Warum ich das Wort „Schmarotzer“ liebe

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Schmarotzer sind ganz normal, so wie dieses Prachtexemplar. Auch zur menschlichen Natur gehört das Schmarotzertum unweigerlich dazu. Man sollte nur wissen, wie es geht. Foto: Apolemus/Flickr.com – Lizenz CC BY-NC-SA

Nach meinem gestrigen Post gab es wieder viele Reaktionen auf meine unbekümmerte Verwendung des Wortes Schmarotzer. Das war ja ein Selbstzitat: Schon vor einiger Zeit habe ich das Wort „Internetschmarotzer_innen“ erfunden, für diejenigen Leute, die nur Sachen aus dem Internet herausholen und nichts reinschreiben. Schon damals war in den Kommentaren heftig darüber diskutiert worden, ob man das Wort verwenden darf. Ich meine (obviously): Ja.

Ob Worte funktionieren und so verstanden werden, wie ich sie gemeint habe, liegt natürlich nicht in meiner Hand. Das ist eine Sache des Experimentierens. Im Fall des „Internetschmarotzertums“ hat es allerdings funktioniert. Ich werde bis heute immer wieder auf dieses Wort angesprochen, vor allem wenn ich außerhalb des Internets Menschen – meistens Frauen – begegne, die das Wort auf sich selbst beziehen und es offenbar genauso verstanden haben, wie ich es gemeint habe. Sie sagen zum Beispiel Sachen wie „Ich bin ja auch so eine Internetschmarotzerin, über die du neulich geschrieben hast“, und sie sind mir deshalb gar nicht böse. Offenbar haben sie es – meiner Intention entsprechend – nicht als moralischen Vorwurf empfunden, sondern als einen Hinweis, der sie zum Nachdenken angeregt hat. Tatsächlich haben sich im Anschluss an meinen damaligen Post viele interessante und weiterführende Debatten und Gespräche ergeben.

Ich glaube, das liegt daran, dass Schmarotzen einfach ein schönes Wort ist, das sowohl ästhetisch wie auch inhaltlich noch nicht auf den Friedhof der ausgestorbenen Wörter gehört. Man kann damit etwas nach wie vor Wichtiges benennen.

Der Hauptgrund, warum ich dieses Wort verwendet habe, ist, dass es mir gefällt. Ich spreche (und blogge) immer möglichst spontan, also ohne Wörter auf die Goldwaage zu legen, weil ich glaube, dass es etwas bedeutet, wenn Wörter mich anziehen (oder abstoßen). Und „Schmarotzer“ ist so ein Wort, das mich anzieht. Vor Jahren habe ich mir über diesen Unterschied zwischen „schönen Wörtern“ und „Scheißwörtern“ schon mal Gedanken gemacht, damals war mein Ausgangswort „Balustrade“, das ich auch sehr schön finde, aber es ist natürlich auch weitaus weniger kontrovers.

Es ist mit Wörtern immer so eine Sache, verschiedene Menschen verstehen sie unterschiedlich, und Schmarotzertum ist sicher ein sehr belastetes Wort, weil es so oft moralisch und abwertend gebraucht wurde und wird – nach dem Motto: Du lebst auf Kosten anderer, schäm dich, arbeite mal was! Das zieht dann gewöhnlich die Gegenreaktion nach sich: Stimmt gar nicht! Ich bin kein Schmarotzer, ich habe mir das verdient, das ist mein gutes Recht und so weiter. Aus dieser Diskursfigur entstammt wohl die große Ablehnung dem Begriff gegenüber.

Wer hier schon ein bisschen länger liest, weiß, dass ich das anders sehe. Erstens finde ich moralische Argumentationen ohnehin sinnlos und zweitens und vor allem finde ich Schmarotzertum ganz normal. Wir alle leben schließlich auf Kosten anderer, das gehört sozusagen zur contitio humana untrennbar dazu. Eine Freundin schrieb auf Facebook unter meinen Post von gestern, sie müsse aber eine Internetlektüreschmarotzerin sein, weil sie sonst keine Zeit zum Übersetzen wichtiger Texte hätte. Das finde ich völlig okay. Wichtig ist nicht, dass sie nicht schmarotzt, wichtig ist, dass sie weiß, dass sie es tut, und verantwortlich damit umgeht.

