten, dass nicht jede politische Auseinandersetzung zu einem gegenseitigen ideologischen Existenzberechtigungskampf hochdramatisiert wird und die politische Dialogkultur dabei derart an Bodenhaftung verliert, wie es David beschreibt.

    Aber ein politisches Engagement ‚innerhalb‘ der Strukturen kann für mich vor allem auch bedeuten, sich (wie oft von Antje beschrieben) um diese Strukturen schlicht gar nicht zu kümmern, sondern ‚Biopolitik‘ von Mensch zu Mensch zu betreiben. Allein schon mit der Einsicht, dass jedes Äußern und Handeln gegenüber meinen Mitmenschen etwas bewirkt, also stets ein Quantum an Normativität und Verantwortlichkeit in all dem liegt, was ich tue und sage, wäre schon einiges gewonnen statt mit der typischen Dualisierung zwischen „die da oben“ und „wir hier unten“ fortzufahren.
    Wir alle haben mehr „außerparlamentarischen“ und parteiübergreifenden, lobby-unabhängigen Einfluss, als wir denken, und gerade in letzter Zeit macht sich das immer häufiger bemerkbar, wie ich finde.

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  6. @Antje – kannst Du noch etwas zu den „Orten der Macht“ sagen und auch, wo diese (über Parteigrenzen, LobbyvertretrInnen hinaus) vorhanden sind und was braucht’s damit die Macht-Orte dem guten Leben aller dienen?

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  7. @Ute – Hm, naja so auf die Kürze ist das schwierig, im Prinzip dreht sich das ganze Diotima Buch, das ich verlinkt habe, um diese Frage. Orte der Macht sind überall, in alle Beziehungen kann sich die Logik der Macht einschleichen, nicht nur dort, wo Macht sozusagen das Prinzip des Ganzen ist, wie in Parteien. Die „Gegenpraxis“ würde letztlich darin bestehen, dass man sich dort auf die Beziehungsebene beginnt, also etwa das Gegenüber, mit dem man es gerade zu tun hat, nicht in seiner Funktion (als Chef, Untergebener, möglicher Allianzpartner, politische Gegnerin etc.) betrachtet, sondern als individuellen Menschen, mit dem man versucht, in ein echtes Gespräch zu kommen. Das ist aber keine leichte Praxis, für die es ein Patentrezept gibt, die Idee ist eher, dass wir gemeinsam eine solche Praxis einüben, uns darüber austauschen etc.

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  8. @Antje – hm ja, das scheint mir auch so, dass es für das Einüben einer „Gegenpraxis“ kein Patentrezept gibt. Menschen nicht (nur) als FunktionträgerInnen anzusprechen sondern auf der Beziehungsebene, das, was @endolex mit „Biopolitik von Mensch zu Mensch betreiben“ nennt, ist mir eingängig. Erscheint mir als eine Art Schlüssel , um den politischen Raum aufzuschließen.
    Was gilt es jedoch zu beachten, damit mannfrau nicht der ‚Logik der Macht‘ erliegt?

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  9. Parteipolitik und Lobbyismus sind meiner Ansicht nach eher Gegensätze. Der einzelne Politiker ist starken Lobygruppen im Zweifel hilflos ausgesetzt. In den USA kann man sehen, wie dies funktioniert, indem eine Lobby sie sich einzeln vornimmt und auf diese Weise beispielsweise einen Abgeordneten nach dem anderen dazu zwingt, einen Antisteuererhöhungsschwur abzulegen.
    Es ist für Lobbygruppen um ein vielfaches teurer und damit schwieriger, (gegenüber ihren Abgeordneten) starke Parteien so zu binden.

    Dass radikale Reformprojekte nicht möglich sind, ist eher positiv. Eine komplexe Gesellschaft hat etwas von einem Biotop. Große und schnelle Änderungen, sprich Schocks, haben häufig unbeabsichtigte und nicht vorhergesehene Auswirkungen. Die zahlreichen vorgeschlagenen Vereinfachungen des Steuersystems etwa würden zu teilweise extrem ungerechten Ergebnissen führen, die sich auch keineswegs schnell „ausbügeln“ würden. Genauso skeptisch stehe ich einer fundamentalen Reform familienpolitischer Leistungen gegenüber, selbst wenn sie mit den lauteren Absichten durchgeführt würden.

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  10. Ich versteh das nicht warum alle immer gegen den Strom schwimmen wollen ? Ist doch viel einfacher sich treiben zu lassen.

