Von der hohen Kunst, „Kackscheiße“ zu sagen oder auch nicht

Haha, lustig. Malte Welding erklärt den Antirassist_innen und Feminist_innen, dass es für einen ernsthaften Diskurs nicht zuträglich ist, dem Gegenüber zu sagen, er oder sie produziere sexistische und rassistische „Kackscheiße“.

Foto: T. Michel/fotolia.com

Echt jetzt? Da wäre man ja von selber gar nicht drauf gekommen.

Nadia Shehadeh hat schon eine Erwiderung darauf geschrieben, in der sie den überheblichen Gestus, der Weldings Ermahnungen zugrunde liegt, gut dekonstruiert (und btw damit zeigt, dass Überheblichkeit auch nicht gerade ein gutes Stilmittel ist, um das Gegenüber von irgendwas zu überzeugen).

Aber ganz davon abgesehen geht Weldings Einwand natürlich vollkommen am Thema vorbei, weil „Kackscheiße“ inzwischen das Mem geworden ist, mit dem in einem bestimmten Kontext gerade ausgedrückt werden soll, dass hier die Diskussion am Ende ist. Es ist gerade der Sinn dieses Wortes, genau diesen Schnitt und diesen Bruch anzuzeigen.

Wenn man also das Phänomen, dass dieses harsche Wort neuerdings in bestimmten Kontexten Verwendung findet, ernsthaft analysieren will, müsste man damit beginnen, verstehen zu wollen, warum hier Leute eine Grenze ziehen und somit markieren, dass sie nicht zur Diskussion bereit sind, und dann könnte man darüber reflektieren, ob diese Diskussionsverweigerung sinnvoll ist oder nicht.

Ich selber benutze den Begriff „Kackscheiße“ selten oder nie, obwohl ich auch oft keinen Bock mehr aufs Diskutieren habe. Allerdings nicht aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten meines Gegenübers, sondern weil ich den Begriff „Scheiße“ generell nicht mehr metaphorisch benutzen möchte. Ich bin nämlich zusammen mit meinen Denkfreundinnen beim Schreiben des „ABC des guten Lebens“ zu der Einsicht gekommen, dass man viel öfter über Scheiße im realen Sinn sprechen müsste, und dass es dafür nicht gut ist, wenn das Wort eine Metapher für alles Böse und Schlechte ist.

Zurück aber zur eigentlich interessanten Frage: Wie steht es um die Notwendigkeit, Dinge zu vermitteln? (Auch das ist ein wichtiges Wort in unserem ABC.)

Richtig ist: Vermittlungen zu suchen ist die einzige Möglichkeit, Leute zu überzeugen und eine wirkliche politische Diskussion zu führen. Ihnen dabei „sexistische Kackscheiße“ an den Kopf zu werfen, ist normalerweise kontraproduktiv.

Falsch ist: Dass wir alle verpflichtet sind, ständig und überall und mit allen Leute politische Diskussionen zu führen.

Und zwar nicht nur, weil wir müde sind, keinen Bock haben und so weiter, sondern aus einem viel wichtigeren Grund: Um eine echte Diskussion zu führen, ist es notwendig, eine Beziehung zum Gegenüber einzugehen. Mit manchen Menschen und in manchen Situationen ist das aber nicht möglich, oder es wäre zwar möglich, aber nicht sinnvoll.

Die Arbeit an Beziehungen war eine der wesentlichen feministischen Praktiken, die die Frauenbewegung in den 1970er Jahren erfunden hat. Sie stellte nicht politische Programme und Forderungen, sondern den Wunsch nach guten Beziehungen in den Mittelpunkt.

Gute Beziehungen, wohlgemerkt, nicht irgendwelche Beziehungen. Dass Frauen allzu häufig ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, um schlechte und schädliche Beziehungen aufrecht zu erhalten, hat die Frauenbewegung als Teil des Problems erkannt. Dass nicht jede Beziehung es Wert ist, aufrecht erhalten zu werden, ist am offensichtlichsten natürlich, wenn Gewalt im Spiel ist. Es gilt aber auch in anderen Fällen.

