Kontext. Wie Wörter zu ihrer Bedeutung kommen.

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Zu der aktuellen Debatte um rassistische Begriffe in Büchern und die Frage, ob man „Klassiker“ verändern kann, soll oder muss, möchte ich nun doch auch noch einen Aspekt beisteuern, der mir in der bisherigen Diskussion fehlt, nämlich die Bedeutung des Kontextes.

Wörter haben keine fixen, absoluten Bedeutungen, sondern was ein Wort bedeutet, ergibt sich überhaupt nur aus dem Kontext, in dem es benutzt wird. Auch das viel diskutierte N-Wort ist für sich genommen nichts anderes als eine Aneinanderreihung von fünf Buchstaben. Würde ein Marsmensch dieses Wort aussprechen, der in keinerlei Beziehung zur Erde stünde, würde es überhaupt keine Bedeutung haben, es wäre sinn-los.

Wenn ich mich entscheide, ein Wort zu gebrauchen oder nicht, dann trage ich so oder so zur Prägung des jeweiligen Wortkontextes bei, wobei ich mich immer in einer Zwischenposition befinde: Einerseits kann ich ein Wort nicht unabhängig von der „Bedeutungswolke“ verwenden, die es im Lauf der menschlichen Geschichte bereits angenommen hat. Gleichzeitig aber trage ich mit der Art und Weise, wie ich ein Wort gebrauche (oder eben nicht) selbst auch wieder dazu bei, diese Bedeutungswolke auf die Zukunft hin zu verändern.

Was mich an der bisherigen Diskussion vor allem stört ist, wenn diese eigene Verantwortung nicht reflektiert wird. Es geht nicht darum, herauszufinden, was ein Wort „wirklich“ bedeutet, denn wir befinden uns hier nicht auf der Ebene wissenschaftlicher Beweise, die durch logische Deduktion oder im Experiment verifiziert oder falsifiziert werden können. Wir befinden uns auf der Ebene einer politischen Auseinandersetzung, in der die Sprecherin ein politisches Urteil fällt, für das sie eben auch die Verantwortung zu tragen hat.

Es ist unausweichlich, dass sich die Bedeutung von Wörtern im Lauf der Zeit verändert, weil sich der Kontext ändert, in dem die Menschen leben, und entsprechend eben auch der Kontext, in dem diese Wörter gebraucht werden. Deshalb ist ein Buch, das über hundert Jahre hinweg sprachlich nicht verändert wird, schlicht und einfach nicht mehr dasselbe Buch.

Ganz banal: Ein Buch enthält Worte, die zu der Zeit, in der es geschrieben wird, völlig geläufig sind –zum Beispiel „Schuhwichse“. Hundert Jahre später benutzt kein Mensch mehr dieses Wort. Damit nimmt die entsprechende Textstelle einen anderen Charakter an. Während die Zeitgenossinnen des Autors einfach drüber hinweglesen, weil „Schuhwichse“ für sie ein völlig normales Alltagswort ist, wird ein Leser hundert Jahre später an dieser Stelle stolpern und unter Umständen erst einmal googeln müssen, was dieses „Schuhwichse“ eigentlich sein soll.

Das heißt: Texte einfach so zu lassen wie sie sind, ist keine Lösung, denn gerade weil sie sich nicht ändern, ändern sie sich in Wirklichkeit sehr. Das ist der große Unterschied zwischen dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort: Das geschriebene Wort wird durch die Verschriftlichung von seinem Kontext gelöst (das genau ist ja ihr Zweck), während das gesprochene Wort immer direkt an seinen Kontext gebunden ist, nämlich an den Ort und die Situation, in der sich der Körper der Sprechenden in dem jeweiligen Augenblick befindet.

Für das verschriftlichte Wort gilt also ganz besonders das, was Tomasi di Lampedusa seinerzeit so schön auf den Punkt gebracht hat: „Es muss sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist.“ Und die Frage ist nicht, ob, sondern wie Texte im Lauf der Zeit verändert werden müssen. Denn wenn sie nicht verändert werden, sind sie irgendwann schlicht und ergreifend unbrauchbar und taugen nur noch für Archive oder Museen.

Im Falle von rassistischer oder sexistischer Sprache geht es aber nicht nur um die Bedeutung von einzelnen Wörtern, sondern viel allgemeiner um die Bedeutung von Ideen und ihre symbolische Repräsentationen in der Sprache.

Mit diesem Thema habe ich mich im Zusammenhang mit meiner Doktorarbeit intensiv auseinandergesetzt, bei der es um die politischen Ideen der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert ging. Um zum Beispiel die Meinungen und Ansichten, die damals zur „Rolle der Frau“ geäußert wurden, einordnen zu können, nützt es nichts, sie einfach mit der heutigen Sicht abzugleichen. Es ist nämlich nicht dasselbe, ob jemand im Jahr 1868 gegen das Frauenwahlrecht ist oder im Jahr 2013. Natürlich ist es damals wie heute „frauenfeindlich“, nur Männern das Recht zuzusprechen, in politischen Gremien Entscheidungen zu fällen. Aber es ist eben nicht auf dieselbe Weise frauenfeindlich. Es ist ein Unterschied, ob eine solche Ansicht in einem gesellschaftlichen Kontext vertreten wird, wo das Frauenstimmrecht nur von einer kleinen radikalen Minderheit gefordert wird, oder in einem Kontext, wo es seit langem eine selbstverständliche Realität ist.

Andersrum: Wenn ich bestimmte linke Denker des 19. Jahrhunderts für ihre Position in Punkto „Rolle der Frau“ als Antifeministen kritisiere (zum Beispiel Proudhon), wird häufig zu deren Verteidigung angeführt, damals wäre das doch allgemein übliche Meinung gewesen. Das ist dann genau der Punkt, wo die historisch-ideengeschichtliche Forschung einsetzt und ich genau das nachprüfe: Ist das damals wirklich allgemein verbreitete Meinung gewesen? Wo genau, auf welcher Seite des damaligen Spektrums, hat sich Proudhon zum Beispiel positioniert? In seinem Fall lässt sich klar zeigen, dass seine Äußerungen wie, man müsse eine Frau eher hinter Schloss und Riegel sperren als sie politisch mitreden zu lassen, keineswegs nur für heutige Ohren frauenfeindlich klingt, sondern auch schon für damalige Verhältnisse. Denn die meisten Menschen waren auch damals schon anderer Ansicht.

Genau diese Frage, nämlich wo ein historischer Autor oder eine historische Autorin sich damals im Diskurs verortet hat, ist meiner Ansicht auch das Kriterium, anhand dessen zu entscheiden ist, in welcher Weise seine oder ihr Texte für heute aktualisiert werden müssen. Es wäre zum Beispiel ganz falsch, die frauenfeindlichen Abschnitte in Proudhons Büchern zu glätten oder zu verändern, um den Rest seines Werkes in die heutige Zeit zu „retten“, denn – Antifeministen wie er sind nicht zu „retten“. Im Gegenteil müsste man fragen, inwiefern nicht auch der Rest seiner Ideen dementsprechend heute unbrauchbar geworden ist.

Ähnlich ist es bei der aktuellen Frage, ob rassistische Begriffe aus Kinderbüchern (also Büchern, die nicht von Historikerinnen gelesen werden, sondern von Kindern, Kontext!) zu streichen sind.

Entweder der betreffende Autor war auch in seinem zeitgenössischen Kontext ein Rassist (also verglichen mit dem Spektrum an Meinungen, das damals vertreten wurde) – dann gehören seine Bücher aber auch sowieso nicht in den alltäglichen Gebrauch, sondern ins Archiv oder ins Museum.

Oder aber der betreffende Autor oder die Autorin war im damaligen Kontext eher auf der antirassistischen Seite (ich denke zum Beispiel an die Bücher von Harriet Beecher-Stowe, die eine engagierte Kämpferin gegen die Sklaverei war, deren sprachliche Formulierungen aber zum Teil trotzdem rassistisch sind, vor dem Hintergrund all dessen, was in den seither vergangenen 150 Jahren diskutiert und herausgearbeitet worden ist) – dann wäre es geradezu eine Verfälschung des Originaltextes, solche Formulierungen einfach weiter so stehen zu lassen.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

108 Gedanken zu “Kontext. Wie Wörter zu ihrer Bedeutung kommen.

  1. Mein Reden – ich weiß auch nicht, was daran so schwer zu verstehen ist. Danke, dass du das nochmal so auf den Punkt gebracht hast.

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  2. Eine interessante Sichtweise, die ich so noch nicht gesehen habe.
    Allerdings stört mich eine Sache: Die Verschriftlichung von Sprache beraubt nicht etwa einzelne Wörter ihres Kontextes, sondern die Einheit der Verschriftlichung (also der Aufsatz, das Buch, der Satz,…) schafft ihrerseits einen eigenen Kontext.

    Nehmen wir mal das Wort „Neger“, das damals „relativ“ (Relativität ist ja ein Kernargument deines Artikels) wertfrei genutzt wurde. Relativ wertfrei bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein latenter Rassismus die gesellschaftliche Mitte bestimmt hat und insofern das Wort „Neger“ gebräuchlich war. Nun stellen wir uns mal eine Streitschrift mit dem Titel „Befreit die Neger endlich aus ihrer Sklaverei“ vor. Durch den verschriftlichten Kontext wird klar, dass hier keine rassistische Position eingenommen wird. Insofern löst es – Jahrzehnte später gelesen – allenthalben ein leichtes Befremden aus – genau wie das Wort „Schuhwichse“, was wertneutral, aber eben nicht mehr geläufig ist. Genauso ist „Neger“ in der Entstehungszeit dieses Textes wertneutral, aber in dem verschriftlichten Kontext heute nicht mehr in dem Kontext gebräuchlich. Mehr nicht. Es nimmt in dem neuen Kontext, der von Sprachentwicklung und dem Textverständnis heute beeinflusst ist, keine gegenläufige Bedeutung an, weil es immer noch im alten Sinn-Kontext gelesen wird.

    Jetzt ist es ja so, dass in der Tat die gerade in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit gerückten Kinderschriften nicht von Historikern, sondern von Kindern gelesen werden. Dennoch besitzen auch Kinder ein kontextuelles Verständnis. Solche Kinderbücher bestehen also nicht nur aus diesem einen Wort, sondern bringen den Kontext gleich mit, den Kinder auch verstehen (wäre das nicht so, würde es nicht den geringsten Sinn ergeben, Kindern Geschichten zu erzählen!). Insofern löst ein einzeln isoliertes Wort bei den Kindern nur „Befremden“ aus in dem Sinne, dass die erkennen, dass der neue Kontext des Wortes nicht zu dem intendierten Kontext im Schriftgut passt. Diese Erfahrung könnte für Kinder aber lehrreich sein: Wertvoll, weil sie sich mit dieser Dissonanz auseinandersetzen können (wenn auch nur unbewusst) und gleichzeitig selber ein Gespür dafür bekommen, wovon dein Blogartikel handelt: Dem Erkennen, dass Sprache im Wandel begriffen ist.

    Das „Weichspülen“ und mundgerechte „Vorkauen“ gegenüber Kindern unterschätzt deren Lernfähigkeit und -motivation und könnte das Relexionsvermögen sowie die kritische Auseinandersetzung mit Inhalten herabsetzen und zu Intoleranz und Borniertheit führen.

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  3. Ich bin hier mal wieder anderer Meinung als du, und zwar vor allem, weil ich Kindern mehr zutraue. Vielleicht müsste man Kinderbücher um Vor- und Nachwörter ergänzen, die die Kinder entweder selbst lesen oder die die Erwachsenen, die ihnen die Bücher schenken und vorlesen, dann lesen, so dass sie mit ihren Kindern über die Bücher sprechen und ihnen erklären können, dass Harriet Beecher-Stowe zwar eine engagierte Kämpferin gegen Sklaverei war, dass aber sie aber trotzdem Formulierungen gebrauchte, die heute als rassistisch gelten. Vielleicht können sie dann auch auf andere Mängel im Buch „Onkel Toms Hütte“ hinweisen, etwa auf eine patronisierende Haltung gegenüber Schwarzen, oder die Idealisierung des klaglos sein Leiden hinnehmenden Sklaven statt des Widerstandskämpfers. (Die Probleme sind ja nicht mit der Veränderung einiger Worte erledigt.)

    Auf diese Weise kommen Kinder selbst zum Nachdenken. Sie lernen, dass in anderen Zeiten andere Maßstäbe galten, und sie lernen, dass sich die Welt nicht einfach in gut und böse einteilen lässt. Es ist ja nicht so, dass in einem Kinderbuch dieses oder jenes Wort verwendet wird oder diese oder jene Haltung des Autors oder der Autorin zum Ausdruck kommt, und die Kinder das dann eins zu eins übernehmen.

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  4. @sebastian – Mal abgesehen von der Frage, ob das N-Wort wirklich jemals „wertfrei“ war (ich glaube das nicht, aber das wäre ein anderes Thema), so ist auch bei der politischen Parole ein historisches Bewusstsein nötig. Wer diese Streitschrift-Parole eins zu eins heute wiederholen würde, hätte deren Intention verfälscht, es wäre undenkbar, so etwas zum Beispiel heute auf Flugblätter zu drucken, auch nicht als Zitat.
    Klar besitzen auch Kinder ein kontextuelles Verständnis, aber sie haben im Unterschied zu Erwachsenen kein historisches Verständnis. Kinder können sich unter „vor hundert Jahren“ nichts vorstellen. Wenn sie Pippi Langstrumpf lesen, dann identifizieren sie sich mit der Geschichte, als würde sie heute passieren. Und das ist auch gut so, es ist der Sinn des Vorlesens, Kindern eine Phantasiewelt zu bieten, die sie auf ihr eigenes Leben beziehen können. Der Kontext bei Pippi Langstrumpf ist eben überhaupt nicht das Thema Rassismus, sondern das Thema wie Kinder in einer Erwachsenenwelt leben, was sie dabei erleben, wie sie sich wehren können und zusammen Spaß haben können. Und deshalb hat das N-Wort meiner Ansicht nach hier nichts verloren, ganz abgsehen davon, dass es keinerlei Verlust ist, es zu ersetzen, es ist in diesem Kontext eben gerad vollkommen kontra-sinnvoll. Man könnte aber vielleicht im Geschichtsunterricht an der Schule das Thema an älteren Textvarianten von Pippi Langstrumpf durchnehmen, warum nicht.
    Die kleine Hexe kenne ich nicht, aber Anatol Stefanowitsch hat das Thema in einem kurzen Podcast gut bearbeitet: https://soundcloud.com/astefanowitsch/die-feinde-gerechter-sprache

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  5. @susanna14 – Was Harriet Beecher-Stowe betrifft, so gebe ich dir recht, ist aber eh nur für ältere Kinder geeignet und der KONTEXT des Buches ist ja gerade die Auseinandersetzung mit dem Thema Sklaverei, also Rassismus. Bei Pippi Langstrumpf ist das Thema, aber gerade ein ganz anderes, und daher ist es völlig unnötig, hier das Thema Rassismus hineinzubringen, weil es überhaupt nicht die Intention von Astrid Lindgren war, dazu etwas zu sagen. Ich halte es an dieser Stelle geradezu für irreführend, das Wort nicht zu ersetzen.

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  6. @Antje Schrupp „ob das N-Wort wirklich jemals “wertfrei” war“
    Es entstand genau wie das Wort „negro“ und „nègre“ im kolonialen Kontext, wurde aus dem Spanischen im Zuge des beginnenden Sklavenhandels vom Spanischen „negro“ abgeleitet, was hier schlicht „schwarz“ heißt und aus dem Latein stammt. Im Englischen und Franzöisischen wurde es auch von den Schwarzen selber im Zuge der Emanzipationsbewegung zunächst auch als positive Selbstbezeichnung benutzt (sowas gab es im Deutschen nicht), bis diese Bewegung in den 60ern genug Selbstbewußtsein und Stärke gewann, sich bewusst aus dem kolonialen Diskurs zu lösen und sich mit nicht mit diesem verbundenen Wörtern wie „Black“ oder „Noir“ zu bezeichnen.

    „Negro“ und „nègre“ waren keine bewussten Schimpfwörter wie „Nigger“ oder „Bimbo“, aber eben mit diesem Bild des Schwarzen im kolonialen Kontext verknüpft jemand wie Mark Twain würde heute eben nicht mehr „negro“ schreiben, wenn er seine Haltung ausdrücken will, sondern „black“ oder „African American“, allerdings weiter „nigger“ (damals schon in Anbführungszeichen), um die rassistisch-abwertende Sprache der Zeit darzustellen.

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  7. Bei „Pippi Langstrumpf“ ist es anders. Astrid Lindgren, deren Verdienste um die Rechte der Kinder unbestritten sind, ist im Gegensatz zu Harriet Beecher-Stowe keine Kämpferin gegen Rassismus. Sie ist da bestenfalls naiv. Der dritte Band ihrer Pippi-Langstrumpf-Trilogie, „Pippi in Taka-Tuka-Land“ ist sehr problematisch, und das kann auch nicht geändert werden, indem man einzelne Worte ändert. Und zwar besteht das Problem darin, dass Pippis weißer Vater König auf einer Südseeinsel ist, und sie selbst demzufolge eine „N-Prinzessin“, obwohl sie weiß ist. Das kann man nicht rausstreichen, ohne das Buch umzuschreiben. So etwas kann man nicht vorlesen, ohne zumindest einen Satz darüber zu verlieren, dass die Menschen auf Südseeinseln immer sehr gut ohne weiße Könige ausgekommen sind.