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  11. @Erdbeerbaeumle – „Dass radikale Reformprojekte nicht möglich sind, ist eher positiv.“ Was sind für dich „radikale Reformprojekte“?

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  12. So nenne ich das BGE mittlerweile, weil die konkreten Vorschläge teils sehr bescheiden ausfallen (am ehesten rechne ich mit einem schwarz-grünen BGE, das wären dann 800 Euro minus 200 Euro Krankenversicherungspauschale). Und das sind noch Berechnungen aus der Zeit vor der Euro-Dauerkrise.

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  13. @Irene – „…..weil die konkreten Vorschläge teils sehr bescheiden ausfallen…“
    Als „Bundesalmosen“ verordnet, wäre es wohl eher ein Machtmittel zur Erhaltung von Untertanen.
    Meine Idee vom bGE sieht anders aus, als Lebens-Mittel zu mehr (Wahl)Freiheit für alle. Für diese Idee engagiere ich mich und auch dafür, dass wir als politische Gemeinschaft darüber direkt entscheiden.
    Welches bGE wir dann haben werden, hängt eben davon ab, ob und wie wir alle uns in diesen laufenden Aushandlungs-Prozess einbringen.
    Vielleicht interessiert dich der Kongress, der nächsten Monat stattfinden soll:
    http://www.bien2012.de/

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  14. Danke für den Link. Das ist ja schon wieder was mit dem Wortführer Götz Werner. Der redet so toll, dass es runter geht wie Öl und am Ende niemand mehr weiß, was er eigentlich gesagt hat, außer dass es um das MEN-SCHEN-BILD geht.

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  15. Bascha Mika schreibt in einer FR-Kolume

    http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-zu-volksvertretern-abgeordnete–eine-truppe-von-stuempern,1472602,16707208.htm

    über das Arbeitspensum von Abgeordneten.
    Liest sich fast wie eine Persiflage, wäre da nicht der letzte Abschnitt des Artikels, der da lautet:
    „Fast scheint es so wie im Fußball: Da glaubt ja bekanntlich jeder, er wäre der bessere Bundestrainer. Die Arbeit eines Abgeordneten trauen wir uns auch alle aus dem Stand zu. Wir würden den Job doch problemlos stemmen. Also dann – ran!“

    Schon erstaunlich, dass Bascha Mika meint solch ein Männer-Abgeordneten-Leben uns allen zum Vorbild und Nacheifern vorhalten zu müssen.
    Klingt wie eine Fortsetzung ihrer Schelte an die Frauen, denen sie Feigheit und Bequemlichkeit vorwirft, weil sie zu wenig Wille zur Karriere in Führungspositionen zeigten.
    Mich wundert, dass Bascha Mika die Weigerung und Ablehnung von nicht wenigen Frauen, in bestimmte Führungspositionen zu gehen,nicht auch als Widerstandspotential gegen ausbeutende Machtverhältnisse erkennen kann.

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  16. Würde gerne nochmal was zum allgemeinen Wohl loswerden: Ich sehe das ähnlich wie benni: Es gibt einfach zu viele Einzelmeinungen und Einzelinteressen, als das einer alleine das allgmeine Wohl sieht. Ich persönlich bin sogar der Meinung, dass es besser ist für seine eigenen Interessen einzutreten und zwar im Sinne des allgmeinen Wohl. Denn wenn ich mir Gedanken mache, was für alle das beste ist, betrachte ich die Situation widerum nur aus einer (nämlich meiner ganz persönlichen) Perspektive und ignoriere dabei die Sichtweisen anderer (wenn auch nicht beabsichtigt).
    Ich habe immer ein Problem damit, wenn sich Menschen hervortun und meinen für mich zu sprechen und zu sagen, was wohl für mich (als Teil einer Gruppe, z.B. Studenten, Frauen o.ä.) am besten ist.
    Wenn jeder sich selbst zu Wort meldet und sein ureigendstes Interesse kundtut erfährt man viel mehr über das, was für alle am Besten ist als wenn wenige meinen sich in andere hineinversetzen zu können und für diese mitzusprechen und entsprechend zu entscheiden. Ich bin daher auch ein großer Befürworter von Volksentscheiden, was aber ein anderes Thema ist.

