Es geht nicht um verletzte Gefühle

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Eine immer wieder kehrende Argumentationsfigur im Zusammenhang mit Kritik an sexistischen oder rassistischen Vorfällen ist das Bedauern darüber, dass Gefühle verletzt wurden: Das sei keineswegs beabsichtigt gewesen.

„Es war nie unsere Absicht, mit dem Film die Gefühle der Zuschauer zu verletzen oder gar frauenfeindlich zu wirken“ schrieben etwa die Verantwortlichen für einen Werbeclip des Energiekonzerns Eon, in dem Gewalt gegen Frauen verharmlost wurde. Und der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer schrieb kürzlich, die Kritik an einer rassistischen Süßwarenbezeichnung sei berechtigt, denn „eine solche Bezeichnung kann Menschen, die Erfahrungen mit Rassismus in unserer Gesellschaft gemacht haben, verletzen.“ (Das sind nur zwei Beispiele, die mir jetzt spontan einfallen, falls Ihr weitere wisst, gerne in die Kommentar schreiben).

Immer wenn ich eine solche „Entschuldigung“ lese, werde ich fast noch ärgerlicher als über den ursprünglichen Sachverhalt. Denn der Verweis auf die angeblich verletzten Gefühle der Kritiker_innen ist keineswegs ein Entgegenkommen, wie es den Anschein erweckt, sondern ganz im Gegenteil die Verweigerung einer ernsthaften Auseinandersetzung. Es wird nämlich so getan, als sei der Grund für die Kritik die subjektive Befindlichkeit derjenigen, die die Kritik vorbringen. So als seien sie irgendwie besonders empfindlich. Großmütig ist man dann bereit, auf diese zart besaiteten Menschen Rücksicht zu nehmen – und konstruiert nebenbei eine Opfergruppe, der man dann gönnerhaft ein bisschen entgegen kommt.

Bei der Kritik an gesellschaftlichen Missständen wie Sexismus oder Rassismus geht es aber nicht um verletzte Gefühle oder „Betroffenheit“ – auch wenn Sexismus oder Rassismus zweifellos Gefühle von Menschen verletzen – sondern um eine Analyse von Strukturen. Wenn ich kritisiere, dass in Werbevideos Gewalt gegen Frauen verharmlosend dargestellt wird, oder wenn ich gegen die Darstellung von Frauen als sexualisierte willenlose Wesen protestiere, dann nicht weil „meine Gefühle als Frau“ dadurch verletzt würden. Sondern weil ich solche kulturellen Muster für schädlich halte – und zwar nicht nur für mich oder für die „Betroffenen“, sondern generell und für alle.

Diese Meinung muss man nicht teilen, aber ich will, dass man sich ernsthaft und argumentativ damit auseinandersetzt. Genau das wird aber mit der Unterstellung, meine „Gefühle“ seien verletzt worden, verweigert. Man nimmt mich als politisches Gegenüber schlichtweg nicht ernst.

Es gibt nämlich einen klaren Unterschied zwischen einer politischen Auseinandersetzung darüber, in welcher Gesellschaft wir leben möchten, und der Rücksichtnahme auf die Gefühle und subjektiven Befindlichkeiten anderer.

Letzteres – die Rücksichtnahme auf Gefühle – ist durchaus auch wichtig. In einer pluralistischen Gesellschaft können nicht immer alle einer Meinung sein, und nicht jede Differenz in den Werthaltungen und grundlegenden Überzeugungen kann und muss jederzeit ausdiskutiert werden. Wir haben und pflegen vielfältige Beziehungen zu Menschen, die in wesentlichen Dingen andere Ansichten haben als wir selbst, und es ist oft eine gute Idee, auf die Gefühle der anderen Rücksicht zu nehmen, damit die Beziehungen nicht zerbrechen.

Ich selbst war zum Beispiel einmal mit einem Mann aus einem anderen Kulturkreis liiert, der „gefühlsmäßig“ Probleme damit hatte, dass ich am Badesee nackt herumlief. Aus Rücksicht auf seine Gefühle zog ich also einen Badeanzug an, wenn er dabei war. Aber dieses Entgegenkommen war keineswegs ein Eingeständnis meinerseits, dass er mit seinen kulturellen Vorstellungen richtig lag, sondern lediglich ein Entgegenkommen, das die kulturelle Differenz zwischen uns gerade bewusst machte. Die Rücksichtnahme auf seine Gefühle half dabei, unsere Beziehung trotz aller Differenzen zu führen. Sowohl er als auch ich waren uns aber jederzeit darüber im Klaren, dass ich in Wirklichkeit den FKK-Bereich bevorzugte. Und wenn er mich nicht nur darum gebeten hätte, „ihm zuliebe“ einen Badeanzug anzuziehen, sondern wenn er von mir verlangt hätte, ihm darin zuzustimmen, dass ich nicht nackt in der Öffentlichkeit herumlaufen soll, hätte es nicht funktioniert.

Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen bedeutet, in Klartext übersetzt: „Ich teile deine Ansichten zwar nicht, aber ich verzichte darauf, das jetzt auszudiskutieren und meinen Standpunkt durchzusetzen, weil ich es wichtiger finde, die Beziehung zu dir aufrecht zu erhalten.“

Das kann nicht nur im Privaten, sondern auch unter gesellschaftlichen Gruppen eine sinnvolle Haltung sein. Wenn deutsche Zeitungen darauf verzichten, sarkastische Karikaturen des Propheten Mohammed abzudrucken, bedeutet das keineswegs, dass sie nicht mehr zu einem aufklärerischen Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit stehen, sondern lediglich, dass sie darauf verzichten, diese Freiheit jederzeit auszuleben, weil ihnen an guten Beziehungen auch zu denjenigen Menschen liegt, deren Gefühle durch solche Karikaturen verletzt werden.

Konkret stellt sich in solchen Situationen natürlich immer die Frage, wann es angemessen ist, eine Grundsatzdiskussion zu führen, auch auf die Gefahr hin, die Beziehungen dadurch zu beschädigen, und wann es besser ist, die Differenzen als solche vorläufig erst einmal stehen zu lassen und auf die jeweiligen subjektiven Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. (Wobei – aber das wäre ein anderer Blogost – eine gut geführte Grundsatzdiskussion auch dazu verhelfen kann, Beziehungen gerade zu vertiefen und zu einem neuen gemeinsamen Verständnis zu kommen. Aber dafür gibt es keine Garantie, es bleibt ein gewisses Risiko dabei, daher muss man das immer wieder neu entscheiden.)

So oder so bleibt es dabei, dass die Rücksichtnahme auf (womöglich sogar nur unterstellte) verletzte Gefühle die zugrunde liegenden Differenzen ganz und gar nicht aufhebt, sondern im Gegenteil bestärkt und manifestiert. Und deshalb verbietet sich der Verweis auf vermutete subjektive Befindlichkeiten immer dann, wenn jemand ganz bewusst eine politische Diskussion anregen möchte, wie es bei der Kritik an Rassismus oder Sexismus ja der Fall ist. Wo eine solche Kritik vorgebracht wird, geht es nämlich genau nicht mehr um subjektive Gefühle, sondern um eine gesellschaftliche Analyse, die zur Diskussion gestellt werden soll. Man muss diese Analyse nicht teilen, man kann dagegen argumentieren, aber man muss eine ernsthafte politische Auseinandersetzung darüber führen.

Sie einfach auf die Ebene von subjektiven Verbindlichkeiten abzuschieben, ist eine ganz perfide Rhetorik, die nichts anderes aussagt als: „Ich finde deine Einwände zwar nicht zutreffend, aber ich halte es auch nicht für notwendig, mich damit auseinanderzusetzen.“

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

92 Gedanken zu “Es geht nicht um verletzte Gefühle

  1. Ich kann deinem Artikel von vorne bis hinten zustimmen, möchte ihn aber um die andere Seite der Auseinandersetzung ergänzen: Es kommt nicht nur vor, dass Menschen sich mit dem Satz „Wir wollte Ihre Gefühle nicht verletzen“ entschuldigen, sondern auch, dass Menschen sich mit dem Verweis auf ihre verletzten Gefühle über das Verhalten anderer Menschen beschweren.

    Mir ist ein Beispiel aus der hohen Politik eingefallen: In Japan sind Schulbücher ein Feld, auf dem der Streit über die „Vergangenheitsbewältigung“ ausgetragen wird. Es gibt nun eine Richtlinie, die besagt, dass die Geschichtsbücher so geschrieben werden sollten, dass sie die Gefühle der Menschen in den Nachbarländern (die von Japan im 2. Weltkrieg überfallen wurden) nicht verletzt werden.

    Nichts könnte absurder sein. Für Geschichtsbücher sollte die historische Wahrheit, nicht irgendwelche verletzten Gefühle, die letztendliche Richtlinie sein. Wenn jemand etwas sagt, oder, öfter, nicht sagt, um jemandes Gefühle nicht zu verletzen, heißt das für mich: da sagt jemand aus Taktgefühl nicht das, was er oder sie wirklich denkt oder meint. Das kann manchmal angebracht sein. Aber: „Das was du sagst ist falsch, oder unmoralisch“ ist ein viel stärkeres Argument als „du hast meine Gefühle verletzt.“

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  2. @susanna14 – Ich denke, das ist ein gutes Beispiel genau für das, was ich sagen wollte: Auf diese Weise drücken sich die japanischen Schulbücher auch darum, ihre eigene Verantwortung oder Schuld wirklich einzugestehen, ohne aber zu ihrer kolonialistischen Haltung zu stehen: Sie haben diese Haltung zwar noch, machen sich aber nicht angreifbar, weil sie sie ja „aus Rücksicht“ nicht mehr in die Geschichtsbücher reinschreiben.

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  3. „Den Anderen verstehen, das heißt, sein Gefühl in uns erzeugen“ F. Nietzsche

    Verstehen wollen ist ja nicht nur kognitiv analytisch, sondern ein Akt des Herzens und bringt uns in eine gewisse (begrenzte) Nähe zum Anderen.
    Es wird natürlich Leute geben, die sich tatsächlich nicht um die Kritik von anderen scheren und sich floskelhaft entschuldigen.
    Trotzdem würde ich das nicht allen per se unterstellen.

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  4. Absolut. Ich möchte hinzufügen, dass das „Wir wollten niemanden verletzen“-Statement sehr oft impliziert: „Wir haben es nicht sexistisch/rassistisch gemeint (und KÖNNEN deswegen auch gar nicht sexistisch/rassistisch SEIN)“. „Ich bin fest überzeugt, dass der Konditor keine rassistischen Motive für die Namensgebung hatte“, das schreibt ja auch Boris Palmer. Diese Haltung geht davon aus, dass es sich nur dann um Rassismus handeln kann, wenn das auch so die Absicht war. Aber: „Racist acts do not require intent“, das habe ich gerade heute, als es in einem ganz anderen Zusammenhang um etwa dieselbe Frage ging, gelesen, hier: http://jezebel.com/illamasqua-blackface/

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  5. „Anmerkung der Redaktion: Einige Leser haben in diesem Text offenbar eine Gleichsetzung von Menschen mit Autismus und Mördern erkannt. Eine solche völlig abwegige Gleichsetzung ist selbstverständlich nicht gemeint. Der Text weist ausdrücklich darauf hin, dass selbst eine Störung keine Erklärung für eine grausame Tat wie in Newtown sein kann. Sollte der Artikel dennoch die Gefühle von Menschen mit Autismus verletzt haben, bitten wir um Entschuldigung. Einen Absatz, der die vermeintliche Gleichstellung einordnet, haben wir in dem Artikel eingefügt.“

    http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/adam-lanza-litt-der-amoklaeufer-von-newtown-am-asperger-syndrom-a-873088.html

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  6. Ich beobachte auch, dass in zwischenmenschlichen Diskursen der Rückgriff auf eine Entschuldigung der beschriebenen Art oftmals eine Herablassung darstellt.

    Ich stimme ebenso zu, dass Rücksicht auf gute Beziehung auch in gesellschaftlichen Kontexten die Einsicht in die Vielfältigkeit der Lebensrealitäten darstellt oder wie Jiří Gruša es ausdrückte: „Diplomatie ist die Auffassung, dass die Wahrheit Nuancen hat.“

    Beim Fall der Mohammed-Karikaturen allerdings liegt der Fall ein wenig anders. Hier geht es nicht darum, dass Zeitungen aus Rücksicht auf den Islam dies nicht tun, sondern weil sie wissen, dass sie dann weltweit auf eine Todesliste gesetzt werden.

    Eine Gesellschaft, in der eine Karikatur oder ein falscher Tweet über eine Religion zu harten Gefängnisstrafen oder gar dem Tod führen kann, ist menschenrechtsfeindlich und gegen die liberalen Grundprinzipien, die trotz Böckenförde-Diktum usw. unsere Gesellschaft schützen.

    Da das Private nunmal auch politisch ist, kann nicht vollständig darauf vermieden werden, in Diskussionen, öffentlichen Reden sowie mit Kultur und Kunst die persönlichen Ansichten des Gegenübers möglicherweise in Frage zu stellen. Der sachliche Sexismus-Vorwurf ist als solcher auch erstmal im Diskurs zu prüfen. Er ist nicht automatisch dadurch richtig nur weil er aufgestellt wurde.