    Zu der Frage, ob Kinder eine Information wie „vor hundert Jahren“ richtig einschätzen können: Es kommt mal wieder darauf an, wie alt und wie gebildet das Kind ist. Aber bevor sie das richtig einschätzen können, gibt es eine Phase, wo „vor hundert Jahren“ einfach „früher, vor langer Zeit“ bedeutet. Kinder lesen ja auch Märchen (oder bekommen sie vorgelesen) und merken, dass das mit ihrer heutigen Realität nichts zu tun hat. Und bei Pippi Langstrumpf merken sie wahrscheinlich auch, dass sie nie fernsieht und keine Videospiele spielt.

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  8. @susanna14 – Aber was sie sagen will, ist doch nicht, dass Pippis Vater ein Kolonialist ist, sondern der kontextuelle Sinn des Wortes „N-König“ ist: „Ein wichtiger, starker und toller Typ in einem sehr weit entfernten, faszinierenden Land, wo man grandiose Abenteuer erleben kann“. Lindgren drückt das unreflektiert entsprechend dem kolonialistischen Kontext ihrer Zeit aus, und das muss thematisiert und reflektiert werden. Was man entscheiden muss, ist eben: War Lindgren so rassistisch verblendet, dass ihre Bücher heute für kleine Kinder nicht taugen? Oder kann man diese Bücher heute noch Kindern vorlesen? Wenn man sich für Variante zwei entscheidet, dann kommt das Wort „Südseekönig“ für heutige Kinderohren dem, was Lindrens damalige Intention war, viel näher als das Wort, das sie ursprünglich gewählt hat. Und deshalb spricht gar nichts dagegen, es auszutauschen. Wie gesagt, die ALternative aus meiner Sicht ist, das Buch als für Kinder ungeeignet einzustufen.

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  9. Warum lässt man die Wörter nicht einfach weg, bzw. tauscht sie aus, die Menschen fühlen sich diskriminiert, „Neger“ wird als Schimpfwort gebraucht, warum sind wir so stur und beharren auf dem Althergebrachten, in der NS-Zeit waren diese Worte mit ganz bestimmten Attributen verbunden.

    Es wäre doch so einfach, eine Brücke zu bauen in die restliche Welt.

    Den Kindern selbst ist es heutzutage auch nicht zuzumuten, es gibt doch gute Möglichkeiten andere Wörter zu finden.

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  10. Ich wüsste ja gerne, ob die Bewohner von Südseeinseln der Meinung sind, dass das ein guter Tausch ist, wenn da nicht mehr das N-Wort steht.

    Vielleicht bin ich da zu sehr Puristin, was Kunstwerke anbelangt, selbst wenn es sich um Kunstwerke für kleine Kinder handelt. Wir können nie mit letzter Sicherheit sagen, was Astrid Lindgrens Intention ist, und daher halte ich es für angemessener, den Text zu lassen, wie er ist. Möglicherweise hast du Recht, und sie ist einfach unreflektiert (ich halte das für die wahrscheinlichste Möglichkeit), aber dann sollte der Text auch ihre Unreflektiertheit ausdrücken.

    Ob man den Text noch kleinen Kindern vorlesen kann? Ich weiß es nicht. Ich bin ohnehin kein allzu großer Fan von „Pippi Langstrumpf“, daher würde ich das Buch einem Kind nicht in die Hand drücken, sondern lieber „Kinder aus Bullerbü“ oder „Michel aus Lönneberga“. Wenn es aber von sich aus mit dem Buch kommt, weil andere Kinder es ihm empfohlen haben oder weil es die Fernsehserie gesehen hat oder weil es das Buch in der Stadtbücherei gefunden hat und das Cover cool fand, dann würde ich es vorlesen: einfach weil für die meisten Kinder heutzutage gilt: Hauptsache, sie lesen.

    Ich habe vor allem Erfahrung mit älteren Kindern, und für die gilt, dass sie über das, was sie lesen, durchaus nachdenken und dass sie keine Botschaften eins zu eins übernehmen. Manchmal legen sie ein Buch auch weg, weil sie nicht übereinstimmen. Jüngere Kinder sind noch nicht ganz so reflektiert, aber das heißt ja nicht, dass sie die Vorstellungen, die sie als kleine Kinder gewonnen haben, so behalten. Kinderbücher sind Kunstwerke, keine politischen Parolen, nicht einmal dann, wenn sie moralistisch daherkommen. (Das durchschauen Kinder sowieso.)

    Das Hauptargument für eine überarbeitete Pippi Langstrumpf ist für mich, wie das unveränderte Buch auf afrikanische Kinder wirkt.

    Das andere, was ich mir überlege: wäre es nicht viel sinnvoller, wenn die Verlage Geld und Zeit investieren würden, um nach Afrika zu reisen und zu schauen, was die Kinder dort lesen, und vielleicht ein paar afrikanische Bücher herausbringen? VIelleicht wären diese nützlicher für antirassistische Erziehung. (Vor ein paaar Monaten habe ich ein Buch zu antirassistischer Arbeit an Grundschulen gelesen, da wurden den Kindern die Geschichten von Anansi empfohlen.)

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  11. Eine Frage in einem Germanistikseminar war mal: Wie wichtig ist es den Autor eines Buch zu kennen um sein Buch zu verstehen?
    „Super wichtig!“ war die Antwort- mit der Begründung, dass so zum Beispiel auch rassistische Worte in ihren Gehalt im Kontext der Zeit des Bucherscheinens relativiert werden.
    Was ist so schwer daran mit seinen Kindern über das Gelesene zu sprechen? Auch ihnen zu verdeutlichen „Schau- das und das Wort war damals noch üblich- heute nicht mehr… weil….“

    Selbst wenn alle Bücher dieser Welt umgeändert werden würden- die Originale sind doch nun mal so wie sie sind und sie sind neben ihrer Eigenschaft als Werte- und Normenträger- eben auch Zeitzeugen.
    In der Realität diese Worte eben nicht mehr so zu verwenden macht, denke ich, mehr her, als Bücher zu verändern…

    Trotzdem ist es, meiner Meinung nach, gut nochmal öffentlich auf die Notwendigkeit von angemessener Sprachführung auch in Kinderbüchern hinzuweisen.

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  12. Ich glaube, Neger war eher wertfrei in deinem Sinne, d.h. es war nicht abwertender als Schwarzer. Das hat sich aber im Laufe der 70er gewandelt. Erst neulich habe ich im Rahmen des Obama-Wahlkampfes alte Wahlberichterstattung des ZDFs gesehen. Bis Anfang der 70er wurde dort die Schwarzen Neger genannt, auch von jüngeren Journalisten. In Sätzen der Art „Es wird auch davon abhängen, wie die Neger abstimmen.“ Noch lange später gab es Negerküsse zu kaufen.

    Ich glaube, dass letztlich das Wort Nigger auch das Wort Neger suspekt machte.
    Unabhängig davon: heute ist das Wort abwertend gemeint. Es sollte daher meiner Meinung nach in Kinderbüchern durchaus geändert werden, gerade um ihren Sinn zu erhalten.

    Wenn wir z.B. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer nehmen (Michael Ende; 1960 erschienen). Dort heißt es:

    „Ein Baby!“, riefen alle überrascht. „Ein schwarzes Baby!“.
    „Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein“, meinte Herr Ärmel und machte ein gescheites Gesicht.

    Ende hat das sicher nicht abwertend gemeint – das Kind ist später der Held und in dem ganze Buch geht es gerade auch darum, dass man der Welt und ihren Menschen vorurteilsfrei begegnen soll, und die Helden tun das ganz selbstverständlich. Nur so bestehen sie die Abenteuer. Und nur weil sie den bösen Drachen „Frau Mahlzahn“ nicht töten, kann er sich zu einem Drachen der Weisheit wandeln und im Folgeband helfen, Jim Knopfs Herkunft aufzuklären.

    Wenn in diesem Buch also in obiger Passage Neger durch z.B. Afrikaner ersetzt würde, bliebe es meiner Meinung nach authentischer. Kinder heute würden es dann so lesen, wie es ein Kind in den 60ern und 70ern verstanden hat.

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  13. @Antje. Danke für den Link. Ich habe den Podcast gehört und manche Stellen mehrmals. Die Argumentation des Sprechers wimmeld nur so von logischen Zirkelschlüssen.

    Ohne den in dem Podcast angesprochenen Artikel des Deutschlandradios gehört oder gelesen zu haben, muss ich sagen, dass nur die rezitierte und kritisierte Fassung aus deinem Link mich schon zum Sympathisanten dieser Argumentation macht.

    Mit der Argumenation von @susanna14 stimme ich insoweit überein.

    Natürlich verändert es den Sinn nicht. Natürlich ist es nicht in Ordnung „Neger“ zu sagen – wobei ich es befremdlich finde, in einer Diskussion über Sprache und deren Wirkung und insbesondere über einzelne Worte diese Worte nicht auzuschreiben, sondern nur als „das N-Wort“ zu bezeichnen!).

    Dann lass es mich mal so fomulieren: Wenn schon jeder den Kindern die Reflexionsfähigkeit und die Abstraktionsfähigkeit abspricht, möchte ich nicht in einer Gesellschaft leben, in der aus vorauseilendem Gehorsam einzelne Wörter getauscht werden. Das führt zwangsläufig zu Zensur. Das ist es im Moment nicht, jedenfalls nicht als solche intendiert, ja. ABER: Rein technisch gesehen ist das Zensur. Und damit sollte man NIE anfangen.
    Entweder der Inhalt ist anstößig oder er ist es nicht. Aber ein einzelnes Wort?

    Sprache ist im natürlichen Wandel, ja. Aber ein solcher Wandel ist lebendig. Aufgrund eines solchen „natürlichen“ Wandels sagen wir heute nicht mehr „Schuhwichse“. Aufgrund dessen haben manche Wörter nun eine andere Bedeutung.

    Aber text-imanente Überinterpretation einzelner Wörter – ohne Beachtung des „Kontextes“ – führt zu einer erzwungenen Veränderung der Sprache. Im Übrigen steigert sich das ja. Neger ist out, okay, sind wir uns einig. Wie ist es mit „Ausländer“? Auch irgendwie out, negativ konnotiert. Also hat man „künstlich“ das Wort „Ausländer“ durch das Wort „Migrant“ ersetzt. Auch das klang irgendwie diskriminierend. Jetzt ist es ein „Mensch mit Migrationshintergrund“.

    „Neger“ gehört sicherlich nicht zu der Sprache, die ich einem Kind beibringen wollen würde. Sind wir uns einig.
    Aber „Mensch/Menschin mit Migrationshintergrund“ gehört genauso wenig zu der Sprache, die ich einem Kind beibringen wollen würde. Das ganze wird langsam lächerlich. Und wenn man einmal damit anfängt, wird die entsprechende Stelle in der „kleinen Hexe“ oder sonstwo in drei Jahren wieder umgeschrieben.

    Als Kontraartikel empfehle ich sehr den Artikel von Jan Fleischhauer auf Spiegel online unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/warum-kinderbuecher-politisch-korrekt-umgeschrieben-werden-a-878115.html

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  14. Ich sehe keinen Sinn darin, zwischen Texten zu unterscheiden, nur weil die einen literarischer Natur sind und die anderen Ideen transportieren. Jonathan Swift, Daniel Defoe und viele andere sind nicht umsonst auch und gerade als Ideengeber und Ideentransporteure im Kanon der Weltliteratur vertreten. Jeder Text ist Zeitzeuge seines eigenen Kontextes, auch er kann sich nicht von ihm einfach lösen. Und nur als solcher kann er überhaupt erst im Fokus historisierender Betrachtungen, Rezeptionen und Interpretationen stehen. Entscheidend ist daran nicht, ob er bereits zum bloßen musealen Objekt verkommen ist oder nicht. Aus ihm einen Wechselbalg ahistorischer Umschreibungen zu machen, bedeutet, sein Originäres auf Dauer auszulöschen und reflektiert nur den Hang, ihn in zeitgenössische Sippenhaft zu nehmen (denn wer weiß heute schon, was die Zukunft an Adaptionsswünschen fordert und insofern die Gefahr besteht, dass sich Textgeschichte durch die Hintertür des jeweiligen politischen Korrekten verabschiedet). Das gilt auch für lierarisch historische Texte, die latent oder plakativ Sexismus und Rassismus zum Inhalt haben, sie bewußt oder unbewußt andeuten oder sie strikt ideologisch vertreten. Die Tatsache, dass sie überdauern konnten, kann ja durchaus daran liegen, dass sie als Exempel pädagogischer, aufklärerischer Absichten ihren notwendigen Dienst verrichten, genau so, wie Antje es auch den Soziotexten von Proudhon zugesteht. Unsägliche Ideen vertreten beide.

    Auch Im Falle Ottfried Preusler und anderer Kinderbuchautoren gibt es nur das Entweder – Oder. Wenn das Wort „Negerlein“ bei Preussler gestrichen wird, weil es im heutigen Kontext nichts zu suchen hat, dann ist damit Tür und Tor geöffnet für die kritische Hand, der weitere Worte zum Opfer fallen, geradeso, wie es genaueren, interessegeleiteten Betrachtungen gefällt. Die Rezeptionsgeschichte von Literatur zeigt, dass sich da immer etwas finden lassen wird. Entweder man belässt Preussler die Unschuldsvermutung in Sachen Rassismus und gibt den Kindern eine pädagogische Lektion in der Verwendung unziemlicher Sprache oder man kauft seine Bücher nicht, und vor allem, man liest sie den Kindern nicht mehr vor. Oder man verlegt sie nicht mehr.

    Wie weit es kommen kann mit einer „positiv wendenden Zensur“ von Texten, ist aktuell im Fall von Erhardt Kästner zu konstatieren. In seinen Büchern über Griechenland wurden ausnahmslos alle fremdenfeindlichen und naziverherrlichenden Stellen wegredigiert. Der Mann machte als „Humanist“ im Nachkriegsdeutschland Karriere und seine geschönten Pamphlete sind in den nächsten Tagen zusammen mit Werk und Leben des Lyrikers Peter Huchel im südbadischen Staufen ausgestellt. Als Zeitdokument eines Opportunisten und Fremdenhassers sind die ursprünglichen Texte (sofern man die geschönten, entnazifizierten Texte synoptisch dagegenhält) im Rahmen einer historisierenden und aufklärenden Schau „tauglich“ und „brauchbar“.

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  15. @Susanna Ich glaube, man sollte Pippi Langstrumpf etwas lockerer sehen. Lindgrens Südseeinsel ist einfach ein toller Ort, der weit weg ist und wo die Menschen anders aussehen als bei uns. Es ist kein konkreter Ort auf der Landkarte. In vielen anderen Geschichten geht es um Länder, Menschen und auch böse Könige im Norden, es wäre albern, wenn sich davon nun Norweger oder Isländer gemeint und beleidigt fühlen würden.

    Wie das Buch auf afrikanische Kinder wirken soll? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Südsee das Problem wäre, denn die liegt auch von Afrika aus gesehen unbestimmt weit weg. Ich halte die Frage aber für sinnlos, denn Afrika hat ja nicht gerade homogenen Lebensverhältnisse. Afrikanische Kinder, die in ähnlichen Verhältnissen aufwachsen wie unsere Kinder der 50-60er Jahre, fänden das Buch vielleicht gut. Man sollte nicht vergessen, dass es damals nicht viele Kinderbücher gab, in denen ein Kind (und auch noch ein Mädchen) so rebellisch ist und die Welt der Erwachsenen so offen in Frage stellt.

    Mir selbst hat als Kind übrigens nur ein Buch von Lindgren gefallen: „Mio, mein Mio“. Die anderen Bücher fand ich langweilig.

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  16. @Susanna – Ähm – es geht doch nicht darum, wie das Buch auf afrikanische Kinder wirkt, ich glaube nicht, dass viele afrikanische Kinder Pippi Langstrumpf lesen. Es geht doch wohl eher um Schwarze Deutsche.

    @Wolfgang – Möglicherweise war das N-Wort früher mal „wertfrei“ gemeint (heute kann man es nicht mehr ernsthaft wertfrei meinen), aber es war natürlich implizit wertend, allein weil es die damit bezeichneten Menschen zu „nicht normale Menschen“ macht, weil sie eine eigene Bezeichnung brauchen, während die Weißen keine besondere Bezeichnung hatten. Diese „rassifizierende“ Konnotation haftete dem Wort immer und zu jeder Zeit an, also es konnte nur in einem in sich rassistischen Kontext überhaupt entstehen. Es war also niemals ein unproblematisches Wort.

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  17. @ramblingbrother – Der Ausdruck „Zensur“ ist hier nicht angebracht, weil es ja nicht darum geht, staatlicherseits bestimmte Auflagen von Büchern zu verbieten. Wenn eine gesellschaftliche Debatte dazu führt, dass sich Meinungen ändern und zum Beispiel Verlage bestimmte Veränderungen bei Neuauflagen anbringen, weil sie das richtig finden, dann es es eine polemische Verzerrung, diesen völlig normalen Vorgang „Zensur“ zu nennen und btw eine unverantwortliche Verharmlosung von wirklicher Zensur, die es auf dieser Welt ja auch noch gibt. Ebenso unsachgemäß polemisch ist es, bei Wörtern, die nicht mehr verwendet werden, davon zu sprechen, sie würden „geopfert“. Sprache verändert sich, Wörter sterben aus, das ist immer so und völlig normal.

