Morgens vorm Spiegel

Nachdem die von Journelle ungeplant angestoßene Bilderaktion unter dem Hashtag #609060 bei Instagram schon in einigen Blogs und später auch in den online-Portalen von Spiegel und Stern diskutiert worden ist, habe ich doch noch ein bisschen Senf dazu zu geben.

Für diejenigen, die es eventuell nicht mitbekommen haben: Da posten viele Frauen und ein paar Männer Bilder von sich, auf denen zu sehen ist, was sie anhaben, in welcher Kleidung sie aus dem Haus gehen. Als ich das erste Mal davon gelesen habe, hatte ich sofort Lust, mitzumachen, ohne groß darüber nachzudenken.

Es gab dann einige bedenkenswerte Kritik, etwa von Anke Groener und von der Mädchenmannschaft, die darauf hinweisen, dass es natürlich eine Illusion ist, auf diese Weise gänzlich aus den Normierungen weiblicher Körper auszubrechen, und dass eben nicht „einfach so alle mitmachen“ können. Der Einwand ist richtig und wichtig.

Ich hatte nach der Lektüre aber trotzdem noch Lust, mitzumachen. Und zwar weil ich glaube, dass diese merkwürdige Praxis, sich morgens vor dem Spiegel zu vergewissern, wie man aussieht, auf welche Weise man den eigenen Körper in die Öffentlichkeit bewegt, eine wichtige Kulturpraxis ist.

Meine These ist, dass sich der Erfolg dieser Aktion und die Lust von so vielen, sich daran zu beteiligen – mehr Frauen als Männern –, nicht in erster Linie der Wunsch ist, gegen Körpernormierungen zu protestieren (dazu wäre die Aktion nämlich in der Tat nicht gut geeignet), sondern dass etwas anderes dahinter steckt: Der Wunsch, sich der Bedeutung von Schönheit zu vergewissern – und der Spaß daran, diese persönliche Auseinandersetzung mit Schönheit auch öffentlich zu dokumentieren und das Ergebnis mit anderen zu auszutauschen.

Das Thema hat mich wohl auch deshalb angesprungen, weil ich mich im April bei einem Denkwochenende mit politischen Freundinnen genau über dieses Thema ausgetauscht habe: Darüber nämlich, wie unser Aussehen, die Kleidung, die wir tragen, etwas damit zu tun hat, wie souverän, frei und selbstbewusst wir in der Öffentlichkeit auftreten.

Unser Thema war, wie Frauen in der Welt sichtbar und einflussreich sein können, ohne sich anzupassen. Und dabei ist die Frage des Aussehens – oft belächelt und für nebensächlich erklärt –eine ganz wichtige. Wir haben dafür das Bild der „fünf schönen Königinnen“ gefunden, in dem die drei Komponenten dessen benannt sind, was eine Frau, die in der Welt etwas bewirken will, braucht: Sie darf nicht allein sein, sie muss schön sein, und sie muss souverän sein (in dem Sinne, dass sie ihrem eigenen Urteil vertraut und nicht in erster Linie anderen gefallen will).

Ich finde tatsächlich, dass das ein politisches Thema ist, das natürlich die Geschlechterdifferenz unmittelbar berührt. Menschen, die sich in ihrem Körper und mit ihrem Erscheinungsbild wohlfühlen, sind selbstbewusster, mutiger, eher bereit, Konflikte auszuhalten und für ihre subjektiven Ansichten einzustehen. Die Wahl der Kleidung kommuniziert Dinge, Standpunkte, Werthaltungen – und es gibt guten Grund, das nicht für unwichtig und nebensächlich zu halten, sondern zu reflektieren, individuell und politisch, also im Austausch mit anderen.

