Ganz oben. Eine „weibliche Führungskraft“ erzählt

ganzobenSo richtig viel Neues darüber, wie es in den Top-Führungsebenen von Unternehmen zugeht, ist aus dem Buch nicht zu erfahren, aber es ist noch einmal schön aufgeschrieben und wird anhand von allerlei konkreten Geschichten anschaulich. Die anonyme Autorin erzählt aus ihrem Leben in der oberen Managemant-Etage. Hat man in einem Tag durchgeschmökert.

Neben den schon fast schon zum Klischee verkommenen Running-Gags à la „Wer hat den Größten?“ (den größten Dienstwagen, das größte Büro, Gähn) fand ich vor allem interessant, wie sehr gutes Benehmen in diesen Ebenen offenbar abgelegt werden muss, um es „zu etwas zu bringen“. Mich in meiner Naivität können Informationen wie die noch schocken, dass man, wenn man mit Top-Managern eine gemeinsame Antipasti-Platte gereicht bekommt, keinesfalls darauf warten darf, dass sie einer was übrig lassen – wer sich nicht mit Ellenbogen seinen Anteil verschafft, knabbert am Salatblatt.

Oder auch die, dass Praktikumsplätze ganz ungeniert so vergeben werden, dass zuerst die hübschesten jungen Frauen aussortiert werden, um dann unter denen die Qualifizierteste zu nehmen – das Auge isst ja sozusagen mit. Übrigens gelte das Prinzip „Schönheit hilft weiter“ dann aber jenseits des Praktikumsplatzes nicht mehr, schreibt Anonyma. Eine Frau, die in eine Führungsposition kommen will, dürfe weder besonders hübsch noch besonders hässlich sein, sondern muss mittelmäßig aussehen. Klar: Wenn der Mann gegenüber unbedingt mit dir ins Bett will, wird er nicht zuhören, und wenn er sich bei der Vorstellung, mit dir im Bett zu liegen, ekelt, wird er dir auch nicht zuhören.

Ich kann nicht beurteilen, inwiefern das alles noch immer so stimmt, weil ich soziale Orte, an denen ich allein unter Männern bin, meide – dort gefällt es mir nicht. Aber ich finde es gut, wenn diejenigen Frauen, die dort sind und sein wollen, anfangen, über ihre Erlebnisse zu sprechen, allein schon, damit die Diskussion in Gang kommt. Wenn das dann andere dazu bringt, zu beschreiben, was sie anders erleben,  umso besser.

In der Zusammenschau machen die erzählten Begebenheiten auf jeden Fall klar, dass Führungspositionen in Unternehmen immer noch sehr eng mit einer bestimmten Performanz von Männlichkeit verknüpft sind. Es geht hier nicht um die möglichst effektive Organisiation von Wirtschaftsleben, sondern es geht um ein „männliches Imaginäres“, das in einer ermüdenden Endlosschleife immer wieder reproduziert wird.

Und das ist auch das Dilemma jeder Frau, die sich hier bewegt: Ein Mann, der Chef wird, vergrößert seine Männlichkeit. Eine Frau, die Chefin wird, vergrößert jedoch nicht ihre Weiblichkeit, im Gegenteil, sie setzt sie aufs Spiel. Solange das so bleibt, werden diese Positionen für Frauen unweigerlich weniger attraktiv sein. Sie haben dort einfach viel weniger zu gewinnen als Männer.

Anonyma bringt das so auf den Punkt: „Im Prinzip muss man als Frau ein Mann sein, um Karriere zu machen, doch man darf sich keinesfalls so verhalten wie ein Mann. Man muss es schaffen, als Frau geschlechtsneutral betrachtet zu werden und trotzdem die Kompetenzen, die man als Frau mitbringt, einzubringen. Dann kann es funktionieren.“

Anonyma: Ganz oben. Aus dem Leben einer weiblichen Führungskraft. H.C. Beck, München 2013, 160 Seiten, 14,95 Euro.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

36 Gedanken zu “Ganz oben. Eine „weibliche Führungskraft“ erzählt

  1. Bei meiner Arbeit habe ich schon häufiger Einblicke in die so genannte Führungsebene in diversen Unternehmen gewährt bekommen. Und alles das, was du als Beispiele aus dem Buch angeführt hast, ist mir durchaus nicht unbekannt.