Zur politischen Praxis der Frauenbewegung gehörte es deshalb, sowohl bewusst Beziehungen zu anderen Frauen und feministischen Männern einzugehen, als auch – und das ist wichtig – Beziehungen aufzukündigen, in denen gutes Leben nicht möglich ist, weil sie von Gewalt und Macht dominiert sind und das Gegenüber nicht bereit ist, davon runterzukommen.

Eine sehr radikale Auswirkung davon war der Separatismus, also die Entscheidung, die politische Zusammenarbeit mit Männern generell aufzukündigen, wozu auch die Bewegung der „politischen Lesben“ gehörte. Das war eine sehr wichtige Praxis, auch wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse uns inzwischen woanders hin gebracht haben und sie, wie jede Praxis, überdacht werden muss.

Inzwischen ist das Pendel aber vielleicht schon wieder ins Gegenteil umgeschlagen, und das Mantra „Der Feminismus muss Männer einbeziehen“ wird für meinen Geschmack zuweilen etwas zu oft und laut und zu pauschal gesungen.

Vielleicht ist der zunehmende Wunsch, auch mal „Kackscheiße“ zu sagen, also die Beziehung und die Diskussion aufzukündigen, ein Ausdruck davon, dass jetzt die Frage ansteht: Mit welchen Männern wollen wir zusammenarbeiten – und mit welchen nicht? Wobei, wohlgemerkt, „zusammenarbeiten“ nicht bedeutet, dass man einer Meinung ist, sondern dass man sich gegenseitig als aufrichtigen Gesprächspartner, Gesprächspartnerin ernst nimmt.

Der Punkt ist doch, dass es  keine generellen Regeln gibt, an denen man sich im politischen Handeln orientieren kann. Die Kunst in der Politik besteht darin, in einer jeweiligen Situation dies oder jenes zu tun, das ist eben eine Sache der Praxis, der Erfahrungen, die gesammelt und reflektiert werden.

Es ist, in anderen Worten, die Kunst, mal „Kackscheiße“ zu sagen (oder etwas anderes zu tun, um zu signalisieren, dass man jetzt und mit dieser Person nicht diskutieren, also sich nicht in eine Beziehung setzen möchte), und mal aber auch nicht.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

34 Gedanken zu “Von der hohen Kunst, „Kackscheiße“ zu sagen oder auch nicht

  1. Richtig ist: Vermittlungen zu suchen ist die einzige Möglichkeit, Leute zu überzeugen und eine wirkliche politische Diskussion zu führen. Ihnen dabei “sexistische Kackscheiße” an den Kopf zu werfen, ist normalerweise kontraproduktiv.

    Hm? Nä, garnicht kontraproduktiv. „*istische Kackscheiße“ ist ein ehrliches Eingangs-Statement, passt eigentlich immer. Was soll da Drumrumreden mehr Erfolg haben? Das ist doch nicht vermittelnd, wenn die andre Person nichtmal mitgeteilt bekommt, was das Problem ist.

    Like

  2. Nu ist auf einer weiteren Metaebene der Kommunikationsansatz so mancher Diskutanten nicht notwendigerweise der Versuch, eine Debatte zu bereichern (egal wie erfolgreich) sondern tatsächlich ganz perfide sich des Rückhalts seiner privilegierten Posse zu versichern, die als Publizist ja nun nicht ganz unwichtig für den eigenen Lebensunterhalt ist. So empfinde ich das, nachdem das ‚Euvre hier nur um eine weitere Facette des gönnerischen „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ Mansplaining erweitert wurde.

    Gerade vor diesem Hintergrund finde ich die Kommentare so entlarvend, die unwidersprochen bis hin zum Antisemitismusklassiker „der Jude ist schuld am Antisemitismus, weil er so ein Unsympath ist“ gehen. Nur halt auf die Alterität des GenderRassismusgedönsGegners gemünzt. Ekelig. Kackscheiße halt.