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  18. @sebastiansteins – Der Artikel von Fleischhauer ist argumentatonsfreie Polemik. Ich empfehle im Gegenzug diesen Artikel auf Gleisbauarbeiten – http://gleisbauarbeiten.blogspot.de/2013/01/die-kulturhelden-trottel-im-siegfried.html

    Wie kommst du übrigens darauf, dass Wörter in „vorauseilendem Gehorsam“ geändert würden? Gehorsam wem gegenüber denn? Soweit ich es sehe, hat der Verlag nach eigener Überlegung und aus freier Entscheidung heraus das verändert. Diese Entscheidung kann man falsch finden, aber ich finde schon, dass man zumindest anerkennen muss, dass er es aus Gründen getan hat und nicht irgendwelche absurden Dinge unterstellen.

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  19. Ja, dann wäre eben die Frage, wie das Buch auf Kinder von einer Südseeinsel wirkt…

    „Jim Knopf“ ist noch ein weiteres Beispiel für das Problem der politisch nicht korrekten Kinderbücher. Ich erinnere mich vor allem, dass China mittlerweile „Mandala“ heißt. Natürlich ist das China aus „Jim Knopf“ vor allem eine Ansammlung exotischer Klischees.

    Wenn man „Jim Knopf“ so lässt, wie es ist, entsteht eine Distanz – wenn man es nicht ändert, wirkt es auf heutige Kinder vielleicht wirklich so, wie es damals gemeint war.

    Ein weiteres Beispiel, das mit Politik nicht viel zu tun hat: Vor ein paar Jahren las ich mit einem Mädchen ein Fünf-Freunde-Buch. Die vier Kinder hatten jemanden kennengelernt, der einen Fernseher besaß, das war eine ganz große Attraktion. In der Neuausgabe war es dann ein Videorekorder, und das fühlte sich irgendwie falsch an – es war wohl so gedacht, dass es für heutige Kinder verständlich ist, aber es passte nicht wirklich. Ich kann mich nicht erinnern, dass Videorekorder (die in meiner Kindheit aufkamen) damals eine Attraktion waren. Und für die jetzigen Kinder sieht die Welt wieder anders aus: da hätte man noch einmal ändern müssen. Da finde ich es besser, man lässt die Geschichte, wie sie ist, einfach damit die Fremdheit klar wird.

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  20. @Susanna – Ähm – es geht doch nicht darum, wie das Buch auf afrikanische Kinder wirkt, ich glaube nicht, dass viele afrikanische Kinder Pippi Langstrumpf lesen. Es geht doch wohl eher um Schwarze Deutsche.

    Stimmt.

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  21. „Ich glaube, Neger war eher wertfrei in deinem Sinne, d.h. es war nicht abwertender als Schwarzer.“

    Dazu habe ich obern schon etwas geschrieben – „Neger“ stammt aus dem kolonialen Diskurs, ohne wenn und aber, „Schwarzer ist Eigenbezeichnung, die bewußt als Wort außerhalb des kolonialen Diskurses gewählt wurde. In der französisch- und englischsprachigen welt wurde das wort anfänglich auch noch als Eigenbezeichnung in der Emanzipationsbewegung benutzt, bis es als Teil des kolonialen Diskurses in den 60ern durch „Black“ ersetzt wurde. Im Deutschen gab es sowas meines Wissens nahc nicht, weil es da gar keine Schwarzen Communities gab, die groß genug waren.

    In den USA war übnrigens „Nigger“, ein eindeutig abwertendes Wort, gang und gäbe, und wurde von vielen auhc unreflektiert benutzt, weil es normale Umgangssprache war. Die diskutierten auch vielfach, dass das nicht abwertend gemeint sei (und sahen das auch so). Aber mit „Nigger“ war eben ein bestimmtes negatives Bild von Afroameirkanern / Schwarzen allgemein verbunden, und auch „negro“ bzw. „Neger“ trägt diese stereotypen kolonialen Bezüge und Vorstellungen vom Schwarzen.

    Und *gemeint* ist das Stichwort: Wenn eben Autoren wie Twain das nicht abwertend *gemeint* haben, sondern das damals respektvollste gängige englische Wort „negro“ benutzten, ist doch ganz klar, dass er heute „Black“ oder „African American“ schreiben würde.

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  22. „Ja, dann wäre eben die Frage, wie das Buch auf Kinder von einer Südseeinsel wirkt…“

    Das ist eine Seite, die oft nicht beachtet wird. Aber auch welches Bild von der Rolle der Europäer (und respektive der anderen Ethnien) ein europäisches Kind entwickelt ist entscheidend.

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  23. Kann man natürlich machen. Das ist dann aber eine andere Geschichte. Es gibt ja auch Remakes von Filmen, und dann gibt es Diskussionen, ob das Original oder das Remake jetzt besser ist.

    Zum Beispiel ist die neue Verfilmung der Drei Musketiere mit Christopher Waltz als Richelieu, Orlando Bloom als Herzog von Buckingham und der Schauspielerin aus Resident Evil als Mylady meiner Meinung nach komplett daneben, gerade weil sie aus Mylady eine Action-Heldin gemacht haben. Als ob sie das nötig gehabt hätte.

    Ich habe es jetzt umgekehrt gemacht: Meinem Lesemädchen, die mittlerweile eine junge Frau ist, den Herrn der Ringe empfohlen (obgleich ich mit Tolkiens Wertesystem einige Schwierigkeiten habe), und zwar die alte Übersetzung. Sie ist glücklich damit.

    P.S. Ich habe auch den Artikel auf Gleisarbeiten gelesen, habe aber nach den ersten Abschnitten abgebrochen, weil sie ebenfalls polemisch sind. Was soll der Rant über Bildungsbürger, die angeblich fordern, man dürfe Homer nur im Original lesen? Wer es kann, wird es tun, der Rest greift zur Übersetzung – die immer einen Verlust bedeutet. Und was hat das mit unserem Thema zu tun?

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  24. Das ist eine Seite, die oft nicht beachtet wird. Aber auch welches Bild von der Rolle der Europäer (und respektive der anderen Ethnien) ein europäisches Kind entwickelt ist entscheidend.

    Ja, und da bin ich der Meinung, dass der Einfluss von Kinderbüchern über- und die Reflexionsfähigkeit von Kindern unterschätzt wird. Es ist ja nicht so, dass in einem Buch etwas über Südseeinseln steht und dass das Kind dann auch glaubt, dass das jetzt wirklich so ist. Und selbst wenn das Kind im Alter von sechs Jahren das wirklich glaubt, wird es das nicht bis ins Erwachsenenalter hinein glauben.

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  25. Wenn ich ein Buch lese bzw. als Kind gelesen habe, dann will ich mich ja gerade in die vergangene Zeit hineinversetzen. Zum Beispiel Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“ ist doch nur dann interessant, wenn man beim Lesen im Kontext des 19. Jahrhunderts bleibt. Und damit dieses Hineinversetzen gelingt, muss auch die Sprache passen, und sollte meiner Meinung nach nicht verändert werden. Denn zum Beispiel das Wort „Afroamerikaner“, welches heute in Amerika den „Neger“ abgelöst hat, wirkt daneben, wenn es in einem Buch verwendet wird, welches vor mehr als fünfzig Jahren spielt.

    Ein Buch spiegelt immer auch die Sprache der Zeit, in doppelter Hinsicht: Die Zeit, in der es spielt, und die Zeit, in der es geschrieben wurde. Eine Anpassung an den heutigen Sprachgebrauch ist daher in meinen Augen immer eine Verfälschung, die den Text unglaubwürdig erscheinen lässt.

    Und Kinder sind gar nicht so doof. Die verstehen auch, dass es die Hexe und den Drachen aus den alten Märchen gar nicht gibt. Weshalb sollten sie also nicht auch verstehen, dass man früher anders gesprochen hat? Wenn heute jemand versucht wie in früheren Jahrhunderten zu sprechen, heißt es meistens: „Sprecht, was wollt Ihr?“ Das haben nahezu alle Leute – schon als Kinder! – aufgrund ihrer Lektüre verinnerlicht, und trotzdem sagen sie im Alltag weiterhin „Sprechen Sie, was wollen Sie?“

    Menschen auch jüngeren Alters sind also sehr wohl in der Lage, Sprache im jeweiligen Kontext ihrer Zeit zu erkennen und zu benutzen. Und um dieses zu unterstützen, könnten Anmerkungen oder Fußnoten zu den ansonsten unveränderten Texten hilfreich sein. Man kann alte Bücher in eine moderne Sprache übertragen, ohne Frage. Manchmal ist das auch ganz interessant oder witzig. Nur ist es dann – und da widerspreche ich Dir ganz klar, Antje – nicht mehr dasselbe Werk, sondern etwas Neues. So wie zum Beispiel aus Shakespeares „Romeo und Julia“ die „West Side Story“ wurde.

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  26. @susanna14 – Das hat mit unserem Thema zu tun, weil es meiner Ansicht nach eine bildungsbürgerliche Attitüde ist, auf „Originalreinheit“ zu pochen, was eben – das wollte ich mit meinem Post zeigen – ein unmögliches Vorhaben ist und ein Deckmantel, um die eigene symbolische Deutungshoheit zu sichern. Auf diese Weise wird aber gerade unser Bildungsbestand „musealisiert“.

    Aus diesem Grund habe ich auch Perry Rhodan ins Spiel gebracht – was ja „niedrigere Schundliteratur“ ist, um die sich der Bildungsbürger nicht kümmert. Auch dein Hinweis auf Remakes im Kino ist gut. Das alles zeigt, dass bei „Alltagskultur“ es überhaupt kein Problem zu sein scheint, Erzählungen jeweils zeitgemäß zu adaptieren. Ob das dann immer so gelungen ist, ist natürlich die Frage. Ich finde die Veractionheldisierung von Mylady auch total daneben, aber dann auch wieder interessant, weil die Macher zwar verstanden haben, dass alte patriarchale Frauenfiguren heute nicht mehr „gehen“, aber eben kein Verständnis davon haben, was sich denn wirklich im Bezug auf weibliche Freiheit verändert hat und daher bei ihrem Versuch der Aktualisierung abgeschmackt danebengreifen. (Übrigens ruft mir grade jemand zu, dass auch die Neuversion von Perry Rhodan in Punkte Geschlechterbilder grandios versagt). Aber das spricht ja nicht dagegen, den Versuch einer Aktualisierung zu unternehmen.

    Was übrigens ganz normal ist bei allen Texten, die von Bedeutung bleiben sollen. Deshalb wird ja auch die Lutherbibel von einer offiziellen Kircheninstanz alle paar Jahrzehnte in einer revidierten Neufassung herausgebracht – die Original-Lutherübersetzung würde eben heute kein Mensch mehr verstehen. Das ist auch was, was mich bei den Polemiken der „Bildungsbürger“ gegen die „Bibel in gerechter Sprache“ so geärgert hat. Sie haben argumentiert, dass doch die Bibel sakrosankt ist und man sie nicht interpretierend und aktualisierend neu übersetzen darf. Dabei haben sie aber nicht bemerkt (ob aus echtem Unwissen, also Ignoranz, oder als absichtliche Irreführung weiß ich nicht), dass die Bibel sowieso ständig neu übersetzt und neu interpretiert wird, und es ihnen nur um die Abwehr von solchen Neuinterpretationen ging, die anders sind, als es ihnen in den Kram passt. Solange sie die Deutungshoheit über die Art und Weise der Aktualisierung historischer Texte haben, sehen sie darin nämlich überhaupt kein Problem. Es ist diese Scheinheiligkeit, die das Ganze so ärgerlich macht.

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  27. Ich sehe es genau umgekehrt: Die Neuübersetzungen dienen dazu, die Deutungshoheit zu sichern. Es geht nämlich nicht mehr um das, was ein paar Leute vor mehreren Jahrtausenden – in einem gänzlich anderen Kontext! – mal aufgeschrieben haben. Sondern um das, was die heutigen Leute darin lesen möchten…

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  28. @Gondlir – “ Nur ist es dann – und da widerspreche ich Dir ganz klar, Antje – nicht mehr dasselbe Werk, sondern etwas Neues. “ – Da widersprichst du mir gar nicht, es ist natürlich nicht mehr dasselbe Werk, mein Argument war, dass die bloße Wiederauflage der alten Version ist eben auch nicht mehr dasselbe Werk ist. Wenn du Jules Verne liest, dann ist das mit den Erinnerungen an den Kontext verbunden, in dem du das zum ersten Mal gelesen hast. Deine Kinder werden Jules Verne niemals auf dieselbe Weise lesen können wie du. Wir haben also nicht die Wahl zwischen „das Originalwerk lesen“ und „eine neue Fassung des Werkes lesen“, weil das Originalwerk in seiner vollen Pracht auf jeden Fall verloren ist, weil sein Kontext verloren ist. Wir haben nur die Wahl, dieses oder jenes „andere Werk“ zu lesen – das, das durch den veränderten Kontext bei gleichbleibendem Wortlaut seine Bedeutung verändert hat, oder das, das durch eine aktualisierte Überarbeitung seine Bedeutung verändert hat. Welches davon „näher“ an der ursprünglichen Bedeutung war, muss man im Einzelfall entscheiden, deckungsgleich mit der ursprünglichen Bedeutung ist keines davon.

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  29. @Gondlir – Nein, es geht bei jeder echten Lektüre um einen Dialog zwischen mir und meinen Wünschen und Interessen und dem, was jemand anderes in einem anderen Kontext aufgeschrieben hat. Es ist eine Sache der Beziehung zwischen mir und einem Text, und ich stelle Fragen an den Text und der Text antwortet mir und der Text fordert mich heraus und ich reagiere darauf. Sonst würden ja alle Leser_innen einen Text genau gleich verstehen. Lektüre ist niemals eine Einbahnstraße, weder in der einen noch in der anderen Richtung (außer ich lese den Text rein instrumentell, zum Beispiel weil ich zu faul oder zu feige bin, selbst zu argumentieren und mir deshalb Aristoteles oder die Bibel als Schützenhilfe hole).

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  30. Antje@

    Ich habe in Ausrufezeichen von „positiv wendender Zensur“ gesprochen. Das ist etwas anderes als staatliche Zensur, die hier nicht gemeint war, da es sich um Streichungen handelte, die Kästners Schwester an seinen vornahm. Damit war gemeint: Die Texte von Kästner wurden zur Salonfähigkeit frisiert. Damit sie auch heute noch veröffentlicht werden können. Man zensiert belastende Textstellen, dieser Fakt sollte eigentlich nicht so falsch verstanden werden, wie du es gerade tust.
    Und: naürlich zensiert man missliebige Wörter, ob sie heute noch verwendet werden oder nicht. Das ich diese Wörter ebenfalls missliebig finde und Texte die sie verbreiten durch die Weigerung sie zu lesen, zensiere, diese Haltung ist wohl irgendwie in deiner Replik untergegangen.

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  31. @ramblingbrother – Aber warum sagst du dann „Zensur“ (was eben in der Wortbedeutung ein staatlicher Eingriff ist) und nicht einfach „Veränderung in böswilliger Absicht“ oder so? Mir wird das Wort Zensur heute einfach viel zu inflationär und in falschen Zusammenhängen benutzt. Ein Buch nicht zu lesen, ist doch keine Zensur!

    Ansonsten: Ich will ja nicht bestreiten, dass manche, vielleicht sogar viele Veränderungen von Originaltexten misslingen oder in unaufrichtiger Absicht vorgenommen werden oder aus irgendeinem anderen Grund nicht gelungen sind. Meiner Meinung nach ist das bloß kein Argument gegen JEDEN Versuch der Adaptierung eines Textes für einen veränderten Kontext. Dass manche Leute keinen guten Kuchen backen können, heißt doch nicht, dass es unmöglich ist, einen guten Kuchen zu backen. Mein Argument ist nur: Gar nichts verändern und einen angeblichen „Originaltext“ unverändert behalten ist eben auch keine Lösung.

    Bei Kästner kenne ich mich jetzt nicht so aus, aber was du da beschreibst, klingt für mich ganz ähnlich wie das, was ich an meinem Blogpost am Beispiel von Proudhon gezeigt habe. Das ist genau die Art von „Schönfrisieren“, die eben auch nicht geht, da stimme ich dir völlig zu.

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  32. Übersetzungen sind etwas anderes: Luther hat ja selbst einen viel viel älteren Text in eine andere, für ihn zeitgenössische Sprache übersetzt. Es spricht nichts dagegen, dass Menschen heute das gleiche tun. Das besondere an der Lutherbibel ist möglicherweise, dass sie eine der Übersetzungen ist, die an und für sich schon „Klassikerstatus“ erlangt haben. Einen ähnlichen Status hat wahrscheinlich Voß‘ Homerübersetung oder Schlegels Shakespeare-Übersetzung. Aber das ist kein Grund, keine neue Übersetzungen zu wagen – die anderen sind ja auch immer noch erhältlich. (Das wäre auch ein Unterschied zu den redigierten Kinderbüchern.)

    (Ich hatte übrigens mal ein Buch mit Ausschnitten aus der Originalversion der Lutherbibel, mit Holzschnitten. Die Texte waren nicht unverständlich, aber sehr mühsam zu lesen.)

    Und jetzt habe ich Shakespeare schon erwähnt. Natürlich ist es angemessen, wenn er hin und wieder neu übersetzt wird. Aber wie ist das in England? Müssen sich dort die Schüler noch durchs Original kämpfen? Sind die Bühnenaufführung etwas an den heutigen Sprachgebrauch angepasst? Spielt jemand mit dem Gedanken, eine aktualisierte Fassung herauszugeben?