    Genau des halb befürworte ich auch Lobbyarbeit. Denn wenn wir schon nicht die Mäglichkeit haben in Volksentscheiden unsere Meinung als Volk mitzuteilen, können wir so wenigstens über unsere Interessenvertreter Einfluss nehmen. Und es gibt wirklich für fast jeden seine Lobby. Klar denkt man bei Lobbyismus als erstes an irgendwelche Interessenvertreter von Unternehmen oder ähnlichem, aber das ist nur ein sehr kleiner Bereich.

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  17. @Ute Plass die Kirchhofsche Steuerreform wäre z.b. eine radikale Reform, ebenso das BGE (egal in welcher Form).

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  18. @Ute Plass – Ja, das wundert mich auch. Ist aber eine verbreitete Haltung bei Frauen, die es „geschafft“ haben. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass sie ja einen großen Preis dafür gezahlt haben, dass sie nach den geltenden Spielregeln „erfolgreich“ geworden sind und vielleicht auch etwas neidisch auf die Frauen, die sich das nicht antun.

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  19. @Mirage – Ich gebe dir total Recht, dass es keinesfalls darum geht, „im Namen anderer“ zu sprechen, ich bin eine vehemente Kritikerin jeglicher Art von Repräsentationspolitik. Politik geht immer nur in erster Person, niemand kann für andere sprechen. Gerade darin sehe ich aber das Problem der Lobbypolitik, denn die beansprucht das ja grade. Denn das Problem, das du beschreibst, stellt sich da ja wieder: Zwar geht es nicht um das „allgemeine Wohl“, aber doch um eine angenommene einheitliche Interessenslage der entsprechenden „Gruppe“. Die gibt es aber genausowenig.

    Deshalb akzeptiere ich auch nicht die Alternative, die Benni aufgestellt hat: Entweder Interessenspolitik oder „Führerprinzip“. Es ist natürlich das Allerschlimmste, wenn Einzelne auftreten und behaupten, sie würden wissen, was das allgemeine Wohl ist (totale Selbstübschätzung). Aber dass alle nur für ihre eigenen Interessen eintreten und das allgemeine Wohl dabei gar keine Rolle spielt, ist auch nur die zweitschlechteste Möglichkeit. Ich plädiere für eine politische Haltung, bei der die einzelnen Akteur_innen sich durchaus bewusst sind, dass sie nur eine partikulare Sichtweise haben, also von einem bestimmten Standpunkt und einer bestimmten Interessenlage aus sprechen, sich aber dennoch aktiv bemühen, das allgemeine Wohl im Auge zu behalten, also sich auch für die Standpunkte der anderen interessieren und die in ihr Handeln einzubeziehen.

    Vielleicht meinst du ja sowas ähnliches, wenn du schreibst „dass es besser ist für seine eigenen Interessen einzutreten und zwar im Sinne des allgmeinen Wohl“?

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  20. @Erdbeerbaeumle – Reformen, auch radikale, entstehen ja nicht im luftleeren Raum sondern als Aushandlungsprozess politischer Gemeinschaften. Daher befürchte ich auch keine Schocks, wenn ich davon ausgehe, dass Menschen ihre Angelegenheiten in einem dafür erforderlichen Zeitraum debattieren und bearbeiten. Den Schock bekomme ich, wenn die mich betreffenden Dinge ohne mich verhandelt , also ‘von oben’ einfach übergestülpt werden.

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  21. @Mirage – stimme dem auch zu, dass mannfrau selbst ihre Interessen vertritt. Doch da ich ja nicht alleine auf der Welt lebe, versuche ich meine Interessen so zu vertreten, dass ich damit nicht anderen Schaden zufüge. Das wäre im Moment meine Minimal-Definition von Allgemeinwohl. Das gute Leben für alle kann eben auch nur im ständigen Austausch mit allen
    gelingen. Diese gelebte politische Praxis ziehe ich einer Lobbyarbeit vor. Du sagst: “Klar denkt man bei Lobbyismus als erstes an irgendwelche Interessenvertreter von Unternehmen oder ähnlichem, aber das ist nur ein sehr kleiner Bereich”. Das denke ich nicht. Die Realität ist doch diese, dass mittlerweile Lobbyisten direkt an Texten
    zu Gesetzentwürfen mitschreiben (siehe Bertelsmann-Stiftung). Dass in unserer Gesellschaft jede Menge Lobby-Arbeit betrieben wird, finde ich nicht beruhigend, auch wenn es sich dabei um soziale Interessensverbände wie z.B. VdK oder Kinderschutzbund handelt. Dass solche Verbände aus der Not heraus entstehen, ist ja im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft.