Zum gekonnten Schmarotzen gehört dazu, dass man sich dessen bewusst ist – dass man nämlich an einem bestimmten Punkt auf Kosten anderer lebt – und das nicht verschleiert, sondern sich zum Beispiel dafür dankbar zeigt. Ich hatte mal einen Freund, der wenig Geld hatte, und für den ich ganz häufig mitbezahlte. Seine Geldnot war größtenteils selbst gewählt, er strengte sich nämlich mit dem Geldverdienen nicht sonderlich an. Ich hatte überhaupt nichts dagegen, oft für ihn zu bezahlen, ich wusste, worauf ich mich einließ und hatte mich ja dafür entschieden. Nicht zufrieden war ich hingegen damit, dass er sich weigerte, diesen finanziellen Aspekt unserer Beziehung realistisch anzuerkennen. Es war für ihn wie ein Tabu. Immer wenn ich es aussprach, dass ich fast alles bezahlte und er nichts, machte er mir eine regelrechte Szene und stellte es so dar, als würde ich mir das nur einbilden. Deshalb verlor ich irgendwann die Lust daran und beendete die Beziehung.

Schmarotzertum ist okay, aber nur, solange man verantwortlich und realistisch damit umgeht und es nicht unter den Teppich kehrt und die Illusion erweckt, man würde gar nicht schmarotzen. Das heißt, wenn ich sage: „Das ist Internetlektüreschmarotzertum“, dann meine ich das nicht moralisch in dem Sinn von „das dürft ihr nicht machen“, sondern realistisch in dem Sinn von „das ist es, was ihr macht, beachtet bitte die Konsequenzen und übernehmt dafür Verantwortung“.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

53 Gedanken zu “Warum ich das Wort „Schmarotzer“ liebe

  1. Ich mag das Wort „Schmarotzer“ ja gar nicht, so rein ästhetisch. Mag lieber „Parasit“, aber das ist, fürchte ich, noch negativer konnotiert.

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  2. Zustimm.
    Ein Satz zur Biologie fehlt vielleicht noch, aus der das Wort ja wohl kommt. Hier ist es meist eine Art der Symbiose, das heißt: auf irgendeine Weise haben eben doch alle Beteiligten etwas davon. Bloß, wenn sie überhand nehmen …
    Bei mir klingelt allerdings bei dem Wort noch der Stalin-Alarm. Genauer: der Stalinismusvorwurfs-Alarm. Ich denke dabei an Schmarotzer, die die Gesellschaaft aussaugen und deshalb „entfernt“ werden müssen. Oder daß jemand meint, wenn ich sowas sage, würde ich damit Ausrotten und Arbeitslager meinen.
    „Schmarotzer“ als Schimpfwort richtet sich bei mir nicht gegen die armen Schlucker, sondern gegen die reichen Stinker.
    „Parasiten“ ist wohl das Gleiche, oder?

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  3. Ob man will oder nicht: Wer von Schmarotzern und Parasiten im Zusammenhang mit Menschen redet, nimmt die Sprache Hitlers an, mit der dieser das Judentum gekennzeichnet hat.

    Schmarotzer und Parasiten sind damit unrettbar in den Wortschatz des Unmenschen, des Rassismus und Antisemitismus eingegangen.

    Schmarotzer und Parasiten auf Menschen bezogen ist rassistisch und diskriminierend.

    Dessen sollte man sich bewußt sein. Jede Verwendung der Begriffe, in welchem Zusammenhang auch immer evoziert diese Nazisprache und arbeitet damit. Dem kann sich niemand entziehen. Und mit Nazisprache sollte man im heutigen Diskurs nicht arbeiten. Gedankenlosigkeit und sprachhistorisches Unwissen machen das nicht besser.