    Like

  3. @kiturak – Kann man so abstrakt nicht sagen, ob die Vermittlung gelingt oder nicht, zeigt sich in der konkreten Position und hängt auch nicht nur von einer Seite allein ab. Vielleicht gibt es auch Situationen, in denen das harte Konfrontieren Möglichkeiten eröffnet, statt Türen schließt. Kann schon sein. Wichtig ist, dass Vermittlung nicht möglich ist, ohne eine Beziehung einzugehen. Davon bin ich überzeugt.

    Like

  4. @Antje Schrupp: Naja, Ismen sind halt eine Form von Gewalt. Ne mögliche Vermittlung zwischen mir und einer Person, die mir Gewalt zugefügt hat, muss mit einer Anerkennung davon anfangen, dass das welche war. Da mit „hm, ich weiß, Du hast das nicht so gemeint, und vielleicht hab ich da auch überreagiert“ einzusteigen – seh ich keinen Sinn drin.

    Wichtig ist, dass Vermittlung nicht möglich ist, ohne eine Beziehung einzugehen.

    Klar, aber halt eine auf Respekt basierende. Also, dass Gewalt Gewalt und Kackscheiße Kackscheiße genannt werden darf.

    Like

  5. Diese Diskussion um den Begriff „Kackscheiße“ ist zu großen Teilen eine riesige Nebelkerze. Ich habe eben nachgeschaut und auf der Startseite der Mädchenmannschaft steht das Wort kein einziges Mal, auch wenn auf viele verschiedene *istische Zustände hingewiesen wird. Weiterer Test: Die Blogbeiträge, die eine rassistische Lampe anprangerten, enthielten ebenfalls keine Erwähnung des Wortes – trotzdem echauffierte sich Welding damals.

    Erinnern wir uns an die „Kussverbote“-Diskussion. Aus einigen Tweets und Blogbeiträgen, die das Hinterfragen heterosexueller Kussperformances wagten, wurde „die Homos wollen den Heteros das Knutschen verbieten“. Wurde nie gefordert, war aber auf einmal in aller Munde und begründete die Ablehnung, sich in konstruktiver Weise mit dem ursprünglichen Thema zu beschäftigen.

    Dass es Abwehrhaltungen gibt, gibt Welding jetzt umunwunden zu. Und führt sie genau wieder durch, entzündet dabei Nebelkerzen und Strohpuppenfeminist_innen.

    That said: Kackscheiße als Mem und genaues Achten darauf, welche Beziehungen wir pflegen wollen – großartige Denkanstöße.

    Like

  6. @kiturak – Ja genau. Und wenn diese Anerkennung nicht kommt, wenn die Gewalt vom Gegenüber also aufrecht erhalten wird, ist es unter Umständen notwendig, die Beziehung zu beenden. Das ist es ja, was ich sagen wollte.

    Like

  7. @Antje Schrupp Klar, aber „Kackscheiße“ zu sagen ist dann eben nie verkehrt, und nicht „für eine wirkliche Diskussion kontraproduktiv“ oder so, siehe Dein „Richtig ist:“-Statement. Im Gegenteil, guter Test, um rauszufinden, ob es überhaupt eine gemeinsame Grundlage gibt.

    Like

  8. @kiturak – allerdings würde ich keine Regel daraus machen. Das Interessante an Beziehungen ist, dass sie die erstaunlichsten Wendungen nehmen können, wenn man phantasievoll ist, und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass es in einzelnen Fällen auch möglich ist, Leuten, die zunächst (evtl. aus Unwissen, Reflex, Gewohnheit) auf „Kackscheiße“ mit „Zumachen“ reagieren, durchaus etwas zu vermitteln, wenn man sich wirklich auf sie einlässt. Ob man das will, ist eine andere Sache, aber ich halte es nicht für prinzipiell unmöglich. Kommt, wie gesagt, auf den einzelnen Fall an und auf die persönliche Entscheidung.