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  7. Ich möchte einen kleinen Gedanken ergänzen: Ich finde eine Entschuldigung dann angebracht, wenn sie zusätzlich zur Selbstkritik vorgebracht wird. Wenn es also heisst: „Wir sehen ein, dass wir in dem Werbespot Botschaften kommunizieren, die wir bei genauerem Hinsehen auch selbst nicht gut finden und die wir so nicht vermitteln wollen, weil sie uns nicht gerecht werden – weil wir keine Gewalt gegen Frauen unterstützen oder verharmlosen wollen und schon gar keine Strukturen unterstützen wollen, die das tun. Wir danken dafür, darauf aufmerksam gemacht worden zu sein und möchten uns gerne dafür entschuldigen, wenn wir damit Gefühle verletzt haben.“ Also da, da finde ich das dann echt gut.

    Das ist aber auch so ein prinzipielles Ding. Ich finde, dass man sich sowieso ernsthaft dann entschuldigen kann (eben ent-schuldigen), wenn man einsieht, welche Schuld man auf sich geladen hat – und wordurch. Daher ist das Entschuldigen für das Verletzen der Gefühle nur Augenwischerei; solange der grundlegende Punkt nicht verstanden ist, dann ist es eben auch keine Entschuldigung.

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  8. Hallo Antje,

    ich muss zugeben, dass ich selten mit deinen Beiträgen einverstanden bin. Auch wenn weniger militant als andere Feministinnen, fühle ich mich doch von dir allzuoft auf die gegenüberliegende Seite einer Front gestellt, die ich selbst gar nicht sehe.

    Heute muss ich dir aber zu deinem gelungenen Artikel gratulieren. Mit einer Einschränkung: Menschen, die sich wie du tagein, tagaus mit dem Thema beschäftigen, sehen Verstöße und Beleidigungen, wo andere (Frauen und Männer) nur die Schultern zucken.

    Deshalb wirst du auch in Zukunft Entschuldigungen hören, die sich auf verletzte Gefühle beziehen – weil die mutmaßlichen Verursacher gar nicht verstehen, „was daran so schlimm“ war.

    Gruß und guten Rutsch 😉

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  9. Mit der Analyse von Stukturen setzt sich unser Kind gemeinsam mit Freunden (damals im Alter zwischen acht und zehn Jahren) auch am Beispiel der so alltäglichen Gewalt in der Sprache auseinander. Und das ganz praktisch und konsequent: alle Worte, die in einer zweiten oder weiteren Bedeutung herabwürdigend besetzt waren, wurden umgewandelt. Der Sack wurde und wird Tüte/Beutel genannt (also auch Schlaftüte oder Schlafbeutel), das Schwein Oinkerchen, der Esel Grauwuschel usw. Erst war es für uns ältere Menschen lustig, dann nervig, dann ernst. Ich für meinen Teil bin sensibler geworden. Mein Kind hat mich oft an meinen Gewohnheiten gepackt, wach gemacht und tut es weiter.

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  10. wenn wir über die japaner urteilen, sollten wir zuerst ihre unterschiedliche grundlage zum menschen in der gruppe diskutieren, damit der begriff falsch oder richtig nicht so sehr an raum gewinnt. dem japaner ist die gruppe und seine ahnen wichtiger als er selbst, so gibt es dort in der regel nur einen selbstmord, wenn er von der gruppe verstoßen wird. außerdem ist er so höflich, dass er nichts verneint, was zu der unlogik für einen westler führen kann, wenn er gezielt nach dem weg fragt, GEHT ES DORT ZUM BAHNHOF? und aus höflichkeit die antwort JA bekommt, auch wenn es eine falsche auskunft ist. so stellt sich für mich die frage, darf ich mit meiner art zu denken eine kultur in frage stellen, oder sollte ich versuchen, das zu verstehen? ist unsere kultur, wo wir die ahnen verdrängen eine verbindende oder ausschleßendere kultur? ist unser individualstrafrecht gerecht im sinne, der geschichte und dem hintergrund eines menschen? nun zu den geschichtsbüchern der japaner. ist es wichtig etwas was geheilt wird weiter öffentlich zu dokumentieren? wir haben in unserer geschichtsschreibung vielfach herrschaftswissen, ist zum beispiel der mord an friedrich schiller schon öffentlich verarbeitet oder die sprengung des WTC, wo tausende eigene mitbürger ermordet wurden? haben wir das recht über die verdrängung der japaner zu reden? hat einer hier die klagen der japanischen opposition wahrgenommen, die die sprengung der türme aufgedeckt hat, weil auch japaner unter den opfern ware?

    wir leben in einer solch verlogenen gesellschaft, die mit dem totschlagargument verschwörungstheorie abgespeist wird, wir brauchen uns über das verhalten der japaner nicht wirklich aufregen.

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  11. Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass die beschriebene Motivation existiert. Aber ich sehe in der Formulierung um verletzte Gefühle auch eine gewisse Unfähigkeit, mit der Situation umzugehen. Ich würde es erst mal deuten als: „Ich wusste nicht, dass ich damit jemanden verletze“. Macht die Sache nicht besser, ist aber vielleicht auch ein Einstieg in eine Diskussion und nicht eine Verweigerung einer solchen. Das hängt wohl stark vom Kontext ab. Als erste Reaktion ist es wohl wirklich aufrichtige Verwirrung, als letzte Reaktion ist es der Versuch, das Thema vom Tisch zu kriegen und sich moralisch rein zu waschen („Wir haben doch gesagt, dass wir keine Gefühle verletzen wollten. Was wollt Ihr denn noch?“).

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  12. Ich finde, die Kommentator_innen haben den Punkt gut weiterentwickelt: Die objektifizierende Logik des sexistischen Diskurses führt notwendigerweise dazu, dass diejenigen, die sich sexistisch verhalten, kein Bewusstsein für dieses Verhalten besitzen. Das Bedauern und die Überraschung, wenn sie dann darauf hingewiesen werden, halte ich erst einmal für echt. Deswegen ist es ja so wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen.

    Die interessante Frage, die sich imho jetzt hier anschließt, wäre, wie wir mit dieser neuen Diskussionslage umgehen: Wir sind meiner Wahrnehmung nach an einem Punkt angelangt, an dem das Beharrungsvermögen des Bestehenden sich vor allem darin zeigt, reflexhaft anzuerkennen, dass es ein Problem gibt, um sich dann genau dadurch der Diskussion um das Problem zu entziehen.

    Höflichkeit („Wir wollten die Gefühle von xyz nicht verletzen“) scheint ein Konzept zu sein, das hierzulande nicht sehr weit reicht. Wir verbinden damit keine Substanz, wie du ja sehr trennscharf herausstellst. Wir brauchen „mehr“, worin dieses Mehr allerdings besteht, das scheint keine_r wirklich formulieren zu wollen.

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  13. Toller Beitrag, Frau Schrupp, sie beleuchten beide Seiten, das subjektive gefühlige wie das strukturelle. Ich finde die Wichtung/Zuspitzung – auch in ihrer eigenen Aegumentation – dennoch nicht sehr überzeugend. Sie legen ja selbst dar, dass Gefühle verletzen wahnsinnig wichtig ist im Genderverhältnis, denken sie an die große Bedeutung Ihrer eigenen Sauna- und Jugenderlebnisse. (Damals haben sie sich geradezu selbst verletzt, nur um einer vorgeblich egalitären Struktur zu genügen.)
    Das Problem geht aber viel weiter: Es bilden sich völlig neue Wert- und Gendervorstellungen (die teilweise steinalt und furchtbar sind) durch und mit dem Netz, sehen sie sich mal an, wie Teenies das Netz (sexuell) nutzen und perzipieren. Da ist unsere (60er-Jahrgänge) Gefühls-Struktur-Wahrnehmung, nun, nicht sehr wirkmächtig. Da kömmt was auf uns zu.
    Anyway sehr spannend zu lesen.
    Christian Füller
    P.S. Verzeihen sie, was meint ihr bloguntertitel, das frage ich mich schon lange: Arbeit an/wegen/zu (?!?!) der sexuellen Differenz

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  14. @Jens Best – Ja, was die Mohammed-Karikaturen angeht, können beides Gründe sein, darauf zu verzichten: Rücksichtnahme auf Gefühle UND Angst vor Anschlägen. Was jeweils der Fall ist kann man wohl nur im konkreten Fall sehen.

    „Der sachliche Sexismus-Vorwurf ist als solcher auch erstmal im Diskurs zu prüfen. Er ist nicht automatisch dadurch richtig nur weil er aufgestellt wurde.“ – Ein Sexismus-Vorwurf kann nicht auf wahr oder falsch geprüft werden, weil es keine objektiven Kriterien dafür geben kann, was Sexismus ist. Wir sind hier im Bereich des politischen Aushandelns und nicht im Bereich des wissenschaftlichen Beweisens. Geprüft werden können höchstens die Fakten.

    Beispiel: Mann hält Frau die Tür auf, sie findet das sexistisch. Prüfen kann man, ob er ihr wirklich die Tür aufgehalten hat oder ob sie sich das ausdenkt. Nicht prüfen kann man, ob das Türaufhalten „wirklich“ Sexismus ist. Sondern hier geht es darum, anzuerkennen, dass es unterschiedliche Positionen gibt: Sie findet das sexistisch, er nicht. Die Auseinandersetzung kann nun nicht so ablaufen, dass man ihr beweist, dass sie sich vielleicht nur sexistisch behandelt FÜHLT, obwohl es in WIRKLICHKEIT doch gar nicht sexistisch ist oder am Ende sogar GUT GEMEINT. Sondern man muss erst einmal die Tatsache akzeptieren, dass sie das sexistisch findet und vermutlich dafür gute Gründe hat (die man unter Umständen nicht teilt, die man vielleicht gar nicht kennt, die man sich u.U. gar nicht vorstellen kann. Diese prinzipielle Anerkennung der anderen Position, also die Akzpetanz, dass die eigene Meinung nur eine von mehreren existierenden Meinungen nicht und der Verzicht darauf, in dem Punkt eine „universale Wahrheit“ zu proklamieren, ist die Vorbedingung dafür, dass eine politische Auseinandersetzung überhaupt stattfinden kann. Im besten Fall ist man auch noch daran interessiert, die Argumente der anderen zu erfahren und bereit, darüber nachzudenken, zumal wenn man selbst sich mit dem Thema noch nicht intensiv auseinandergesetzt hat und (rein zufällig?) die traditionelle oder Mainstream-Position einnimmt.

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  15. Also, ich verstehe die Argumentationsstruktur nicht. Auf die Gefühle der anderen Rücksicht nehmen ist okay, aber im Falle der Produzenten des TV-Spots ist es nicht okay, weil die Kritiker eine Diskussion führen wollen? Aber wieso sollte das die Produzenten des TV-Spots denn zwingen, an dieser Diskussion teilzunehmen? Ob sie etwas sinnvolles zur Diskussion beizutragen haben, können doch nur sie selbst einschätzen. Die Diskussion soll gesellschaftlich geführt werden, aber ausgerechnet von den TV-Produzenten einen sinnvolleren Beitrag als eine Entschuldigung für verletzte Gefühle zu verlangen – das sind doch verfehlte Erwartungen.
    Wie auch immer. Ganz auf dem falschen Dampfer ist es aber jedenfalls zu meinen, diese Entschuldigung würde „implizieren“, dass etwas nicht sexistisch sein kann. Da wird ihnen eine Aussage in die Schuhe geschoben, die sie nie getätigt haben und wofür es noch nicht mal Anzeichen gibt, dass sie es denken könnten. Nur damit man etwas findet, worüber man sich aufregen kann. Die Produzenten sagen ja noch nicht einmal, dass es nicht sexistisch IST. Und das wäre immerhin schon eine notwendige Vorstufe um auszusagen, dass es nicht sexistisch SEIN KANN. Um es ganz klar zu sagen: das ist reininterpretiert, untergeschoben, projeziert. Kriegt an der Stelle doch bitte die Grundlagen des argumentativen Anstands klar.

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  16. Es sind jetzt mehrere Beispiele hier verhandelt worden… Ich denke, einige von ihnen, etwa das mit den japanischen Schulbüchern oder die Debatte über Autismus als angebliche Ursache des Amoklaufs in Newtown, lassen sich tatsächlich auf der Ebene von wahr oder falsch entscheiden.

    Bei Fragen, die sich nicht so ohne weiteres entscheiden lassen, etwa warum Türen-Aufhalten sexistisch ist oder nicht, wird es tatsächlich schwieriger. Da stehen dann die, die es als sexistisch empfinden, gegen die, die es nicht tun, und möglicherweise hast du Recht: es ist wichtig, dass die unterschiedlichen Positionen erst einmal anerkannt werden.

    (Ich kenne so jemanden. Im Prinzip ist die Anerkennung der unterschiedlichen Positionen tatsächlich die einzige Möglichkeit, die Freundschaft zu bewahren.)

    Aber dazu gehört dann eben auch das Umgekehrte: Dass der Vorwurf nicht in einem Ton vorgebracht wird, der sagt: „Du hast meine Gefühle verletzt, du bist böse, du musst dich jetzt entschuldigen.“ Viele Menschen, die sich auf die von dir kritisierte Weise meinen entschuldigen zu müssen, tun das ja, weil sie sich genau so unter Druck gesetzt fühlen.