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  22. Nochmal zurück zum Einstiegsthema: Der Artikel beruht ja auch auf Lobbyismus, nämlich der Städte und Gemeinden, die einen Teil der Sozialleistungen tragen, das betrifft vor allem den Bereich Sozialhilfe / Grundsicherung / ALG II (was es ja auch für Kinder gibt). Daraus ergibt sich zwar unmittelbar, dass die überschuldeten Kommunen allen Grund zum Jammern haben, aber dieser Rundumschlag, den die Medien draus machen, hat was Populistisches. Steuern sind auch komplex, und das brachte uns so fragwürdige Helden wie den Bierdeckel-Erlöser Friedrich Merz – so einer hat uns im Familien- und Sozialbereich gerade noch gefehlt. Die Original-Pressemitteilung ist da schon etwas aufschlussreicher:
    http://www.dstgb.de/dstgb/Pressemeldungen/Soziale%20Leistungen%20reformieren%20-%20Unabh%C3%A4ngige%20Sachverst%C3%A4ndigenkommission%20einsetzen/

    Das Argument, dass es diese Leistungen irgendwie nicht bringen, weil Familien eh sehen müssen wo sie bleiben, funktioniert vielleicht in der Mittelschicht, aber nicht bei denen, die auf einzelne Leistungen angewiesen sind, zum Beispiel die im Pressetext erwähnten Unterkunftskosten.

    Vielleicht sind auch noch Leistungen aus dem Bereich Sozialversicherung (Mitversicherung von Kindern in den gesetzlichen Kassen und in der Beamten-Beihilfe) mitgezählt, oder Jugendhilfe-Leistungen für Waisen und so weiter.

    Und was die von der Taz eingeflochtene Kinderarmut betrifft – Armut ist ein statistischer Begriff, relativ zum Durchschnitt. Man kann also Armut gar nicht abschaffen, wenn man die Definition nicht ändert. Und wenn Arme viele Kinder kriegen, heißt das immerhin, dass sie es sich halbwegs leisten können. Linke wollen es ja letzten Endes so, anstatt mit Sarrazin zu seufzen, dass die falschen die Kinder kriegen.

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  23. Und wenn Arme viele Kinder kriegen, heißt das immerhin, dass sie es sich halbwegs leisten können … und zwar dank der hier in Frage gestellten Sozialleistungen. Wenn man die abschaffen würde (was z.B. Heinsohn fordert), würden mehr Arme auf Verhütung umsteigen oder im Fall von Migranten ins Herkunftsland zurück gehen. Sollte man wissen, bevor man die Axt anlegt.

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  24. @Antje Schrupp: Ich verstehe deine Definition von Allgemeinwohl noch nicht so wirklich. Einerseits sagst du, dass niemand das Allgemeinwohl kennt (Selbstüberschätzung), andererseits sagst du, dass man es beim vertreten der eigenen Interessen immer im Auge behanlten sollte? Wie soll ich was im Auge behalten, dass ich nicht kenne? Oder meinst du das vielleicht so wie @Ute Plass, die als Allgmeinwohl benennt, beim Vertreten seiner Interessen niemandem anderen zu schaden? Dem kann ich mich anschließen, das hatte ich allerdings als eine Selbstberständlichkeit betrachtet.

    Was die Lobbyarbeit angeht sehe ich das so, dass es besser ist, wenn jeder versuchen kann, irgendwie seine Interessen einzubringen, als dass nur einige wenige Politiker entscheiden! Und ich denke dabei insbesondere auch an solche Lobbies wie Kinderschutzbund o.ä.

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  25. @Mirage – na, das Allgemeinwohl kann ich mir ja zum Maßstab machen, indem ich bei meinen Überlegungen eben die Frage mit einbeziehe, ob das jetzt generell eine gute Idee ist oder ob ich etwas nur gut finde, weil es mit meinen Interessen übereinstimmt.

    Dass „Interessensvertreter“ anderen nicht schaden, ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil, die Idee dahinter ist ja, dass die anderen selber für sich sorgen und dann der stärkere gewinnt oder – parlamentarisch – der, der die Mehrheit hinter sich hat oder dem die Gerichte rechtgeben. Gerichte sind eh ein gutes Beispiel: da ist es ausdrücklich nicht die Aufgabe eines Anwaltes, die Gegenseite mit zu bedenken, im Gegenteil, sein Job ist es, sie möglichst in ein schlechtes Licht zu rücken, auch unabhängig von der Wahrheit.