    Like

  9. Ich finde, dass in deiner Analyse etwas fehlt. „Kackscheiße“ ist eine Beschimpfung. Das ist mehr als eine bloße Abwehr von Diskussion. Auch dein Hinweis auf die ursprüngliche Bedeutung (mit Verweis auf ABCdes Lebens) lenkt davon ab.

    Like

  10. @Stephan Fleischhauer – Du hättest recht, wenn „Kackscheiße“ als Personenbezeichnung verwendet würde („du bist so KS“), aber das habe ich noch nie gesehen. Normalerweise wird ein Zustand oder ein Verhalten so bezeichnet und dann ist es ein – wenn auch „harsches“ – politisches Urteil („Was du sagst, ist KS“). Das ist ein Unterschied. Wie @kiturak sagt, kann das auch ein Seismograph sein, um die Gesprächsbereitschaft auszuloten und bedeuten: „Wenn du mit mir diskutieren möchtest, musst du zunächst einmal akzeptieren, dass ich das, was du gesagt hast, für KS halte.“ Das bedeutet ja auch nicht, dass ich mich nicht durch ein Gespräch eventuell überzeugen lassen könnte, dass mein Urteil falsch ist. Aber es markiert eine Differenz, die am Ausgangspunkt des Gespräches erstmal eine Tatsache ist.

    Like

  11. Wenn ich jetzt sage, deine Ansichten sind „idiotisch“ – was wäre das dann seismographisch gesehen?

    Like

  12. @Stephan Fleischhauer – Wie gesagt, das kommt darauf an, wie unsere Beziehung ist und wie groß mein Interesse an dir ist. Man kann sowas nicht generell, sondern nur im Einzelfall sehen. Will sagen: Es gibt Leute, die können es sich mir gegenüber durchaus erlauben, zu sagen, meine Ansichten wären „idiotisch“ (kommt übrigens gar nicht so selten vor). Da wir uns überhaupt noch gar nicht kennen und es auch sonst keinen Grund gibt, weshalb ich mich für deine Ansichten interessieren sollte, ist es natürlich ein eher gewagtes Vorgehen 🙂 _ Aber da ich vermute, dass du damit was austesten wolltest, antworte ich dir doch – und so bleiben wir für den Moment im Gespräch.

    Like

  13. Nicht zuletzt hatte ich Kackscheiße;·) vorgeschlagen. Das Augenzwinkern hilft vielleicht … Wir sind uns offenbar einig darüber, dass ernstgemeinte Beschimpfungen eher vermieden werden sollten. Und NUR deshalb ist KS überhaupt ein Problem, imho.

    Like

  14. „Nicht zuletzt deswegen …“ meinte ich. Immer diese Tippfehler – die sind ja auch seismographisch verwertbar 😦

    Like

  15. Wenn man also das Phänomen, dass
    dieses harsche Wort neuerdings in
    bestimmten Kontexten Verwendung
    findet, ernsthaft analysieren will, müsste
    man damit beginnen, verstehen zu
    wollen, warum hier Leute eine Grenze
    ziehen und somit markieren, dass sie
    nicht zur Diskussion bereit sind, und
    dann könnte man darüber reflektieren,
    ob diese Diskussionsverweigerung
    sinnvoll ist oder nicht.

    Like

  16. Ich bin ja schon etwas älter, und für mich klingt „Kackscheiße“ nach Kindergarten oder allerhöchstens nach Grundschule. Dieses Wort in einem Text zu finden, bei dem ich ansonsten Mühe habe, die strukturalistische oder poststrukturalistische Fachsprache zu verstehen, wirkt auf mich befremdlich. Aber wer weiß, vielleicht stelle ich mich ja noch um.

    Ich habe mich auch schon gefragt, woher das Wort kommt. Im Moment vermute ich, dass es sich um eine Übersetzung des englischen „Bullshit“ handelt.