    Ich bin der Meinung, dass Hierarchien nicht gerade das Beste im Menschen hervor bringen. Oben wird die Luft dünn. Will heißen, dass oben überhaupt nur wenige Plätze zur Verfügung stehen und auf die muss mensch sich mit Ellenbogenkraft hinauf kämpfen und sie verteidigen. Dazu gehören Machtdemonstrationen genauso wie die Verbrüderung auf einer Ebene. Diese Verbrüderungen sind meiner Ansicht nach nicht auf die oberste Ebene beschränkt.

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  2. Ich glaube schon, dass Männer den Aufstieg in der beruflichen Dominanzhierarchie als Teil ihres „Mannseins“ begreifen.

    Eine Frau, die Chefin wird, vergrößert jedoch nicht ihre Weiblichkeit, im Gegenteil, sie setzt sie aufs Spiel.

    An dieser Stelle wäre zu klären, was für eine „Weiblichkeit“ das eigentlich sein soll.
    Wenn es „Weiblichkeit“ im Sinne von Schwäche und Unterordnung sein soll, dann wärs wohl wenig schade drum.
    Ich glaube allerdings nicht, dass Frauen Führungspositionen anstreben, um ihre „Weiblichkeit“ zu vergrößern. Das halte ich auch für ein unlauteres Motiv, für beide Geschlechter.

    Solange das so bleibt, werden diese Positionen für Frauen unweigerlich weniger attraktiv sein.

    Für Frauen, die auf „weibliche“ Stereotype wert legen – ja. Für andere nicht.

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  3. @horst sabine sehe ich nicht so, es gibt auch „weibliche“ Kräfte, die nichts mit den Klischee-Weiblichkeits-Vorstellungen zu tun haben, wie z.B. Intuition, Herz statt Kopfdenken, soziale/weiche Kompetenzen wie Miteinander statt gegeneinander, die Einsicht (z.B. auch aus dem Buddhismus), dass wenn ich für das Beste aller eintrete, ich auch für mich das Beste tun kann versus ein Ego-Denken, dass mich in den Mittelpunkt stellt. Vielleicht sollten Führungspositionen eben nur demokratisch gewählt werden und nicht von Machthabern weitergegeben. Aber wie könnte man das einführen?

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  4. es gibt auch “weibliche” Kräfte, die nichts mit den Klischee-Weiblichkeits-Vorstellungen zu tun haben

    Das habe ich nicht bestritten.

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  5. Sie schreiben, in dem Buch geht es „um ein männliches Imaginäres, das in einer Endlosschleife immer wieder reproduziert wird“… Nun, das wird sich auch so schnell nicht ändern, meiner Ansicht nach. Ich habe sehr viele Jahre als sog. „rechte Hand“ des obersten Chefs mit sehr viel Freude in einem internationalem Unternehmen gearbeitet, kann aber verstehen, dass die Dame sich „Anonyma“ nennt. Wenn rauskommen sollte, wer sie ist und wo sie arbeitet, war sie mal eine Führungskraft. Entweder man ist zu sich und dem Unternehmen in dem man arbeitet loyal oder man schreibt ein Buch darüber. Und das ist – nicht nur in den Augen der Männlichkeit – illoyal. Das ist Fakt. Es ist wie es ist.

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  6. Zitat Antje Schrupp: „Es geht hier nicht um die möglichst effektive Organisiation von Wirtschaftsleben, sondern es geht um ein “männliches Imaginäres”, das in einer ermüdenden Endlosschleife immer wieder reproduziert wird.“

    Bei unserer Wirtschaft geht es nur um eins: Um Profitmaximierung; dass ist gesellschaftlich so gewollt, widersprechen tut da so gut wie niemand, und es ist weitestgehend geschlechts- oder gender-unabhängig.

    Das Grundproblem des modernen Indutrie- und Finanzkapitalismus ist das „männliche Imaginieren“? Ist das nicht vielleicht ein ganz klein wenig kurz gesprungen?

    Aber klar, so klappts wenigstens mittem Kapital und deren VertreterInnen…

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  7. @Reinecke – ich wollte nicht alle wirtschaftspolitischen Problemstellungen in diesem Post behandeln :)) – allerdings dass Profitmaxierung geschlechtsneutral ist, bezweifle ich. Frauen und Männer haben ein sehr unterschiedliches Verhältnis (im Schnitt) zu Geld und seiner Bedeutung.