Die Bedeutung der Schönheit in der körperlichen Selbst-Präsentation war auch der männlichen Tradition lange bewusst (man denke nur an Schmuck und Kleidung von Königen, Stammesführern, Priestern), aber mit der Aufklärung haben die Männer für sich die Uniform erfunden, die dieses Thema überflüssig macht: Alle ziehen dasselbe an, ein Zeichen für Gleichheit ebenso wie klare äußerliche Zeichen für die eigene Position in der Hierarchie – je nachdem, wie viele Streifen auf der Jacke sind, ist man General oder einfacher Soldat. Überflüssig zu sagen, dass auch Anzug und Krawatte eine Uniform sind. Uniformen sind die Kleider der Machtstrukturen, individuelles Outfit ist die Kleidung der Politik (denn Macht und Politik sind ja nicht dasselbe).

Dieses Thema hat viele interessante Aspekte: Zum Beispiel das Phänomen, dass Schönheit in diesem Sinne schwer zu wiederholen ist: Die Klamotte, mit der ich mich gestern super gefühlt habe, geht heute aus irgendwelchen Gründen überhaupt nicht. Oder dass Schönheit sich auf der Grenze zwischen Individualität und Allgemeinheit abspielt: Weder kann ich, wenn ich schön sein will, einfach das nachmachen, was alle tun (diese ganzen, der Norm perfekt entsprechenden Körper aus den Modejournals sind in diesem Sinne nicht schön, wie ich finde, sondern banal), noch kann ich total aus der aktuellen Mode oder den jeweils herrschenden Sehgewohnheiten ausbrechen. Ich muss dazwischen herumbalancieren. Außerdem ist die Klamotte eine Weise, mich zu den Orten, an die ich aufbreche, und den Menschen, denen ich dort begegne, in Beziehung zu setzen: Je nach Gelegenheit wähle ich etwas anderes. Der Blick in den Spiegel, bevor ich das Haus verlasse, bringt all diese Punkte intuitiv zusammen. Es gibt keine klaren Regeln, an denen ich mich orientieren kann – ich weiß nur, dass es wichtig ist, dass ich „schön“ bin, dass ich das brauche, um mich gut zu fühlen und mein Begehren in die Welt zu tragen.

Mir gefällt es, dass diese kulturelle Praxis mit der #609060- Aktion einen sichtbaren Ausdruck gefunden hat. Und ich würde mich freuen, wenn wir in diesem Umfeld noch mehr herumexperimentieren, das reflektieren und uns darüber austauschen. Wissend, dass wir gegen dieses bekloppte Norm-Dingens selber nicht gefeit sind und dass wir Gefahr laufen, dass es uns dabei immer wieder in dabei in die Quere kommt.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

27 Gedanken zu “Morgens vorm Spiegel

  1. Ich muss gestehen: mir reicht es, wenn ich irgendwie anständig angezogen bin. Wenn ich eine Hose anhabe, die passt, und ein T-Shirt oder eine Bluse dazu, die sich farblich nicht mit der Hose beißt. Ich habe im Frühling, als ich feststellte, dass ich nichts mehr anzuziehen hatte (und zwar wirklich – nicht einfach „nichts, was mir gefällt“, sondern „nichts, was kein Loch hat“) mir auf einen Schlag drei Kleider gekauft, in einem Hofeingangsladen. Nebenan in der Umkleidekabine hat eine Frau geschimpft „ich sehe aus wie eine Wurst“, ich wusste aber schon, was mich erwartet, und hatte ein T-Shirt mitgenommen, dass ich über die Kleider anziehen wollte.

    Oben habe ich geschrieben „anständig angezogen“. Es gibt auch Tage, da reicht es mir, einfach angezogen zu sein, und zu wissen, dass ich niemandem begegnen werde, der mich bewerten wird.

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  2. Hier kommen Norm und Ideal ducheinander. Was wir in Zeitschriften vorfinden, ist keine Norm. Es ist ein Ideal, ein Bild künstlich hergestellter Vollkomenheit, die real kaum erreichbar ist. Ideale bewegen sich immer über dem Normalen, Realen. Wie das Reale auch immer aussieht, das Wesen des Ideals ist dessen Überhöhung.