    Ich habe das Wort bisher nur als „Beobachterin“ gelesen, ich weiß also nicht, wie ich darauf reagieren würde, wenn jemand etwas, was ich selbst geschrieben habe, so bezeichnet. Ich weiß, wie ich reagiere, wenn mich jemand persönlich angreift, nämlich nicht damit, dass ich die Diskussion gerne fortsetzen möchte.

    Ich selbst bin auch gerne konfrontativ, allerdings verwende ich andere Worte als „Kackscheiße“, die in meinen Ohren weniger kindisch klingen, etwa „Unsinn“ oder „das ist ziemlich unmöglich, was du da sagst“ (wenn ich das gesagt nicht inhaltlich, sondern moralisch ablehne). Auch das führt in aller Regel zu einer konfrontativen Diskussion, also nicht zu einer Diskussion, bei der man miteinander Gedanken weiterspinnt und sich gegenseitig auf freundliche Weise auf Denkfehler aufmerksam macht, sondern zu einer Diskussion, bei der beide Seiten auf ihrem Standpunkt beharren und versuchen, ihn argumentativ zu untermauern (im besten Fall), während sie auf der anderen Seite versuchen zu zeigen, dass der Gegner oder die Gegnerin unrecht hat (im besten Fall mit auf der inhaltlichen Ebene.)

    Ich führe auch solche Diskussionen, obgleich mir klar ist, dass sie normalerweise nicht dazu führen, dass eine Seite die andere Seite überzeugt, oder dass beide Seiten, obwohl sie auch hinterher nicht übereinstimmen, zu neuen Erkenntnissen gekommen sind. Sie sind allerdings sehr anstrengend, und oft frage ich mich, ob sie sich lohnen. Ich mache es, weil ich a) es oft nicht schaffe, rechtzeitig auszusteigen und b) weil ich auf ZuschauerInnen hoffe. (Und oft werde ich in solchen Situationen ziemlich wütend.)

    Ich halte es für schwierig, ein Wort wie „Kackscheiße“ als Seismograf zu verwenden, mit dem ich teste, ob der andere auch dann mit mir reden möchte, wenn ich ihn scharf angreife. Mich erinnert das vor allem an Jugendliche, die testen möchten, ob es der Sozialpädagoge abkann, wenn sie ihn provozieren. Manchmal, wenn ich mich durch solch einen scharfen Angriff provoziert fühle, versuche ich, damit klarzukommen, indem ich mir vorstelle, ich sei die Sozialpädagogin oder Lehrerin, die jetzt gleichzeitig Geduld haben und eine klare Linie zeigen muss.

    Ich weiß nicht, ob das die Art von Beziehung ist, die diejenige oder derjenige, der oder die „Kackscheiße“ sagt, beabsichtigt. Der andere Verdacht, der mir kommt, ist der, dass die Betreffende möchte, dass dass die Angesprochene ihr Recht gibt und sagt „oh, tut mir leid, das war tatsächlich sexistische Kackscheiße, ich habe da nicht wirklich nachgedacht.“ Die dritte Vermutung ist die, dass es nicht darum geht, mit der oder dem so Angesprochenen eine Beziehung aufzubauen, sondern darum, gegenüber ZuschauerInnen und LeserInnen klar zu machen, dass man das, was gerade gesagt wurde, komplett ablehnt.

    Womit wir wieder bei Antjes ursprünglicher Vermutung wären: Das Wort wird verwendet, um Diskussionen zu beenden. Aber ich glaube, das geht auch anders als mit diesem Wort, etwa so: „Ich sehe keinen Sinn in einer weiteren Diskussion, da unsere Grundlagen zu verschieden sind, konkret, ich halte deine Position für rassistisch/sexistisch, und mit Rassisten/Sexisten diskutiere ich nicht.“ Hat in aller Regel die gleiche Wirkung (dass das Gegenüber wütend wird und erklärt, dass es sich sowieso fragt, warum es die Diskussion so lange fortgeführt hat, und dazu noch ein paar weitere Beschimpfungen), kommt aber bei BeobachterInnen besser an. (Naja, bei mir – vielleicht habe da andere Leute andere Präferenzen.)