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  8. Das war konkret auf des Widersprechen bezogen, da kann ich nicht behaupten, dass gesellschaftlich oder privat wahrzunehmen. Jegliche Wirtschaftspolitik bzw jegliches Denken über Wirtschaft, das sich nicht am neoliberalen Credo ausrichtet, ist weitestgehend marginalisiert und unhörbar gemacht. Die paar Stimmchen, die bleiben, stechen mE nicht durch ein bestimmtes Geschlecht hervor. Aber gut, weites Feld & Wahrnehmung und so…

    Konkret deshalb fand ich den Hinweis, das gerade bei Fragen der Wirtschaft paradoxerweise Fragen der Wirtschaft zunehmend gar nicht thematisiert werden, aber wichtig. ;=)

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  9. Noch eine Anmerkung, weil es mir gerade im Kopf herum geht; auch wenn es eigentlich gar nicht mehr zu Thema gehört.

    Geht es denn wirklich um ein möglichst *effektive* Orginsation des Wirtschaftslebens? Und was bedeutet dabei Effizienz? Du hast in anderen Blog-Einträge viel Interessantes über die Beziehung zwischen Menschen geschrieben. Diese Beziehungen spielen auch im Wirtschaftsleben eine wichtige Rolle, wenn es nicht ums Geschlecht geht; seien es die zwischen Kollegen, innerhalb des Managements, aber auch die zwischen Vorgesetzten und Untergeben, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Kunde und Lieferant. Wenn das Ziel in einer Maximierung der Effizienz besteht, was sagt das über die betroffenen menschlichen Beziehungen aus? Wie gewichten sich diese überhaupt im Wirtschaftsprozess, der vor allem Waren und Dienstleistungen erzeugen soll?

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  10. Bei unserer Wirtschaft geht es nur um eins: Um Profitmaximierung; dass ist gesellschaftlich so gewollt, widersprechen tut da so gut wie niemand, und es ist weitestgehend geschlechts- oder gender-unabhängig.

    Schön wärs. Dann ginge es nämlich allein um Leistung und nicht um Schwanzlängen.
    In mittelständischen Familienunternehmen kann das sogar zutreffen. In größeren Zusammenhängen geht es den Meisten leider nur um die Maximierung des persönlichen Profits.

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  11. @Reinecke: Ich finde den Zusammenhang zwichen wirtschaften und Beziehungen, den Du nennst ein wichtiges Thema. Wirtschaften soll meiner Meinung nach nicht in erster Linie Waren und Dienstleistungen erzeugen, sondern lebensnotwendige Dinge und Tätigkeiten ausüben: z.B. Salat auf den Tisch bringen, ob aus dem eigenen Garten oder aus dem Supermarkt, oder z.B.die Küche putzen, ob dabei selber den Lappen in die Hand nehmen oder die Putzfrau/(-mann?) bezahlen oder einen Roboter dafür anschaffen – alles wirtschaften. Es geht immer um das Lebensnotwendige bzw. ein darüber hinaus. Das hat erst mal gar nichts mit Ware/Dienstleistung oder selbst erzeugt/selbst gemacht zu tun. Also gibt es auch Freiheit: man kann Ware und Dienstleistung verwenden, aber man muss es nicht tun und tut sowieso schon die ganze Zeit nicht nur das. Wenn meine Eltern z.B. sich um ihre alten Nachbarn gekümmert haben, war das weder Ware noch Dienstleistung, aber eine notwendige und sinnvolle Tätigkeit – also = wirtschaften. Und das ist der Ausgangspunkt, um zu überlegen: wie AUS DIESEM BLICKWINKEL Beziehungen gestalten? – Das ist Neuland im bisherigen „Wirtschafts“verständnis einerseits. Andererseits ist es altbekanntes Land, weil
    es viel Erfahrung mit „Wirtschaften“ im privaten und ehrenamtlichen Bereich gibt und auch im Kleingewerbe, das sowas halbprivates hat. Z.B. die Kneipe an der Ecke oder die Kassiererin beim REWE, mit der man sich schon seit Jahren kennt.

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  12. Anonyma, aha. Vielleicht würde das Buch ja von einer Sekretärin oder prekär arbeitenden Journalistin geschrieben, die aus Beruf und Privatleben ein paar Narzissten kennt und ihr Einkommen aufstocken will 🙂

    Wenn sich Frauenpolitik auf Quoten für den Vorstand reduziert, kann man schon mal auf die Idee kommen, die passende Ware auf den Buchmarkt werfen. Amazon-Bestseller-Rang 283, nicht schlecht.