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  26. Im Gegenteil, die Idee dahinter ist ja, dass die anderen selber für sich sorgen und dann der stärkere gewinnt oder – parlamentarisch – der, der die Mehrheit hinter sich hat

    Das klingt aber sehr konstruiert. Die Parteien konkurrieren doch längst darum, welcher Weg für ein und dasselbe Ziel oder ein und dieselbe Gruppe am besten wäre – gut für die Kinder, gut für die Umwelt, gut für den Arbeitsmarkt und so weiter.

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  27. Beim Allgemeinwohl kann man nur mitbedenken, was und wen man kennt. Vor 40 Jahren kannten die meisten Leute keine Homosexuellen, heute kennen die meisten keine ALG-II-Empfänger. Das Bild, das die Mittelschicht von Hartz IV hat, wird von „Frauentausch“ auf RTL geprägt.

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  28. @Ute Plass
    Vieles hängt mit vielem zusammen. Wären Nachtschichtzulagen nicht steuerfrei, hätten die Tarifpartner vielleicht höhere Tarife ausgehandelt. Wenn nun eine große Steuerreform diese Steuervergünstigung abschafft, heißt das noch lange nicht, dass nun neue Tarifverträge geschlossen werden. Und würde das der Fall sein, würden vielleicht die Krankenhäuser die höheren dadurch Kosten irgendwo anders kompensieren müssen. Das würde dann ….
    Niemand kann bei großen Reformen, selbst wenn sie mit besten Vorsätzen gemacht werden, die Nebenwirkungen auch nur annähernd voraussehen. Man weiß nicht, wie die ganzen Beteiligten reagieren. Auf jeden Fall dauert es lange und kostet viele Beteiligten viel Geld, bis sich alles wieder einspielt.
    Die Auswirkungen des BGE z.B. sind völlig unvorhersehbar. Kein Mensch kann z.B. sagen, wie sich Preise für bestimmte Güter und Dienstleistungen verschieben würden (die Mieten und Mietnebenkosten könnten z.B. stark steigen). Es würde religiös fundamentalistische Gruppen fördern, die ein sehr konservatives Bild von Mann und Frau haben. Wie das wiederum auf unsere Gesellschaft zurückwirkt, wer vermag das zu sagen?

    Unser Sozialsystem ist komplex. Aber jedes reformierte müsste und würde auch über kurz oder lang wieder ähnlich komplex werden. Viele Teile davon haben sich bewährt und funktionieren (etwa die Mitversicherung bei den gesetzlichen Krankenkassen).

    Unser eigentliches Problem ist eher die ungerechte Einkommensverteilung, und zwar zwischen den 99% und den 1% :-).

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  29. Die Auswirkungen des BGE z.B. sind völlig unvorhersehbar. Kein Mensch kann z.B. sagen, wie sich Preise für bestimmte Güter und Dienstleistungen verschieben würden (die Mieten und Mietnebenkosten könnten z.B. stark steigen).

    Im unteren Preissegment wird der Wohnungsmarkt jetzt schon vom bedingten Grundeinkommen (Hartz IV) beeinflusst. In Städten mit hoher Arbeitslosigkeit bevorzugen manche Wohnungsverwaltungen ALG-II-Empfänger, weil deren Miete sicherer ist als die einer Verkäuferin, einer Studentin oder eines Busfahrers, vor allem wenn das Amt direkt überweist. Hier in München übernimmt die ARGE bei Singles Mieten bis zu 440 Euro, sodass es nicht überrascht, dass jedes Wohnklo mit Kochnische 440 Euro kostet. Appartements, die in den Neunzigern noch 400 Mark kosteten, kosteten gut zehn Jahre später über 400 Euro.

    Eine negative Einkommenssteuer würde vermutlich weniger Schaden anrichten.