    (Es gibt ja sogar Anleitungen im Internet „wie verhalte ich mich, wenn mir Rassismus vorgeworfen wird“, in denen geraten wird, sich ohne Ausflüchte und Erklärungen, etwa „war nicht so gemeint“ zu entschuldigen und darüber nachzudenken, was man falsch gemacht hat, ohne von der Person, die den Vorwurf macht, eine Erklärung zu verlangen. Die Möglichkeit, dass jemand zu Unrecht des Rassismus beschuldigt wird, wird nicht in Erwägung gezogen. Ich habe allerdings selbst schon mehrfach Situationen erlebt, in denen dieser Vorwurf benutzt wurde, um mich mundtot zu machen – es war ziemlich offensichtlich, da meinen Diskussionsgegnerinnen gerade die echten Argument ausgingen, und außerdem würde ich die Position meiner Diskussionsgegnerinnen meinerseits als „kulturalistisch“ bezeichnen, was auch eine Form des Rassismus ist.)

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  17. Könnte evtl auch allgemeines „Machtgefälle“ eine Rollenspielen? (Also neben der rhetotorischen Verschiebung)
    Ich finde, es ist fast Usus abzuwerten, wenn sich jemand verletzt fühlt- und hochdramatisch wichtig, wenn jemand tatsächlich (körperlich) verletzt wird. (Beispiel Werbespot in dem eine Frau als lüsternes Sexbündel dargestellt wird vs. Berichterstattung über die brutale Vergewaltigung einer Frau (klar von einem Fremden im Park -.- die Reaktion auf Kritik an der Darstellung in beiden Fällen könnte unterschiedlicher kaum sein. )
    Ich sehe also für mich in so einer Reaktion auf eine berechtigte strukturelle Kritik oft auch schlicht schlechte Manieren als allgemein anerkanntes Mittel der Kommunikation.

    Wenn ich mich als Anna-Normalmensch wohin wende und sage: „Hör mal, also ich finde Werbespot XY sexistisch“, dann ist die Antwort „Sorry dass wir deine Gefühle verletzt haben“ nicht nur sachlich falsch sondern auch implizierend: Du hast ja keine Ahnung worum es geht (du dummer kleiner Konsument…) Und da sehe ich eine Abwertung meiner Position im „Gesprächskontext“.

    Viele Grüße

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  18. Sorry, ich bin hier eher zufällig gelandet und habe mich mit der Thematik des Blogs bisher nur oberflächlich beschäftigt – interessant finde ich es trotzdem, deshalb werfen sich bei mir jetzt viele Fragen auf:

    Wie – oder wofür – entschuldigt man sich in solchen Fällen „richtig“? So, daß möglichst jede/r Betroffene die Entschuldigung akzeptieren kann? Gibt’s da Vorschläge?

    Muss überhaupt bei einer solchen öffentlichen Entschuldigung jeder, der sich angegriffen fühlt oder wirklich angegriffen wurde, diese akzeptieren? Oder wird der/die Übeltäter/in damit leben müssen, daß ein paar von den Opfern (die ja in die Milliarden gehen, genau genommen) nicht zufrieden gestellt werden können?

    In einer Aussage entdecke ich einen Widerspruch: Im Falle von Sexismus und Rassismus reicht es nicht, sich für verletzte Gefühle zu entschuldigen, weil es ja jedem/r Kritiker/in ausschliesslich um das Anstoßen einer sachlichen Diskussion geht. (so habe ich die Passage oben verstanden – ist das wirklich eine realistische Einschätzung?).

    Im Falle der Missachtung des Islam ist es aber okay, einen sachlichen Diskurs zugunsten der Beziehungsebene zu vermeiden, weil….???

    Worin unterscheiden sich angegriffene Moslems und angegriffene Frauen und angegriffene (….ups…welches Wort nehme ich, ohne jemanden zu beleidigen…na, es geht halt um Rassismus )? Inwiefern darf / sollte / muss man die einen anders behandeln als die anderen?

    Und dann gibt’s noch ein lernpsychologisches Problem:

    Wenn jemand dafür gerügt wird, einen Fehler begangen zu haben, ist es ja ein Fortschritt, wenn er sich entschuldigt. Vielleicht ein kleiner – aber ein Fortschritt! Ihn dafür dann erneut zu rügen, weil auch die Entschuldigung nicht „richtig“ war, wie wahrscheinlich ist dann, daß er mit seinem Gegenüber überhaupt noch irgendeinen Dialog sucht? Wozu, wenn Lernfortschritte bestraft werden, weil sie nicht groß genug sind?

    Ist „Ich möchte nicht mit Dir diskutieren“ keine akzeptable Haltung? Und, wie @damengedeck es ausdrückt – das Konzept der „Höflichkeit“, um diese Haltung zu formulieren, keine akzeptable Strategie (mehr)?

    Also: wie muss eine Entschuldigung aussehen, damit man/frau den Übeltäter mit einen „Hast fein gemacht!“ 😉 belohnen kann?

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  19. Bei mir wirft dieser Post jede Menge Fragen auf:

    Wie – oder wofür – entschuldigt man sich in solchen Fällen „richtig“? So, daß möglichst jede/r Betroffene die Entschuldigung akzeptieren kann? Gibt’s da Vorschläge?

    Muss überhaupt bei einer solchen öffentlichen Entschuldigung jeder, der sich angegriffen fühlt oder wirklich angegriffen wurde, diese akzeptieren? Oder wird der/die Übeltäter/in damit leben müssen, daß ein paar von den Opfern (die ja in die Milliarden gehen, genau genommen) nicht zufrieden gestellt werden können?

    In einer Aussage entdecke ich einen Widerspruch: Im Falle von Sexismus und Rassismus reicht es nicht, sich für verletzte Gefühle zu entschuldigen, weil es ja jedem/r Kritiker/in ausschliesslich um das Anstoßen einer sachlichen Diskussion geht. (so habe ich die Passage oben verstanden – ist das wirklich eine realistische Einschätzung?).

    Im Falle der Missachtung des Islam ist es aber okay, einen sachlichen Diskurs zugunsten der Beziehungsebene zu vermeiden, weil….???

    Worin unterscheiden sich angegriffene Moslems und angegriffene Frauen und angegriffene (….ups…welches Wort nehme ich, ohne jemanden zu beleidigen…na, es geht halt um Rassismus )? Inwiefern darf / sollte / muss man die einen anders behandeln als die anderen?

    Und dann gibt’s noch ein lernpsychologisches Problem:

    Wenn jemand dafür gerügt wird, einen Fehler begangen zu haben, ist es ja ein Fortschritt, wenn er sich entschuldigt. Vielleicht ein kleiner – aber ein Fortschritt! Ihn dafür dann erneut zu rügen, weil auch die Entschuldigung nicht „richtig“ war, wie wahrscheinlich ist dann, daß er mit seinem Gegenüber überhaupt noch irgendeinen Dialog sucht? Wozu, wenn Lernfortschritte bestraft werden, weil sie nicht groß genug sind?

    Ist „Ich möchte nicht mit Dir diskutieren“ keine akzeptable Haltung? Und, wie @damengedeck es ausdrückt – das Konzept der „Höflichkeit“, um diese Haltung zu formulieren, keine akzeptable Strategie (mehr)?

    Die wichtigste Frage bleibt aber: wie muss eine Entschuldigung aussehen, die keinen Zweifel über den Gesinnungwandel offen lässt, damit man/frau den Übeltäter mit einen „Hast fein gemacht!“ 😉 belohnen kann?

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  20. Ich halte die Argumentation, dass man ein Verhalten unterlasse, weil man fremde Gefühle verletze, für grundlegend in der menschlichen Gesellschaft, weil es eben NICHT darauf abstellt, ob ein Verhalten rational , im Diskurs oder sonstwie in seiner Bewertung einvernehmlich geklärt werden kann.
    Ja, ich würde das sogar mit dem schönen alten Wort „Respekt“ versehen, Respekt vor dem anderen. Weil es unendlich viele Sachverhalte im täglichen sozialen Zusammenleben gibt, die eben _nicht_ geklärt werden können, das geht schon in Schwimmbädern los und hört beim Nasebohren auf. Dazu gehört auch, ob jemand als bezeichnet werden möchte oder nicht. Wenn ich das vermeiden kann, dann lasse ich das mit der Bezeichnung.

    Dem Text stimme ich nur für die Fälle zu, in denen _aussschliesslich_ dieses Argument benutzt wird, weil es ja eben kein Argument zur Klärung eines strittigen Punktes ist. Dann heisst es in der Tat: ich will nicht (mehr) diskutieren.

    Aber auch das steht jedem frei. Ich würde sogar so weit gehen, dass es keinen Anspruch gegen andere gibt, nur der eigenen Befindlichkeit wegen eine Diskussion verlangen zu können.

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  21. „Wenn ich kritisiere, dass in Werbevideos Gewalt gegen Frauen verharmlosend dargestellt wird, oder wenn ich gegen die Darstellung von Frauen als sexualisierte willenlose Wesen protestiere, dann nicht weil „meine Gefühle als Frau“ dadurch verletzt würden. Sondern weil ich solche kulturellen Muster für schädlich halte – und zwar nicht nur für mich oder für die „Betroffenen“, sondern generell und für alle.“

    in antisexistischen und antirassistischen kreisen wird allerdings das sprechen für andere oder für alle vehement abgelehnt. demzufolge kann man sich nur auf die eigenen verletzten gefühle berufen. jede verallgemeinerung kann nach belieben mit dem verweis auf den sonderfall abgewiesen werden. auch das konzepte wie DefMa, deren geltungsbereich zwar für gruppen definiert wurde, zahlt auf individuelle gefühle ein. selbst ein angehöriger einer solchen gruppe kann die verletzten gefühle eines anderen gruppenangehörigen nicht relativieren. es zählt allein die subjektive befindlichkeit. objektivität wird als nicht existent abgelehnt. und das ist in diesem system auch logisch, denn gefühle sind nicht objektivierbar. die üblichen worthülsen sind nicht widerlegbar: „DIE frauen*™ gibts nicht“, „DEN feminismus™ gibts nicht“, jeder hat sein eigenes (was auch immer) …

    das argument der verletzten gefühle wird also zunächst als kritik vorgebracht und ist genau deshalb nicht auf eine gesellschaftliche ebene zu abstrahieren, weil man subjektiven befindlichkeiten nicht widersprechen kann. der so kritisierte kann sich nur demütig in den staub werfen. eine nicht auf befindlichkeiten fußende kritik könnte man nicht so einfach mit einer entschuldigung vom tisch wischen. solche kritik würde aber den eigenen maßstäben zu offensichtlich zuwiderlaufen. man würde dann mit den eigenen subjektivistischen argumenten konfrontiert werden und hätte letztlich nicht mehr in der hand.

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  22. Rainer:

    Und dann gibt’s noch ein lernpsychologisches Problem:

    Wenn jemand dafür gerügt wird, einen Fehler begangen zu haben, ist es ja ein Fortschritt, wenn er sich entschuldigt. Vielleicht ein kleiner – aber ein Fortschritt! Ihn dafür dann erneut zu rügen, weil auch die Entschuldigung nicht “richtig” war, wie wahrscheinlich ist dann, daß er mit seinem Gegenüber überhaupt noch irgendeinen Dialog sucht? Wozu, wenn Lernfortschritte bestraft werden, weil sie nicht groß genug sind?

    Ich würde da gerne unterscheiden, mit wem wir es zu tun haben. An einen Sender, der einen Bildungsauftrag hat, kann man andere Maßstäbe anlegen als an Privatpersonen. Im Umgang mit dem ZDF will ich nicht pädagogisch taktieren, bei Kindern sieht es wieder ganz anders aus.

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  23. Ich habe hier noch ein Beispiel gefunden für jemanden, der offensichtlich nicht verstanden hat, dass oder was er falsch gemacht hat: http://www.sueddeutsche.de/politik/gruenen-politiker-sorgt-fuer-empoerung-in-beschneidungsdebatte-wetzt-das-messer-singt-ein-lied–1.1562003?null
    In einer solchen Situation sollte man die Entschuldigung bleiben lassen, und lieber von den anderen verlangen, dass sie die Erklärbären spielen, bis man es verstanden hat, und wenn man es dann immer noch nicht einsieht, sollte man das tun, was die Engländer „agree to disagree“ nennen – mit allen Konsequenzen.

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  24. Mein Beispiel zum Thema – in dem Fall Rassismus. Ich hatte im Sommer an die Redaktion der ARD geschrieben:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich kann jetzt nicht genau sagen, ob es Tagesschau oder Tagesthemen war: jedenfalls in der Nachrichtensendung in der Halbzeitpause des Spiels Deutschland – Dänemark, am Sonntag, 17.06.2012, brachten Sie einen Bericht über Griechenland und den Ausgang der Wahlen. In einem Live-Kommentar kam ein älterer Mann zu Wort, der u.a. etwa wie folgt übersetzt wurde: „Wir werden brave Bürger sein und Steuern zahlen. Dann geht es mit Griechenland auch wieder aufwärts. Wir sind keine Zigeuner.“

    Gestern im Radio hörte ich von rassistischen Vorfällen, die sich mehren würden während der Fußball-EM, besonders wohl bei Spielen von Kroatien.