    Daher war die Brigitte-Aktion auch besonders perfide, denn sie hat dieses Prinzip unterlaufen und Ideale als Realität verkauft. Plötzlich war klar, diese Frauen sind KEINE Models, die sind „normal“.

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  3. Danke für den tollen Post. Ich lese immer gerne hier, aber dieses Thema berührt mich sehr und ich habe das Gefühl, wenn die von mir so tief empfundene Bedeutung von Schönheit und Kleidung von einer Denkerin wie Antje Schrupp „geadelt“ wird, an Bedeutung zunimmt. Danke. Wir Organisatiorinnen des Me-Made-Mittwochs und Craftistas sind auch schon länger an dem Thema dran. Allerdings in einer weit abgelegenen und wenig sichtbaren Ecke des Internets.

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  4. Aus Selbermacherinnensicht würde ich hinzufügen, dass die fünf schönen Königinnen Maßgeschneidertes tragen – denn erst das bedeutet volle Souveränität hinsichtlich Stil, Farbe, Passform, Orientierung an der Mode oder Anti-Mode. Für mich kann ich festhalten, dass ich mich in Selbstnähphasen erheblich souveräner und bei mir fühle, als in Kleiderkaufphasen. Schon allein nicht immer wieder damit konfrontiert zu sein, dass die Klamotten für Normkörper konzipiert sind und daher nicht richtig passen, keine Kompromisse eingehen zu müssen, nicht das tragen zu müssen, was alle haben – großartig!

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  5. Wir werden rund um die Uhr beeinflusst von verschiedenen Dingen, so auch von Kleidung. Jeder hat seine Lieblingshose, – kleid und -oberteil usw. Aber in manchen Bereichen des Lebens sind wir gezwungen uns in ein weiteres „ich“ zu verwandlen. zB.: Vorstellungsgespräche, Geschäftsessen usw. Hier muss ich aber dazu sagen dass es eher an der Einstellung liegt ob wir uns einfach nur damit abfinden müssen oder uns den besten Anzug raussuchen und uns gedanken darüber machen.
    Ab und zu fallt mir bewusst auf dass viele Gedanken auf andere Menschen bezogen sind anstatt auf mich. D.h. ich möchte ab und zu bewusst anderen gefallen. Jedoch versuche ich mich wieder auf mich zu konzentrieren und nicht auf andere.
    Diese Beeinflussung – vorrangig durch Medien – Ideal zu sein hat sich schon fest in uns verankert. Gerade deshalb ist es schön solche Artikel zu lesen. Da kann man erkennen, dass man sich mehr mit dem Thema Mode und Wohlbefinden auseinandersetzt und auch versucht es aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.
    LG
    Userella

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  6. @Antje sagt:“Außerdem ist die Klamotte eine Weise, mich zu den Orten, an die ich aufbreche, und den Menschen, denen ich dort begegne, in Beziehung zu setzen: Je nach Gelegenheit wähle ich etwas anderes. Der Blick in den Spiegel, bevor ich das Haus verlasse, bringt all diese Punkte intuitiv zusammen. Es gibt keine klaren Regeln, an denen ich mich orientieren kann – ich weiß nur, dass es wichtig ist, dass ich „schön“ bin, dass ich das brauche, um mich gut zu fühlen und mein Begehren in die Welt zu tragen.“
    Sehe ich auch so. Wenn es darum geht Kleidung nach den verschiedenen Orten, sprich Anlässen, die damit in Verbindung stehen, auszuwählen, dann heisst das für mich zuallererst, dass ich mich wohl und ‚anziehend‘ fühlen will, ob in festlicher, legerer oder welcher Art von Kleidung auch immer.
    Aber auch wenn ich mich nicht ‚draussen zeige‘, lege ich Wert darauf, dass meine Klamotten, bzw. ich in ihnen, nicht nur praktisch-innerhäusig daherkomme, sondern dass ich mir auch in diesen gefalle. Kittelschürzen wie aus Mutters Zeiten gehören jedenfalls nicht dazu.