    Wenn ein Ismus Gewalt darstellt, dann lässt sich mit jemandem, der Ismen absichtlich verwendet, auch nicht diskutieren. Nur jemand, der aus Gedankenlosigkeit in einen Ismus verfallen ist, also Gewalt angewendet hat, wird dies auch anerkennen und anerkennen, das das nicht okay war. So jemandem müsste man eine Tür offenstehen lassen, ohne dass man sie gleichzeitig für diejenigen öffnet, die absichtlich Gewalt anwenden.

    Like

  17. „Mit manchen Menschen und in manchen Situationen ist das aber nicht möglich, oder es wäre zwar möglich, aber nicht sinnvoll.“

    Es wundert mich etwas, dass dieser Satz bisher unwidersprochen blieb – erstens besteht doch ganz offensichtlich die Gefahr, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, mit dem Gegenüber ins Gespräch zu kommen, ich die Sinnhaftigkeit desselben aber schlicht unterlaufe, um eine politische Diskussion eben gerade unmöglich zu machen – dann nämlich, wenn diese Diskussion absehbar zu keinen Vorteilen für mich führt.

    Dito werden in feministischen Blogs alle möglichen sinnvollen Beiträge gelöscht, auch wenn die weder sexistisch, noch rassistisch noch „Kackscheisse“ sind – aus offenbar keinem anderen Grund als dem, dass der Beitrag in eine Richtung weisst oder Inhalte bringt, die der Bloggerin nicht passt/en.

    Der zweite Einwand – eine politische Diskussion findet ja nicht im Vakuum statt, sondern im Rahmen von gewissen Institutionen. Unsere Beziehung zum Gegenüber wird durch diese Institutionen bestimmt und vermittelt – und denen kann man sich halt nicht entziehen. Im Zweifelsfall wird mir also eine Diskussion auch aufgezwungen, auch wenn ich persönlich den Diskutanten nicht leiden kann.

    Man kann bestenfalls versuchen, neue Institutionen aufzubauen, die mir diese Diskussion nicht abnötigen – aber sind die dann nicht notwendigerweise geschlossene Gesellschaften?

    Like

  18. Vermittlungen zu suchen ist die einzige Möglichkeit, Leute zu überzeugen und eine wirkliche politische Diskussion zu führen.

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem zustimme. Auch wenn jemand wahrnimmt, dass sein Standpunkt von anderen als so abwegig, lächerlich und unsympathisch empfunden wird, dass sie nicht bereit sind, darüber ernsthaft zu diskutieren, sondern sich äußerstenfalls ein bisschen drüber lustig machen, kann das eine Motivation sein, diesen Standpunkt infrage zu stellen.
    Andererseits steht diese These vielleicht nicht mal unbedingt im Widerspruch zu deiner.

    Like

  19. Da verwenden manche Unter-30-Leute rotzige Jugendsprache, und nun antwortet ein Über-40-Typ mit onkelhaften Belehrungen. Das Sommerloch heißt auf Englisch „silly season“.

    Like

  20. Ich habe diese Seite aufmerksam gelesen und stimme dem grundsätzlich zu. Schon Konfuzius sagte: Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu schmieden, oder anders ausgedrückt, es ist das Recht auf Selbstschutz, nicht immer und überall mit jedem über alles reden müssen zu wollen! In solchen Situationen ist es hilfreich die metaphorische Linie im Sand zu ziehen.
    Allerdings möchte ich mich susanna14 mit der Frage anschliessen: wieso um alles in der Welt das deutsche Wort für Bullshit? Es gibt auf jeden Fall charmantere Ansagen, um ein Gespräch mit einer, na sagen wir einmal im Moment uncharmanten Person zu beenden.
    Ich denke (hoffe) das hat einen tieferen Sinn, den ich ehrlich gesagt noch nicht sehen kann. Aber ich las mich gerne aufklären..