    In Deutschland ist gerade eine neue, weitere rechtsradikale Partei gegründet worden.

    Die EU kriselt. Da finde ich, dass Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht noch Öl aufs Feuer gießen sollten, indem sie sich rassistischen Vokabulars bedienen – auch wenn es die Übersetzung eines wörtlichen Kommentars war.

    Die Antwort vom Chefredakteur ARD aktuell lautete:

    Sehr geehrte Frau Meier,

    vielen Dank für Ihre E-Mail.

    In den Tagesthemen vom 17. Juni sagte ein Grieche in einem Beitrag zum Ausgang der Parlamentswahl: Wir wollen brave Bürger sein und keine Zigeuner. Mit diesem O-Ton wollten wir keinesfalls Vorurteile gegen Sinti und Roma bedienen. Tagesschau, Tagesthemen und die anderen Sendungen von ARD-aktuell achten sehr genau darauf, keine abwertenden Klischees zu verwenden. Stattdessen benutzen wir eine möglichst wertneutrale, sachliche Sprache. Bei Interviews kann es allerdings vorkommen, dass die Interview-Partner nicht ganz so überlegt formulieren. Die Redaktion muss dann zusammen mit dem Reporter entscheiden, ob es sich um eine kleinere sprachliche Ungeschicklichkeit handelte oder ob der O-Ton nicht sendbar ist. In dem Wahl-Bericht aus Griechenland hatten wir es mit einem Grenzfall zu tun. Sollte sich jemand von der Formulierung des Griechen angegriffen oder verletzt fühlen, so täte uns das Leid.

    Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Sendungen weiter kritisch verfolgten.

    Ich saß dann da und dachte darüber nach, was alles ein Grenzfall sein könnte…

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  25. Ich sehe dein Beispiel anders, wobei ich nicht weiß, wie ich selbst bei diesem Interviewpartner gehandelt hätte. Worum es mir geht, ist, wie und ob sich die Redaktion hätte entschuldigen sollen.

    Die Redaktion hat eine bestimmte Entscheidung getroffen, und sie hat diese Entscheidung erklärt. Sie hat eine Abwägung getroffen, die du offensichtlich anders getroffen hätte. Ich denke, es ist möglich, diese Entscheidung zu verteidigen – schließlich geht es um ein Zitat. Was ich allerdings für problematisch halte, ist dann die Entschuldigung „wenn sich jemand verletzt fühlen sollte…“ Es wäre besser gewesen, sie hätten einfach zu ihrer Entscheidung gestanden, die sie ja getroffen haben – und auch dazu, dass sie damit in Kauf genommen haben, die Gefühle mancher Menschen zu verletzen.

    Eine echte Entschuldigung würde bedeuten, dass sie auch erklären, dass und warum sie jetzt (nachdem sie durch dich zum Nachdenken gebracht wurden) anders handeln würden und warum sie ihre ursprünglichen Gründe nicht mehr für stichhaltig halten.

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  26. @susanna14
    ein zitat ist es nicht. es ist ein o-ton. / worum es mir geht, deckt sich mit dem was Antje schreibt: „weil ich solche kulturellen Muster für schädlich halte – und zwar nicht nur für mich oder für die „Betroffenen“, sondern generell und für alle.“ ich meine, es hätte sich sicherlich auch ein anderer o-ton finden und senden lassen.

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  27. Ja, das verstehe ich, dass du das meinst. Aber anscheinend ist die Redaktion zu einer anderen Entscheidung gekommen.

    Ich habe Antjes Beitrag so verstanden, dass sie die unehrlichen Entschuldigungen ablehnt. Ich glaube, wenn wir die unehrlichen Entschuldigungen ablehnen, müssen wir auch akzeptieren, dass andere Menschen zu anderen Entscheidungen kommen. Dann kannst du noch einmal zurückschreiben und erklären, warum du die Entscheidung des ARD für falsch hältst und musst eben versuchen, die Redaktion zu überzeugen, oder aber du findest MitstreiterInnen, die allesamt emails schreiben, so dass das ARD eventuell unter diesem Eindruck seine Entscheidung revidiert.

    Mir geht es jetzt nicht um den Beitrag der ARD an und für sich – mir geht es um die Entschuldigungs(un)kultur.

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  28. Ich sehe solche Sätze eher als die Grundlage einer Diskussion. Der erste Schritt: Man nimmt den Kritiker wahr. (Was nicht selbstverständlich ist).

    Zusammengefasst:
    Jemand erstellt ein Video. Ich gehe doch davon aus, dass die Ersteller_innen sich bereits Gedanken darüber gemacht haben, was das Video eventuell darstellt und sie als bedenkenlos eingestuft.
    Sie sehen darin einen schädlichen Inhalt. Die Ersteller_innen entschuldigen sich, dass sie das so wahrgenommen haben.

    Gehen Sie nicht einer Diskussion aus dem Weg, weil sie ihre Meinung als allgemeingültig und jeden der anderer Meinung ist, als ein Frauenfeind und Rassist sehen? Vor der Diskussion, wie damit umgegangen wird, muss doch erstmal geklärt werden, ob überhaupt stimmt, was Sie sagen?

    Damit möchte ich allerdings nicht sagen, dass Rassismus oder Frauenfeindlichkeit erst kritisiert werden darf, wenn es allemein so empfunden wird.
    SONDERN: Es wird relevant, wenn sich jemand verletzt fühlt und genau dann ist doch erst einmal eine Entschuldigung angebracht.

    Genau hier ist der Bruch Ihrer Kausalkette:
    Sondern weil ___ICH solche kulturellen Muster für schädlich HALTE__ – und zwar nicht nur für mich oder für die „Betroffenen“, sondern __GENERELL und für ALLE__.

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  29. @susanna14
    hm…für mich besteht der einzige Unterschied darin, dass ich als Einzelperson eine Mail an die Redaktion geschrieben habe. Ich habe keinen Shitstorm ausgelöst und es hat wohl auch keinen gegeben. Insofern sind die Macher nicht genötigt gewesen/mussten sich nicht genötigt f ü h l e n, etwas zu tun, das ihr Ansehen retten soll: sich öffentlich zu entschuldigen und zu sagen, dass sie keine Gefühle verletzen wollten.
    + @Martin: Antje schreibt jedoch, dass es eben n i c h t um Gefühle geht, sondern um Strukturen und deren Analyse.
    @Martin: in dem Blogpost geht es darum, dass solche Entschuldigungen mit Bezug auf Gefühle, die man nicht verletzen wollte, s e l b s t „die Verweigerung einer ernsthaften Auseinandersetzung“ darstellen, weil es eben, wie schon geschrieben, nicht um Gefühle geht, sondern um verinnerlichte Strukturen, /Denkweisen, die man bisher nicht in Frage gestellt hat oder einfach nicht in Frage stellen will. Bei letzterem muss man sich dann auch nicht entschuldigen mit der Begründung, man habe keine Gefühle verletzen wollen. Wenn Sexismus/Rassismuss/Gewaltverherrlichung zur Struktur/Denkweise von Menschen gehören, die dann auch noch eine hohe Reichweite erzielen, dann finde auch ich das schädlich – für alle.

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  30. ein Gedanke noch – zum Schluss :-):
    Für mich geht es nicht darum, zu akzeptieren, dass andere zu anderen Entscheidungen kommen. Es geht für mcih darum, dass andere sich E-wie einfach outen:
    Ja, ich bin Rassist.
    Ja, ich bin Sexist.
    Ja, ich bin naiv. Ich habe das nciht gewusst.
    Ja, ich bin Stratege. Ich habe mit der Reaktion gerechnet. Ich wollte meine Bekanntheit steigern.
    usw. usf.
    Das wäre A-wie Anfang und e-wie ehrlich.

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  31. “Bei der Kritik an gesellschaftlichen Missständen wie Sexismus oder Rassismus geht es aber nicht um verletzte Gefühle oder „Betroffenheit“ – auch wenn Sexismus oder Rassismus zweifellos Gefühle von Menschen verletzen – sondern um eine Analyse von Strukturen.”
    Finde das von Antje sehr treffend auf den Punkt gebracht. Ich betrachte das “Betroffenheitsgehabe” auch eher als “perfide Rhetorik”, die der Ablenkung dient und stigmatisierende und ausbeutende strukturelle (Macht)Verhältnisse unverändert fortbestehen lässt.
    @Irenes Post verdeutlicht das sehr gut.

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  32. @onlinemeier – damit solche ‚Bekenntnisse‘ nicht auch zur Ehrlichkeits-Rhetorik verkommen, braucht es dann noch die Frage, wem und wozu diese Ehrlichkeiten
    dienen?

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  33. @onlinemeier

    Und ich schreibe, warum sie genau das aber macht.
    Tip: Nur weil jemand behauptet etwas nicht zu machen, heisst das nicht, dass man es nicht macht.

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  34. So, jetzt schreib ich hier kurz was hin, damit ich nicht nichts gesagt habe:
    Ich finde den Artikel super, schoen etwas so durchdachtes dazu zu lesen! Viele Kommentare finde ich uebrigens auch sehr interessant, etwa von Masin Al-Dujaili oder damengedeck.
    @AntjeSchrupp: Moechten Sie eigentlich geduzt oder gesiezt werden? Und, moechten Sie Kommentare wie diesen bekommen, die ja nichts zur Diskussion beitragen, oder lieber nicht?
    Guten Rutsch!

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  35. @… es könnte evtl. dazu dienen, dass die Kritiker_innen, bei denen man sich mit Bezug auf deren Gefühle entschuldigt, nicht denen, für die das Kritisierte überhaupt kein Problem darstellt, zum Spott ausgesetzt werden – wie man das in den Kommentaren bspw. zu dem Werbespot lesen kann

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  36. Zitat: „Ja, ich bin Rassist.
    Ja, ich bin Sexist.“

    Das wären Worte, die bei mir ganz klar das E (wie Ende der Debatte) ankündigen. „Ja, nach Deiner Definition bin ich X-ist, meinetwegen. Können wir’s jetzt beenden, damit ich die trauriger Tatsache Deiner Existenz vergessen kann?“

    Für wen ein solches, vermutlich öffentlich zelebriertes, Eingeständnis in die eigene Unzulänglichkeit positiv konntiert ist, der ist vermutlich auch Stolz auf die Erbsünde. Das ist aber nicht mein Menschenbild. Reflexion, auch über das eigene Verhalten und die eigenen Vorstellungen: Gerne. Aber Selbstkasteiung? Ich bin aus gutem Grund kein Katholik…

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  37. Hallo,
    genau, dass hätte ich auch gern so ausgedrückt. Es ist auch so ein Massenphänomen, dass Frauen nicht so richtig ernstzunehmen sind. Ein bisschen schon, aber nicht so richtig.

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  38. Du bist bekennende Rassistin und Sexistin? Dann sry, hab ich missverstanden…

    Ich steh zu meinen Ansichten, und da ist die Beschäftigung mit und Distanzierung von solchen Dingen. Wer sagt „Ich bin Rassist“, der hat dann entweder Recht und darf sich guten Gewissens zu den Leuten zählen, die ich meide und deren Meinung ich bekämpfe, oder sie neigt zu dem, was ich Selbstkaseitung nenne. Eine sinnvolle Reflexion auf Basis dieser „Erkenntnis“ halte ich für weitgehend unmöglich, eine entsprechende Analyse bzw Forderungen zu derartigen Positionierungen für kontraproduktiv.

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  39. Fiat iustitia, et pereat mundus.

    Sorry für die verspätete Antwort, Antje, ich musste erst einige Tage Abbitte leisten für die tausende Male, die ich Frauen die Tür aufgehalten hatte. Es ist mir nun klar geworden, dass ich die ungleiche Bezahlung von Frauen im Beruf, die ganzen dümmlichen Anzüglichkeiten aller Männer im Alltag und das viel zu spät umgesetzte Wahlrecht für Frauen mitverschuldete, indem ich an dieser unfassbaren, bourgeoisen pseudo-netten Verhaltensweise des Türöffnens teilgenommen habe.

    …ich verstehe, dass die geschickte Codierung von einer Kultur der Unterdrückung in Alltagsrituale auch der Regel „Zuckerbrot und Peitsche“ folgen kann. Ich verstehe, dass die Ablehnung der Peitsche auch die Ablehnung des Zuckerbrots bedarf. Aber hier gerät einiges aus dem guten Gleichgewicht, gerade auch weil die digitale Echokammer jeden Meinungs-Unsinns multipliziert.

    Aktuell kann ich nur den Kopfschütteln – über diese Welle der political correctness, die sich gerade auch in digitalisierten Kreisen umtreibt. Ich erlebe das als kritischer Betrachter des Nahost-Konfliktes eher an einer anderen Front – nämlich der Totschlagkeule des Antisemitismus-Vorwurfes.
    Mit Scheuklappen und einer fertig frankierten Verachtungskarte laufen die vermeintlichen Freunde Israels durch die Blog und Foren, werfen jedem, der es wagt sich kritisch gegenüber Israel oder jüdischer Lobbyarbeit zu äußern, die blutrote Antisemitismus-Karte auf den Tisch und gefallen sich unendlich in ihrer argumentefreien Selbstgerechtigkeit.