    Passend zum Thema: http://www.fr-online.de/leute/designerin-vivien-schlueter–ich-will-die-mode-revolutionieren-,9548600,17226972.html

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  7. Aus der „normalen“ Weiblichkeit scheinie ich insofern heraus zu fallen, als ich nicht einmal einen Spiegel besitze, der mich ganz zeigt. Den brauche ich auch nicht, weil ich – wie Du auf dem Foto – immer eine dunkle Jeans anhabe. Selten auch mal eine blaue, aber diese Differenz lohnt den Spiegel nicht.

    Was das von dir angesprochene Erfordernis der „Schönheit“ (neben „nicht allein sein“ und Souveränität) angeht, um in der Welt etwas zu bewirken, hab ich mich gewundert. Frage: ist Angela Merkel schön? War Maggie Thatcher schön?

    In den 70gern kursierte der Spruch: „Geh nirgends hin, wofür du andere Kleider brauchst!“ Mit dieser radikalen Verweigerung wollte man gegen die Uniformität der Geschäftswelt angehen und – als Frau – gegen den Zwang, sich extra aufzuhübschen und in unbequeme Klamotten zu werfen.

    Ich konnte gar nie anders als mich dem entsprechend zu verhalten. Wo man mich in Jeans und Sweatshirt/T-Shirt nicht brauchen konnte, da wollte ich gar nicht hin. Es wär mir viel zu anstrengend gewesen (Verkleidung!) und so hab ich mich immer über Frauen gewundert, die morgens gefühlte Stunden benötigten, um sich „schick für die Welt“ zu stylen.

    Erst Mitte vierzig war ich dann souverän genug, um mich zumindest für erotische Anlässe „spielerisch“ in Richtung „weiblich schön“ zu kleiden – gelegentlich und nur privat.

    Alles in allem hat es mir nicht geschadet, das Thema Mode weitgehend zu ignorieren. Weder beruflich noch bzgl. Liebe, Erotik, Beziehung.

    Trotzdem ein schöner Anstoß, das alles mal wieder zu reflektieren – danke dafür!

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  8. @ Antje: ich hab ne Frage zu der These, dass Frauen, die etwas bewirken wollen, als Drittes die Schönheit brauchen.
    ich würde eher zu der Annahme tendieren, dass eine Frau am ehesten dann etwas in der Welt bewegt, wenn sie ihr Aussehen vergisst.
    Also die Frage: wie seid ihr darauf gekommen?
    Und meint ihr damit, dass sie sich schön macht, dass sie sich als schön empfindet oder dass andere sie schön finden?

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  9. @kiribati – Ja, das wird häufig gesagt, und es stimmt ja auch, das seine Frau, die immer nur anderen gefallen will (und das kann ein Grund für „sich schön machen sein) nicht sehr einflussreich sein will. Es stimmt eine Frau, die sich allzu sehr den gängigen Weiblichkeitsklischees anpasst – dünn, blond, lange Haare – oftmals allein schon deshalb vom Gegenüber nicht ernst genommen wird oder in die Kategorie „Sekretärin“ einsortiert. Aus dieser Beobachtung entstand wohl die Vorstellung, es sei besser, wenn eine Frau ihr Aussehen vergisst.
    Wir haben nur an uns selber bemerkt, dass das nicht stimmt, sondern dass wir einfach an uns selbst beobachten, dass das „sich schön fühlen“ eine Auswirkung hat auf die Art und Weise unseres Auftretens und unsere Souveränität. Wenn ich die falsche Klamotte anhabe, fühle ich mich unwohl und abgelenkt, wenn ich „schön“ bin, dann habe ich Ausstrahlung und bin in meinem Element.
    Natürlich zählt erstmal das „sich selbst als schön finden“, aber es ist in einem Dialog mit den Menschen, mit denen ich es zu tun habe. Mein Äußeres kommuniziert etwas, es ist ein wesentlicher Teil meiner „Performance“, und daher ist es mit Sorgfalt zu wählen. Meine Souveränität kann sich dann z.B. auch darin zeigen, dass ich mich entscheide, „nicht schön“ zu sein, also mit meinem Äußeren zu provozieren.