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  4. Wir alle leben in Beziehung zueinander und in Abhänigkeiten. Es ist normal, dass Leben auch auf Kosten anderer Lebewesen geht. Dieses gilt, es sich bewusst zu machen. Dabei ist es völlig egal, wie man es benennt. Für mich ist das Wort „Schmarotzertum“ jedoch eindeutig negativ besetzt, denn es bezeichnet doch das einseitige nutznießen; einer hat etwas davon, der andere aber nicht, im Gegenteil, er „bezahlt“ es auch noch. Ich würde aber niemals jemanden als Schmarotzer bezeichnen, der im Internet nur liest und konsumiert, möglicherweise auch den einen oder anderen Post von mir, wo ich ihn doch geschrieben habe. Es tut mir nicht weh und geht nicht auf meine Kosten, wenn ihn andere lesen, denn ich habe entschieden, das was ich ins Internet schreibe, allen zur Verfügung zu stellen, bedingungslos, egal, ob der Leser selber schreibt oder nicht. Als Schmarotzer würde ich jemanden bezeichnen, der mir in irgend einer Weise meine Kraft und Energie raubt, um sie für sich selbst zu nutzen. Das könnte z. B. ein giftiger Kommentator sein, der meine Posts trollt und so versucht, mich direkt anzugreifen. Das verstehe ich unter Schmarotzertum.

    Neben dem Schmarotzertum gibt es aber auch noch die Symbiose. Sie ist auch ein auf Kosten des anderen leben, aber ein gegenseitiges, hier haben beide etwas davon, es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Auch die gilt es sich bewusst zu machen, denn es könnte ja sein, dass eines Tages einer von den Symbianten (nennt man das so?) aus der Symbiose aussteigen will 😉

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  5. Mit der biologischen Komponente des Wortes ‚Schmarotzer‘ kann ich gut leben, in dem Sinne, wie rauskucker es beschreibt. Grundsätzlich ist das Wort ‚Schmarotzer‘ bei mir negativ belegt; finde von daher ‚Nutznießer‘ schöner: Ich anerkenne das, was ich für mich aus dem Internet ziehe, als das Eigentum eines/einer anderen und verwende es – hoffentlich in seinem/ihrem Sinne – so, dass möglichst viele Menschen davon profitieren können. Vieles, was ich hier und anderswo im Netz finde, ist erkenntnisreicher und tiefgreifender als das, was in der sonstigen Medienwelt zu finden ist. Und so möge es nicht nur meinen Geist, sondern auch den meiner ‚realen‘ umwelt weiten.
    Ich bin dankbar …. und übernehme natürlich die Verantwortung.

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  6. Ich habe ein Problem mit dieser Wortwahl und kann dir da nicht ganz folgen.
    Ein Schmarotzer ist in seiner eigentlichen Wortbedeutung ein fauler Mensch, ein Schnorrer, gar ein Parasit. Es handelt sich um ein Schimpfwort, welches Menschen entsprechend ihrer Handlungen moralisch bewertet. Vielleicht möchtest du damit niemanden moralisch bewerten, es wird aber so verstanden. Natürlich kannst du kreativ mit Worten spielen, aber Verstanden-Werden finde ich persönlich beim Bloggen schon recht wichtig. Ich möchte den Menschen ja etwas sagen. Und ein wenig habe ich das Gefühl, als ob du eben doch moralisch bewertest. Dazu weiter unten mehr.

    Löst man den Begriff von seiner moralischen Dimension, bleibt nur der biologische Parasit über. Das ist ein Lebewesen, welches auf Kosten seines Wirtes lebt und ihm damit schadet. Sorry, aber mir schaden meine Leser nicht. Im Gegenteil: Ich danke für die Aufmerksamkeit! Ich schreibe schließlich, weil ich ein Mitteilungsbedürfnis habe, und es ganz und gar Sache der Leser, ob sie selber aktiv werden oder das Internet nur passiv konsumieren möchten.