    Das Vorgehen ist das gleiche wie bei abstrusen Sexismus-Vorwürfen. Ich kann nicht akzeptieren, dass es bei gewissen Vorwürfen, die, wenn öffentlich vorgetragen, zu einer Verleumdung und unkontrollierbaren Nachteilen für den Beschuldigten führen, die individuelle Willkür des Einzelnen das Maß der Dinge sein soll.
    Wenn jemand öffentlich des Sexismus oder des Antisemitismus von irgendjemand beschuldigt wird, dann ist das eine große Gefahr für diese Person. Von sozialer Ächtung bis hinzu zu körperlichen Angriffen reicht hier die Palette. Wenn dies aufgrund eines „Türöffnens“ oder einer kenntnisreichen aber negativen Meinung zu Israel geschieht, also Vorgängen, die völlig okay sind nach unserem gültigen Recht, dann geschieht hier Rufmord statt Aufklärung.

    Ich habe kein Problem damit, über den Gedanken nachzudenken, ob Türöffnen zu einer Geste der männlichen Unterwerfungsmacht gehört. Sollte meine Freundin es im Allgemeinen nicht mögen, würde ich es lassen. Ich könnte mir sogar vorstellen, diese Angewohnheit ganz abzustellen, wenn mir klarwerden würde, dass sie eine zentrale Rolle in der Ungleichheit der Geschlechter darstellt. Aber ich werde diesem aktuellen Zirkus der selbstgerechten digital bewaffneten Schreihälse und Schreihälsinnen bestimmt keine Spur von Glaubwürdigkeit einräumen, wenn sie sich weiterhin so benehmen wie es aktuell geschieht.

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  40. „Diese prinzipielle Anerkennung der anderen Position, also die Akzpetanz, dass die eigene Meinung nur eine von mehreren existierenden Meinungen nicht und der Verzicht darauf, in dem Punkt eine “universale Wahrheit” zu proklamieren, ist die Vorbedingung dafür, dass eine politische Auseinandersetzung überhaupt stattfinden kann. Im besten Fall ist man auch noch daran interessiert, die Argumente der anderen zu erfahren und bereit, darüber nachzudenken, zumal wenn man selbst sich mit dem Thema noch nicht intensiv auseinandergesetzt hat und (rein zufällig?) die traditionelle oder Mainstream-Position einnimmt.“ Antje
    das wäre eine gute grundlage für einen dialog, der dadurch beginnen kann. ohne zuhören kein verstehen…

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  41. Ich gehöre ja auch zu den Frauen, die Tür-Aufhalten und andere Formen der Ritterlichkeit (vor allem Kaffee-Ausgeben) für problematisch halten. Eine Ausnahme mache ich dann, wenn ich einen schweren Gegenstand trage: dann bin ich froh, wenn mir die Tür aufgemacht wird.

    Aber ich gehe damit anders um, als dass ich dem betreffenden Mann Sexismus vorwerfe: Bei der nächsten Tür bin ich schneller und öffne sie ihm. So kann aus einer Geste der Ritterlichkeit eine Geste allgemeiner gegenseitiger Höflichkeit werden.

    (Abgesehen davon wissen die meisten Menschen, dass Tür-Öffnen vor allem in der Phase des Hofmachens passiert. Wenn man erst mal eine Weile zusammen ist, ist es mit der Ritterlichkeit meist nicht mehr so weit her. Aber gerade dann könnte aus daraus eine Geste der Höflichkeit werden.)

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  42. commens erzielen, heißt doch die anerkennung für sein tun erfahren, und wenn jemand das möchte, so ist das in den mantel helfen eine art verehrung die er genießt, setze ich das als taktik ein, um irgendwelche vorteile zu erringen, so müssten wir männer auch die schminktechniken von frauen untersuchen, oder die darstellungsmöglichkeiten durch kleidung ist da möglicherweise auch ein manipulationspotential versteckt? oder ist das nur die abhängigkeit vom trend ?

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  43. @Jens – „Ich kann nicht akzeptieren, dass es bei gewissen Vorwürfen, die, wenn öffentlich vorgetragen, zu einer Verleumdung und unkontrollierbaren Nachteilen für den Beschuldigten führen, die individuelle Willkür des Einzelnen das Maß der Dinge sein soll.“ – Ja, und ich kann auch nicht akzeptieren, dass es nass wird, wenn es regnet, aber wenn ich realistisch sein will, muss ich wohl einsehen, dass es so ist.

    Ich habe das Beispiel mit dem Türaufhalten ja absichtlich deshalb gewählt, weil ich (zu recht :)) vermutet habe, dass es auf inhaltlichen Widerspruch stößt, also von vielen Leuten für unsinnig gehalten wird.

    Der Punkt ist: Ob du es für sinnig hältst oder nicht spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Das heißt: Auch wenn du es für nicht sexistisch hältst, musst du akzeptieren – nicht im Sinne von Gutheißen, sondern im Sinne von Zur Kenntnis nehmen – dass andere es eben für sexistisch halten. Das ist der erste Schritt dazu, dass eine politische Auseinandersetzung stattfinden kann. Wird dieser Schritt verweigert, bleibt nur die Ebene der Macht, d.h. es setzt sich durch, wer stärker ist.

    Die „individuelle Willkür des Einzelnen“ kann ja (zumal, wenn es sich bei den Einzelnen um eine Minderheit handelt, wie es bei dem Beispiel der Fall ist) gar nicht das „Maß der Dinge“ sein, denn dazu sind sie ja gar nicht mächtig genug. Beim Türaufhalten-Beispiel wirst du immer die Lacher der Mehrheit auf deiner Seite haben, toll für dich.

    Der Punkt, um den es mir geht ist, dass wir uns entscheiden müssen: Wollen wir politische Auseinandersetzungen auch mit denjenigen führen, die Ansichten vertreten, die wir nicht teilen, obwohl wir aufgrund der Machtverhältnisse nicht dazu gezwungen wären, weil wir auf Seiten der Mehrheit stehen? Oder wollen wir uns auf diese Auseinandersetzung inhaltlich einlassen, weil wir eventuell neue Einsichten gewinnen können? Weil wir eventuell auch an den Menschen interessiert sind, die diese aus unserer Sicht falschen Ansichten vertreten?

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  44. @Antje

    Dass politische Auseinandersetzungen auch im Ritual des Türeaufhaltens hervorlugen, muss ich wohl deinem geschärften Okkular für das politisch Banale zuschreiben. Das Politische ist auch das Private, schon verstanden. Aber den Regen zu bemühen, um die Nicklichkeiten des Privaten nunmehr ins Zentrum des Unausweichlichen rücken zu können, nun ja ……..

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  45. Wer das Beispiel des Türaufhaltens als eine persönliche Befindlichkeit Antje Schrupps versteht und diese dann abstrus oder das Ganze nichtig findet – und deshalb das rhetorische Lasso schwingt, ist 1. selbst Schreihals m/w und 2. übersieht er/sie, dass es bei Antje Schrupps Text weitergeht: dass man, so abstrus man auch die Meinung enes anderen findet, eben nicht mit der eigenen Meinung drüberfährt, sondern erst mal sich ein Bild vom anderen macht mit dessen/deren Gründen (nicht mit den eigenen, bereits „frankierten“ Ansichts“karten“). Dann, wenn das geschehen ist oder vielleicht nciht funktioniert, weil es – auch das kann eben vorkommen – keine Gründe gibt – entscheidet man sich: zieht man seiner Wege und hält weiter Türen auf – weil es einem Spaß macht – oder lässt man es sein, weil man nun selbst abstruse Vorurteile im Gepäck führt, dass alle (Frauen) es sexistisch finden, die Tür aufgehalten zu bekommen.

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  46. @Antje
    Die Frage nach der Macht ist eine Frage, die nicht nur durch aushandeln zu lösen ist. Wenn jemand von mir will, dass ich diese Person beim Tanze führe, so gibt sie an mich in diesem Moment die Macht ab. Glaubst Du wirklich darüber dürfte dann eine Frauenmehrheit verhandeln, ob sie das darf, oder ob ich das darf? Hier das ist wie mit dem Mantel , wer sich gerne in den Mantel helfen lässt, ob jung oder alt und das als Anerkennung wahrnehmen möchte, dem kann nicht eine Gruppe das streitig machen. Darüber zu diskutieren kann, muss aber nicht sinnvoll sein, weil das eine Vereinbarung ist, die keine rechtlichen Grenzen berührt. Es ist überhaupt die Frage, in wie weit nicht schon die sogenannte genderisierte Öffentlichkeit erhebliche Grenzen setzt, die Menschen nicht nur verunsichert sondern erstarren lässt? Gerade in den Geschlechterbeziehungen werden immer mehr „Frauenversteher“ gesichtet, die jedoch bei Frauen keine Begeisterung mehr hervorrufen können. Das Beispiel dieses Komikers ist überspitzt, jedoch trifft das für mich den Punkt, kann man aus einem Mann eine Frau machen, umgekehrt wird ja alles versucht. https://www.youtube.com/watch?v=AICDmfBCtMo Und was sagt Peter Kruse dazu: https://www.youtube.com/watch?v=FAejH-F8a5s Der Apparat, der immer mehr kontrolliert, braucht Steuerzahlerinnen, weniger Kinder und wenn schon Alleinerziehende, denn ein schlechtes Klima fördert durch Frust die Kauflust. Also lieber Abwrackprämie , statt Lebenslust?
    Und man könnte ja auch fragen, sollten wir die Diskussionen mitmachen, die Frauen wie Männer noch mehr von ihrer inneren Mitte entfernen, was mit Hilfe von Familienstellen heute sichtbarer wird? Glauben wir wirklich, dass in der Jäger und Sammlergeneration die Frauen unterdrückt und die Männer geherrscht haben, ehe überhaupt Schriftsprache exestierte? Ab wann haben wir Minderheiten, Frauen, oder unterlegene Mehrheiten unterdrückt? Gelten diese Prinzipien nicht mehr? Gibt es nicht Frauen, die am Hindukusch „unsere“ Versorgung sichern wollen, mit Waffenüberlegenheit? Ich wünschte mir in Bezug auf Gewalt hier mehr Klarheit. Die einen größeren Bezug mit umfasst, und nicht nur Männer und Frauen, das ist die organisierte Polarisierung, die Alice Schwarzer fördert, doch nicht zum gegenseitigen Verstehen führt.

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  47. Okay, ich bringe mal ein Argument ein, das gegen das Türaufhalten spricht, damit nicht mehr behauptet werden kann, das Beispiel sei lächerlich. (Oder, wie oben schon gesagt, ich bin dafür, dass beide Partner sich gegenseitig die Tür aufhalten. Ich erinnere mich übrigens auch daran, mal einen Artikel über eine empirische Untersuchung gelesen zu haben, wo sich Leute an die Tür eines Kaufhauses gestellt haben und Strichlisten geführt haben, wer wem die Tür aufhält. Das Ergebnis war, dass Frauen öfter die Tür aufhalten, und zwar gerade auch für Fremde, während Männer in erster Linie der eigenen (neuen?) Partnerin die Tür aufhalten.)

    Mit dem Türaufhalten wird die alte Rollenverteilung hergestellt: die Frau als hilfsbedürftiges Wesen, das selbst bei den einfachsten Dingen Unterstützung braucht. Ich vermute mal, dass die meisten, die dieses Spiel spielen, genau wissen, dass es sich um ein Spiel handelt, das gerade in der Zeit des Hofmachens und der ersten Liebe gespielt wird: Mann und Frau zeigen sich, dass sie sich gegenseitig als Mann und Frau wahrnehmen. Natürlich kann die Frau auch selbst die Tür aufmachen, und beide wissen, dass sie es kann. Ich würde das Spiel trotzdem nicht mehr spielen – ich möchte als die angesehen werden, die ich bin, und das heißt, als eine Frau, die selbst die Tür aufmachen kann.

    Es gibt noch einen zweiten Punkt, der dagegen spricht, dass Frauen sich die Tür aufhalten lassen: Männer halten zwar die Tür auf, aber wenn dann auf einem anderen Gebiet die Frau mehr Eigenständigkeit fordert, kann es leicht passieren, dass ihr dies dann entgegengehalten wird: „Jetzt fordest du mehr Eigenständigkeit, aber wenn es bequemer ist, etwa beim Türaufmachen, da ist es dir ganz recht, wenn ich den Kavalier spiele. Immer das, was für dich am günstigsten ist!“

    Der Punkt ist: Ob du es für sinnig hältst oder nicht spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Das heißt: Auch wenn du es für nicht sexistisch hältst, musst du akzeptieren – nicht im Sinne von Gutheißen, sondern im Sinne von Zur Kenntnis nehmen – dass andere es eben für sexistisch halten. Das ist der erste Schritt dazu, dass eine politische Auseinandersetzung stattfinden kann. Wird dieser Schritt verweigert, bleibt nur die Ebene der Macht, d.h. es setzt sich durch, wer stärker ist.