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  10. hm, ist für mich zum Teil nachvollziehbar, Sich-schön-fühlen als eine Art Freude an sich selbst (eine unter vielen), die eine dann wiederum zu einem bestimmten Umgang mit der Welt motiviert.
    allerdings ist doch trotzdem die Frage, wie es kommt, dass gerade der Eigenschaft „Schönheit“ dieser unermessliche Wert zukommt. Könnte ja stattdessen auch Mut, Lebenslust oder Optimismus sein. Ein gewisses Maß an Aggressivität im weitesten Sinne ist auch nicht übel, wenn frau was bewegen will.
    Wenn wir Schönheit für ein Wohlgefühl so wichtig finden, dann doch weil das kulturell schon mit der Muttermilch aufgesogen wurde, und sich in unser Selbstverständnis eingebrannt hat.
    Was machen außerdem in eurem Konzept die Frauen, a) entweder tatsächlich ihr Aussehen vergessen haben, b) sich als hässlich empfinden?

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  11. Ich hatte vor 20 Jahren eine Freundin, die keine Jeans trug, weil sie der Meinung war, das sei eine Uniform.

    Ich glaub auch nicht an dieses „Kleidung muss unwichtig sein und darf nicht gewertet werden“. Diejenigen, die das propagieren, sind sicher die ersten, die dumm schauen, wenn eine Dirndlkleid statt Kapuzenpulli trägt.

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  12. @Kiribati – „Könnte ja stattdessen auch Mut, Lebenslust oder Optimismus sein.“ Das ist doch alles kein Widerspruch, sondern Sowohl als auch. Alles, was wir denken und tun ist auch von dem beeinflusst, was wir mit der Muttermilch aufgesogen haben, das ist auch kein Widerspruch dazu, dass wir es aufgreifen und weiterdenken und verändern.
    Was wir da erarbeitet haben ist auch kein „Konzept“, sondern eine Reflektion unserer Praxis. Mit Frauen, die es anders machen, kann man ja ins Gespräch kommen. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich Frauen gibt, die „ihr Aussehen vergessen haben“, aber ich fände es interessant, mich mit einer darüber auszutauschen. Gleiches gilt für Frauen, die sich als hässlich empfinden, obwohl ich mir schon denken könnte, dass sie es schwer haben, Mut und Selbstbewusstsein in der Begegnung mit anderen auszubilden. Ich denke auch, dass eine bewusste Reflektion über Schönheit da mehr helfen würde, als das Thema für unbedeutend zu erklären. Aber auch da würde ich mich ggfs. eines Besseren belehren lassen 🙂

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  13. Reflektion über Schönheit – auf jeden Fall. Das Thema würde ich auch nicht für unbedeutend erklären. Nur fragen, ob es sinnvoll ist, die kulturell vermittelte Schönheitsversessenheit zu perpetuieren, indem eure Idee davon, was Frauen brauchen, um etwas in der Welt zu bewegen, als eine Säule von dreien die Schönheit enthält. Denn auch wenn sich Schönheit und Mut nicht gegenseitig ausschließen, habt ihr nicht den Mut oder Mut-und-Schönheit, sondern nur die Schönheit gewählt.
    Und es klingt schon sehr allgemein formuliert, so wie es oben im Text steht, nicht subjektiv nur auf euch selbst bezogen.
    Mut und Selbstbewusstsein in der Begegnung mit anderen erhält frau nicht dadurch, dass sie sich selbst schön findet oder schön gefunden wird. Dazu braucht es Selbstliebe oder Selbstakzeptanz. Und die kann auch einer hässlichen Frau helfen, positiv auf die Welt zuzugehen.