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  30. @Erdbeerbaeumle – wie wahr „Vieles hängt mit vielem zusammen“. Das angeführte Beispiel unseres vorherrschenden Steuer-Dschungels führt uns ja vor Augen, dass dieses Steuer-System auf den Prüfstand und radikal verändert gehört. Dieses trägt hierzulande u.a. mit dazu bei, dass die Einkommensverhältnisse immer weiter auseinanderdriften. Eine Anhebung von Einkommen-Vermögens-Erbschaftssteuer ist überfällig. Ein bGE wäre damit bereits mit zu finanzieren. Finanzierungsmodelle dazu gibt’s genügend, bis dahin ,dass das
    bGE nicht allein monetär zu denken ist. Die Vielfalt der Ideen dazu werden sicherlich auf dem Kongress im September diskutiert. Wenn Du wissen willst, ob und wie das bGE wirksam werden kann, dann schau Dir mal das Modellprojekt Namibia dazu an http://www.grundeinkommen.de/26/04/2010/namibia-macht-es-vor-ein-bedingungsloses-grundeinkommen-fuer-alle-bericht-von-der-vortragstour-von-herbert-jauch-aus-namibia.html.
    Ich denke nicht, dass all diese Maßnahmen die skandalösen Einkommens-Vermögens-Besitzverhältnisse radikal verändern. Nichtsdestotrotz befürworte ich sie und hoffe, dass es weiter geht in Richtung solidarische Ökonomie. Dass mannfrau aus Furcht vor dem Neuen und Unbekannten dazu neigt an dem vertrauten Elend festzuhalten, ist ja eine Binsenwahrheit.
    Auch deshalb, lieber Erdbeerbaeumle gibt’s noch ne Menge zu tun, wenn sich die Verhältnisse der “ 99% zu den 1% ändern sollen;-) .

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  31. @Mirage: Du schreibst: “ Was die Lobbyarbeit angeht sehe ich das so, dass es besser ist, wenn jeder versuchen kann, irgendwie seine Interessen einzubringen, als dass nur einige wenige Politiker entscheiden! Und ich denke dabei insbesondere auch an solche Lobbies wie Kinderschutzbund o.ä.“

    Damit legst Du ja auch die Defizite der parlamentarischen Demokratie offen, der es an der direkten Mitsprache und Entscheidung der Menschen im Lande mangelt.
    Die Frage ist, ob wir uns damit begnügen, diese Defizite durch Lobby-Arbeit auszugleichen oder nach anderen Wegen von Politik suchen? Auch die Lobby-Arbeit eines Kinderschutzes hat nicht alleine das vielzitierte Kindeswohl im Blick , sondern auch das eigene Prestige als Institution, die z.B. in Fragen der Finanzierung wiederum von diversen anderen Entscheidungs-Instanzen abhängig ist. Hier greifen wieder die Macht-Mechanismen, die Antje in ihrem Artikel beschrieben hat.

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  32. „Ich plädiere für eine politische Haltung, bei der die einzelnen Akteur_innen sich durchaus bewusst sind, dass sie nur eine partikulare Sichtweise haben, also von einem bestimmten Standpunkt und einer bestimmten Interessenlage aus sprechen, sich aber dennoch aktiv bemühen, das allgemeine Wohl im Auge zu behalten, also sich auch für die Standpunkte der anderen interessieren und die in ihr Handeln einzubeziehen.“

    Gerade weil in Parteien die unterschiedlichsten Interessengruppen zu einer gesamtgesellschaftlichen Poltik kommenn, die möglichst alle Interessengruppen befriedigt, haben wir doch eine derartige Zersplitterung z.B. familienpolitischer Maßnahmen.

    Das „allgemeine Wohl“ ist ja schliesslich nichts, was notwendigerweise aus „einem Guß“ wäre.

    Deswegen frage ich mich eigentlich auch, ob es nicht gerade umgekehrt ist – es fehlt die Bereitschaft von Politikern, Interessen auch einfach mal als unfair und unberechtigt abzulehnen, nicht die Bereitschaft. ewig lange auch den absurdesten Mist noch mitzubedenken.

    Dass dem eventuell eher so ist, kann man vielleicht an einem anderen Bereich sehen, über den Otto Schily mal sagte, dass kein Politiker sich da ran traue, nämlich dem bundesdeutschen Kindschaftsrecht. Seit nun ungefähr dreissig Jahren gibt es Reformen dort nur dank Interventionen des EuGH, ansonsten wären wir heute noch auf dem Stand, dass Männer praktisch rechtlos sind.

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  33. @Andreas – ich behaupte, dass es der Frauenbewegung mit zu verdanken ist, dass Männer als Väter begonnen haben ihr Vatersein in unterschiedlichster Weise in den Blick zu nehmen. Kann mich bei manchen Väterrechtsbewegten alledings nicht des Eindrucks erwehren, dass sie weniger von der Sorge um das Wohl der Kinder angetrieben sind, sondern die Argumentation um das Kindeswohl als Kampfmittel instrumentalisieren um darüber eigene Konflikte und Verletztheitsgefühle abzurereagieren (gilt auch für manche Mütter). Im großen und ganzen verständigen sich heute Eltern-Paare, die ihre Paarkonflikte und Trennung reflektiert und bearbeitet haben im Sinne des Kindeswohl.