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  13. Was interessant sein könnte: In ein paar Monaten die Amazon-Leserrezensionen mit denen von „Unter deutschen Betten: Eine polnische Putzfrau packt aus“ vergleichen.

    Ich habe von der Putzfrau ein paar Seiten in der Bahnhofsbuchhandlung gelesen und fand es ganz passabel. Auf Amazon geben 39 von 88 Rezensenten nur einen Stern…

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  14. Ja glauben Sie denn im Ernst, dass es männlichen Mitarbeitern gefällt, wenn sie nur von Macho-Idioten „geführt“ werden? Die Masse der männlichen Arbeitnehmer hat darunter genauso zu leiden.

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  15. „Frauen und Männer haben ein sehr unterschiedliches Verhältnis zu Geld und seiner Bedeutung“. Im Schnitt möglicherweise, nicht aber in den Führungsetagen eines Konzerns. Aber vielleicht passt das ja zu der Aussage, dass weibliche Führungskräfte sich wie Männer benehmen müssen. Stimmt auch in der Politik erstaunlicherweise meistens.

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  16. „Solange das so bleibt, werden diese Positionen für Frauen unweigerlich weniger attraktiv sein. Sie haben dort einfach viel weniger zu gewinnen als Männer.“

    Danke! Mein Punkt, der auch gegen die Frauenquote geht. Diese bieten den Frauen die wirklich rein wollen eine, wenn überhaupt, fragwürdige aufstiegschance, welche es in dieser „ich hab den größten“-Mentalität nur einen schweren Fuß macht. Und ich wette, dass das sonst irgendwann für die Quotenstellen so aussieht:

    „Oder auch die, dass [Stellen] ganz ungeniert so vergeben werden, dass zuerst die hübschesten jungen Frauen aussortiert werden, um dann unter denen die Qualifizierteste zu nehmen – das Auge isst ja sozusagen mit.“

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  17. „In größeren Zusammenhängen geht es den Meisten leider nur um die Maximierung des persönlichen Profits.“

    In „größeren Zusammenhängen“ ist die Maximierung des persönlichen Profits allerdings auch häufig eine direkte Folge der Maximierung der Rendite der größeren Anleger – natürlich mit Ausnahmen.

    Wie da überhaupt auch die Identifikation mit dem Unternehmen das ganze Leben bestimmt.

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  18. Es hat doch keinen Sinn, das Top-Management mit allen Führungspositionen in einen Topf zu werfen. Filialleiter im Supermarkt oder Leiterin der Stadtbücherei ist auch eine Führungsposition, man braucht dafür aber weder Rasierklingen an den Ellenbogen noch eine narzißtische Persönlichkeit. Eher die Bereitschaft, für wenig Geld viel Verantwortung zu tragen.

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  19. Wunder mich auch etwas über diese mal wieder arg holzschnittartigen Darstellungen.

    In meiner Familie gibt es einen Manager bei einem grösseren Energiekonzern und eine Präsidentin einer öffentlichen Einrichtung.

    Beide verdienen vergleichsweise normal bis bescheiden und keiner hat je von „Schwanzlängenvergleichen“ berichtet.

    Ok – der eine war mal bei einem grossen deutschen Autobauer und ging dort weg, weil sich die Leute dort gegenseitig die Rübe einschlagen, um aufzusteigen – übrigens Frauen wie Männer.

    Bin selbständig mit kleiner Firma und habe auch öfter mal Kontakt mit Inhabern oder Geschäftsführern von kleineren Unternehmen/Familienunternehmen – die Atmosphäre ist in der Regel völlig entspannt.

    Vielleicht sollte man – vor allem, wenn man die Leute, um die es geht, gar nicht persönlich kennt – nicht unbedingt auf die Darstellungen abfahren, die die eigenen Vorurteile bestätigen?

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  20. @Antje – „lassen wie es ist geht ja auch nicht.“ – Zustimmung.

    Deshalb halte ich es für notwendig , wenn mannfrau sich darüber noch mehr Gedanken macht um miteinander zu mitmenschlichem Wirtschaften zu kommen, siehe Beitrag von @corneliaroth und dein http://gutesleben.org/ .