    Weiter unten kommt dann das Beispiel, das Schmarotzertum ja OK sei, wenn man damit realistisch und verantwortungsvoll umgeht. Das heißt am Ende ja doch: Du möchtest eine Gegenleistung von deinem Leser. Wenn er schon nicht schreibt oder kommentiert, so soll er doch wenigstens irgendwas anderes wichtiges tun, das ihn daran hindert, oder sich zu seinem „Schmarotzertum“ bekennen. Ich verstehe nicht, warum du diese Gegenleistung haben möchtest. Ein wenig erinnert sie mich an die ev. Arbeitsethik und ein wenig habe ich genau deshalb das Gefühl, dass da eben doch eine moralische Wertung mitschwingt.

    Am Rande, weil du es in einem Nebensatz erwähnst: Es geht überhaupt nicht darum, das Wort „aussterben“ zu lassen.

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  7. @Thomas Weber – Naja, Hitler hat ja fast alle Wörter benutzt. Manche sagen auch, man dürfe wegen ihm das Wort „Mutter“ nicht mehr verwenden, oder das Wort „Deutsche“.

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  8. @Enno – Es geht mir nicht um das Verhältnis zwischen mir und meinen Leserinnen, sondern um das Verhältnis von „Nur-Leserinnen“ zum „Internet“. Und dass das Internet ärmer wird bzw. darunter leidet, dass so viele Frauen, die etwas Interessantes zu sagen hätten, ihm ihren Input vorenthalten, das ist nunmal so. Ich bin aber nicht die Instanz, die jemandem sagt: „Du sollst ins Internet schreiben“. Ich sage nur: „Was ihr macht, geht auf Kosten des Internet insgesamt, also macht euch das bitte klar und entscheidet dann, ob ihr wirklich weiterhin nichts reinschreiben wollt“ Wie gesagt, gerade unter diesen Leuten hat der Begriff durchaus positive Resonanzen bekommen, sehr viele haben es eben genau nicht moralisch aufgefasst, sondern angefangen nachzudenken und sich immerhin die Gründe klar gemacht, warum sie nichts reinschreiben. Ich finde auch, dass das ihre Entscheidung ist (Ich bin ja auch keine Instanz, die Vorgaben über Gut und Böse zu machen hat). Ich suche nach einem Verständnis von Verantwortung, das sich gerade nicht in neoliberaler Manier in einer „Gegenleistung“ erschöpft. Es geht mir nicht um quid pro quo, überhaupt nicht.

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  9. Ich stimme @Enno Park da voll und ganz zu, und zu diesem Satz möchte ich noch etwas sagen: „Es ist mit Wörtern immer so eine Sache, verschiedene Menschen verstehen sie unterschiedlich,… „.

    Das liegt daran, dass der Empfänger entscheidet, wie er eine Botschaft verstanden haben will. Und zwar immer. Jeder Mensch (miss)interpretiert die Botschaften, die er empfängt, in seinem Sinne und im Context seiner Umgebung und Vergangenheit (Filterbubble?), in der er aufgewachsen ist; er kann sogar die Annahme verweigern.

    Jemand, der etwas zu sagen hat, der sagt es eben. Er hat keinen Einfluss darauf, ob seine Botschaft in seinem Sinne verstanden wird. Er kann nur darauf hoffen, auf Gleichgesinnte zu treffen, mit denen er in Resonanz gehen kann. Darauf basiert in der Hauptsache gegenseitiges Verständnis, zu allerletzt auf Wortbedeutungen.

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  10. “Was ihr macht, geht auf Kosten des Internet insgesamt, also macht euch das bitte klar und entscheidet dann, ob ihr wirklich weiterhin nichts reinschreiben wollt”
    Ne, Antje, das ist subtile emotionale Erpressung. Jedenfalls entscheide ich gerade, diese Botschaft so zu interpretieren, und ich würde mir das nicht vorwerfen lassen, im Gegenteil, ich würde jemandem, der mir so etwas sagt, erst mal den … zeigen 😉 Wenn andere aufgrund dieses Satzes dann angefangen haben, nachzudenken („Oh Gott, ich handele auf Kosten des gesamten Internets!“) und ihrerseits beginnen zu handeln, ist das schön, aber nicht dein Verdienst. Es ist allein der Manipulation zu verdanken, die in deinen Worten steckt.