    Auf das eigene Aussehen bezogen zu sein, ob positiv oder negativ, verhindert außerdem, sich selbst soweit mental loszulassen, dass frau sich in der Sache selbst, der sie sich widmet, verliert. Und erst wenn man voll in der Sache aufgeht, entstehen die weltbewegenden Sachen.
    Also würde ich mal das glatte Gegenteil von eurer These behaupten: erst wenn frau ihr Aussehen vergißt, ist sie soweit, dass sie etwas bewegen kann.

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  14. ach so, ich dachte du lässt dich gerne eines besseren belehren (steht oben).

    aber was mich dann interessieren würde, ist, was das äquivalent der schönheit bei der frau beim mann ist?
    ein porsche oder toller posten? so einer fühlt sich auch gut in der begegnung mit der welt.

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  15. @Kiribati – Nun, deine „Gegenbehauptung“ hat mich eben nicht überzeugt, weil ich es praktisch bei mir anders erlebe. Ich erlebe es nicht so, dass das „in einer Sache aufgehen“ völlig körperlos geschieht, sondern ich bin dann eben „mit Leib und Seele“ irgendwo dabei, und der Leib ist auf die eine oder andere Weise bekleidet, was – so erlebe ich es eben – keine bloße Nebensächlichkeit ist.
    Was das Äquivalent beim Mann ist, weiß ich nicht, da ich ja keiner bin. Ich würde ja behaupten, dass das Äußere für Männer auch wichtiger wird, sobald sie nicht mehr einfach über institutionellen Status was „hermachen“. Aber das müssten Männer sagen.

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  16. Ich finde das Thema sehr interessant und relevant, da ich das Gefühl habe, dass Schönheit eine sehr große Rolle in der Welt, in der ich lebe (Berliner Studentin, 26), einnimmt. Besonders ist mir in deinem Beitrag der Nebensatz aufgefallen, in dem steht, dass sich mehr Frauen als Männer der Aktion angeschlossen haben. Vom Gefühl her, dass sich aus praktischen Beobachtungen und dem Medieneinfluss zusammensetzt, würde ich auch konstatieren, dass es einen Trend bei Männer gibt, sich stärker mit ihrem Äußeren und ihrer Kleidung auseinanderzusetzen bzw. dass dies wichtiger für manche Männer geworden ist. Dies ist auch durch eine breite Masse der jüngeren Generation legitimiert und als Trend avanciert. Trotzdem glaube ich, dass für Frauen der Druck ein gewisses Ideal von Schönheit zu erfüllen stärker ist. Schönheit ist eines der ersten Attribute, das bei Frauen von dem Gegenüber bewertet wird. Die Betrachtung ist mit Sicherheit um eine Reihe von Attributen wie Souveränität, Intelligenz etc. erweitert worden, generell wird die Frau aber noch als das aus dem viktorianischen Bürgertum „schöne Geschlecht“ empfunden. Sehr zu empfehlen ist in diesem Kontext das Buch „Körper machen Leute“ von Waltraud Posch, erschienen im Campus Verlag Frankfurt/ New York, 2008.
    Weiterhin bildet unter anderem die Sozialisation das Fundament dieser unterschiedlichen Zuschreibung. Bereits bei der Betrachtung von Kinderspielzeug wird deutlich, dass bei Spielzeugen für Mädchen auf Schönheit abzielende Komponenten im Vordergrund stehen während bei Spielzeugen für Jungen technische Fertigkeiten angesprochen werden. Eine interessante Studie bzw. ein Workshop zum Thema geschlechterspezifischen Kinderspielzeugs von Anita Kamptner erfasst sogar eine Art Verstärkung der Geschlechtertrennung innerhalb des Spielzeugangebots und dass die Rollenverteilung von Männer und Frauen wieder mehr hingenommen wird als beispielsweise in den 1970er Jahren, da die befragten Mütter sich in ihrer Rolle als Frau nicht mehr ausgegrenzt oder nicht gleichberechtigt empfänden.
    Weiter würde ich dem Argument, dass, wenn man sich selbst als schön empfindet, selbstbewusster und mutiger auftreten kann, zustimmen. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen und nach der Persönlichkeitstheorie des Sozialpsychologen George Herbert Mead gibt es die beiden Instanzen „me“ and „I“, die die Persönlichkeit herausbilden. Dabei ist „I“ nach Mead das personale Selbst, während das „me“ das soziale Selbst umfasst, dass sich durch die Verinnerlichung der Erwartungen anderer an einen Selbst bildet. Dies ist quasi als der soziale Aspekt der Identität zu sehen. Aus der Synthese dieser beiden Instanzen bildet sich das Selbst einer Person nach Mead. Nach dieser Theorie wird klar, warum man sich nach bestimmten Situationen kleidet, auftritt und agiert. Man weiß um die Erwartungen, die einem entgegen gebracht werden und man nimmt sie in das Geflecht seiner Persönlichkeit auf. Natürlich gibt es Menschen, die mit ihrem Aussehen und ihrer Kleidung genau entgegen der Erwartungen anderer auftreten. Doch generell ist es natürlich einfacher und birgt weniger Konfrontationspotenzial, wenn ich den Erwartungen anderer Individuen entspreche.
    Für mich ist das der schöne Aspekt an Kleidung: Man kann sich abgrenzen oder konform gehen. Man kann sich ausdrücken. Haltung verraten ohne etwas zu sagen. Und das ist per se nichts Schlechtes.