    Wahrnehmen, dass andere etwas anders sehen als erster Schritt der politischen Auseinandersetzung: das gilt dann aber für beide Seiten. Und dann braucht es eben Argumente, die der andere dann eben nachvollziehen kann oder nicht – das ist dann der zweite Schritt der Auseinandersetzung.

    Der Rückgriff auf Gefühle „ich fühle mich sexistisch behandelt“ oder „meine Freundin stört das nicht“ ist kein Argument und keine Analyse von Strukturen.

    Die “individuelle Willkür des Einzelnen” kann ja (zumal, wenn es sich bei den Einzelnen um eine Minderheit handelt, wie es bei dem Beispiel der Fall ist) gar nicht das “Maß der Dinge” sein, denn dazu sind sie ja gar nicht mächtig genug. Beim Türaufhalten-Beispiel wirst du immer die Lacher der Mehrheit auf deiner Seite haben, toll für dich.

    Ich glaube, das mit den Mehrheiten und Minderheiten ist nicht so einfach. Wenn du mit „Mehrheit“ meinst, dass eine Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft das Türaufhalten für unproblematisch hält, dann hast du wahrscheinlich recht. Es gibt aber Subgruppen, in denen die Mehrheitsverhältnisse umgekehrt sind, und in diesen Subgruppen kann es zum Problem werden, wenn die, die am lautesten schreien, sich am Ende durchsetzen. (Natürlich kann man eine solche Subgruppe verlassen, aber das hat immer einen Preis.)

    Der Punkt, um den es mir geht ist, dass wir uns entscheiden müssen: Wollen wir politische Auseinandersetzungen auch mit denjenigen führen, die Ansichten vertreten, die wir nicht teilen, obwohl wir aufgrund der Machtverhältnisse nicht dazu gezwungen wären, weil wir auf Seiten der Mehrheit stehen? Oder wollen wir uns auf diese Auseinandersetzung inhaltlich einlassen, weil wir eventuell neue Einsichten gewinnen können? Weil wir eventuell auch an den Menschen interessiert sind, die diese aus unserer Sicht falschen Ansichten vertreten?

    Hier stimme ich dir wieder zu, außer dass ich vorsichtiger bin mit dem Verteilen von Rollen. Bei dir klingt es wie eine Aufforderung an die mächtigere Seite. Aber es müsste eine Aufforderung an beide Seiten sein, gerade weil in bestimmten Situationen die Mehrheits- und Machtverhältnisse umgekehrt sein können.

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  48. @Susanna14 – „Aber es müsste eine Aufforderung an beide Seiten sein, gerade weil in bestimmten Situationen die Mehrheits- und Machtverhältnisse umgekehrt sein können.“ – die Machtlosen haben ohnehin keine andere Wahl, sie haben ja keine Macht, die sie anstelle von Argumenten und Überzeugungskraft einsetzen können. Dass Macht immer kontextuell ist, ändert daran nichts, es kommt ohnehin immer auf die spezielle Situation an.

    Ein anderer Punkt, der dabei ins Spiel kommt, ist die Dummheit. Die hat Dorothee Markert neulich treffend so definiert: „Unter Dummheit verstehe ich ausschließlich folgendes Verhalten: Wenn jemand andere über etwas belehren will, ohne sich auch nur annähernd über das informiert zu haben, was andere, die dazu gearbeitet haben, darüber veröffentlicht haben.“ Wer sich auf die argumentative Ebene begeben will (oder, mangels Macht, muss), kann sich Dummheit und Ignoranz nicht leisten, denn ich kann andere nur von meinen Ansichten überzeugen, wenn ich mich mit ihren Motiven und Überlegungen vertraut gemacht habe. Nur dann bin ich in der Lage, Argumente zu finden, die sie vielleicht zum Nachdenken bringen. Ich finde es deshalb auch völlig nachvollziehbar, wenn Leute keine Lust haben, mit in diesem Sinne „dummen“ Menschen zu diskutieren, also Sachen immer und immer wieder zu erklären. Weil das dann eben auch gar keinen Zweck hat, weil das Interesse fehlt.

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  49. Wenn Dorothhee Markert ein Kodex herausgibt, wie Dummheit definiert werden kann, und dabei eine Gruppe erwähnt, die öffentlich gearbeitet hat, und die „Dummen“ sich nicht genügend, um deren Argumente gekümmert haben, so kann sie das tun, nur wer bestimmt was wann veröffentlicht wird, und wann nicht? Wer sind denn die Dummen? Die ein Spiel mitspielen, in den Grenzen, die ihnen vorgegeben werden, sonst werden sie nicht veröffentlicht?
    Denn was ist belehren wollen? Die danach fragen und keine Antworten erhalten, oder die nur im Sinne der „Nichtdummen“ mitspielen, um nicht aus dem vorgegebenen Rahmen herauszufallen. Ignoranz ist für mich die allergrößte Dummheit, weil sie aus der Arroganz derer kommt, die Angst haben, wenn sie darauf eingehen, werden sie Außenseiter, wir können ja auch sagen Machtlose, eben wie die Ausgegrenzten. Hier sieht man wohin Sprache führt. Menschen, die sich nicht so gut ausdrücken können, sind schon per se nicht mehr auf Augenhöhe. Deshalb glaube ich nicht, dass es eine wirkliche Annäherung über den Intellekt gibt, sondern über das was jenseits davon das Gemeinsame prägt, nicht der Gedanke sondern das Mitgefühl füreinander springt über, das bedarf keiner Worte.

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  50. @Antje Die Art von Dummheit oder Ignoranz, die du beschreibst, ist tatsächlich frustrierend. Ich habe sie auch schon erlebt. Manchmal frage ich mich auch, ob manche Menschen auf die gleiche Weise als „dumm“ erleben, vor allem dort, wo ich im Fandom Populärliteratur diskutiere. Einmal habe ich diesen Vorwurf gehört (noch dazu in der 3. statt der 2. Person formuliert): „Sie ist nicht bereit, die Ansichten anderer anzuhören und ihre Meinung zu ändern.“ Ich war aber durchaus bereit, mir diese Meinungen anzuhören, nur waren mir die Argumente, die sie vorbrachten, mittlerweile vertraut, und ich hatte keine Schwierigkeit, sie als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

    Mir scheint es allerdings so zu sein, dass die Machtlosen durchaus eine Wahl haben: sie können entweder versuchen, durch Argumente die Mächtigen zu überzeugen, oder sie können sich in ihre Filterbubble zurückziehen, wo sie dann die Mächtigen sind. Dort brauchen sie sich die Argumente der Gegenseite nicht mehr anzuhören, sondern können ihre Machtmittel ausspielen (im schlimmsten Fall Verleumdungen, wie Jens es beschrieben hat).

    Wie gesagt, ich kann verstehen, wenn jemand keine Lust hat, mit denen zu diskutieren, die sowieso nicht zuhören, und in bestimmten Fällen habe ich es auch schon getan. (Ich überlege gerade, in welchen Fällen ich es getan habe: wenn ich persönlich angegriffen wurde.) Ich glaube aber, dass mit dem Rückzug in die Filterbubble immer ein Preis verbunden ist: Man ist nicht mehr gezwungen, gewisse Grundannahmen immer wieder zu überdenken und zu hinterfragen. Innerhalb der eigenen Gruppe werden sie ohnehin als selbstverständlich vorausgesetzt. Das hat natürlich den Vorteil, dass man sich erst einmal daran machen kann, die Details auszuarbeiten, ohne immer wieder ganz am Anfang anzufangen. Aber es hat den Nachteil, dass man im schlimmsten Fall selbst vergisst, warum man das, was man für richtig hält, nun für richtig hält. Man hält es für selbstverständlich und die Menschen um einen herum halten es auch für selbstverständlich, und es fällt einem nicht mehr ein, dass es für manche Menschen nicht selbstverständlich sein könnte.

    Ich fand die Diskussionen mit Menschen, die von völlig anderen Selbstverständlichkeiten ausgehen, in aller Regel bereichernd. Man darf dabei nicht erwarten, dass eine Seite die andere überzeugt – aber ich lerne die Argumente der anderen Seite kennen, ich lerne, meine eigene Position noch einmal neu zu hinterfragen und zu begründen, ich lerne, dass das, was ich für selbstverständlich halte, nicht selbstverständlich ist. Und wenn die Diskussionen mich frustrieren, weil es eben schwierig ist, einander zu überzeugen, dann tröste ich mich, indem ich mir sage: dass es nicht nur um den Menschen geht, mit dem ich gerade diskutiere, sondern auch um all diejenigen, die zuhören oder mitlesen.

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  51. Wichtig ist, bei einer Diskussion, dass man den Gegenüber ernst nimmt und respektiert. Wenn man nun der Meinung ist, dass etwas sexistisch ist, dann kann man nicht nur verlangen, dass der Gegenüber darüber nachdenkt und sich für sein Verhalten entschuldigt. Sondern man sollte auch darüber nachdenken, warum der Gegenüber vielleicht Recht hat bzw. was seine Beweggründe sind, wenn er sagt, dass es eben seiner Meinung nach nicht sexistisch ist.
    Hier wurde das Beispiel mit dem Türaufhalten genannt, vermutlich weil es ein Beispiel ist, zu dem auf einem feministischen Blog gespaltne Meinungen vorkommen können.
    Bei einem anderen Beispiel, wo hier jeder sofort sagen würde, das ist sexisisch, z.B. die Verwendung halbnackter Frauen für die Bewerbung irgendwelcher Produkte, die nichts mit den Frauen zu tun haben, wäre hier jeder sofort empört und es stünde allgmeingültig fest: Das ist sexistisch. Aber auch bei einem solchen sollten wir nicht nur darüber jammern, dass andere Menschen nicht einsehen wollen, dass es sexistisch ist und sondern evtl auch mal selbst über die anderen Argumente nachdenken und akzeptieren, dass es unterschiedliche Meinungen gibt.

    Ich selbst erlebe auch oft das Problem, dass mir Sexismus vorgeworfen wird, weil ich das generische Maskulinum verwende. Oft wird davon ausgegangen, man macht das unabsichtlich bzw. muss sich nur genug damit auseinandersetzten, dann wird man schon die Meinung ändern. Nein! Ich habe mich genug damit auseinandergesetzt und für mich ist das im Moment so richtig. (zu meinen genaueren Beweggründen habe ich auch einen Blogbeitrag verfasst)
    Trotzdem tut es mir leid, wenn ich damit jemanden verletzte und natürlich ist das nicht beabsichtig, aber ich werde meine Meinung nicht ändern nur weil das passieren kann.
    Was ich damit sagen will ist: Man sollte nicht immer davon ausgehen, dass eine Person mit anderer Meinung, die sich evtl einer Diskussion verweigert nicht bereit ist, nachzudenken und reflektieren. Im Gegenteil kann es auch sein, dass man dadurch eben nicht immer auf das Gleiche Ergebnis kommt und das sollte akzeptiert werden. Und wenn man sich entschuldigt, weil man Gefühle verletzt hat, dann kann das auch durchaus so gemeint sein.

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  52. @Antje Anthropologisch ist es interessant, das Türöffnen als kulturellen Ausdruck auch der Unterwerfung der Frau einzuordnen. Das habe ich in meiner vorherigen Antwort auch schon gesagt.

    Eine Frau, die Türöffnen für sexistisch hält, tut mir leid, denn sie geht wohl mit wenig Freude durchs Leben. Für mich war Türöffnen immer ein Bestandteil der Höflichkeit, auch gegenüber Fremden (beiderlei Geschlechts). Zum Beispiel gilt auch: Wenn ich mich von außen einer Tür nähere und von innen kommen auch Personen, dann halte ich die Tür auch auf, wenn ich (knapp) als erster dort bin. (vgl. mit ‚aussteigen vor einsteigen‘ in der Bahn). Dennoch gilt auch das andere von meiner vorherigen Antwort, ich halte „Türöffnen“ nicht für einen Eckpfeiler unserer Umgangskultur und muss nicht auf Teufel komm raus darauf bestehen.

    Deutlicher Widerspruch allerdings gegen dein „Verleumdung muss man akzeptieren“ (bildhaft schön mit dem Regen-Beispiel verbunden, aber falsch, völlig falsch). Wenn, ich nehme jetzt auch mal ein provokatives Beispiel, ein Mann immer Frauen auch den Hintern starrt, und einige beschliessen ihn jetzt in der sozialen Gruppe oder gar öffentlich (Blogs) als sexistisches Monster darzustellen, dann kann dieser sich mit einer Klage dagegen wehren. Gleiches gilt noch mehr für den Antisemitismus-Vorwurf.

    Sexist, Rassist, Antisemit – das sind Vorwürfe, die berechtigt sein sollten, wenn man sie lautstark erhebt. Berechtigt nicht auf irgendeine persönliche Art und Weise, sondern mit Argumenten und Fakten. Die individuelle Willkür eines angeblichen feministischen oder anti-faschistischen Schreihalses kann sich nämlich (gerade in Zeiten der digitalen Potenzierbarkeit) schnell zu einem Mob auswachsen, in dem sich wirre Behauptungen, Halbwissen und Vorurteile zu einer Kraft zusammenbrauen, die derjenige, dem die Beschuldigung dann öffentlich „um den Hals hängt“ nicht mehr los wird und massive völlig unberechtigte Nachteile mit sich trägt.