    Wie du sagst: Es ist ihre Entscheidung. Und zwar ganz allein ihre. Ob bewusst oder nicht.

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  11. @Suedelbien – Hm, „emotionale Erpressung“ ist eine interessante Formulierung. Ich glaube ja, dass bei vielen Entscheidungen, wie wir treffen, Emotionen tatsächlich eine Rolle spielen, was aber bedeuten würde, dass man das beim Sprechen mit einkalkulieren muss. Zum Beispiel ist es auch eine „emotionale“ Disposition, die viele Frauen dazu verleitet, das, was sie zu sagen hätten, für unwichtig und unbedeutend zu halten. Und vielleicht habe ich (intuitiv, das habe ich vorher nicht durchdacht), das Wort „Schmarotzen“ tatsächlich auch verwendet, um da „emotional“ gegenzusteuern 😉

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  12. Ist das Internet eine Entität, zu der ich ein Verhältnis haben kann? Eine ziemlich religiöse Interpretation. (Gefällt mir aber trotzdem.)

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  13. (Das mit der „emotionalen Disposition“ ist allerdings so ein Problem, das mich ratlos macht.)

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  14. @Antje, ich habe diese Formulierung nicht interessant oder spaßig gemeint, sondern ernst. Ja, Entscheidungen können gar nicht ohne Emotionen getroffen werden, so jedenfalls meine Ansicht. Klar muss man das beim Sprechen mit einkalkulieren, und das macht auch jeder, aber nicht immer bewusst.

    Das Wort „Schmarotzertum“ löst Emotionen aus, nicht nur bei mir. Und warum viele Frauen nicht das, was sie bewegt, ins Internet schreiben, könnte damit zu tun haben, dass sie es für unwichtig halten. Aber das weißt du gar nicht. Die Motive können ganz woanders liegen, und nur die betroffenen Frauen können sie kennen.

    Wer weiß denn, was bei anderen Menschen als Auslöser fungiert 😉

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  15. @Antje – Naja, Hitler hat ja fast alle Wörter benutzt. Manche sagen auch, man dürfe wegen ihm das Wort “Mutter” nicht mehr verwenden, oder das Wort “Deutsche”.

    Du machst es Dir zu einfach, und das ist geschichtsvergessen:

    Hitler, Mein Kampf zum ewigen Juden

    „Er ist und bleibt der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab.”

    Danach kann man diese Vokabeln nicht mehr unbefangen für menschliche Verhältnisse gebrauchen.

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  16. Nie wieder und in gar keinem Zusammenhang?
    Oder läuft das auch irgendwann aus, oder irgendwo?
    Hat es womöglich was mit der Wahrnehmung des Empfängers zu tun, oder bleibt es auch dabei, wenn niemand mehr diese Assoziation zieht?

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  17. @Suedelbien – Naja, ich weiß zumindest, was viele Frauen dazu sagen, weil ich sehr oft mit welchen genau über das Thema rede. Und die zwei Hauptgründe sind: 1. Was ich zu sagen habe, ist unwichtig, und 2. Ich habe keine Zeit.