    Es gibt natürlich den Punkt, wo sich die Sprache so verändert hat, dass sie nicht mehr verständlich ist, so dass sie übersetzt werden muss (mittelhochdeutsch, oder man lässt die Texte ganz verstauben: so gut sind sie nicht.)

    Was die Arroganz des Bildungsbürgertums anbelangt: ich sehe das komplizierter. Es kann auch arrogant sein, den nicht so Gebildeten eine „einfache Version“ vorzusetzen. Wie gesagt habe ich gerade einer jungen Frau, für die ich Lesementorin war, den „Herrn der Ringe“ empfohlen. Ich habe ziemlich gezögert: ich wollte in keine Richtung arrogant wirken. Ich habe ihr abgeraten, es auf Englisch zu probieren (nein, ich bin keine Originalfetischistin), aber ich habe ihr zur älteren, sperrigeren Übersetzung geraten, die näher am Original ist. Ich habe ihr auch gesagt, dass ich Leute kenne, die das Buch nach kurzer Zeit abgebrochen haben, weil es sehr langsam erzählt ist (Abiturientinnen und Anglistikstudentinnen übrigens, also echtes Bildungsbürgertum) und sehr viele Landschaftsbeschreibungen enthält. Ich habe aber auch gesagt: „Ich habe das Buch mit zwölf gelesen und fand es sehr spannend, warum solltest du es also nicht schaffen?“ Sie liest es jetzt aber und ist stolz, dass sie mit der alten Sprache klar kommt, und die Landschaftsbeschreibungen mag sie auch, und auf das, was problematisch ist, werde ich sie schon noch hinweisen, aber auch darauf, dass es im Herrn der Ringe um viel mehr geht als um Action.

    (Und Kontext stellt sie ganz von selbst her, indem sie eine Stelle im Herrn der Ringe mit einer ähnlichen Stelle in Harry Potter vergleicht, die ich nun meinerseits schlechter kenne als sie. Ich vermute aber, dass J.K.Rowling Tolkien gelesen hat.)

    Ja, also, jetzt bin ich ins Reden gekommen… Bildungsbürgerliche Arroganz kann auch heißen, dass man denen, die nicht so gebildet sind, erklärt: die alten Werke sind für euch zu schwer. Und „einfach“ kann eben auch heißen: ohne die Zumutung, dass ihr euch mit einer fremden Zeit auseinandersetzen müsst.

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  33. @Gondlir – Nein, es geht bei jeder echten Lektüre um einen Dialog zwischen mir und meinen Wünschen und Interessen und dem, was jemand anderes in einem anderen Kontext aufgeschrieben hat. Es ist eine Sache der Beziehung zwischen mir und einem Text, und ich stelle Fragen an den Text und der Text antwortet mir und der Text fordert mich heraus und ich reagiere darauf.

    Aber gerade bei einem solchen Dialog möchte ich nicht unbedingt, dass sich eine weitere Person dazwischengeschaltet hat. (Ich gebe zu: ich bevorzuge Originale vor Übersetzungen, bin aber leider nur auf Englisch wirklich imstande, das Original zu verstehen. Auf Französisch versuche ich es hin und wieder.)

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  34. @Antje Dass Neger nicht normale Menschen seien, muss in dem Wort nicht zwangsweise dringesteckt haben, finde ich. Wenn heute ein Journalist schreibt, es käme für Obama auf die Stimmen der Schwarzen (oder Afro-Amerikaner) an, so ist das nicht anders, als wenn damals ein Journalist schrieb, es käme für Kennedy auf die Stimmen der Neger an. Man hat auch heute noch eine eigene Bezeichnung, sie lautet nun Schwarze oder Afro-Amerikaner statt Neger. So wie man auch Bezeichnungen für andere Wählergruppen benötigt, etwa Latinos, Asiaten etc. Eine Bezeichnung schließt diese nicht aus der Menschheit aus oder wertet sie per se ab. Es kommt darauf an, wie es benutzt wurde.

    Natürlich gab es damals viel größere Vorurteile als heute und das Wort Neger steht aus heutiger Sicht auch für diese Vorurteile und schon daher man sollte es nicht mehr verwenden. Wer es heute benutzt, tut es bewusst und meint es auch abwertend.

    Aber es braucht keinen rassistischen Kontext, damit das Wort überhaupt entstehen konnte. Das Wort bezeichnet dunkelhäutige Menschen aus Afrika. Zu allen Zeiten haben Menschen Bezeichnungen für Fremde erfunden. Ob diese abwertend waren, hängt von den Umständen ab. Je mächtiger man selbst ist und je ohnmächtiger die anderen, desto eher betrachtet man die Fremden als geringer.

    Zu den USA: Die Weißen hatten und haben auch eine besondere Bezeichnung: die Weißen. Das ist im Falle USA nicht genau das gleiche, weil die Weißen i.d.R. nicht als eine homogene Gruppe wahrgenommen werden: es gibt Liberale und Konservative, irisch- und deutschstämmige Amerikaner, Alte und Junge, Reiche und Arme, … In den 60ern und 70ern aber stellten die Weißen noch die große Mehrheit und die Schwarzen die einzige relevante Minderheit. Die Afro-Amerikaner wurden also als extra Wählergruppe wahrgenommen, aber nicht die Weißen. Zu sagen, die Wahl hänge vom Stimmverhalten der Weißen ab, ist belanglos. Natürlich tun sie das, wenn diese 87% der Bevölkerung ausmachen.

    In Ländern, in denen die weiße Bevölkerung eine Minderheit bilden, nehmen wir diese in solchen Dingen auch nur als eine scheinbar homogene Gruppe war.

    Was ich selbst immer etwas komisch finde, ist z.B., dass unsere Medien gerne betonen, Barack Obama sei ein schwarzen Präsident. Abgesehen davon, dass man ihn genauso als weißen Präsident bezeichnen könnte: niemand ist bei Clinton darauf herumgeritten, er sei ein weißer Präsident. Ich finde das deshalb seltsam, weil es gerade bei Obama eigentlich überhaupt keine Rolle spielt.

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  35. @susanna14 Ich habe als Kind mit 6 Jahren schon nicht geglaubt, dass China auch nur ein bisschen so ist wie in “Jim Knopf” beschrieben. China war für mich nur eine Bezeichnung für ein fernes Land. Ich glaube auch nicht, dass Michael Ende Klischees transportieren wollte – vielleicht, dass der Westen nicht die einzige Hochkultur ist. Dass es jetzt in den Büchern nicht mehr China heißt, wäre sicher in seinem Sinne.

    @Gondlir Ich sehe kein Problem darin, die Sprache von Kinderbüchern anzupassen. Kinder lesen Bücher doch nicht, um sich Literatur anzueignen.

    Viele Kinderbücher sind einfach überholt und es gibt ja wunderbare neue Bücher. Die Kinderbücher, die auch heute noch bei Kindern ankommen, kann man meiner Meinung nach aber gerne sprachlich aktualisieren. Und das besonders dann, wenn es heute eine Bedeutung erhält, die es damals so nicht hatte oder nicht wahrgenommen wurde.

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  36. @Antje: Zugegeben, der Fleischhauer-Artikel enthält Spuren von Polemik. Darauf aber mit einem Artikel zu „kontern“, der eine noch viel schärfere Polemik zum Ausdruck bringt, aber nur für die „richtige“ Seite, gibt diese Diskussion wie zu vermuten war, der Lächerlichkeit preis.
    [Beispiel für Polemik? „obwohl er statt Weste inzwischen, ach dumm drum, heutzutage daheim eher Sportblouson mit Markenaufdruck trägt“]

    Zur Zensur und vorauseilendem Gehorsam: Es ist doch schon zumindest eine Anmerkung wert, dass der Verlag die Preussler-Texte ändern möchte, nachdem Frau Schröder sich dazu geäußert hatte, Lindgren-Texte nur adaptiert vorzulesen.

    Zu Originaltexten: Ich halte Pippi Langstrumpf und Ottfried Preussler nicht für so maßgeblich für die Literaturgeschichte, dass sie wie Goethe oder Schiller als textlich Zeitzeugen dienen müssen und daher unbedingt im Original zu erhalten sind. Dennoch: Einzelne Wörter zu ändern, halte ich für falsch. Warum? Es gibt genug Alternativen, die man seinen Kindern vorlesen kann. Wenn nun eine bestimmte Geschichte in dem Kontext ihrer Zeit entstanden ist und daher auch solche Begriffe enthält, kann man sich entschließen, auf ebensolche Alternativen zurück zu greifen. Denn dann ist auch der verschriftlichte Kontext u.U. geprägt von Rollen- und Rassenklischees. Daran ändert aber ein einzelnes Wort nichts, rein gar nichts.

    Und wie gesagt, Sprache ändert sich. Ja, natürlich. Aber diese erzwungene (bevor die Frage kommt: Ich weiß nicht, von wem, scheint der Zeitgeist zu sein) Anpassung in allen Bereichen ist den meisten Menschen, die ich kenne, fremd.
    Jemand hat einen neuen Job und wird von seiner Frau gefragt: „Wie sind die Kolleginnen und Kollegen?“ oder jemand bestellt ein „Sinti und Roma Schnitzel“. Die politisch korrekte Ausdrucksweise ist keine natürliche Sprachwandlung, sondern wird von Medien und Personen des öffentlichen Lebens (z.B. in Ansprachen: „liebe Bürgerinnen und Bürger“) forciert, mit der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung hat dies nichts zu tun. Sprachlicher Wandel sieht anders aus, er kommt von „unten“, ist „natürlich“.

    Zusammengefasst:
    1) In Bezug auf „Neger“ in Kindertexten: Änderung sinnlos, da Kindertexte ohnehin einen anderen „Zeitgeist“ transportieren. Änderung führt nur zu (selbst-)zensorischen Ansätzen und ist daher abzulehnen.

    2) Diskussion ohnehin am Rande der Lächerlichkeit: Politisch korrekt drückt sich im Alltag niemand aus – weder bei genderisierten Bezeichnungen noch sonstwo.

    Nebenbei bemerkt wird auch garantiert kein Kind zum Nazi, weil es über einen „tolle[n] Ort, der weit weg ist und wo die Menschen anders aussehen als bei uns“, wo ein „Negerkönig“ auftritt, liest.

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  37. Antje@

    Zensur. Hat mehrere Bedeutungen. Bedeutungen ändern sich im Laufe der Zeit. Es gibt die Selbstzensur. Es gibt die Zensur als Schulnote. Die „Missliebigkeit“ von Texten, Wörtern etc. steht immer in der relativistischen Matrix einer Textkritik en vogue. Was du „Bildungsbürgertum“ nennst und dessen unterstellten Zwang zur Deutungshochheit, verwechselst du in meinem Fall aber schlicht mit der simplen, „bildungsfernen“ Aufforderung und Anstrengung, historische Texte als Dokumente der Stellvertretung ihrer Zeit zu lesen. Und nicht als Artefakt, an dem beliebig herumgedoktort wird, um ihn rezeptionstauglich zu stylen. Mögen die Absichten dahinter noch so ehrenvoll sein.

    Du sagst: „Gar nichts verändern und einen angeblichen “Originaltext” unverändert behalten ist eben auch keine Lösung.“ Lösung für was? Wir leben doch hoffentlich in einer Zeit, in der sich sexistisch und rassistisch aufgeladene Texte selbst entlarven. Wenn das mehrheitlich von Rezipienten anders gesehen wird, haben wir vier Möglichkeiten: Wir wirken kulturpädagogisch und bewirken seine Indizierung. Oder wir wirken kuratorisch und stellen ihn als Objekt der Schändlichkeit aus. Wir belassen den Text und kommentieren und kommunizieren unsere Einwände. Eine andere Lösung: Dass die von dir angesprochene Selbstverantwortung der Produzenten und der Verleger dafür sorgt, dass diese Texte nie geschrieben werden und wenn doch, nie verlegt.

    Im übrigen haben die Schwergewichte der Textgeschichte bis heute nicht den Weg ins Museum geschafft. Ich stelle in Rechnung, dass dies durchaus mit Textadaptionen zu tun hat. Auch zeitgemäße Übersetzungen haben sicher daran einen Anteil. Ich habe aber dabei die Hoffnung, dass es dadurch nicht zu Verfälschungen der Bedeutungen kommt und des Kontextes, in dem sie diese Bedeutungen annahmen.

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  38. Man stelle sich einmal vor, es würde bei Shakespeare wegen des Bedeutungswandels in allen Texten „gay“ durch „happy“ ersetzt werden…

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  39. @gondlir – Ja, was wäre dann? Dann wäre Shakespeare vielleicht nicht mehr so musealisiert wie es derzeit ist, leider. Ich kenne mich in der editionsgeschichte von Shakespeare nicht gut aus, aber ich vermute, dass seine ursprüngliche Sprache durchaus schon angepasst wurde. Allerdings definitiv viel zu wenig. Weshalb Shakespeare heute für viele Leute so eine alter Knacker ist, der unverständliche Texte in unverständlichem Kauderwelsch schreibt und den man in der Schule beackern muss. Das hat er nicht verdient. Und es ist ein gutes Beispiel für bildungsbürgerliche Einverleibung: wir wollen unseren Shakespeare ganz für uns haben, der Pöbel ist dafür zu blöd, denn er hat nicht altenglisch studiert. Sorry, mir ging jetzt gerade das Pferd ein bisschen mit mir durch, aber ich bin auch grade erst aufgewacht :))

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  40. @sebastiansteins – hm, da sind wir ja fast einig, weil „nicht mehr vorlesen“ (bzw. auflegen) ja die Alternative für mich ist.

    Dass die Änderung des Verlags eine Reaktion auf Kristina Schröder war, glaube ich nicht. Sowas geht doch meistens ein längerer Prozess des Nachdenkens voraus, ich glaube das war einfach ein Zufall, der dem Thema natürlich weitere mediale Aufmerksamkeit gebracht hat.

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  41. Also – ich denke eigentlich auch, dass Kinder Kontextveränderungen sehr wohl verstehen können, einfach, weil ich das schon öfter selber erlebt habe.

    Mein ältester Sohn hat mal als sehr junges Kind das Wort „Neger“ benutzt ( in einer Frage, an die ich mich nicht mehr erinnere, nachdem er ein etwas in irgendeinem Buch gelesen hatte, an welches ich mich auch nicht mehr erinnere ) – und es war eigentlich kein Problem, ihm zu erklären, dass man heute, wenn man auf die Hautfarbe eines Menschen hinweisen muss, von Schwarzen oder Weissen redet, das Wort Neger heute aber über die Bezeichnung der Hautfarbe hinausgehende Bedeutungen hat, die allesamt herabsetzend sind, weswegen die Anrede mit diesem Wort eine Beleidigung ist und von Schwarzen halt auch entsprechend beantwortet wird.

    Wenn ich mir heutzutage ein Buch älteren Datums kaufe, dann achte ich eigentlich immer darauf, dass es zu nicht mehr gebräuchlichen Worten ein Glossar enthält, in einem Vor- oder Nachwort etwas Kontext gegeben wird usf., soweit so erhältlich.

    Andererseits lese ich natürlich auch Bücher, deren ursprüngliche Sprache ich nicht verstehe, in – meistens englischen – Übersetzungen. Und manchmal brauche ich Übersetzungen vom Deutschen ins Deutsche – sehr altes Deutsch verstehe ich nicht, die Übersetzung des Simplicissimus vom Deutsch des siebzehnten Jahrhunderts ins Neudeutsch durch Kaiser finde ich z.B. Klasse.

    Jedenfalls bringt mich die Diversität der Möglichkeiten dazu, zu denken, dass die Sache doch vielleicht weniger dogmatisch angegangen werden muss.

    Es gibt halt sehr viele gangbare Wege …

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  42. @susanna 14 – nochmal zur Lutherbibel – die revidierten Ausgaben, die ich meinte, sind nicht neue Übersetzungen der Bibel, die gibt es natürlich auch, sondern neue Ausgaben der LUTHERübersetzung. Also man will den Luthertext mit seinen prägnanten Formulierungen „es begab sich aber zu der Zeit…“ weiter behalten, aber gerade weil man das will, muss man ihn anpassen, damit er verständlich und brauchbar bleibt auch für Menschen, die nicht erst vorher mal eben Mittelhochdeutsch und Reformationsgeschichte studieren können.

    Du hat recht, die bevormundende Attitüde des Bildungsbürgertums kann sich auch paternalistisch im von dir geschilderten Sinne äußern. Aber was du vorschlägst ist letztlich zu verlangen, dass alle Leute studieren müssen, bevor sie historische Bücher verstehen können. Das ist unrealistisch und unpraktikabel, wir haben ja alle auch noch was anderes zu tun. Ich sehe das so, dass wir mit unseren Steuergeldern Wissenschaftler bezahlen, deren Job es ist, diese Forschungen zu betreiben, um dann mit diesem Wissen Texte sachgemäß zu adaptieren, sodass sie möglichst nah an der ursprünglichen Intention bleiben und wir sie dennoch weiter lesen und verstehen können. Die alten Fassungen werden deshalb ja nicht verbrannt und jeder, der sich dafür interessiert (auch um die Adaptionsgeschichte nachzuvollziehen), kann sie jederzeit haben und sich selbst ein Bild machen.

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  43. Liebe Antje,

    danke für Ihre anregenden Gedanken!
    Die Diskussion in Ihrem Blog ist immer wieder ein Gewinn, auch wenn ich manchem Argument nicht zustimme. Das ist ja das Spannende daran! Dabei will ich es belassen.