    Dies berührt auch die Thematik, welche du mit Benni Bärmann im letzten Podcast bezüglich “ Macht und Politik sind nicht dasselbe“ diskutierst: Die Frage, ob und wie Frauen (Männer vermutlich mitgemeint), das Richtige tun können im Falschen?

    Ich verstehe dich so, dass mit dem richtigen Tun im Jetzt auch falsche Systeme im Morgen verändert werden können. Doch ohne das altbekannte „Das Bewußtsein bestimmt das Sein“ (und umgekehrt), dürfte es nicht gehen.
    Ansonsten besteht weiter die Gefahr, dass Frau bloß bienenfleißig mitwirkt an der Stabilisierung von Unterdrückungsstrukturen und Systemen – oder?

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  21. Rosenmontagsgedanke:
    Natürlich haben Frauen das gleiche Recht wie Männer im Falschen sinnlos beschäftigt zu sein!

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  22. Zitat Irene: „Filialleiter im Supermarkt oder Leiterin der Stadtbücherei ist auch eine Führungsposition, man braucht dafür aber weder Rasierklingen an den Ellenbogen noch eine narzißtische Persönlichkeit. “

    Filialleiter in einem Discounter ist ein Knochenjob, der aber Aufstiegschancen bietet; wer ist denn für die miesen Arbeitsbedingungen bei Lidl & Co. direkt verantwortlich, wer setzt den Druck des höheren Managments auzf die Mitarbeiter durch? Die Filialleiter.

    Zitat corneliaroth: „Es geht immer um das Lebensnotwendige bzw. ein darüber hinaus. Das hat erst mal gar nichts mit Ware/Dienstleistung oder selbst erzeugt/selbst gemacht zu tun. “

    Gut, meinethalben: „das Dinge erledigt werden“; in einer industrialisierten, hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft wird da das „selber machen“ aber mangels Möglichkeiten die absolute Ausnahme sein. Beim Putzen klappts gerade noch, je nach Fach auch noch für die Hausaufgabenhilfe für die Kinder, aber für die allermeisten Dinge/Leistungen des alltäglichen Bedarfs bedarf es der Ret-Gesellschaft; was zur Frage des Austauschs führt, das dieser bewertet werden muss etc.pp.

    Ich wollte mit den Begriffen Waren/Dienstleistungen bestimmt nicht sagen, dass diese kapitalistisch gehandelt werden *müssen*, mir geht’s ja gerade um ein Weiterdenken über Profitmaximierung hinaus; aber es geht um einen gesellschaftlichen Austausch- und/oder Koordinierungsprozess. Die Subsistenzwirtschaft oder der verwandtschaftliche Austausch als Grundlage des Wirtschaftens ist und bleibt Geschichte.

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  23. Huhu, habe mehr ’ne allgemeine Frage; Du (Antje Schrupp) verwendest ja das Indefinitv-Pronomen „man“ und nicht etwa „mensch“, ähnliches oder verzichtest ganz auf Indefinitiv-Pronomen wie diese. Hat es ein Grund, dass du hier nicht der, von wie mir scheint, häufig bevorzugten Sprachregelung unter Feminist_Innen, folgst?

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  24. @Gramsci – „man“ versuche ich sowieso so selten wie möglich zu benutzen, und ich assoziiere es auch nicht mit „Mann“ (jedenfalls nicht mehr als „mensch“, der „Mensch“ ist eigentlich auch eher männlich 🙂

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  25. @corneliaroth:

    „Das ist Neuland im bisherigen “Wirtschafts”verständnis einerseits. “

    Nein, eigentlich nicht – das es unterhalb der Ebene des marktwirtschaftlichen und kapitalistischen Austauschs die sehr beharrungsfähige sogenannte „materielle Welt“ gibt, ist z.B. eine der Kernthesen des Historikers Fernand Braudel gewesen.

    Die steht aber keineswegs antagonistisch der Marktwirtschaft gegenüber, sondern ganz im Gegenteil, eher ein wenig wie im Verhältnis kommunizierender Röhren.

    Je besser die eine funktioniert ( also je mehr Tätigkeiten profitabel, zu erschwinglichen Preisen und in guter Qualität durch die Marktwirtschaft realisiert werden können ), umso kleiner ist der andere Bereich ( also der des Selbertuns, der Schwarzarbeit, der Nachbarschaftshilfe ) und umgekehrt. Auch Aufgaben des Staates gelten nicht allesamt als marktwirtschaftlich sinnvoll bereitstellbar – sie sind sozusagen eine organisierte Form solcher „materieller Welten“.