    Könnte es sein, dass der ‚Kampf um’s Kind‘ auch noch überkommene patriarchale Eigentumsverhältnisse widerspiegelt?

    Und so wäre es interessant zu untersuchen, ob hinter all dem Lobbyistentum
    sich letztlich die Frage nach Besitz- und Eigentumsverhältnissen verbirgt ?

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  34. @AntjeSchrupp:

    Ich rede gar nicht über unsere jahrhundertealte Kultur, sondern über Deutschland und meinetwegen auch Österreich seit ungefähr dreissig Jahren *rofl*.

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  35. … „bekloppt“ ist das richtige Wort für das Verhalten vieler Politiker und PolitikerInnen. Ich stimme Ihnen zu.
    Mich macht es immer mehr betroffen, für wie dumm uns Politiker ganz offensichtlich halten, wenn sie öffentlich ihre Meinung abgeben. Die Meinung interessiert mich als Bürgerin dieses Landes bei Politikern aber wenig. Mich interessiert ein kreativer, offener Diskurs um ein Problem, das besteht. Da sollten Lösungen gesucht werden, die für alle akzeptabel sind, und wenn nicht für alle akzeptabel, so doch für die Mehrheit. Und die Minderheit solle es erklärt bekommen.
    Was mich zudem betroffen macht: Wir Menschen lernen aus Fehler, aus Fehlentscheidungen. Politiker scheinen das nicht zu tun und wenn, tun sie so, als hätten sie dieses und jenes schon IMMER so gedacht und gesagt, auch wenn es das Gegenteil ist. Statt sich mal zu entschuldigen, einzugestehen, einen Fehler gemacht zu haben und neu anzufangen. FEHLER MACHT JEDER.
    Dran bleiben am Thema! Bitte.

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  36. @Dani – Ja, aber ich plädiere sehr dafür, die moralische Note aus dem Diskurs herauszuhalten. Es geht mir nicht darum, dass „die“ Politiker_innen sich schlecht oder verwerflich verhalten (an Stammtischen wird schon immer über „die“ hergezogen), sondern darum, dass dies in der Logik unseres Verständnisses von Politik angelegt ist. Eine „gute“ Politikerin kann man also nur sein, wenn man sich aktiv „nicht systemkonform“ verhält – und bereit ist, die Nachteile in Kauf zu nehmen, aber dafür gibt es auch viel zu gewinnen (allerdings ohne Garantie). Man kann aber „den“ PolitikerInnen nicht pauschal vorwerfen, wenn sie sich an die Spielregeln halten, schon gar nicht den Frauen, den man ja lange eingeimpft hat, sie müssten sich an die Spielregeln halten, wenn sie mitspielen wollen. Also: Anstatt Einzelnen vorzuwerfen, dass sie sich an die Spielregeln halten, die sie vorfinden, muss es darum gehen, zu überlegen, wie sich die Spielregeln vielleicht ändern lassen.

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  37. Liebe Antje Schrupp,
    stimme Ihnen zu. War zu pauschal meine Antwort. Es gibt gerade auf der regionale Ebene viele PolitikerInnen, die einen wirklich guten Job machen, sich für die Sache einsetzen. Ich hatte beim Schreiben ehrlich gesagt ausschließlich unsere Minister, also die Männer als Politiker im Kopf, mit denen ich z.T. persönlich diese beschriebenen Erfahrungen gemacht habe. Ich habe mich hinreißen lassen. 🙂
    … und hätte präziser formulieren sollen.

    Spielregeln im Politikbetrieb … einzelnen vorwerfen, dass sie sich an die Regeln halten? Mal aufbauend auf Ihre Antwort: An welche Regel hält sich z.B. Peer Steinbrück, wenn er sagt, er habe im Amt als Bundesfinanzminister Fehler gemacht, damit aber nur Fehler meint, die nun wirklich nicht der Rede wert sind? Seine großen Fehler im Vorfeld und während der Finanzkrise aber weist er von sich und behauptet das Gegenteil. An welche Regel hält er sich? „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ (kleiner Scherz)
    Er setzt auf die Vergesslichkeit der WählerInnen und auf die der JournalistInnen. Er wischt Kritik mit seinem Charme und seinem rhethorischen Talent weg. Wären wir WählerInnen, sagen wir, interessierter, gebildeter, kritischer, würden nachhaken, würden uns nicht abspeisen lassen, hinterfragen, hätten Steinbrücks keine Chance.