    Schönen Sonntag und Ihnen eine gute neue Woche,
    dani

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  44. Okay, erst die Kurzfassung meiner Antwort: Wissenschaftler sollen die Texte nicht adaptieren, so dass ich sie auch verstehen kann (ich bin ja selbst keine Literaturwissenschaftlerin), sondern sie sollen Erklärungen und Vorworte schreiben, die mir helfen, die Texte besser verstehen.

    Nein, ich verlange nicht, dass alle Leute studieren müssen, bevor sie historische Bücher verstehen. Aber da gibt es doch zwischen „alles außer Originalfassung ist ein Sakrileg, und wer die Originalsprache nicht kann, hat eben Pech gehabt“ und „alles muss an die heutige Zeit angepasst werden“ viele Zwischenstufen. Eine habe ich ganz oben in meinem ersten Kommentar genannt: Fußnoten und Erklärungen, um auch den Leuten, die nicht studiert haben, einen Zugang zum Text zu ermöglichen. Aber das ist dann ein Zugang, der sie nicht bevormundet. Die Leser können die Erklärungen der Profis am Text überprüfen und sich ihre eigenen Gedanken machen, ob das denn auch so stimmt. Wenn ihnen ein überarbeiteter Text vorgesetzt wird, können sie das nicht.

    Ich habe auch nichts gegen Zusammenfassungen, und bei manchen Texten ist eine „Bearbeitung für die Jugend“ auch nicht schlecht – einmal hatte ich eine Version von „Robinson Crusoe“ in der Hand, die selbst in der Bearbeitung mein Mädchen überforderte, und zwar vor allem wegen der komplexen Syntax.

    Was wichtig wäre: Dass es verschiedene Versionen gibt: Die, die die Originalsprache kennen, sollen das Original lesen. Die, die mit einer Übersetzung klar kommen, und dann sollen sie sich aussuchen, welche ihnen am besten gefällt. Und die, die eine „Nacherzählung für die Jugend“ mögen (gibt es ja gerade bei den alten Heldensagen), sollen diese lesen. Und dann ist die Hoffnung, dass die jeweils einfachere Version neugierig macht auf die nächstschwierigere.

    Aber das ist ja geau nicht das, was bei der Überarbeitung von Kinderbüchern geschieht. Hier ist das Problem ja nicht, dass Kinder den Text weglegen und sagen:“Versteh ich nicht – zu schwer – Fernsehen ist besser.“ Das Problem besteht darin, dass wir fürchten, dass Kindern den Text „falsch“ verstehen: dass sie entweder Rassismus sehen, wo (angeblich) keiner ist, oder dass sie durch den Rassismus im Text selbst zu Rassisten werden.

    Und ich lese gerade Bourdieu, über den ich ein Referat halten muss. Er schreibt, dass für die Bildungsbürger die Form wichtiger ist als die Funktion, während es für die „einfachen Leute“ umgekehrt ist: der Inhalt ist wichtiger als die Form, und wenn die Handlung einigermaßen die gleiche ist, dann macht es nichts, wenn ein paar Worte verändert werden. Ich gebe zu, dass ich da Bildungsbürgerin bin, und dass ich da als Lesementorin auch auf Unterschiede in der Sprache hinweise. Ich glaube auch, dass die verfeinerte Sprache auch eine Funktion hat, die über Schönheit hinausgeht.

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  45. @Antje: Ja, so gesehen fast einig. Wobei ich „nicht verlegen“ nicht für eine Alternative halte. Denn dies beinhaltet tendenziöse Zensur, wohingegen „nicht vorlesen“ die Entscheidung dem Einzelnen überlässt – über die man, wie die Umfrage zeigt, ja auch durchaus gespaltener Meinung sein kann.

    Was den „längeren Prozess des Nachdenkens“ angeht, KANN das Zufall sein. Aber letztlich handelt es sich bei dem Thienemann-Verlag auch um ein gewinnorientiertes Unternehmen. Mit gewisser Wahrscheinlichkeit lässt sich also auch gut argumentieren, dass es sich bei der angedachten Änderung um ein bewusstes Ausnutzen der medialen Aufmerksamkeit handelt. Weniger drastisch könnte man auch vermuten, dass die Änderungspläne schon länger in den Schubladen lagen und nun aufgrund der Berichterstattung ausgepackt wurden.
    Welches Szenario zutrifft, ist dennoch Spekulation.

    Aber das ist auch eigentlich nicht das Thema. Unabhängig davon, welches der Szenarien zutrifft, ist es eine dem Zeitgeist entspringende Wortklauberei, bei der ich mich an die Szene aus „das Leben des Brian“ erinnert fühle („Er hat Jehova gesagt!“). Ob dies nun als „vorauseilender Gehorsam“, „Zensur“ oder „politisch korrekter Aktionismus“ bezeichnet wird, ist ebenso für die Diskussion nicht sonderlich relevant.

    Dass der Verlag die Entscheidung „freiwillig“ getroffen hat, macht sie weder besser noch in ihrer gesellschaftlichen Tragweite wünschenswerter.

    Was bleibt ist die Beschneidung der Wahlfreiheit, den verschritftlichten Kontext bestimmter Werke auch ohne weißwaschendes (pun not intended) Vorkauen verwenden zu können.

    Die lantent formulierten Angriffe auf das „Bildungsbürgertum“ offenbaren übrigens den Geist der Diskutanten. Statt sich den Dingen zuzuwenden, die in unserer Gesellschaft wirklich falsch (rassistisch) laufen (wozu wie gesagt eine Beschäftigung mit altertümlichen Formulierungen durchaus einen Anreiz geben kann, die Diskussion [auch mit Kindern] zu entfachen), wird hier versucht, auf dem Alter der Politischen Korrektheit Sprache zu opfern, um eine Welt zu präsentieren, in der es all die Probleme nicht gibt.

    Und um das nochmal klar zu stellen: Ich glaube nicht, dass die Verwendung der entsprechenden Wörter die besagten Kinderbücher besser oder das Weglassen derselben diese schlechter macht. Aber: Wehret den Anfängen!

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  46. Kompromissvorschlag (analog zu Lebensmittelverpackungen, bei denen man auch gerne weiß, was einen erwartet): Man darf alles mit Büchern anstellen, nur muss dieses, wenn es sich nicht mehr um die Originalausgabe handelt, auf dem Umschlag bzw. im Klappentext vermerkt werden. (Was natürlich nur für deutschsprachige Werke gilt, Übersetzungen sind selbstverständlich anders zu handhaben.)

    Umgekehrt fände ich Warnhinweise auf Originalausgaben schrecklich: „Vorsicht, Originaltext! Dieses Buch kann Spuren von Negern enthalten.“

    Ich denke, es können beide Ausgaben nebeneinander existieren. So wie auch arte und RTL2. Ich bin ein Anhänger der Vielfalt. Und ich werde mich niemals über die Existenz von RTL2 beschweren (ich gucke den Sender einfach nicht), solange ich arte schauen kann. Dabei ist es mir völlig egal, ob das ein elitärer Sender für Bildungsbürger ist – ich gucke einfach, was mir gefällt.

    Fazit: Ich rege mich keineswegs über „Bücher ohne Neger“ auf. Soll sie lesen, wer möchte. Ich möchte nur nicht, dass diese Bücher generell die „Bücher mit Negern“, also die Originale, verdrängen und ersetzen und Letztere dadurch vom Aussterben bedroht werden. Dann kann man sie eines Tages vielleicht nur noch in Bücherzoos, also Bibliotheken und Museen zu Gesicht bekommen.

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  47. Eine Sache zu dem Vergleich mit der Anpassung von Kinofilmen: Diesen Vergleich halte ich für falsch.

    Denn neben der Sprache hat sich auch das mediale Konsumverhalten geändert. Früher stand im Prinzip Kindern nur das Buch offen für das Eintauchen in eine erdachte Phantasiewelt. Heute gibt es Videospiele, DVDs u.v.m., die die gleiche Geschichte in einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne vermitteln. Bei einer Verfilmung der „Kleinen Hexe“ in einer „Neuauflage nach einer Erzälung von Preussler“ wäre mein Unbehagen deutlich geringer.

    Bei einem Buch, dem Medium, was in der heutigen Medienlandschaft jedoch die größte Aufmerksamkeit unter allen anderen Medien abverlangt, kann davon ausgegangen werden, dass auch die detailreiche Beschäftigung mit Inhalt und Wortwahl intensiver sein wird. Da sind dann eben auch weniger geläufige Begriffe oder solche, die heute in einem anderen Licht stehen, zuzumuten.

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  48. @Gondlir Ich bin aber dagegen, dass neue Bücher mit dem N-Wort geschrieben werden. Der Rest wird dann von selbst kommen: Entweder etwas steckt in den Büchern, was sie trotz des N-Wortes überleben lässt, oder eben nicht, und dann ist es nicht schade um sie. (Mein Interesse sind ja eher ältere Kinder, und da hänge ich mal wieder mit Tolkien fest, an dem ich vieles kritisiere, aber in dessen Büchern eben doch auch vieles steckt, was sie immer noch lesenswert macht. Aber das ist es halt eben: Im Gegensatz zu Tolkien bin ich nicht der Meinung, dass es nur gut und böse gibt.)

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  49. @sebastiansteins – „nicht verlegen“ ist KEINE Zensur, Zensur wäre, wenn es VERBOTEN wäre, ein bestimmtes Buch zu verlegen. Es werden ständig Bücher aus den unterschiedlichsten Gründen nicht verlegt. Bitte nicht dauernd von „Zensur“ sprechen, wenn es sich um eine einfache Entscheidung eines Verlags handelt. Ich halte es für die Diskussion extrem relevant, ob wir politische Entscheidungen (wie etwa die eines Verlages, ein Buch, das er für rassistisch hält, nicht mehr zu verlegen) als „Zensur“ bezeichnen, was diese Entscheidung schon auf sprachlicher Ebene diffamiert und in einen völlig falschen Kontext rückt, oder ob wir sie – auch wenn wir sie inhaltlich nicht teilen – als eine politische Handlung ernst nehmen. Sorry, bei diesem Punkt bleibe ich stur 🙂

    Und wieso geht die Wahlfreiheit, das Buch in einer bestimmten Fassung zu lesen, verloren? Du kannst ohne Probleme alte Ausgaben antiquarisch oder in Bibliotheken nachlesen. DAS genau ist der Unterschied zur Zensur, wo das Bereitstellen solcher Bücher verboten wäre.

    Zu deiner Formulierung „wirklich falsch (rassistisch)“. Die ist unsinnig. Denn es gibt keine Instanz, die entscheidet, was „wirklich“ rassistisch ist. Es ist ja gerade das Thema der politischen Debatte, dass wir uns nicht einig darüber sind, was als Rassistisch einzustufen ist. Und wenn du dann „andere“ Meinungen nicht als solche akzeptierst, sondern als „falsche“ Meinungen abqualifizierst, hast du dich aus der Debatte verabschiedet.

    „Wehret den Anfängen“ ist übrigens auch eine ganz schlimme Polemik, weil du damit diejenigen, die eine andere Meinung als du vertreten, mit Faschos und Nazis gleichsetzt. Das sollte man sich gut überlegen, ob so eine Gleichsetzung wirklich angemessen ist.

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  50. @Gondlir – ja, guter Kompromissvorschlag, wobei ich auch bei Originaltexten auf einem Warnhinweis vorne bestehen würde. Also analog zu „Vorsicht, dies ist nicht die Originalausgabe“ müsste auf den Orignalen stehen „Vorsicht, dieser Text ist xxx Jahre alt“. Könnte ich mit leben. Ich finde es sowieso immer höchst ärgerlich, wenn man bei Büchern und v.a. auch Filmen eine Lupe braucht, um zu finden, wann sie geschrieben bzw. gedreht wurden.

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  51. „Als Nächstes kommt jetzt wohl Theodor W. Adorno an die Reihe. Nicht nur dass die einstige Ikone der deutschen Linksintellektuellen als Musikologe dem Jazz wenig zugetan war; in seinen Schriften findet sich wiederholt der Terminus „Neger“.
    (Alexander Dick, Badische Zeitung)

    Das ist in der Tat der Fall und ich hatte es eigentlich nicht glauben wollen. Jetzt könnte man natürlich froh sein, dass nur das „Bildungsbürgertum“ Adorno liest und froh sein, dass dem „Pöbel“ ohne Studium diese Lektüre verwehrt bleibt. Auch die polemisch sogenannten „Bildungsferne“ lesen und sie verstehen, ohne dass das „Bildungsbürgertum“ in seiner „Arroganz“ Nachhilfe geben müsste. Mich würde jetzt wirklich interessieren, ob es denn einen Metabegriff gibt, unter dem sich die polemischen Kritiker des „Bildungsbürgertums“ versammeln. Mir fällt da nur einer ein: Deutungspäpste.

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  52. @ramblingbrother – Ja, Adorno ist ein gutes Beispiel. Es ist doch völlig klar, dass er heute ein anderes Wort wählen würde. Anders als bei einem Kinderbuch stellt sich bei Adorno die Frage nach der Adaption natürlich nicht, denn es ist ja ganz unmöglich, Adorno ohne Bewusstsein seines historischen Kontextes zu lesen und deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, das Wort zu ändern. Niemand schlägt das ernsthaft vor, weshalb auch der Hinweis bei Alexander Dick an dieser Stelle wieder genau derselbe polemische Quark ist, über den ich mich bei dieser Debatte ärgere: Er vergleicht Äpfel mit Birnen, also philosophische Abhandlungen mit Kinderbüchern. Die kein Mensch in Punkto Adaption gleich behandeln will.

    Das ist aber eine typische Art von Menschen, die vom hohen Roß ihrer Deutungshoheit herunter ihre Meinungen ausgießen, ohne auch nur im geringsten versucht zu haben, die Argumente der Gegenseite überhaupt nur zu verstehen (was aber notwendig wäre, wenn es ihnen wirklich an einer Debatte gelegen wäre). Stattdessen konstruieren sie sich eine Gegenseite zurecht, behaupten dann, das wäre das, was die anderen wollen, und haben es dann natürlich leicht die polemisch zu zerlegen. Es nervt.

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  53. Zwei Gedanken dazu:

    Für mich hat bei Kinderbüchern stets gerade der Umstand, dass es sich um so etwas wie Zeitkapseln handelt, den besonderen Reiz ausgemacht. Kästner, Lindgren, Blyton, Pahnke, Bratt, Hassencamp usw. haben eine vergangene Zeit geatmet, nicht ganz so weit entfernt wie Stevenson oder Defoe oder Grimm oder Andersen (den ich besonders in einer alten Ausgabe in Frakturschrift geliebt habe, weil es die Distanz zur Gegenwart noch verstärkt und die Geschichten noch geheimnisvoller gemacht hat!), aber doch spürbar, und bei einem textbasierten Medium spielen Wörter dabei natürlich eine besondere Rolle. Ähnlich wäre vielleicht auch Hergé mit „Tim im Kongo“ zu nennen, wo die bildliche Ebene noch hinzukommt. Aus meiner Sicht sollte daher unbedingt darauf geachtet werden, durch Veränderungen keine Anachronismen zu schaffen, denn die Erkenntnis beim Lesen kommt gerade aus der Distanz zwischen der dort präsentierten und der aktuellen Realität.

    Bei Pippi Langstrumpf kommt verstärkend hinzu, dass die Figur Pippi von Lindgren bewusst als latent rassistisch geschaffen wurde: Sie bringt an mehreren Stellen eine Überlegenheitsgewissheit gegenüber den Untertanen ihres Vaters zum Ausdruck, benennt sie als primitiv, dumm und verlogen. Es gehört eben zur Lektüre des Buches dazu, Pippi nicht als Idealheldin zu verstehen, sondern die Brüche und Unzulänglichkeiten in ihrer Person zu erkennen. Die Botschaft von Pippi Langstrumpf ist ja nicht „seid wie Pippi“, sondern „lernt von Pippi, selber zu denken – auch über Pippi“. Mit einer nachträglich reingewaschenen Pippi geht das nicht mehr so gut.

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  54. @Antje: Okay, ersetze „Zensur“ durch „Selbstzensur“. Damit wird die „Zensur“ von der formaljuristischen Definition des „Verbotenen“ entrückt und in den richtigen Kontext einer aus einer meiner Meinung nach gefährlichen gesellschaftlichen Entwicklung der Ächtung bestimmter Verhaltensmuster gesetzt.
    Das Argument bleibt das gleiche.

    Sich gegenseitig Polemik zu unterstellen, die im übrigen der Wortbedeutung nach hier auch angemessen ist („Polemisieren heißt, gegen eine (bestimmte andere) Ansicht zu argumentieren. Der Polemiker sucht nicht zwingend den Konsens, sondern versucht im rhetorischen Wettstreit seinen Argumenten zum Durchbruch zu verhelfen“, Wikipedia), aber über die Konnotation den anderen Diskutanten zu diskreditieren versucht, ist nicht zielführend.
    „Wehret den Anfängen“ ist keine Gleichsetzung mit „Nazis“ oder „Faschos“ (wobei ich persönlich diese Worte als ähnlich inflationär gebraucht ansehe wie du „Zensur“), sondern lediglich der Hinweis darauf, dass es zumindest der Kritik würdig ist, wenn durch altes Kulturgut „angepasst“ wird in einer Art, die einer konfliktfreien Sprache (aka „political correctnes“) nahekommen will ohne sich mit Inhalten zu beschäftigen.
    Was glaubst du wohl, was verloren geht, wenn die Sprache konfliktfrei wird? Die Konflikt-Fähigkeit. Dies führt wie gesagt zu Intolerenz, Ignoranz und Borniertheit.