    @Thomas – Wenn wir zu der Einsicht kommen, dass das „Schmarotzertum“ eines (von vielen) Grundprinzipien menschlicher Beziehungen generell ist, ist es nicht mehr möglich, es auf bestimmte Menschengruppen zu projizieren. Das hilft meiner Meinung nach mehr, als ein bestimmtes Wort nicht mehr zu verwenden. Denn die Argumentationsfigur als solche steht ja nach wie vor in voller Blüte, auch wenn das Wort dabei nicht mehr verwendet wird. Dann treten eben andere Wörter an ihre Stelle (etwa wenn zwischen „Leistungsträgern“ und solchen, die uns allen „auf der Tasche liegen“, unterschieden wird). Wobei ich diesen Diskurs natürlich nicht mit Hitlers Judenhass vergleichen will. Aber dass Menschen in „nützliche“ und „unnütze“ unterteilt werden, ist halt nach wie vor verbreitet, leider wieder mit zunehmender Tendenz. Ich plädiere deshalb dafür, statt in diesen Wettbewerb einzusteigen, einzugestehen, dass wir alle an bestimmten Punkten und in bestimmten Lebensphasen „unnütz“ sind.

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  18. @Antje Grundprinzipien menschlicher Beziehungen sollte man nicht biologistisch beschreiben. Das Biologistische erreicht gerade das spezifisch Menschliche nicht.

    Dass Menschen in „nützliche“ und „unnütze“ unterteilt werden, widerspricht der Menschenwürde, die eben kein biologischer Sachverhalt, sondern eine Setzung des Verstandes ist. Eine solche Unterteilung, wie auch die Rede von den Leistungsträgern ist unaufgeklärt und diskriminierend.

    http://thomasweber.blog.de/2012/12/19/unantastbar-15335653/

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  19. Und noch einmal grundsätzlich: Wir sind alle Menschen. Wir sind und deshalb zu gar nichts nütze. Wir nutzen niemandem und nichts, und das ist auch nicht unsere Bestimmung. Wir bestehen durch unsere Art des Seins. Niemand hat das zu bewerten. Niemand hat darüber ein Urteil zu fällen, schon gar nicht Mitmenschen.

    So einfach ist das.

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  20. Und ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was die Konsequenzen meines Nicht-ins-Internet-Schreibens sind und wie ich die Verantwortung dafür tragen könnte. Würde ich ja gerne. Es ist mir nämlich sehr bewusst, dass ich das von anderen Geschriebene (danke dafür!) nur passiv konsumiere.

    Ja, so ist es. Ich schreibe nichts. Ich lese nur. Ich weiß, dass es so ist. Ich habe mir auch noch nie was anderes vorgemacht. Und ich habe auch kein Problem mit dem Wort Schmarotzer. Wirklich nicht. Auch auf mein Tun angewandt nicht.

    Geht davon das Internet kaputt? Andererseits habe ich jetzt hiermit mehr Sätze „ins Internet geschrieben“, als in den letzten 2-3 Jahren zusammengerechnet. Ist davon das Internet-Ozonloch etwas kleiner geworden?

    Was ist meine Verantwortung? Ich würde sie gern tragen.

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  21. Oops, erwischt! Ich lese wohl doch nicht genug im Internet… 😉
    Das habe ich jetzt nachgeholt. Hm, ok, wenn sich das Tragen der Veranwortung mit dem Zugeben des Schmarotzertums erschöpft, kann ich mich schon fast beruhigt wieder zurücklehnen.

    (Vielleicht verstehe ich jetzt ein klein wenig besser, was du meinst. Auch wenn ich immer noch etwas ratlos bin, was das große Ganze betrifft.)

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  22. @Axel-valentin Tigges Du schreibst: „selbsterkenntnis und verstand ist zuwenig
    BEGEISTERUNG VERBINDET, wer nicht verbunden ist
    kann soviel erkennen wie er will, der verstand ist wie der
    fingerzeig auf den mond.“

    Ich finde Selbsterkenntnis und Verstand schon ziemlich viel, auch wenn nicht genug.

    Auch die Begeisterung ist Objekt der Selbsterkenntnis und des Verstandes. Dass Du überhaupt Begeisterung als Begeisterung wahrnehmen kannst, ist ohne Selbsterkenntnis und Verstand nicht möglich. Zu Selbsterkenntnis und Verstand von Begeisterung gehört aber auch, wahrzunehmen, dass die Wahrnehmung nur einen Teil wahrnimmt, dass die Wahrnehmung des Verstandes immer über das Wahrgenommenen hinaus geht, dass begeisterung mehr ist, als die Wahrnehmung der Begeisterung.