    Und noch was Persönliches zum letzten Absatz in deiner Antwort: Politische Auseinandersetzungen oder einfach nur Diskurs über Kultur führe ich auch mit Personen konträr zu meiner Sichtweise.
    Aber von einem Diskurs irgendeiner Art sind wir bei der akuten Vermobbung der Verhältnisse weit, weit entfernt. Ich habe z.B. die Tage versucht mit sachlichen Argumenten online gegen die unfassbaren Antisemitismus-Vorwürfe des Wiesenthal-Centers gegen Augstein zu argumentieren – Ich kann dir mal ein paar Antworten mailen, die ich bekommen habe. Dann weisst du, was ich meine, wenn ich von Mob rede – Politische Auseinandersetzungen mit dieser – neu jetzt auch digital verfügbaren – Meute ist unmöglich.
    Gleiches gilt für diesen Anti-Sexismus-Mob, der da durch Twitter durchpulsierte (und seine ebenso proletig-heftigen Gegenstimmen) – Ich wende mich da mit Grausen ab und gehe dann lieber einer Frau die Tür öffnen. Wenn sie das doof findet, kann sie mit das bei einem Kaffee sagen (den sie selbst zahlt).

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  53. Unfassbar, welchen irrationalen Grad von Unverhältnismässigkeit zwischen Argument und Anlass diese Diskussion inzwischen erreicht hat. Vermutlich werde ich den Gang durch die Gerichtsinstitutionen antreten müssen, um mir vorauseilend das Türeaufhalten als nicht sexistische Höflichkeit testieren zu lassen. Eine Höflichkeit, die ich beiden Geschlechtern gegenüber aufbringe. Unfassbar, dass sich jetzt auf der Paradestraße des Sexismus ein kleines Kirchlein tummeln darf, welches mann/frau besser im Dorf gelassen hätte. Dieser Umstand raubt mir nämlich gerade eine Menge Energie, die ich im Kampf gegen Sexismus weitaus nötiger habe.

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  54. @Jens Ach, ja, und Kaffee zahlen halte ich für weitaus bedenklicher aus Tür aufhalten. Ich zahle meinen Kaffee gerne selbst, da ich immer das Gefühl habe, für etwas verpflichtet zu sein, wenn mir jemand den Kaffee zahlt. Und mit deiner Häme „dann soll sie eben ihren Kaffee selbst zahlen!“ kann ich überhaupt nichts anfangen. (Ich erlebe das als Häme, wenn ich mich getäuscht haben sollte, tut es mir leid, du kannst mich gerne darauf hinweisen.) Es klingt für mich wie: „dann verzichtet sie eben auf all die Vorteile, die es bringt, wenn man sich so tollen Männern wie mir gegenüber nicht wie eine richtige Frau benimmt, sondern auf Eigenständigkeit beharrt.“ Ja, ich verzichte auf alle diese Vorteile und beharre auf Eigenständigkeit. Ich werde niemanden verklagen, keine Angst, und auch niemanden verleumden, da ich lieber darauf vertraue, dass sich Einstellungen und Positionen meines Gegenübers mit der Zeit selbst offenbaren, wenn ich geschickt diskutiere, und ich halte es für die Aufgabe der Frauen, Ritterlichkeit zurückzuweisen, am besten auf höfliche Weise. Aber wenn ich lese, was du jetzt geschrieben hast, offenbart sich doch ein eigenartiges Rollenverständnis. Komm aus deiner Ritterburg heraus in eine Welt, in der sich Frauen und Männer auf Augenhöhe begegnen!

    (Aber immerhin, ein kleiner Lerneffekt scheint eingetreten zu sein. Tür aufhalten wird jetzt als allgemeiner Akt von Höflichkeit angesehen, unabhängig von Geschlechtern, nicht als Akt der Ritterlichkeit von Männern gegenüber Frauen.

    @Mina Ich glaube, hier liegt das Problem, das Antje angesprochen hat:

    Trotzdem tut es mir leid, wenn ich damit jemanden verletzte und natürlich ist das nicht beabsichtig, aber ich werde meine Meinung nicht ändern nur weil das passieren kann.

    Ich denke, wenn du zu dem Schluss gekommen bist, dass leserfreundlich wichtiger ist als geschlechtergerecht, oder dass es unproblematisch ist, nicht ständig zweierlei Personenbezeichnungen zu verwenden, dann wäre es besser auch zu stehen und sich zu sagen: Wenn sich jemand verletzt fühlt, ist es sein/ihr Problem, nicht meines.

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  55. @Antje: Ein toller Artikel, danke. Er hilft mir auch noch mal selbst vor Augen zu halten, nicht immer auf das Gefühlsargument hereinzufallen, sondern auf Strukturen hinzuweisen, die anscheinend so selbstverständlich geworden sind, dass ich sie selbst (immer wieder) nicht wahrnehme.

    @susanna14: „Wenn jemand etwas sagt, oder, öfter, nicht sagt, um jemandes Gefühle nicht zu verletzen,…“
    In Bezug auf Japan und seine Vergangenheit scheint hier ein grundlegendes Missverständnis vorhanden zu sein.
    Alle Nachbarländer Japans würden sich freuen, wenn in japanischen Geschichtsbüchern die historische Wahrheit stände! Denn was verletzt die Gefühle der Nachbarländer? Wenn japanische Geschichtsbücher die japanischen Kriegsverbrechen verharmlosen, die japanische Aggression gar gerecht nennen, aus japanischen Soldaten Kriegshelden machen oder die Massenvergewaltigung von Mädchen und Frauen als im Krieg normal bezeichnen. Das waren in der Vergangenheit die „Wahrheiten“, die Korea oder China verärgert haben.

    Vor diesem Hintergrund muss ich die Nase rümpfen über diese Richtlinie für etwas, was selbstverständlich sein sollte, nämlich, dass in Geschichtsbüchern natürlich die historische Wahrheit stehen sollte und keine Verharmlosung oder Verherrlichung. Und diese früheren Verharmlosungen/Verherrlichungen standen dort nicht, um Rücksicht auf die Gefühle der Nachbarländer zu nehmen…

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  56. @Susanna
    „Ich denke, wenn du zu dem Schluss gekommen bist, dass leserfreundlich wichtiger ist als geschlechtergerecht, oder dass es unproblematisch ist, nicht ständig zweierlei Personenbezeichnungen zu verwenden, dann wäre es besser auch zu stehen und sich zu sagen: Wenn sich jemand verletzt fühlt, ist es sein/ihr Problem, nicht meines.“ (Wie kann man hier zitieren?)

    Das ist auch wieder etwas, was du in meine Meinung hineingedeutet hast ohne nach Argumenten zu fragen: Ich habe nirgendwo geschrieben, dass leserfreundlich wichtiger ist als geschlechtergerecht. Sondern ich finde meine Art zu reden und zu schreiben eben auch geschlechtergerecht!
    Genaueres dazu: http://www.nur-miria.blogspot.de/2012/11/generisches-femininum.html

    Und sorry, wenn ich meine Gefühle eben nicht einfach ausschalten und sagen kann, wenn jemand sich verletzt fühlt ist das sein Problem. Bin eben ein ehrlicher Mensch und wenn es mir leid tut, ist das so. Wenn du das nicht glauben kannst, ist das dein Problem 😉

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  57. @susanna14

    „Aber immerhin, ein kleiner Lerneffekt scheint eingetreten zu sein. Tür aufhalten wird jetzt als allgemeiner Akt von Höflichkeit angesehen, unabhängig von Geschlechtern, nicht als Akt der Ritterlichkeit von Männern gegenüber Frauen. “

    Du darfst dir sicher sein darüber, dass ich noch nie (und nicht erst jetzt, oder gar erst im Verlaufe der hiesigen Diskussion) die Höflichkeit des Türeaufhaltens als einen Akt mittelalterlicher, ritterlicher Gunst- und Ehrbezeugung gegenüber der „frouwe“ begriffen habe. Aber es ist erstaunlich, wie schnell man Opfer von Schablonen werden kann und wie schnell man sie, aufgrund von Lerneffekten im Schnellverfahren wieder los wird.

    „Mit dem Türaufhalten wird die alte Rollenverteilung hergestellt: die Frau als hilfsbedürftiges Wesen, das selbst bei den einfachsten Dingen Unterstützung braucht.“

    Ein apodiktischer Satz. Ein Hindernis, das mir nicht geeignet scheint, einen „privaten/politischen Diskurs“ über die vermeintliche, sexistische Offenbarung meines Verhaltens einzuläuten. Weil er mir mit dem Verdachtsmoment ausagierten strukturellen Sexismus‘ kommt und nicht mit dem Bemühen, mir die Freiheitsgrade genuiner Entscheidungen und persönlicher Motive zu belassen. Und nur, weil er keine plausiblen, ehrbaren oder nicht-sexistische dahinter vermutet.

    Als männliche, weiße Einzelperson bin ich nicht per se identisch mit der Repräsentanz sexistischer Strukturen oder anderer. Ich kann der Dame lediglich entgegenhalten, dass sie im Falle des Türeaufhaltens einer Fehlinterpretation meiner Motive unterliegt. Ich muss noch nicht einmal begründen, warum ich dieser Meinung bin, wenn ich davon ausgehen muss, dass sie diese Begründung lediglich als Ausdruck einer Unverbesserlichkeit und Unbelehrbarkeit hinsichtlich meines Parts als „Rollenverteiler“ in diesem „Spiel“ des Türeaufhaltens begreift.

    Vielleicht wird es Zeit, dass wir gewissen Verhaltensweisen (auf beiden Seiten der Geschlechterfront) andere Symbolgehalte in der Lage sind zuzuordnen, bevor wir uns im Hamsterrad der Vorurteile und Vorbehalte endlos weiterdrehen. Höflichkeit wäre ein solcher Gehalt. Aufmerksamkeit ein anderer. Freundlichkeit ein dritter.

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  58. @ramblingbrother – „Als männliche, weiße Einzelperson bin ich nicht per se identisch mit der Repräsentanz sexistischer Strukturen oder anderer.“ Nein, du bist nicht damit identisch, aber du bist auch nicht völlig losgelöst davon. Also: Solange es andere Männer gibt, die das als „Ritterlichkeit“ verstehen (oft, ohne dass sie sich dessen bewusst sind), bist du davon auch betroffen, weil eine Frau, die dir begegnet und dich nicht persönlich kennt, ja nicht WISSEN kann, dass du das anders meinst. Dass wir „andere Symbolgehalte“ brauchen, ist richtig, aber die bekommen wir nicht von alleine einfach durchs Postulieren.

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  59. @ramblingbrother Aus dem, was ich geschrieben habe, sollte doch längst klar sein, dass ich Türenaufhalten an und für sich nicht für ein Problem halte. Wenn jemand durch eine Tür gegangen ist und sieht, dass hinter ihm noch jemand ist, hält er die Tür auf und lässt sie dem anderen nicht in die Nase schlagen, und das hat jetzt mit Männlein oder Weiblein nichts zu tun.

    Ich habe nur das „einseitige“ Türaufhalten problematisiert. Ich weiß nicht, wie du es mit deiner Freundin hältst: ob hin und wieder du und hin und wieder sie die Tür aufhält (kommt ja auch immer darauf an, was jemand trägt – mit einem schweren Gegenstand im Arm ist es sehr angenehm, die Tür nicht selbst aufmachen zu müssen), oder ob du dich verpflichtet siehst, immer einen Schritt schneller zu sein, um ihr die Tür aufhalten zu können.

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  60. @Antje _

    Ich bin dann nicht mehr davon betroffen, wenn sie mich über meine Motive befragen sollte, dann hat meine Antwort darauf schon die Möglichkeit, sich von der Struktur zu lösen. Nur davon rede ich. Wenn sie mich nicht fragt, dann wird sie es so oder so nie wissen. Aber dann verbleibt sie endlos im Reich der Vermutungen. Und ich kann dann nur konstatieren, dass fragemüde Vermutungen den strukturellen Status Quo untermauern. Wenn sie mich fragt, gebe ich die oben bereits erwähnte Antwort, so what? Und es entstehen Freiheitsgrade eines wie immer gearteten Verständnisses.
    Und nein, ich bin nicht betroffen von der Ritterlichkeit anderer Männer …. die Ritterlichkeit ist eben nicht der „Regen“, unter dem alle nass werden. Es ist ein Konstrukt, dem ich mich entziehe, entziehen kann, weil ich es durchschaue. Dass die Beweislast erfolgreichen Entzugs dabei bei mir liegt, wird mir, vor allem hier, immer mehr schmerzlich bewußt. Treu und Glauben höhlen den Stein 🙂

    Symbolgehalte sind klassische Beispiele für das Entstehen ihrerselbst durch Postulate. Das Patriachat war und ist der größte Werbetrommler solcher Gehalte. Es befremdet mich jetzt, dass ausgerechnet du dieses Schema nicht in Rechnung stellst.