    Im Übrigen ist das Beschaffen (gefühlt verbotener) Literatur über das Antiquariat ja nun nicht das gleiche, gerade dann nicht, wenn wir uns über Unterhaltungsliteratur für Kinder unterhalten!

    Natürlich gibt es keine „Instanz“, die entscheidet, was falsch und was wirklich falsch ist. (Zum Glück!) Aber dafür ist der gesunde Menschenverstand doch da, der hier die Rolle dieser Instanz übernimmt. Wenn man sich beispielsweise dafür einsetzt, dass es zu einer Gleichberechtigung von Ausländern bei der Jobwahl kommt (beispielsweise durch den Einsatz von anonymisierten Bewerbungen ohne Foto), hat dies eine andere Tragweite und einen deutlicheren Effekt als das Streichen einer im Kontext der Entstehung „harmlosen“ Wortes in Kinderbüchern. Genauso fraglich ist der Effekt, in einer Diskussion über das Wort „Neger“ nur vom „N-Wort“ zu sprechen.

    Gleiches gilt für Formulierungen wie „Bürgerinnen und Bürger“ (warum sollte es zu Gleichberechtigung führen, wenn man unnatürlicherweise die Sprache so umstellen will, dass sie Unterschiede besonders betont – „Liebe Kinder und Eltern“ spricht zwei unterschiedliche Personengruppen an, „liebe Bürgerinnen und Bürger“ auch?), aber das führt zu weit weg vom eigentlichen Thema, drückt aber dennoch den jetzt besonders intensiv medial inszenierten Zeitgeist aus. Den Gebrauch des Wortes „Sprachpolizei“ kann ich insofern verstehen.

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  55. @Antje:
    „[Texte von Adorno, ] Die kein Mensch in Punkto Adaption gleich behandeln will.“

    aber gerade das ist ja ein Argument der Kritiker: „Noch nicht“.

    Die Intention politisch korrekter Sprache ist ja gerade die Konflikfreiheit in dem Sinne, dass Begrifflichkeiten geändert werden, die eine bestimmte Gruppe als ehrverletzend einstufen könnte.

    Das Abwenden von der zunächst naheliegenden Idee, dass der Gekränkte entscheidet, was ihn kränkt und was nicht, ist aber doch gerade genau das Charakteristikums einer rechtsstaatlichen und pluralistischen, toleranten Gesellschaft. Eben jener Gekränkte entscheidet das eben nicht selber, sondern diese Entscheidung entsteht im Kontext eines konsensualen gesellschaftlichen Wertekanons. Wäre das nicht so, wäre jede politische Diskussion mit Amtsträgern eine potenzielle Majestätsbeleidigung. Und jeder radikale Muslim, dessen Tochter den „falschen“ Mann heiratet wäre berechtigterweise „verletzt“ (mit den entsprechenden Konsequenzen?).

    Im Grunde geht es mir doch nur darum, dass hier die Sprache instrumentalisiert wird, um – wenn man so will – der Diplomatie willen, die sich ja gerade dadurch auszeichnet, in ihren Formulierungen rückgratlos zu sein.

    Vor eben dieser Entwicklung fürchte ich mich.

    Ich halte es nämlich für deutlich weniger „schlimm“, das Wort „Neger“ im ursprünglichen Kontext („wertfrei“) bestehen zu lassen, als einen Kuhhandel einzugehen, der unsere Sprache verweichlicht und Tür und Tor für eine wie Fleischhauer es nennt „Trottelsprache“ zu öffnen.

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  56. @sebastiansteins – Das behauptete „Noch nicht“ der Kritiker ist kein Argument, sondern eine sachlich falsche Unterstellung. Deine „gefühlte“ Zensur ist eben wirklich nur ein Gefühl und nicht mehr, es sagt mehr über deine eigenen Ängste und Vorurteile aus als über das, was von der anderen Seite wirklich gemeint ist. So ist fast alles, was du über die „Intention politisch korrekter Sprache“ schreibst, sachlich falsch. Es geht genau NICHT um verletzte Gefühle und Konfliktfreiheit. Vgl. https://antjeschrupp.com/2012/12/29/es-geht-nicht-um-verletzte-gefuhle/

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  57. @Antje. So falsch finde ich das nicht. in deinem verlinkten Blog-Artikel heißt es: „Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen bedeutet, in Klartext übersetzt: „Ich teile deine Ansichten zwar nicht, aber ich verzichte darauf, das jetzt auszudiskutieren und meinen Standpunkt durchzusetzen, weil ich es wichtiger finde, die Beziehung zu dir aufrecht zu erhalten.““ – Gerade genau das ist es, was zumindest ich täglich beobachte.

    Statt die Bitte, einen Badeanzug zu benutzen, redigieren in manchen Unternehmen ganze Abteilungen bestimmte Aussendungen (z.B. Firmenzeitschriften), deren Texte dann „genderisiert“ werden. Das ist genau das, was ich meine: Kein Mensch würde so reden (daher ja die Notwendigkeit des Gender-Lektorats), aber „eh wir uns deshalb Kritik einfangen…“, sei’s drum.

    Genau das gleiche Muster erkenne ich auch in der Vorgehensweise des Verlages: Statt in einem Vor- oder Nachwort darauf hinzuweisen, dass der Text Stellen enthält, die heute anders verstanden werden könnten als zum Zeitpunkt der Entstehung, verweichlicht man den Text, ehe sich auf Linksgrüne einzulassen, die deswegen die Welle machen könnten. Zum Beispiel deshalb, weil man gerade in den Nachrichten gelesen hat, dass bei Schröders nicht mehr „Negerkönig“ vorgelesen werden darf.

    Zu dem behaupteten „noch nicht“. Natürlich ist es einfach, diese Befürchtung als „falsch“ abzustempeln (Vorhersagen bleiben schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen). Mir geht es jedoch nicht um die „Neger“ bei der kleinen Hexe, sondern insgesamt um eine Kritik an einer „politisch korrekten“ Sprache, die sich nur hier besonders plakativ manifestiert. Bei allem Sprachwandel, den ich mitbekommen habe, bleibt mir nur zu sagen: „Abwarten“….

    Und, wenn sie Adorno in Ruhe lassen: Heißt die „Kleine Hexe“ dann in zwei, fünf oder zehn Jahren „körperhöhentechnisch herausgeforderte Menschin mit besonderen Fähigkeiten“?

    Wenn es nicht um verletzte Gefühle der Gekränkten geht, stellen wir doch mal die Frage an die „Gschützten“, allerdings mit der richtigen Frage.

    Würde man unter Deutsch-Afrikanern fragen, ob sie die Änderung begrüßen, sähe das Ergebnis wahrscheinlich deutlich besser aus als 50:50 in der Gesamtbevölkerung. Allerdings ohne Aussagekraft (weil dahinter eher die Antwort steckt „ja, wenigstens das könnense ja machen für uns“).
    Würde man Deutsch-Afrikaner fragen, was sie glauben, was in der Gesellschaft verbessert werden muss, um ihr Wohlbefinden und ihre Integration zu fördern, würde ich mich hingegen sehr wundern, wenn das Redigieren von Kinderbüchern überhaupt genannt würde.

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  58. Ich finde, es wäre nicht gut, in den hier beschriebenen Fällen (Lindgren, Preußler oder Ende) Kinderbücher mit erläuternden Fußnoten und Anhängen zu spicken. Die würden etwas problematisieren, was in den Originaltexten gar nicht enthalten ist. Außerdem sind es Bücher für kleiner Kinder. Die kleine Hexe z.B. wurde uns im Kindergarten vorgelesen.

    Nochmal zu Jim Knopf: dass Jim Knopf schwarz ist, ist in der Geschichte nur insofern bedeutsam, als es danach eben nicht problematisiert wird, sondern als belanglos dargestellt wird: die Hautfarbe macht ihn eben nicht zu einem anderen Menschen. Eine Fußnote, in der erklärt wird, warum das Wort Neger heute nicht mehr benutzt werden sollte und warum es damals benutzt wurde, würde sein „schwarz sein“ plötzlich in den Vordergrund stellen. Man könnte dann noch einen Anhang machen, warum der Autor Jim Knopf schwarz gemacht hat. Man könnte erläutert, dass es im Deutschland der 60er viel weniger Fremde in Deutschland gab, vor allem kaum Schwarze und schwarze Kinder deshalb sehr viel mehr auffielen. Dass die wenigen schwarzen Kinder fast alle Kinder von deutschen Frauen mit schwarzen Besatzungssoldaten waren bzw. deren Kinder und von sehr vielen Leuten genau dafür verachtet wurden. Dass amerikanische Besatzungssoldaten da waren, weil es zuvor einen Krieg gegeben hat…
    Aber dann wäre das Buch nicht mehr Jim Knopf. Ersetzt man dagegen das Wort Neger einfach, funktioniert es weiter: ein 6-8jähriger Leser identifiziert sich vorbehaltlos mit dem gleichaltrigen (schwarzen) Helden, der Lokomotivführer ist und eine geheimnisvolle Herkunft hat.

    Ich habe ab der ersten Klasse ca. 5 Bücher pro Woche aus unserer Bibliothek ausgeliehen und gelesen. Hätte meine Mutter die alle zuvor lesen sollen, um dann mit mir problematische Aspekte zu diskutieren? Und die Bücher, die sich meine Schwestern ausgeliehen haben, auch alle?

    Ich finde es daher gut, wenn Kinderbuchverlage ältere Bücher verantwortungsvoll überarbeiten. Ich finde es auch nicht falsch, sie sprachlich behutsam zu modernisieren.

    Das hat, finde ich, auch nichts mit Zensur zu tun und ist auch keine Verschwörung der PC. Es ist Pragmatismus: Verlage wollen weiter ihre Bücher verkaufen. Ein Buch darf dazu von den Eltern, Großeltern, Tanten und Onkels, Erziehern, Bibliothekarinnen … nicht als problematisch oder als nicht mehr zeitgemäß angesehen werden. Und es muss außerdem den Kindern auch gefallen.

    Viele gebildete und aufgeklärte Menschen dagegen fürchten vielleicht ein bisschen, dass die Bücher, die sie als Kind geliebt haben, nun einen schweren Makel haben sollen.

    Bei Jugendbücher und Bücher ab so 10/11 Jahre sehe ich die Sache übrigens anders: da kann man schon mit erläuternden Fußnoten und Anhängen arbeiten.

    @susanna14 Ich habe Herr der Ringe erst als Student gelesen. Ich fand es recht spannend, aber was mich ein gestört hat, war, dass die guten Völker im Norden und Westen wohnen, die bösen aber im Süden und Osten.

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  59. @Eule: Danke. Ganz genau!

    Vor allem die Aufforderung selber zu denken ist so zentral.
    Kinder haben ein Sprachverständnis. Sie lernen „gute“ und „schlechte“ Wörter und müssen differenzieren lernen. Das geht natürlich nur, wenn sie mit beidem konfrontiert werden.
    Und übrigens ist gerade dann, wenn man der Meinung ist, das Wort „Neger“ sei nie 100% wertfrei gewesen, eine Änderung nahezu ausgeschlossen, denn das zentrale Argument, der Text sei dann näher an dem, wie er damals verstanden wurde, hinfällig.

    Man stelle sich einmal folgende Situation vor:

    Kind wächst mit überarbeiteten Texten auf, kennt das Wort „Neger“ nicht. Ein Klassenkamerad verwendet es, er fragt einen Erwachsenen. Und hört da, dass das ein böses Wort ist. Das Kind wendet sich eher von seinem als „böse“ gebrandmarktem Klassenkameraden ab.

    Kennt das Kind aber das Wort, kann es u.U. sogar selber seinen Klassenkameraden darauf hinweisen, dass dieses Wort nicht angemessen findet, sonder nur in „alten Büchern“ Verwendung findet. Der Klassenkamerad lernt von einem Gleichaltrigen und wird nicht „gebrandmarkt“, weil er ein (für ein Kind erstmal harmloses) Wort kontextuell falsch verwendet hat.

    Das wird natürlich nicht so 100% refkektiert ablaufen, aber könnte die grundlegenden Gedankenzusammenhänge beschreiben.

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  60. @sebastiansteins Ich muss ehrlich sagen, dass mir all die Leute, die sich z.B. wegen der Kleinen Hexe so aufregen, nicht verstehe. Der Verlag ändert das nicht, weil er die Sprache und politischen Ansichten ändern möchte oder dazu gedrängt wird, sondern weil sich die Sprache und Ansichten schon geändert haben. Heute stolpern die Leute über „Negerlein“.
    Die Kleine Hexe wird schon im Kindergarten vorgelesen. Das ist nicht das Alter, indem man Literaturkritik betreibt.
    Ich verstehe auch die nicht, die die Kleine Hexe als Erwachsene nochmal lesen und sich dann an diesen Änderungen stören. An dem Wort „Negerlein“ lag und liegt mir nichts, ich würde die Änderung gar nicht bemerken. Wieso einem Wort in einem Kinderbuch nachhängen, das ich selbst gar nicht mehr benützen würde? Und der Autor selbst vermutlich auch nicht, würde er die Kleine Hexe heute schreiben.

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  61. @Wolfgang: „Ich habe Herr der Ringe erst als Student gelesen. Ich fand es recht spannend, aber was mich ein gestört hat, war, dass die guten Völker im Norden und Westen wohnen, die bösen aber im Süden und Osten.“

    Danke für diese Steil-Vorlage! Genau das ist „Wehret den Anfängen“. Hinter allem und jedem einen Angriff zu vermuten, DAS ist es, was viel über den „Vermuter“ aussagt, nicht die berechtigte Sorge, dass eine solche Diskussion ins Absurde abgleitet.

    Man muss sich das mal vorstellen: Tolkiens Welt, die nichts, aber auch gar nichts mit unserer Erde gemeinsam hat – außer, dass sie über Himmelsrichtungen verfügt – dient jetzt als Projektionsscheibe für vermuteten vorurteilsgeprägten Hass.

    Man stelle sich nur vor, wenn Tolkiens Bösewichte im Westen gelebt hätten. Dann hätte man ihm wohl Antiamerikanismus und besonders um den Weltfrieden kämpfende Personen wohl gleich auch noch Antisemitismus unterstellt.

    Unfassbar!

    Was ein wirklicher Kompromiss wäre: Lasst doch die Vergangenheit ruhen. Ein wirklicher Schritt in die richtige Richtung könnte der Kinderbuchverlag doch aussenden: „Neuerscheinung: Achmeds Abenteuer“. So etwas würde eine gefühlte Fremdartigkeit nicht problematisieren, sondern eben zu etwas völlig normalem „degradieren“, ebenso wie bei Jim Knopf. Aber das würde wohl die Berufsaufreger ihren Job kosten…

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  62. @Sebastianeins: kurze Anmerkung zu der „unnatürlichen Formulierung“ „Bürgerinnen und Bürger“: wieso ist es unnatürlich in der Ansprache von Menschen genau das zu tun, was uns die Grammatik in jedem einzelnen Satz den wir über Menschen formulieren vorgibt: sie nach Geschlecht zu unterscheiden. (Er/Sie/Ihm/Ihr/Seine/Ihre…etc). Dieser „Hinweis auf die Unterschiedlichkeit“ lässt sich in unserer Sprache praktisch nicht umgehen (außer durch sehr komplizierte Sätze, z.B statt „Meine Freundin hat erzählt“ „Der Mensch mit dem ich befreundet bin hat erzählt“).Wenn du über Menschen sprichst musst du ihr Geschlecht zwangsläufig benennen und das kommt doch keiem unnatürlich vor, oder? Im Gegenteil ist wohl eher das generische Maskulinum eine neue und unnatürliche Formulierung die die früher absolut gängige und natürliche Beidnennung abgelöst hat.Unnatürlich auch deswegen, weil es die einzige Konstruktion ist bei der ein Begriff der eigener Oberbegriff sein kann. (Übrigens in verschiedenen Vorträgen Anatol Stefanowitsch‘ sehr einleuchtend und kompetent dargelegt)

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  63. Die Sache verhält sich so:

    Genauso wie sich Astrid Lindgrens Bücher nicht verändert haben, haben sich auch die Menschen nicht verändert. Sie meinen immer noch, „Neger“ bezeichne neutral dunkelhäutige Menschen. Plötzlich kommen Leute daher, und behaupten, daß dem nicht so sei, sondern „Neger“ abwertend gemeint sei, und fordern von allen Menschen, die Menschen, die zuvor Neger genannt wurden, zunächst Farbige, dann PoCs und später vielleicht noch ein bißchen anders zu benennen. Wer sich daran nicht halten will, muß als Rassist bezeichnet und aus der feinen Gesellschaft ausgeschlossen werden. Darüber ärgern sich die ausgeschlossenen Menschen, haben sie sich doch die ganze Zeit nie verändert, hatten nie etwas gegen Neger, fanden immer schon Sklaverei und Kolonialismus scheußlich, und plötzlich kommen Leute daher, und behaupten, sie seien Rassisten.

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  64. @Wolfgang Erdbeerbäumle

    Es ist schon witzig – während des Tages habe ich darüber nachgedacht, was die von Antje erwähnten Bildungsbürger so intensiv an „ihren“ Texteh festhalten lässt, und wahrscheinlich ist es einfach die Tatsache, dass sie diese Bücher als Kinder gelesen haben und sehr gern mochten und sie sich jetzt nicht durch antirassistische Kritik verderben lassen möchten. Also das, was du auch schreibst. Die Bücher sollen unschuldig sein und nur Vergnügen bereiten. Und das soll jetzt wieder hergestellt werden, indem man sie sprachlich reinigt.