    Like

  21. Ich kann leider (auch) keine Worte des Trostes spenden; die Geistes- und Ideengeschichte zeigt, daß es zu jeder religiösen, philosophischen, politischen anderen oder im weitesten Sinne weltanschaulichen Position sowohl Gegenpositionen als auch in der ganzen Bandbreite abweichende Positionen gibt und daß nicht streng linear eines das andere ablöst, sondern das meiste davon parallel existiert.

    Genau darum, warum wir Menschen jeder individuell laufen, lesen, schreiben und was der Kulturtechniken mehr sind, lernen müssen und nur ein Grundset an an Fähigkeiten zum Erhalt der vitalen und sozialen Funktionen mitbekommen, genau darum finden politische, philosophische, ethische, religiöse und viele andere Diskussionen um Ideen und das, was uns das Leben und der Kosmos bedeutet, auch kein Ende.

    Und darum machen wir Menschen in Summe – also als Spezies – in jeder oder jeder zweiten oder dritten Generation gleiche Fehler, treffen ähnlich strukturierte Fehlentscheidungen und meinen, ein jedes Mal „das Rad neu“ erfinden zu müssen, und bisweilen müssen wir auch technische Errungenschaften neu erfinden, weil sie über die Generationen einfach in Vergessenheit geraten sind.

    Und selbst in derselben Generation leben gleichzeitig viele verschiedene Menschen, die unterschiedliche Sozialisationen, unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit haben. Was uns Menschen eint, ist der kulturelle Minimalkonsens, was uns trennt (und doch einander ähnlich macht), nennen wir als Phänomen (oftmals genug euphemistisch) Pluralismus.

    Die Ermüdungserscheinungen, die sich nach jahre- oder jahrzehntelangem kulturellen, politischen oder allgemein gesellschaftlichen Engagement einstellen, wenn sich Diskurse um scheinbar das Ewiggleiche drehen, wenn jede Generation eigentlich schon Verhandeltes wieder neu verhandeln will – und immernoch nicht zu den „richtigen“ Ergebnissen gelangt, ist verständlich.

    Es ist durchaus verständlich, daß man nicht jedem einzelnen Menschen die Definition des Kreisumfangs oder die Grundprinzipien der Evolutionstheorie oder den Bedeutungsinhalt von Sexismus erklären kann oder möchte, auch wenn man mit diesem konkreten Menschen noch nie gesprochen hat. Nur wenige sind dazu geboren, jedes Jahr einer neuen Generation Kurvendiskussionen oder den Ablativus Absolutus ihren von der Pubertät verblödeten Hirne nahezubringen.

    Sokrates war darum vielleicht allein schon deshalb ein weiser Mensch, weil er sicher weit über 30 Gespräche („Dialoge“) geführt hat – ohne bisweilen entnervt ausgerufen zu haben „Bei meinem Daimonion – das ist jetzt sophistische Kackscheiße!“.

    Und auch bei Joseph Ratzinger haben wir bislang nicht bei einer Generalaudienz vermißt, daß er vor „relativistischer Kackscheiße“ gewarnt hat, ganz in der Tradition eines Augustinus, der theologische Diskussionen nicht mit dem bischöflichen Verweis beendet hat, das sei nun doch nur noch „donatistische Kackscheiße“, was seine Gegenüber da von sich geben.

    Es ist für mich als mehr oder weniger neutralen Beobachter, schwierig, die Relevanz einer Position (bspw. zur Definition dessen, was der Begriff „Sexismus“ umfaßt) wahrzunehmen, wenn diese sich Position im Grunde durch den verbalen Ausfall und den diskursiven Rückzug faktisch verabsolutiert und selbstimmunisiert.