    .

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  23. „Danach kann man diese Vokabeln nicht mehr unbefangen für menschliche Verhältnisse gebrauchen.“

    natürlich kann man. sonst gibt man hitler im nachhinein recht.

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  24. Das Gerede von unnützen Menschen und unnützen Lebensphasen ist genauso überflüssig wie „Schmarotzer“. Wo es tatsächlich sinnvoll ist, kann auch von Leistungsfähigkeit (nicht: Leistungsträgern) oder Arbeitsfähigkeit reden. Das hat den Vorteil, das begrifflich nicht gleich die ganze Existenzberechtigung mit dran hängt.

    Aber irgendwie geht die Diskussion hier in Richtung ich will aber Neger sagen, weil ich das lustig und bunt meine…?

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  25. @ horst sabine Unbefangenheit kann man sich nicht selber bestätigen.

    „hitler im nachhinein recht geben“ ist Unsinn. Genauso Unsinn wie die Aussage „Ich bin kein Schmarotzer“.
    Beiden Aussagen ist gemein, dass sie nur sinnvoll wären, wenn zum einen es möglich wäre, dass Hitler in machhinein Recht gegeben werden kann oder dass eine Aussage „Ich bin ein Schmarotzer“ denkbar ist.

    Der biologistische Sprachgebrauch mißachtet den Menschen und seine Würde. Menschensind keine Tiere, keine Schmarotzer und keine Parasiten.
    Der Nationalsozialismus hat gezeigt, wohin diese Mißachtung führen kann.

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  26. „Aber irgendwie geht die Diskussion hier in Richtung …“

    ich finde, sie geht viel mehr in die richtung, in wort zu tabuisieren, weil sich einige irgendwie „fühlen“ könnten.

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  27. @Thomas Weber

    „Unbefangenheit kann man sich nicht selber bestätigen.“

    natürlich kann man es. oder willst du fr andere deren unbefangenheit bestätigen? woher nimmst du diese kompetenz?

    „ist Unsinn.“

    ist kein argument.

    “Ich bin ein Schmarotzer”

    diese aussage IST denkbar.

    „Der biologistische Sprachgebrauch mißachtet den Menschen und seine Würde.“

    das definierst du allenfalls für dich.

    „Menschensind keine Tiere, keine Schmarotzer und keine Parasiten.“

    das hat auch niemand behauptet.

    „Der Nationalsozialismus hat gezeigt, wohin diese Mißachtung führen kann.“

    nazikeule ist auch kein argument.

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  28. “Menschensind keine Tiere, keine Schmarotzer und keine Parasiten.”

    das hat auch niemand behauptet.

    Hat noch niemand? Dann würde ich das gerne hiermit tun. Natürlich sind wir das.

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  29. @horst sabine Sich selber für unbefangen zu erklären, ist geradezu eine Definition von Befangenheit. Im strengen Sinn gibt es gar keine Unbefangenheit, weilsich jeder in einm Beziehungsgeflecht befindet. Unbefangenheit können nur andere einem aufgrund hres Eindruckes zubilligen.

    Hitler kann man überhaupt nicht Recht geben, oder wollen Sie das behaupten? Deshalb ist die Aussage Hitler im Nachhinein Recht zu geben, Unsinn.

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  30. Ich lese diesen Blog sehr gerne und finde ihn meistens sehr anregend, aber jetzt fühle ich mich doch sehr an die N-Wort-„Debatte“ erinnert. „Schmarotzer“ ist ein Wort mit ganz bestimmten Konnotationen und klarer historischer Vorbelastung. Einen Hinweis darauf damit abzutun, Hitler habe ja fast alle Begriffe benutzt, finde ich einigermaßen lächerlich. Hier geht es nicht um einen an sich neutralen Begriff, der auch von Hitler in seiner neutralen Bedeutung benutzt wurde (wie „Gesetz“ oder „Autobahn“), sondern um ganz und gar spezifisches sozialdarwinistisches Nazivokabular.