    Gerade bei Jim Knopf finde ich deine Argumentation allerdings problematisch. Der weiße Junge soll sich vorbehaltlos mit Jim Knopf identifizieren können, ohne zu oft daran erinnert zu werden, dass Jim Knopf schwarz ist. (Ehrlich gesagt, als ehemaliges weißes Mädchen ist mir völlig egal, womit sich ein weißer Junge identifizieren kann. Ich fand als Kind „Jim Knopf“ furchtbar, weil Li SI ständig gerettet werden muss (Botschaft: lerne lieber, Frau Waas im Haushalt zu helfen), während Jim Knopf, obgleich er auch ein Kind ist, zum Helden werden darf.)

    Aber erst einmal stimmt die Grundlage deiner Argumenation nicht. Die Tatsache, dass Jim Knopf schwarz ist, ist nämlich wichtig. Er stammt vom Schwarzen unter den Drei Heiligen Königen ab, entweder Balthasar oder Kaspar, genau weiß ich das nicht. Er ist der letzte einer langen Linie, die beinahe untergegangen wäre, aber weil er Glück hatte und nicht in die Hände des Drachen geraten ist, kann er jetzt zum Helden werden, der das alte Reich Jamballa wieder errichtet.

    Das süße „Negerbaby“ stellt sich also als Abkömmling eines Königs heraus, und es gelingt ihm, das alte Segensreich neu zu errichten: also wenn das ohne Bedeutung ist…. (Vor ein paar Jahren habe ich einmal ein paar Texte über eine Auseinandersetzung über die Verfilmung der Erdsee-Romane von U.K.LeGuin gelesen. Die Autorin schreibt ausdrücklich, dass ihre Protagonisten schwarz oder braun sind, aber die Filmemacher wollen beim Casten „farbenblind“ sein und finden natürlich einen weißen Schauspieler am geeignetsten für den Helden. U.K.LeGuin zieht ihren Namen zurück, und das Projekt wird nicht beendet. – Eine schwarze Bloggerin war ihr sehr dankbar dafür, und sie beschreibt, wie es ihr ging, als sie nach Jahren von Fantasy mit weißen Helden nun endlich ein Buch mit einem farbigen Helden lesen darf: für sie war das überhaupt nicht unwichtig. Für sie wäre es mit einem weißen Schauspieler verdorben gewesen.)

    Ja, also: Ich sehe kein Problem darin, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass Jim Knopf schwarz ist, indem man die Verwendung des N-Wortes ausführlich diskutiert. Fußnoten sind für kleine Kinder wahrscheinlich wirklich nicht angebracht, aber ich sehe kein Problem in einem Nachwort. Das Kind wird es lesen, wenn es alt genug ist, und ins Nachdenken kommen (das Alter kann dabei sehr unterschiedlich sein). Dabei geht natürlich die unmittelbare Identifikation verloren, aber so wichtig ist diese nicht.)

    Ja, klar, Mütter können und sollen nicht alles kontrollieren, was Kinder lesen und daher können sie nicht alle problematischen Aspekte diskutieren. Das wäre eher beim Vorlesen angebracht. Ich glaube aber, dass gerade Kinder, die viel lesen, keinen Schaden davon tragen, wenn auch einige problematische Bücher dabei sind. Ein Kind wird dadurch nicht zum Rassisten. Wichtig ist, dass ihm in anderen Zusammenhängen klargemacht, was geht und was nicht .Und dann geht bemerkt das Kind vielleicht von sich, dass da merkwürdige Dinge in seinen Büchern stehen, und fängt an, darüber zu reden.

    Ich glaube einfach nicht, dass es möglich ist, Kinder nur mit „unproblematischen“ Büchern großzuziehen – genauso wenig wie man sie ohne Süßigkeiten großziehen kann.

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  65. Ich habe die letzte Hälfte der Kommentare übersprungen – möchte dennoch anmerken, dass man Kontext wohl in den Plural setzen müsste: Besonders einzelne Wörter stehen in Kontexten (es wäre ja denkbar, dass eine Figur als Rassist_in markiert und kritisiert werden soll durch ihre Sprache, dass eine Wendung zitiert und verfremdet wird etc.); auch die Autorin oder der Autor selber verhalten sich in mehrfacher Art und Weise zu ihrem soziokulturellen Umfeld.
    Viele dieser Einflüsse und Beziehungen sind verschüttet, es ist nicht einmal klar, in welchen Kontexten ein Text heute gelesen wird und wirkt. Wie verwenden PoC Kinderliteratur, welche Erklärungen liefern Eltern, was lassen sie weg, was betonen sie etc. (Ich selber lese meinen Kindern die Preussler-Bücher auf Dialekt vor und übertrage sie daher laufend.)
    Das soll keine Kritik sein, vielmehr: Es ist wichtig, an Kontexte zu denken. Es gibt keinen Originaltext mit Originalabsicht, sondern immer wieder neue Versionen und Interpretationen eines Textes. Ihn zu ändern liegt in der Logik der Sache, wenn man ihn braucht. (Es sei denn, man wolle eine historisch-kritische Ausgabe anfertigen…)

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  66. @susanna14 Verstehe mich nicht falsch, ich glaube nicht, dass das Wort Neger in Jim Knopf Kinder verderben würde. Ich finde es nur nicht schlimm, wenn es ersetzt wird. Ich finde es auch besser, wenn Kinder Bücher selbst lesen.

    Dass Jim Knopfs Nachfahre von eines Königs ist, ist wichtig in der Geschichte. Aber die Geschichte würde genauso funktionieren, wenn er weiß und Sohn eines weißen Königs wäre.

    Natürlich gefällt das Buch nicht jedem Kind und hat sicher auch früher nicht jedem gefallen. Und sicher ein Buch eher für Jungs.

    @Sebastian Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass Tolkien das Böse im Osten und Süden verortet in seiner Fantasiewelt. Das spiegelt nicht nur die Umstände der Entstehungszeit des Buches wieder, sondern man erkennt darin tiefsitzende europäische Ängste vor Invasionen, die ja auf jahrtausend alten Erfahrungen beruhen. Aber ich bin kein Tolkien-Experte.

    Das macht das Buch nicht schlecht und auch nicht zu einem Problembuch.

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  67. Ich habe nun versucht, zwei Kommentare zu posten, die auf direkte an mich gestellte Fragen von Mit-Diskutanten eine Antwort zu geben versuchten.

    In einem Dritten Kommentar habe ich die betreffenden Mitdiskutanten zu informieren versucht, dass diese Kommentare leider an der Moderationshürde gescheitert sind. Auch dieser dritte Kommentar ist an eben dieser Hürde gescheitert – wahrscheinlich genau wie dieser.

    Ich habe versucht, mich zwar mit gegenläufiger Meinung und pointiert, aber auch sachlich an der Diskussion zu beteiligen. Schade, dass dies nicht mehr erwünscht ist.

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  68. @susanna14: erstens habe ich neulich gehört, dass es unter den heiligen drei königen gar keinen schwarzen gab, bzw. dass in der bibel davon nichts gesagt wird. hier in köln waren die sternsinger auch glücklicherweise ohne blackfacing unterwegs. zweitens geht es davon aus, dass nur weiße ihren weißen kindern diese geschichten vorlesen. wenn ich als weiße meinem kind ein buch vorlesen würde, in dem lauter schwarze vorkämen, und der einzige weiße mensch der dort gezeigt wird, als „weißer pisser“ bezeichnet wird (sorry, es ist einfach unmöglich ein pendant für n* zu finden) würde ich das buch sofort weg legen. und ich wette, tauchte so ein buch hier in deutschland auf, die briefe an den verlag kann ich mir vorstellen! und weiter: wenn ich in einer imaginären welt als weißes kind in einer gesellschaft, die von schwarzen dominiert wird, aufwachse und mir ein_e erwachsene_r die selbe geschichte vorlesen würde: ich bekäme angst vor schwarzen und das gefühl, mit mir stimmte was nicht. so viel zu all den weißen, die sagen, IHREN kindern könnten sie das doch erklären mit den N*n.

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  69. Zu Tolkien: In seinem Vorwort zum Herrn der Ringe lehnt er selbst eine solche Analogie ab. Und wenn wir schon bei historischen Ängsten sind: Die „Hunnen“ lebten auf der anderen Seite des Rheins. Es war keine diffuse jahrtausendealte Angst, sondern eine konkrete reale Erfahrung zu seinen Lebzeiten. Ich möchte da kein Urteil sprechen.

    Aber er selbst hat solche Deutungen abgelehnt, sondern erklärt, dass es sich als geographische Notwendigkeit ergab, das Böse im Südosten anzusiedeln. (Es gibt übrigens auch den Hexenkönig von Angmar, der im Norden lebte, und die Festung Dol Guldur in der Mitte der Landkarte.) .

    Wenn man sich klar macht, dass er den Herrn der Ringe nach dem Hobbit geschrieben hat, und dass damals auch schon die wesentlichen Geschichten des Silmarillion „standen“ ist klar, dass er noch nach freiem Platz auf der Karte suchen musste, wo Mordor liegen konnte.

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  70. nur kurz und aus dem Kontext: wenn Perry Rhodan umgeschrieben wird, weil die Technik doch heute so viel weiter ist, finde ich das furchtbar traurig, so wie bei Raumschiff Orion oder so. Einfach weil das tatsächlich ein bisschen wirkt wie aus dem Museum, das macht doch gerade den Reiz aus.
    Ist aber nur meine persönliche Meinung und hier geht es ja auch nur um technische Details und nicht um Diskriminierung.

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  71. @Antje: Hab ich mir fast gedacht, dass es diese Punkte waren. Etwas merkwürdig fand ich dann nur die Nichtfreischaltung der Erklärung über die ausgebliebene Antwort! Aber nichts für ungut (ehrlich gesagt, sollte der „Derailing“-Kommentar auch nicht so lang werden ;).

    Ich danke für die bisher sehr lebhafte und erfrischende Diskussion!

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  72. @susanna14 Wahrscheinlich ist dies jetzt nicht der richtige Platz, um über den Herrn der Ringe zu diskutieren. Und ich verspreche, das ist das letzte von mir dazu.

    Ich meinte nicht die Lage von Mordor selbst. Ich meinte, dass die Völker, die Sauron unterstützen, aus dem Osten und Süden kamen (und es keine Völker aus Osten und Süden gibt, die gegen Sauron kämpfen):

    Z.b.: „Das war kein Angriff gegen den Dunklen Herrscher durch die Menschen von Gondor, auferstanden wie Rachegeister aus den Gräbern längst vergangener Tapferkeit. Diese hier waren Menschen von anderer Rasse, aus den gewaltigen Ostlanden, die sich auf den Befehl ihres Oberherrn einfanden;“ [nämlich um Sauron zu unterstützen]

    Oder: „Freilich, verflucht seien die Südländer!“, sagte Damrod. „Es heißt, einst haben Verbindungen bestanden zwischen Gondor und den Königreichen des Harad im Fernen Süden; obwohl es niemals Freundschaft war. Damals verliefen unsere Grenzen weit südlich jenseits der Mündungen des Anduin, und Umbar, das nächstgelegene ihrer Reiche, erkannte unsere Herrschaft an. … Nun haben wir letzthin erfahren, dass der Feind bei ihnen gewesen ist, und sie sind zu Ihm übergegangen oder zurück zu Ihm – sie waren immer geneigt, sich seinem Willen zu unterwerfen – wie auch so viele im Osten.“

    Die Südländer werden später als schwärzliche Menschen beschrieben.

    Vielleicht habe ich das auch einfach zu kritisch gesehen.

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  73. Ich glaube, es heißt „off-topic-gehen“, nicht „derailing“.“Off-topic-gehen“ ist das übliche vom-Hölzchen-aufs-Stöckchen kommen, das auch in normalen Gesprächen passiert, während „derailing“ bedeutet, dass man absichtlich die Diskussion auf ein anderes Thema lenkt, weil die aktuelle Diskussion einem nicht passt. (Etwa statt über Rassismus diskutieren über die Methoden diskutieren, mit denen Rassismus bekämpft werden soll.)

    Vielleicht schrreibe ich mal selbst darüber. Im Moment habe ich wieder Interesse an Tolkien, bei aller Kritik.

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  74. @susanna14 – Zwischen Hölzchen-aufs-Stöckchen und Dreailing ist der Übergang fließend. Es können Sachen „derailend“ wirken, auch wenn sie nicht so gemeint waren. Um diese letzteren Fälle geht es hier, also um „unabsichtliches“ Derailen. Absichtliches Derailen wäre ja noch schöner.

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  75. Ich hab Antje ja an anderer Stelle bereits zugestimmt und muss hier nur noch ein bisschen klugscheissen: Jim Knopf muss natürlich schwarz bleiben, Ende spielt ja mit der Hautfarbe auch in der Frage der Berufsschwärze von Lokomotivführern, aber da kann er ebenso gut ein Afrikaner wie ein Neger sein; auch Herrn Ärmels Bemerkung wird dadurch nicht weniger witzig. Viel wichtiger scheint mir aber der theoretische Hintergrund dieser Figur zu sein, den Julia Voss vor einigen Jahren aufgezeigt hat: es gibt nämlich einer historische Figur, die mit diesem Jim Knopf zu tun hat (http://www.faz.net/themenarchiv/2.1151/wirkung/darwin-jahr-2009-jim-knopf-rettet-die-evolutionstheorie-1741253.html) Und wenn irgendwer hier wirklich findet, Kinderbücher sollten in Zukunft Fußnoten haben (ich finde das lächerlich), dann bitte die zum realen Jeremy Button. Ich habe nicht den geringsten Zeweifel daran, dass Michael Ende selbst – so wie Ottfried Preussler – der Anpassung seiner Texte an den modernen Sprachgenbrauch zugestimmt hätte.

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  76. hab mich jetzt durch alle kommentare gelesen und mir fehlt ein wesentlicher aspekt, den glaub ich bisher nur barbara angesprochen hat: die position der mit dem wort bezeichneten. denn wesensmerkmal des n-worts ist sein entstehungskontext als fremdbezeichnung. weiße benennen schwarze — d.h. schwarze haben keine subjektposition, in der sie ihre bezeichnung selbst wählen, sondern sie sind objektifiziert und werden benannt. dazu gehört die objektifizierung der körper von schwarzen menschen als kolonisierte und sklaven. der entstehungskontext des n-worts ist also einer der absoluten objektifizierung dieser mit dem wort bezeichneten menschen. diesen kontext gab es immer, auch wenn weiße menschen ihn nicht mitdenken (wollen). (wieso auch, betrifft sie ja nicht.) so unterhielten sich weiße lange nur darüber, welche absichten sie so mit dem n-wort verbinden, ohne den entstehungskontext des wortes mitzudenken, und machen das zum größten teil ja immernoch. damit sind sie schon teil der rassistischen dimension dieses wortes: nämlich dessen verwendung als bezeichnung von weißen für schwarze unter alleiniger entscheidungshoheit der weißen. in dem fortwährenden ausblenden des entstehungskontextes und damit dem ausblenden der stimme der schwarzen bezeichneten wird das machtverhältnis reproduziert, das auch für die entstehung des n-worts ausschlaggebend war. weiße entscheiden, was sie mit schwarzen machen und eben wie sie sie bezeichnen.

    erst jetzt ändert sich das allmählich, weil schwarze zunehmend von mehr und mehr weißen als subjekte mit eigener stimme akzeptiert werden, die selbst über ihre bezeichnung entscheiden. mainstream ist das noch nicht, wie die n-wort-debatte zeigt.

    das wort wird also nicht plötzlich rassistisch, es war immer rassistisch. was sich ändert und ändern kann ist die bereitschaft von weißen, über den entstehungskontext, also die macht und gewalt des n-wortes, zu reflektieren und den mit diesem wort bezeichneten menschen eine subjektposition zuzugestehen, aus der heraus sie selbst entscheiden, wie sie bezeichnet werden wollen und welches wort sie als gewalt empfinden. eigentlich ganz einfach. aber für die meisten weißen deutschen ist das schwierig, wenn sie als kinder in der schule nichts von der deutschen kolonialgeschichte, dafür aber die benutzung des n-worts gelernt haben. das wollen sie jetzt als erwachsene nicht mehr hergeben. wenn wir weißen aus dem gewalttätigen und rassistischen kontext dieses wortes als lehre einfach ziehen würden, die mit diesem wort bezeichneten menschen ab sofort als subjekte zu akzeptieren, die selbst über ihre bezeichnung entscheiden, dann hätte sich die diskussion eigentlich erledigt.

    zwei lektüre-tips zum thema (klassiker, für viele sicher nicht neu:
    http://www.deutschlandschwarzweiss.de/
    http://www.unrast-verlag.de/gesamtprogramm/allgemeines-programm/antirassismus/wie-rassismus-aus-woertern-spricht-340-detail )

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  77. Durch Zufall bin ich in meiner Facebook-Timeline auf den Brief eines kleinen, dunkelhäutigen Mädchens an die ZEIT-Redaktion gestoßen.

    Mein erster Gedanke war zwar, dass es sich dabei wohl um die jüngste Zeit-Leserin aller Zeiten handeln müsse (was die Authentizität fraglich scheinen lässt), die darin enthaltenen Gedanken haben mich zugegeben aber nun doch auch über meine eigene Position nachdenken lassen.