    Viele Wirtschaftler haben z.B. nach der Ölkrise in den Siebzigern einen rapide Vergrößerung dieser materiellen Welt festgestellt. Oder man denke nur an die DDR …

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  26. @Andreas – Das Bild vom Marktgeschehen und d. kommunizierenden Röhren klingt nach der berühmten „unsichtbaren Hand“, die zur Zufriedenheit aller alles
    reguliert. Dieses Märchen wie das Märchen vom unendlichen Wirtschaftswachstum wird ja gerne und oft erzählt.
    Ich habe die Einlassung von @corneliaroth so verstanden, dass es herauszutreten gilt aus dem bisherigen Wirtschaftsverständnis, welches unendliches Wachstum und Profitsteigerung als Notwendigkeit schlechthin suggeriert, und das wenig bis gar nichts mit menschlichen Grundbedürfnissen zu tun hat.

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  27. Leider ist kaum einem menschen klar, was es heißt, auf Wirtschaftswachstum zu verzichten. Wenn es keine Wachtumsraten mehr gibt, verteilt werden können, muss jedem „Mehr“ für eine Gruppe ein „Weniger“ bei einer anderen entgegenstehen. Die Verteilungskämpfe werden sehr viel drastischer werden als bisher, und va steht zu befürchten, dass es die „soziual Schwachen“, also die armen, micht-vermögenden, wenig qualifizierten Menschen sind, denen etwas genommen wird. Nach Hartz IV in Dtld und 25%/50% Arbeitslosigkeit in Südeuropa (gesamt/Jugend) heißt das ganz konkret, dass Menschen verhungern, erfrieren, schlicht verrecken werden… oder dass doch mal die ungeheuren Vermögen der Reichen angegangen werden, nur sehe ich das nicht kommen…

    Kurz: Wer das Wachstum abschaffen will, muss entweder im ganz, ganz großen Rahmen das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ändern, oder man verurteilt unzählige Menschen zum Tode oder einem materiellen Elend, das wir uns selbst jetzt in Europa kaum vorstellen können.

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  28. @Reineke – „Wer das Wachstum abschaffen will, muss entweder im ganz, ganz großen Rahmen das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ändern, oder man verurteilt unzählige Menschen zum Tode oder einem materiellen Elend, das wir uns selbst jetzt in Europa kaum vorstellen können“.

    Massenelend und Tod von unzähligen Menschen wird doch schon seit Jahr und Tag durch das vorherrschende kapitalistische Wirtschaften verursacht.

    Deshalb braucht es ja eine andere Form von Wirtschaft und Gesellschaft (somit auch eine andere Wachstums-Definition), um das gute Leben für alle Wirklichkeit werden zu lassen. Empfehlenswerter Beitrag dazu hier:

    http://postwachstum.net/2010/10/06/postwachstum-12-fluchtlinien-einer-solidarischen-okonomie-jenseits-des-wachstums/

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  29. Ja, da hast Du völlig recht; bisher krepieren die Leute nur noch nicht hierzulande, sondern sonstwo respektive an den Grenzen. Wie sagte ein Kabarettist mal allzu treffend? „Solange die Leute im Fernsehen jammern, kann man das Problem wunderbar mit der Fernbedienung lösen…“ ;=)

    Der entscheidende Satz erscheint aus Deinem Link, der mir ziemlich gut gefallen hat (Danke): „Der bestehende Reichtum muss gerecht verteilt werden, und nicht weiter wachsen. Dafür brauchen wir nicht nur ein Mini­maleinkommen, sondern auch ein Maximaleinkommen, wie in der französischen Décroissance-Bewegung gefordert wird.“

    Dafür brauchen „wir“ (ob Dtld, ob Europa, ob weltweit) einen grundlegenden Wandel von Politik und Ökonomie, den ich zZt leider einfach nicht sehe; kann man vielleicht auf meinen Pessimismus schieben, aber vermutlich war es irgend ein anderer Kabarettist, der mal sagt: „Ein Pessimist ist nur ein zu gut informierter Realist…“

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  30. @UtePlass:

    Es ist jedenfalls nicht so, dass es sich um „unbekannte“ Arten des Wirtschaftens handelt – unsichtbare Hand hin oder her.