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  61. Susanna14 _

    Es ging mir hier nur um deinen Satz „Mit dem Türaufhalten wird die alte Rollenverteilung hergestellt: die Frau als hilfsbedürftiges Wesen, das selbst bei den einfachsten Dingen Unterstützung braucht.”
    Und dieser Satz überlagerte, aus meiner Sicht, deine anderen Einlassungen zum Thema „Türeaufhalten“. Ich kann erst dann erkennen, wie deine persönliche, akute Haltung zu meinem Türeaufhalten tatsächlich ist, wenn du mit mir darüber sprichst. Erst dann wird die Haltung deutlich, dass du nur etwas gegen „das einseitige Türeaufhalten“ hast und mich nicht unter den Generalverdacht stellst, der Zampano von Rollenzuweisungen zu sein.

    Für mich ist das gegenseitige Türeaufhalten selbstverständlich. Inzwischen denke ich darüber nach. Darüber, wie es mir gelingen könnte, eine nette und schöne Geste wieder in den Stand unschuldiger Höflichkeit zu erheben, ohne mich, provokant formuliert, als weißes, männliches Wesen abzuschaffen 🙂

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  62. @ramblingbrother Ich habe noch einmal den Kommentar durchgelesen, aus dem du den Satz zitierst, den du für apodiktisch hältst („mit dem Türaufhalten wird die alte Rollenverteilung hergestellt.“) In dem Absatz direkt über diesem Satz habe ich erklärt, dass ich für gegenseitiges Türaufhalten bin – zwar in Klammern, aber trotzdem.
    Wie gesagt, ich glaube, es ist die Aufgabe der Frau, „Ritterlichkeit“ zurückzuweisen. (Ich will dich ja nicht auffordern, deiner Partnerin oder irgendeiner anderen Frau die Tür ins Gesicht zu schlagen.) Meine eigene Methode ist die, dass ich darauf achte, meinerseits bei Gelegenheit die Tür aufzuhalten. (Habe ich noch weiter oben geschrieben.)

    Aber, wie gesagt, in der realen Welt finde ich das Kaffee-bezahlen viel problematischer. Das habe ich schon viel öfter erlebt, und da fand ich es viel anstrengender, immer wieder zu sagen: „Nein, das geht nicht zusammen, das geht getrennt.“ Manchmal, wenn ich überrumpelt wurde (Mann war auf dem Klo und hat auf dem Rückweg die Rechnung bezahlt) habe ich mich über die Rechnung gebeugt und ausgerechnet, was mein Anteil war.

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  63. @susanna14:
    „Aber, wie gesagt, in der realen Welt finde ich das Kaffee-bezahlen viel problematischer. Das habe ich schon viel öfter erlebt, und da fand ich es viel anstrengender, immer wieder zu sagen: “Nein, das geht nicht zusammen, das geht getrennt.” Manchmal, wenn ich überrumpelt wurde (Mann war auf dem Klo und hat auf dem Rückweg die Rechnung bezahlt) habe ich mich über die Rechnung gebeugt und ausgerechnet, was mein Anteil war.“

    Was genau empfindest du als schlimm, wenn du zu einem Kaffee eingeladen wirst? Es kommt auch mal vor, dass ich die Rechnung zahle, wenn die zweite Person gerade auf der Toilette ist, ich lasse mich aber auch einladen.
    Warum hier dieses auseinanderrechnen?
    Hängt vielleicht auch davon ab, in welcher Beziehung man zu der anderen Person steht? Könnte ich mir zumindest vorstellen.

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  64. Wenn ich zum Kaffee eingeladen werde, habe ich immer das Gefühl, dass da eine Gegenleistung erwartet wird. Wenn die Gegenleistung offensichtlich ist (bei einem Mann, dem ich geholfen habe, die Statistik-Übung zu verstehen) ist es okay. Wenn ich mit jemandem einfach so befreundet bin, ist es mir unangenehm, vor allem wenn ich möchte, dass es eine Freundschaft bleibt und nicht mehr wird. Mit einer Einladung zum Kaffee, oder wenn sogar das ganze Essen bezahlt wird, fühle ich mich unter Druck gesetzt. Ich weiß dann nicht, was von mir erwartet wird und ob etwas von mir erwartet wird.

    Hin und wieder selbst die Rechnung übernehmen ist natürlich auch eine Möglichkeit, die Situation zu ändern. (Ich habe einmal mit Männern meiner Bekanntschaft darüber gesprochen, sie erklärten mir, es sei okay, wenn die Frau in einem Drittel aller Fälle die Rechnung übernimmt, aber keinesfalls die Hälfte.) Bei Kaffee kann ich mir das leisten, aber nicht, wenn es sich um ein ganzes Essen mit Getränken handelt. Dann ist es mir lieber, ich esse und trinke so viel wie ich möchte, und der andere isst und trinkt so viel, wie er möchte (ungefähr doppelt so viel) und jeder bezahlt dann seins.

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  65. @susanna 14 – dein Kaffee-Essens-Zahlungs-Beispiel verdeutlicht recht gut,
    dass es noch gar nicht so lange her ist, dass viele Frauen, aufgrund einer eigenen
    fehlenden finanziellen Versorgung, darauf angewiesen waren, dass man-n die Rechnung bezahlte. Und dass daran geknüpft, oft gewisse Erwartungen mit verbunden wurden. Der gewachsenen finanziellen Eigenständigkeit von Frauen ist es ja mit zu verdanken, dass sie heute ein selbstbestimmteres Leben führen und ihren Kaffee selber zahlen können.
    Wenn ich jemand zum Kaffee bzw. Essen ‚einlade‘, dann ist mit der Einladung
    bereits ausgesprochen, dass ich die Rechnung übernehme , egal ob es sich dabei
    um einen Mann oder eine Frau handelt. Was ich damit sagen will, íst, dass Mißverständlichkeiten bis Peinlichkeiten gar nicht erst entstehen, wenn im Vorfeld klar ist, ob es sich um eine Einladung ohne Gegenleistung handelt oder mannfrau
    sich zum Kaffee oder Essen bei getrennter Kasse trifft.

    Mein Eindruck ist aber auch, dass manche Männer unsicher sind, weil sie meinen,
    sie müßten diesem überholten ‚Höflichkeitsritual‘ entsprechen, was heißt, dass sie
    doch tatsächlich die Zeche zahlen, wenn auch ungern. 😀

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  66. „Nach dem Vergewaltigungsfall in Neu Delhi haben Politiker aller Parteien Bedauern und Sympathien mit dem Opfer ausgedrückt.

    Gegen die Massenproteste aber wurde die Polizei eingesetzt – mit Tränengas, Wasserwerfern und Knüppeln. Die Demonstranten trugen Transparente „Delhis Polizei schaut weg“, „Schande, ein Inder zu sein“ oder „Gerechtigkeit für Frauen. Jetzt!“. Eine Frau hielt ein Schild mit der Aufschrift: „Du kannst vergewaltigt werden, aber nicht gegen Vergewaltigung protestieren. In der größten Demokratie der Welt.“

    http://www.fr-online.de/frauen-in-indien/land-der-gegensaetze-indiens-aufschwung–ist-mit-elend-bezahlt,21387044,21382134.html

    Das verdeutlich nochmal in drastischer Weise, was Antje schreibt:
    „Bei der Kritik an gesellschaftlichen Missständen wie Sexismus oder Rassismus geht es aber nicht um verletzte Gefühle oder „Betroffenheit“ – auch wenn Sexismus oder Rassismus zweifellos Gefühle von Menschen verletzen – sondern um eine Analyse von Strukturen.“

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  67. susanna14 schrieb oben:
    Mit dem Türaufhalten wird die alte Rollenverteilung hergestellt: die Frau als hilfsbedürftiges Wesen, das selbst bei den einfachsten Dingen Unterstützung braucht.

    Das ist aber eine einseitige Sicht. Wem nimmt man denn die „Zumutung“ ab, auch die allereinfachsten Dinge selber zu erledigen? Richtig, dem Höhergestellten.
    So gesehen transportiert die klassische Höflichkeit eben auch: Du Mann bist dafür da, der Frau, diesem höheren Wesen, alle profanen Tätigkeiten abzunehmen, du Mann bist halt für die Drecksarbeit zuständig.

    Das ist natürlich genausowenig eine vollständige Erklärung der „ritterlichen Höflichkeit“ (was ja eben vom Verhalten an (Königs)Höfen herkommt), aber ein zusätzlicher Aspekt, den man m.M.n. nicht ignorieren sollte.

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  68. „Sie einfach auf die Ebene von subjektiven Verbindlichkeiten abzuschieben, ist eine ganz perfide Rhetorik, die nichts anderes aussagt als: „Ich finde deine Einwände zwar nicht zutreffend, aber ich halte es auch nicht für notwendig, mich damit auseinanderzusetzen.“

    Soll doch wohl statt dessen heißen: „auf die Ebene von subjektiven Befindlichkeiten abzuschieben…“, oder? Liest hier niemand richtig mit, oder verstehe ich hier etwas falsch?
    Grüße
    oranier

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  69. Danke für diesen tollen Blogpost, dem ich nur voll und ganz zustimmen kann.
    Ich finde es vor allem schade, dass nach dem Satz „Es war nicht unsere Absicht Gefühle zu verletzen“ meist keine konstruktive Diskussion mehr möglich ist. Die Verantwortlichen pochen auf ihre Aussage und entschuldigen sich damit für das Verhalten und machen somit kritische Nachfragen fast unmöglich, da man sich ja schon zu der Schuld bekannt hat.
    Ich kann deinem Gedankengang daher voll und ganz nachvollziehen.
    Liebe Grüße
    Emmi

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  70. Warum eigentlich nur bei sexistischen und rassistischen Vorfällen? Nur weil diese beiden Diskriminierungsformen grade stark im Gespräch sind, heißt das nicht, dass es nicht auch andere gibt, und auf die trifft das Geschriebene auch zu. Leider diskriminiert der Artikel sie mit Ignoranz. Denn die Tatsache, dass sie hier unter den Tisch fallen und dafür immer wieder nur Sexismus und Rassismus als Diskriminierungsformen genannt werden, diese Überbetonung zweier Diskriminierungsformen bei kompletter Nichterwähnung der Diskriminierung anderer Gruppen drückt doch implizit aus, dass sexistische und rassistische Vorfälle schlimmer seien als beispielsweise Vorfälle gegenüber Menschen mit Behinderungen, Menschen bestimmter Glaubensrichtungen oder beliebigen anderen Gruppen, die häufig diskriminiert werden, und dass diese Vorfälle nicht der Rede wert seien, weil sie ja nicht sexistisch oder rassistisch sind.. Daher trifft der Artikel den Punkt und verfehlt gleichzeitig völlig das Ziel einer allgemeinen Kritik an solchen Reaktionen auf jegliche Diskriminierungen, weil er Menschen, die unter anderen Diskriminierungen als sexistischen oder rassistischen zu leiden haben, ausgrenzt. Schade. Wirklich sehr schade.

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  71. @Antje klar doch geht das – indem man die Art der Diskriminierung gar nicht einschränkt, sondern generell von diskriminierenden Vorfällen spricht oder die genannten Formen nur exemplarisch nennt. Das hätte dich nur drei Wörter mehr gekostet: „…mit Kritik an sexistischen, rassistischen Vorfällen oder beliebigen anderen diskriminierenden Vorfällen…“. Alles ganz einfach – wenn man will und/oder etwas weiter als bis zur persönlichen Betroffenheit denkt…

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  72. @Alex das glaube ich auch, denn wenn ich mich nur um
    einzelne Diskriminierungen kümmere, so wird vielleicht eine
    Diskriminierung benutzt, um eine andere Diskriminierung zu
    verhindern. So gibt es Menschen die fühlen sich diskriminiert wenn
    Personen nackt auf dem Petersplatz auf ihre Schwulenproblematik
    aufmerksam machen. Oder wenn Abtreibungsbefürworter
    Abtreibungsgegner körperlich attackieren . Diskriminierung ist noch
    viel heimtückischer. Denn sehr häufig ist Ausgrenzung ein starkes
    Diskriminierungsmittel, man ignoriert einfach die Position des
    anderen.

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  73. Zu reineke: niemand verlangt eine ich-bin-das-und-das-selbstkasteiung, niemand will eine komplette personendefinition wie „Rassist“, aber eine Kritik an bestimmten Handlungsweisen als rassistisch kann durchaus angebracht sein. Ebenso gilt das für sexist und sexistisch.

    Seltsamerweise kommt aber etwa in einer Debatte zu pc etwa schnell mal ein argument aus (verzeihung, wenn das vereinfachung ist) privilegierter Position, das so geht: man muss die „symbole“ von „Minderheiten“ nicht anerkennen, sexistische und rassistische Witze sind „gerechtfertigt“, weil die „Opfer“ dieser Witze sind, was sie sind. Wer argumentiert so? Und wer möchte gleichzeitig verhindern selbst ein label aufs auge zu kriegen, selbst dadurch objektifizierbar und behandelbar zu werden? Vor allem, warum sind diese Leute, was sie sind? Wer hat das festgelegt? warum findet das so allgemeinen konsens? Wer macht den Konsens und würde er so aussehen wie er aussieht, wenn das Einteilen in In-Group und Randgruppen nicht die Grundlage für seine Festlegung wäre.

    (Oben genanntes Argument stammt aus einer Zeit-online-debatte zu pc)

    Es muss nicht auf Sie zutreffen, reineke, was ich hier geschrieben habe, ihre Argementationsweise hat mich nur an diese Art zu „diskutieren“ erinnert.

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