    Auch der Hinweis auf eine postulierte Definitionsmacht von Betroffenen macht im Grund die Arbitrarität des Definitionsumfangs deutlich, was heißen kann, daß ein und dieselbe Aussage das eine Mal „durchgeht“ und ein anderes Mal mit dem Verdikt: „sexistische Kackscheiße“ belegt wird. Damit ist gesellschaftlich nachhaltig kein Blumentopf zu gewinnen.

    Wie auch nicht mit den Reaktionen auf den Beitrag von Malte Welding (und hier Ihr Beitrag natürlich ausgenommen); das gegenständliche Mem „sexistische Kackscheiße“ stellt vermutlich so ziemlich das Nonplusultra an verbaler Argumentationskraft der meisten Beträge dar – und man sich auch um die existierende Nettiquette, Eigennamen nicht – never ever – beleidigend in einen Titel einzubauen, nicht schert, im Grunde also wie jeder x-beliebige Fundamentalist in die Kiste der ad-hominem-Schmähung greift.

    Ich vermute also, daß alle, denen das gegenständliche Mem „~istische Kackscheiße“ an den Kopf geworfen bekommen, von Glück sagen können, so schnell und umfassend über das zu erwartende theoretische und praktische, argumentative und intellektuelle Instrumentarium derer aufgeklärt werden, die solche Meme verwenden.

    BTW: Dieser feministische Grundsatz der „Arbeit an Beziehungen“ und das Eingehen „guter Beziehungen“ – ich bin mir nicht sicher, aber kann dies nicht Grundlage von Mißverständnissen im intergeschlechtlichen Dialog sein? Ich persönlich kann mit der Idee einer „guten Beziehung“, die ich zur Voraussetzung einer Sachdiskussion mache, wenig anfangen; spreche ich über Sexismus, Platons Ideenlehre, die Idee der Toleranz oder auch über das einzig richtige Rezept, Fleischlaberln mit Eräpfelpüree zu kochen, dann ist eine „gute Beziehung“ für mich keine Voraussetzung zu einem „guten argumentativen Gespräch“, zu einem fruchtbaren Austausch von Meinungen und begründeten Ansichten. Jedenfalls so lange, wie die sachliche Ebene nicht verlassen und man auf die persönliche Eben wechselt, beispielsweise mit der Behauptung über mein Fleischschlaberl-Rezept, „das ist doch kulinarische Kackscheiße“.

    Like

  22. Auch wenn das dem Zeitungeist der Polarisierung und Popularisierung des Politischem absolut zu wider ist:
    Ohne Pluralismus keine (echte) Demokratie. Mit der Phrase „X-beliebige Kackscheisse“ soll aber genau dies unterbunden werden – den meinungstechnischen Gegner bzw. Diskursopponenten diskreditieren, „Argumentum“ Ad Hominem in seiner reinsten Form. Ganz unplralistisch zielt ein solches „Kackscheisse“ auch darauf ab seine Position als minderwertig in der Debatte zu konstruieren. Da wir aber nuneinmal in der Postmoderne leben und absolute Wahrheiten daher ohnehin obsolet sind, ist die logische Folge, dass Wahrheit eben Konsens ist. Mit solchen Methoden wie der „Kackscheisse“-Ad Hominem-Tellermine lässt sich der Konsens natürlich dominieren, weil man die Position seines Opponenenten unterminiert.
    Natürlich muss jedoch an einer Position bzw. Weltanschauung die andere diskriminiert oder entwürdigt und entmündigt harsche Kritik geübt werden und der/diejenige welche_r diese Position einnimmt an deren Umsetzung gehindert werden.

    Er/sie darf diese Position jedoch äussern und sie muss auch als Position im Sinnde des Pluralismus akzeptiert werden, selbst wenn sie nicht dem Wertekanon des Konsens entspricht. Oder der eigenen Position.

    Like

Datenschutzhinweis: Die Kommentarangaben und die Mailadresse werden an Automattic, USA (die Wordpress-Entwickler) übermittelt. Details hierzu in der Datenschutzerklärung (Link links). Sie können gerne Pseudonyme und anonyme Angaben hinterlassen.