    Ansonsten ist in meinen Augen auch „unendliches Wirtschaftswachstum und Profitsteigerung“ – ok, der Profit steigt gar nicht – erstens ein komplett normativer Akt.

    Zweitens einer, der sehr wohl mit einem menschlichen Grundbedürfnis zusammenhängt, welches wiederum einem altbekannten physiologischen Gesetz folgt – der Mensch muss arbeiten. Arbeiten bedeutet konstante Leistungsabgabe und die erfolgt nur, wenn der Endzustand um einen Faktor als besser erlebt wird, als der Ausgangszustand, oder anders gesagt: Jemand, der 40 Euro besitzt, wird vielleicht eine Woche arbeiten, um am Ende 50 zu besitzen, jemanden, der 40.000 besitzt, kann man nicht mit weiteren 40 hinter dem Ofen hervorlocken, sondern man muss ihm schon 10.000 bieten.

    Drittens bietet nur dieser normative Akt die Chance der Umverteilung – wenn es kein Wirtschaftswachstum gäbe, könnte ich die einen nur reicher machen, indem ich die anderen ärmer mache, was wohl auf Krieg hinauslaufen würde.
    Mit Wirtschaftswachstum kann ich die einen reicher mache,indem diese das neu hinzugekommene erhalten – mit den Worten eines Wirtschaftsnobelpreisträgers: Profit ist ein Nullsummenspiel bzgl. des Wirtschaftswachstums.

    Viertens, fünftens, sechstens usw. usf. – ganz ehrlich, mein Eindruck von „Kapitalismuskritikern“ ist der, dass diese meistens nicht das nötige theoretische Niveau erreichen, weswegen Kritik meistens Stammtischniveau nicht überschreitet.

    Als Wirtschafts“theorie“ gilt für „Marktwirtschaft/Kapitalismus“ das, was Einstein mal über die Thermodynamik sagte: Das sei die einzige Theorie, die seiner Meinung nach im Rahmen der Anwendbarkeit ihrer Grundannahmen nie widerlegt werden wird.

    Das ist kein Zufall – die Grundannahmen sind äusserst abstrakt formuliert. Genauso wie die Grundannahmen der „Wirtschaftstheorie“ – die übrigens thermodynamischen Modellen folgt.

    Fundierte Kritiken starten den meistens auch mit der Beobachtung, dass reales Wirtschaften kein Gleichgewichtsprozess ist ( also nicht durch thermodynamische Modelle beschreibbar ) – das zu verstehen und in den Griff zu bekommen ist in meinen Augen die Herausforderung, nicht „Wirtschaftswachstum abschaffen“ oder ähnlicher Quark.

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  31. @Andreas – „..ganz ehrlich, mein Eindruck von “Kapitalismuskritikern” ist der, dass diese meistens nicht das nötige theoretische Niveau erreichen, weswegen Kritik meistens Stammtischniveau nicht überschreitet.“

    Ich bezweifle, dass, wenn mannfrau „das nötige theoretische Niveau“ erreicht hat, der Kapitalismus dann sein menschliches Antlitz zeigt!

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  32. @Reineke – Habe mich sehr amüsiert über die Lösung von Problemen per Fernbedienung. 😀

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  33. @Irene „Was interessant sein könnte: In ein paar Monaten die Amazon-Leserrezensionen mit denen von “Unter deutschen Betten: Eine polnische Putzfrau packt aus” vergleichen.
    Ich habe von der Putzfrau ein paar Seiten in der Bahnhofsbuchhandlung gelesen und fand es ganz passabel. Auf Amazon geben 39 von 88 Rezensenten nur einen Stern…“

    Ja, die Rezensionstendenz ist schon sichtbar nach unten gerichtet.

    Durch deinen Kommentar fiel mir wieder ein, dass ich „Unter deutschen Betten“ einmal lesen wollte. Nach dem Studium der amazon-Rezensionen war ich auf alles gefasst. Die Käufer_innen scheinen einen Schenkelklopfer erwartet zu haben und wurden bitter enttäuscht.

    Die polnische Autorin, die als Reinigungskraft arbeitet, beschreibt den normalen täglichen Rassismus, Sexismus und sexuelle Belästigungen. Da hört der Spaß auf.

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