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  17.  Wo man mich in Jeans und Sweatshirt/T-Shirt nicht brauchen konnte, da wollte ich gar nicht hin. Es wär mir viel zu anstrengend gewesen (Verkleidung!) und so hab ich mich immer über Frauen gewundert, die morgens gefühlte Stunden benötigten, um sich “schick für die Welt” zu stylen.(ClaudiaBerlin)

    Bitte korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber das riecht für mich nach unreflektierter Priviligiertheit. „Ich zieh an, was ich will“ muss man sich erstma leisten können. Der zweite Punkt ist normale Femmefeindlichkeit, kann ich nich mehr hören. Kommt im Alltag übrigens meistens von Cismännern. 1. Nein, sind eh keine Stunden, auch keine gefühlten (wessen Gefühl?), 2. Nein, nich nur „für die Welt“, 3. DAS MACHT MIR HALT SPASS, OKAY? Echten, wirklichen Spaß! Gott ey.

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  18. @Samja: gut, dass ich nochmal hierher geschaut habe! Es tut mir leid, sollte ich jemanden verletzt haben, das war echt nicht meine Absicht. Ich wollte nur sagen, wie ich das Thema Kleider immer schon erlebt habe – eine Wertung damit zu verbinden, war NICHT meine Absicht. Dass ich in jungen Jahren vor dem Ausgehen „gefühlte Stunden“ (natürlich MEIN Gefühl!) auf Freundinnen gewartet habe, ist einfach Fakt – ich fand das abwechselnd nervig und bewundernswert, je nach Laune. Schließlich ist es auch ein Defizit, zum aufwändigen Stylen keinen Draht zu haben.

    Als „privilegiert“ hab‘ ich mich nicht empfunden, denn ich verfügte weder über Erbe noch reiche Eltern. Dass ich Abi machen konnte und studieren, verdankte sich der Bildungsoffensive der 70ger, die es per Bafög auch Menschen aus Nicht-Akademiker-Haushalten ermöglichte, an die Uni zu gehen. (Was mich nicht hinderte, am Ende das Studium abzubrechen, als ich sehr deutlich sah, welches Berufsleben auf mich zukommen würde). Und in der Folge trug ich ja doch auch immer die Konsequenzen meiner Entscheidung, Arbeitsverhältnisse mit Dresscode nicht in Betracht zu ziehen.

    Was sind denn „Cismänner“?

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  19. @ClaudiaBerlin – Cismänner sind Menschen, die von Geburt an als „männlich“ identifiziert wurden und sich auch selbst so identifizieren und auch so aussehen, wie man sich üblicherweise Männer vorstellt (im Unterschied zu „Transmännern“ zum Beispiel).

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