    Also umgekehrt:
    Statt Regeln ändern mehr Bildung, mehr Streitkultur, mehr Kommunikationswissen, dazu unabhängige Medien?

    Schreiben Sie doch bitte einen neuen Post. Was denken Sie, welche Regeln sich ändern ließen, damit sich Parteioberen nicht gegenseitig öffentlich fertig machen und sich beleidigen, sondern sie konstruktiv und offen öffentlich diskutieren, an der Sache, nicht an der eigenen Machtposition? Positive Beispiele unter PolitikerInnen gibt es ja. Aber darunter ist eben sehr selten das (zumeist männliche) Spitzepersonal vertreten … oder ist das System eigentlich ganz gut, und wir als Gesellschaft haben abgebaut, und wenn ja, woran liegt das?

    Welche Fragen sich da auftun …

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  38. Das ist Interessengruppen-Theorie: Lowi hat das in „people of plenty“ geschrieben. Der Liberalismus ist der tatsächliche Konservatismus, weil sich Macht und Einfluss der Interessengruppen gegenseitig aufheben.

    Deshalb spaltet sich das Sozialsystem immer weiter auf – weil es keinen Rahmen, keine Definition für „Nachvollziehbarkeit“ gibt, sich Initiativen sehr leicht neu schaffen, aber nicht mehr abschaffen lassen. Jede Initiative produziert Profiteure – und die können sich in der Mediendemokratie eben besonders gut zu Wort melden.

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  39. @Ute Plass:

    Meines Wissens verlieren ca. 50 % der Geschiedenen, die nur das Umgangsrecht haben, auf Dauer den Kontakt zu ihren Kindern, und zwar unabhängig davon, ob es Männer ( die Mehrheit ) oder Frauen ( die Minderheit ) sind.

    Ich persönlich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass das alles Leute sind, die kein Interesse haben – und die, die ich kenne, sind auch nicht solche.

    Im übrigen mag ich persönlich solche „Hinter-dem-Bewußtsein-des-anderen-argumentieren“ – Konzepte, wie Du sie umsetzt, nicht sonderlich.

    Wie gesagt, beschreibt Deine Meinung, es handele sich um „patriarchale Machtkämpfe“ weder die Haltung der Männer, die ich mit solchen Problemen erlebt habe, noch kann sie erklären, warum es eigentlich genau so viel Frauen mit solchen Problemen gibt ( vorausgesetzt, Frauen sind zu ähnlichen Lebensformen verdonnert ). In meinen Augen geht es den Leuten einfach darum, ein unbeschädigtes Leben zusammen mit ihrer Familie – das sind eben ihre Kinder – führen zu können.

    Dein Anspruch, die Motivation anderer besser als diese selbst zu kennen, kann ich deswegen eigentlich nur als Versuch, im Eigeninteresse andere Menschen zu diskreditieren, ansehen – sorry.

    Ansonsten hat die Frauenbewegung sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, bei Männern zu einem Umdenken zu führen, die ihre familiäre Rolle – gesellschaftlich erwünscht auch von Frauen – bisher hauptsächlich in der finanziellen Versorgung von Frauen und Kindern gesehen haben.
    Aber erstens wird der Anteil der Männer, die historisch ausser durch ihre Geldbörse für ihre Kinder nicht existierten, meines Erachtens stark übertrieben – es handelt sich wohl da mal wieder um die typische Konzentration des Erkenntnisinteresses auf Männer mit hohem Status und natürlich um Eigenlob von Seiten des Feminismus.
    Und zweitens verschärft das bestehende Kindschaftsrecht natürlich gerade, weil Männer vermehrt sich nicht mehr in die Rolle des Versorgers drängen lassen wollen, bestehende Konflikte.

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  40. PS.

    „Und zweitens verschärft das bestehende Kindschaftsrecht natürlich gerade, weil Männer vermehrt sich nicht mehr in die Rolle des Versorgers drängen lassen wollen, bestehende Konflikte.“

    Was natürlich auch der Grund ist, weswegen der EuGH ständig in deutsche Verhältnisse eingreifen muss – um mal den Bogen zurück zum Zustand der Politik zu schlagen …

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