    In den Kommentaren zu dem Foto (https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10200211126782992&set=a.1106609187565.2018155.1296852388&type=1&ref=nf) [an anderer Stelle, nämlich bei dem, der das Foto geshared hat] findet sich auch dieser Link: http://erenguevercin.wordpress.com/2013/01/20/die-sprachhygieniker-konnen-uns-schreiber-mal/ , der auch mein hier vertretenes Argument der „Abflachung“ der Sprache aufgreift.

    Das wollte ich noch mitteilen, weil ich denke, das beides interessante Punkte in der Diskussion sind.

    Zwischenzeitlich habe ich auch nochmal nachgedacht. Möglicherweise habe ich das Reflexionsvermögen jüngerer Kinder überschätzt, jedenfalls glaube ich nicht, dass die kleine Ishema die von den Erwachsenen geführte Diskussion mit Für und Wider versteht, sondern sich schlicht angegriffen fühlt. Möglicher- (natürlich nicht notwendigerweise) würde die ältere Ishema das Thema auch differenzierter betrachten.
    Meine erste Idee für einen Kompromissvorschlag wäre es gewesen, das empfohlene(!) Lesealter für Bücher mit älteren Texten hochzusetzen. Dies ist aber auch keine gute Lösung, weil die Geschichte des Buches dann nicht mehr zu den Interessen der Zielgruppe passt.

    Insgesamt ist das Thema doch schwieriger als ich auf den ersten Blick angenommen hatte. Ich finde die Argumente, die ich gegen eine Abwandlung aufgeführt habe nach wie vor passend (und ja, auch das „noch nicht“-Argument), aber ich sehe das Beibehalten nun etwas problematischer.

    Eine wirkliche Lösung zu dieser Zwickmühle sehe ich noch nicht, allerdings macht der Brief auch irgendwie klar, dass es bei der Diskussion (und bei vielen anderen) eben doch um verletzte Gefühle geht.

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  78. Danke für einen durchdachten Beitrag ohne Polemik und eine im Großen und Ganzen wertschätzende Diskussion, ich befürchte die Einzige, die ich seit der Bekanntgabe des Verlags, rassistische und nicht mehr verständliche Worte in verschiedenen Kinderbüchern zu ändern, gelesen habe. Zum Anlass oder Anstoß: die Änderungen in „Die kleine Hexe“ werden auf Veranlassung der Familie Preussler und in Absprache mit dem Autor vorgenommen – for what it’s worth. Als Auslöser gilt eine Beschwerde von Mekonnen Mesghena, Leiter des Referats Migration & Diversity an der Heinrich-Böll-Stiftung, der das Buch seiner kleinen Tochter lesen wollte und auf diese „rassistischen und ausschließenden“ Begriffe (Quelle: taz.de; http://www.taz.de/!108466/) stieß. Soviel zum Thema, wie solche Begriffe in Kinderbüchern auf Schwarze Deutsche wirken mögen.

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  79. „Und wenn irgendwer hier wirklich findet, Kinderbücher sollten in Zukunft Fußnoten haben (ich finde das lächerlich)…“

    Aber nicht, weil Kinder nichts mit Fußnoten anfangen könnten ( das können sie ), sondern weil der Inhalt der Fußnoten hier die Eltern addressieren soll, nicht die Kinder, und erstere werden wohl kaum das Buch auf Fußnoten scannen.

    Solche Information, wie sie hier gewünscht wird, gehört natürlich ( alles andere ist in der Tat lächerlich ) in ein Vorwort für die Eltern, Erzieher usw.

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  80. „Oder aber der betreffende Autor oder die Autorin war im damaligen Kontext eher auf der antirassistischen Seite (ich denke zum Beispiel an die Bücher von Harriet Beecher-Stowe, die eine engagierte Kämpferin gegen die Sklaverei war, deren sprachliche Formulierungen aber zum Teil trotzdem rassistisch sind, vor dem Hintergrund all dessen, was in den seither vergangenen 150 Jahren diskutiert und herausgearbeitet worden ist) – dann wäre es geradezu eine Verfälschung des Originaltextes, solche Formulierungen einfach weiter so stehen zu lassen.“

    Die Argumentation lässt einen wichtigen Aspekt vermissen, nämlich den historischen Kontext, in dem das Buch geschrieben wurde. Und m. E. kommt es bei der Rezeption eines Buches nicht auf den Kontext an, in dem die Rezipienten leben, sondern auf den Kontext, in dem der Autor lebte und in dem die Geschichte spielt. Man zerstört jegliche historische Einbettung eines Buches mit solchen Umformulierungen, und beraubt ein Buch damit eines Großteils seines Kontextes und seiner Bedeutung. Ich will mal ein Beispiel geben, das mich selbst betrifft. Charles Dickens nennt in „A Christmas Carol“ Tiny Tim „cripple“. Aus dem Kontext ist eindeutig ersichtlich, dass das mitnichten diskriminierend und negativ gemeint ist. Folgt man deiner Argumentation, müsste man das in neueren Versionen mit „a person with special needs“ austauschen, weil „cripple“ mittlerweile einen Bedeutungswandel erfahren und sehr diskriminierend verwandt wird. Ich hoffe, jedem wird klar, wie absurd das im Rahmen eines klassischen Werks wäre. Ich als Mensch mit Behinderung würde den zuständigen Verlag höchstpersönlich fragen, ob man noch alle Tassen im Schrank hat.

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  81. Danke für deine interessante und klare Stellungnahme, Antje!

    Ich wünsche mir, dass diejenigen, die aus diesem Anlass eine überzogene Grundsatzdebatte entfacht habe, sich einfach mal die Presseerklärung des Thienemann-Verlages durchlesen.

    „Die Entscheidung des Thienemann Verlags, den Kinderbuchklassiker „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler zu modernisieren, hat einen Diskurs in der Presse und in Internet-Foren entfacht. Zum Teil werden in der Diskussion falsche Behauptungen weitergegeben, die auf einer ungenauen Recherche fußen, weshalb in der folgenden Stellungnahme die Position und Entscheidungsfindung des Verlags noch einmal erläutert werden.“

    „Weil uns die Texte so wichtig sind, glauben wir, dass sie im Laufe der Zeit bedachtsame Bearbeitungen benötigen. Sie würden sonst für Kinder unverständlich und nicht mehr gern gelesen werden.

    „Sprache beeinflusst das Bewusstsein und wo ein diskriminierender Begriff vermieden werden kann, halten wir es für vernünftig ihn wegzulassen.“

    http://cms.thienemann.de/index.php?option=com_content&view=article&id=632:erklaerung-zur-modernisierung&catid=15:news-artikel&Itemid=29

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  82. @sibiuaner „weiße benennen schwarze…“ und Schwarze benennen Weiße.

    Ich erinnere mich an einen Besuch in Uganda vor Jahren. Die ganzen Wochen des Aufenthaltes wurde uns das Wort „mzungu“ nachgerufen oder es machten sich Schwarze gegenseitig auf uns aufmerksam und das in allen Sprachschattierungen von wohlwollend freundlich bis aggressiv war alles dabei.
    Auf Nachfragen wurden wir mit immer neuen Varianten des Wortsinns bekannt gemacht. Reicher / Weißer / Europäer / Weißer Mann / Verrückte / Fremde

    http://blog.eastafrica.de/was-zum-teufel-ist-ein-mzungu.htm

    @C.Rosenblatt
    „Selbst wenn alle Bücher dieser Welt umgeändert werden würden- die Originale sind doch nun mal so wie sie sind und sie sind neben ihrer Eigenschaft als Werte- und Normenträger- eben auch Zeitzeugen.
    In der Realität diese Worte eben nicht mehr so zu verwenden macht, denke ich, mehr her, als Bücher zu verändern…“

    Das sehe ich ähnlich. Wobei dann manche Bücher wirklich in Museen verschwinden sollten.

    Weiterhin könnte ich mir auch Änderungen in den Büchern vorstellen, wenn die Intention des Textes erhalten bleibt. Doch dann frage ich mich „Wer darf das Buch überarbeiten?“; „Wer entscheidet, welche Wörter ersetzt werden?“

    Einen Punkt bei „astefanowitsch“ finde ich besonders interessant – das Wesen des Verlegers ist das Verlegen -, was man bei der Diskussion auch nicht ganz außer Acht lassen sollte.

    Übrigens, darf ein Verlag, nach jetzigem Urheberrecht, die Texte ändern, wenn die Autorin noch nicht 70 Jahre tot ist?

    Das N-Wort war nie in meinem Denken, wenn ich es las oder hörte hat es mich verstört und unangenehm berührt. Ich fand es zu jeder Zeit überflüssig.

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  83. Ich habe Pippi Langstrumpf im Fernsehen kennen gelernt. Ich mochte ihren Vater nicht (in der Erinnerung vermischt er sich irgendwie mit Bud Specer) und fand seine Betätigungen in der Südsee befremdlich, auch wenn ich nicht mehr weiß, ob er Pirat, Seeräuber oder Negerkönig genannt wurde oder alles drei. Ich werde mal meine Nichte Annika (!) fragen, was der Pippi-Vater von Beruf ist.

    Ich glaube nicht dran, dass man so ein Seeräuber-Heldentum derart umschreiben kann, dass es am Ende zeitgemäß und menschenfreundlich ist. Genau genommen müsste man die Bücherregale entrümpeln und nicht nur Pippi Langstrumpf in Rente schicken. Aber die Verlage wollen halt weiterhin ihr altes Zeug verkaufen, anstatt in junge Autoren zu investieren, und deshalb wird oberflächlich renoviert. Wir reden ja hier von Wirtschaftsunternehmen. (Christian Söder bloggte gar zum Thema: „Unternehmerische Freiheit ist zu respektieren“)

    Die unveränderten Originalfassungen haben tendenziell den Vorteil, dass man viel schneller merkt, wie antiquiert auch die Inhalte sind. Viele gibt es ja wegen der abgelaufenen Urheberrechte gratis im Netz. Ein Beispiel:

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  84. @ hundertstelsekunde
    hat aber nichts mit der rassistischen dimension des n-worts zu tun, dass sich auf ein konkretes historisches/ andauerndes machtverhältnis weißer europäischer kolonialisierer von schwarzen menschen bezieht. hat auch nichts mit der reflektion eines weißen menschen über seine eigene rassistische sprache zu tun. historisch präzise oppositionen zum n-wort wären in dem beschriebenen kontext für weiße ja „arier“, „kolonialisierer“ oder „sklavenhalter“, insofern scheint mir „Reicher / Weißer / Europäer“ krass überhöflich. aber ich kann mir vorstellen, ein besuch als weißer deutscher in uganda hinterlässt sicherlich viele weitere eindrücke, die zur reflektion über kolonialismus und sklaverei anregen. besonders im persönlichen gespräch mit schwarzen menschen über unterdrückungs-erfahrungen der eltern, großeltern … oder?

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  85. Nun auch Denis Scheck *seufz*: http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/druckfrisch/sendung/denis-scheck-sprache100.html
    Das ist schon eine Absurdität: Scheck betont, Sprache sei lebendig und wandelbar und gerade junge Leser sollten lernen, dass der Gebrauch der Sprache einem steten Wandel unterliege – und genau das nimmt er zur Begründung, alles so zu lassen, wie es da steht.
    Vgl. a. die SZ dazu: http://www.sueddeutsche.de/medien/denis-scheck-zur-aktuellen-kinderbuch-debatte-mit-schwarzem-gesicht-fuer-den-neger-1.1585084

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  86. @sibiuaner Ja, da hast du recht. Es ist eine ganz andere Dimension. (vielleicht habe ich deinen Kommentar nicht richtig verstanden)

    Als weiße Deutsche habe ich viele weitere Eindrücke sammeln können ob in Slums, Kriegsgebieten oder einfach auf der Straße. Das Thema Kolonialismus ist überall präsent, wenn man die Augen aufmacht.

    Trotzdem waren die persönlichen Gespräche mit Schwarzen eher geprägt von Themen wie der Mangel- oder Fehlernährung, dem Zugang zu sauberem Wasser oder AIDS und AIDS-Prävention bzw. sprachen wir über Dinge wie hier auch – also über Leben, Lieben, Wohnen, Essen, Freude, Ernte, Preise, Schule usw.

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  87. Danke für diesen wunderbaren Beitrag, der genau das auf den Punkt bringt, was ich gerne zu dem Thema gesagt hätte, wenn ich die richtigen Worte gehabt hätte. Jetzt hab ich sie!

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  88. Liebe Antje,
    gestern habe ich mit meinem Englisch Leistungskurs eine Rede von Martin Luther King gehört (die mountaintop-spreech); er spricht ganz selbstverständlich von „negros“. Bis dato hatte ich keine abschließende Meinung zu der Debatte, nur ein Bauchgefühl, „nein, niemand darf Astrid Lindgren ändern!“, als ich diese Rede hörte, blitzte der Gedanke auf: Müssen wir nun auch Martin Luther King umschreiben? Die Identifikationsfigur der Bürgerrechtsbewegung, neben Rosa Parks (die das Wort sicher auch verwendet hat, müsste ich überprüfen)? Bei ihnen greift Deine Harriet Becher-Stowe Argumentation nicht, finde ich.
    Schwierig.
    Schöne Grüße
    Katrin

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  89. @Katrin – ich wette, wenn Martin Luther King die Rede heute halten würde, würde er das Wort nicht mehr verwenden. Das ist meiner Meinung nach das Kriterium. Wobei es ja nicht darum geht, historische Reden zu verändern (die immer als historische gelesen werden müssen), sondern um Kinderbücher, die im aktuellen Gebrauch bleiben sollen.

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  90. Vor längerer Zeit las ich das Buch „Der Tag, an dem sie das Buch verhaften wollten“ von Nat Hentoff. Es geht um das Problem, ob „Huckleberry Finn“ in der Schulbibliothek stehen darf oder nicht. Ein schwarzer Schüler äußert sich so: „Huckleberry Finn benutzt dieses Wort, weil das zu seiner Zeit in seiner Umgebung eine ganz natürliche Sache war. Viele schlechte Dinge geschehen ganz natürlich, Sir. Deswegen ist es so schwierig, das Schlechte in einem selbst zu überwinden. Aber Huckleberry Finn, der empfindet oder meint das Wort ‚Nigger‘ nicht so wie die erwachsenen Weißen. Er betrachtet Schwarze nicht als ‚Nigger‘, obwohl er das Wort benutzt. Er betrachtet Jim als Mann, als Mann, der frei sein sollte, und er gibt sich Mühe, ihm zu helfen, frei zu bleiben…“ (S.151)
    Heute sagen wir brav Sinti und Roma statt Zigeuner, aber wir schieben sie in den Kosovo ab, d.h. wir verhalten uns ihnen gegenüber im Rahmen unserer heutigen Möglichkeiten genauso rassistisch wie unsere Altvorderen.
    Und wer ist eigentlich kein „Mensch mit Migrationshintergurnd“, wenn er nur weit genug zurückdenkt?
    Marie

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  91. Der Denkansatz gefällt mir und ich kann ihn sehr gut nachvollziehen. Ich bin mir jedoch noch uneins, ob ich es im Ergebnis auch so sehe, denn ein Buch ist als Kunstwerk doch mehr als nur der vermittelte Inhalt. Es ist ein Gesamtgebilde, dessen Sprache, Wortwahl, es zu dem macht, was es ist. Astrid Lindgrens Bücher leben von dem Inhalt ebenso sehr, wie von ihrer wundervollen Sprache, Daran etwas zu ändern, den Eingriff in das Originalwerk zu wagen, bereitet mir Bauchschmerzen. Möglicherweise muss ich mit diesen Bauchschmerzen leben, weil das Argument des Kontexts stärker wiegt. Aber es stellen sich die unheimlich schwierigen Fragen, wer entscheidet, wann eine Grenze überschritten ist und was da nun stehen darf. Und fliegt Pippi dann irgendwann zum Mond, weil die Südsee untergegangen ist? Nicht so leicht.

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  92. @sebastianstein: Die Kritik, dass jetzt im öffentlichen Raum Frauen explizit in Ansprachen wie „Bürgerinnen und Bürger“ mitgenannt werden als Diktat von oben finde ich seltsam. Das war ja nichts, was sich Behörden und Politikbetreibende ohne Anstoß von unten ausgedacht haben. Natürlich nicht alle von unten, aber offensichltich genügend Leute bzw. mit genügender darstellung der bedürfnisse an sprache. Denn auch das ist eine Aufgabe von Sprache, Bedürfnisse der Sprechenden zu erfüllen. Bedürfnisse zur Sprachveränderung hängen mit den Erfahrungen zusammen, die mit dem Wortgebrauch einhergehen. Das was heute gern als zeitabhängige politisch korrekte Wortglauberei diffamiert wird und als von oben aufgedrängt hat seinen Ursprung nicht in Behörden, sondern nicht selten bei Leuten ganz unten in der Hackordnung. Und vor allem, was ist oben? Ist es die starke Masse, der der viel Geld hat, der Politiker?
    Eine öffentliche Ansprache als Diktat zum eigenen Sprachgebrauch zu interpretieren finde ich sehr gewagt. Das sind zwei unterschiedliche Register. Wenn Sie aus persönlichen Gründen einen als poltisch korrekt bezeichneten Sprachgebrauch ablehnen und ihn privat nicht verwenden ist das etwas anderes.
    Auch wenn der Urspung von , z.B. gegenderter Sprache, „oben“ liegen sollte, ich hier unten nehme sie gern an, freue mich über sie, sie kommt mit entegegen, ist oft eine Erleichterung, damit also ein wunderbar natürlicher Sprachwandel.

    Das war jetzt wohl off-topic, aber eine Antwort zu einem Beitrag weiter oben.

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