    Wenn wir tabula rasa machen könnten, könnten vielleicht auch Begriffe wie „Untermensch“ (z.B. für Embrionen), „Asozialer“ (z.B. für Eremiten) oder „Endsieg“ (z.B. für den Gewinn der deutschen Fußballmeisterschaft nach 34 Spieltagen) unverfänglich neu gebildet werden. Soziohistorisch geht das aber nicht, und damit muss ich leben, wenn ich spreche.

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  31. Das Wort „Schmarotzer“ kann man nicht resozialisieren, es ist unrettbar negativ besetzt und insbesondere als Schimpfwort für ALG2-Bezieher nach wie vor in entsprechendem Gebrauch.

    „wenn ich sage: „Das ist Internetlektüreschmarotzertum“, dann meine ich das nicht moralisch in dem Sinn von „das dürft ihr nicht machen“, sondern realistisch in dem Sinn von „das ist es, was ihr macht, beachtet bitte die Konsequenzen und übernehmt dafür Verantwortung““.

    Stille Mitlesende sind m.E. keine Schmarotzer in dem von dir intendierten Sinn, denn sie schenken Aufmerksamkeit, ohne selber welche zu verlangen. Man stelle sich vor, alle würden nur schreiben und die digitale Umwelt nur daraufhin scannen, ob und welche Resonanz ihr Geschreibe findet – es wäre gruslig und das Netz wäre so gut wie tot!

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  32. @ClaudiaBerlin – Das stimmt schon, es wäre gruselig, wenn alle nur schreiben und keine Aufmerksamkeit schenken würden. Auch das fällt natürlich unter „Ich muss Verantwortung für meine Internetnutzung übernehmen.“ Es kommt halt auch immer auf den Fall an und die „Nutzungsgewohnheiten“ der Gruppe, die man jeweils im Auge hat. Es gibt Leute, die schreiben zu viel (und haben entsprechend wenig Kapazitäten fürs aufmerksame Lesen), und es gibt Leute, die schreiben zu wenig (gemessen an dem, was für die Qualität des „Gesamtinternets“ gut wäre).

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  33. „Hier geht es nicht um einen an sich neutralen Begriff, der auch von Hitler in seiner neutralen Bedeutung benutzt wurde …“

    Hitler ist nicht der Maßsstab für meinen Sprachgebrauch.
    Und auch für sonst nichts.

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  34. @horst sabine Sie schreiben: „Hitler ist nicht der Maßsstab für meinen Sprachgebrauch.
    Und auch für sonst nichts.“ Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie eine Vorstellung von Maßstäben haben und davon, davon haben, worum es geht. Etwas innehalten und nachdenken wäre vermutlich hilfreich.

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  35. Kann die „Schmarotzer ist für immer kaputt“-Fraktion das eigentlich irgendwie belegen?
    Es ist ja schon eine Frage der Wahrnehmung, und ich persönlich würde gefühlt sehr bezweifeln, dass besonders viele Menschen beim Begriff „Schmarotzer“ sofort an Nationalsozialismus und ähnlich schlimme Dinge denken. anders als etwa bei „Untermensch“ oder „Endsieg“. Vielleicht würde es die Diskussion versachlichen, wenn wir da über konkrete Daten reden würden.
    (Ich weiß, ich könnte anfangen, aber ich bin ein fauler Sack und habe außerdem nicht so besonders viele Aktion in der Debatte.)

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  36. @Muriel Gegen Schmarotzer und Parasiten im eigentlichen Sprachgebrauch zur Beschreibung biologischer Verhältnisse kann niemand etwas haben. Das Problem fängt an, wenn biologische Verhältnisse auf menschliche Verhältnisse übertragen werden. Dieser biologistische Sprachgebrauch mißachtet grundsätzlich das, was den Menschen ausmacht. Nicht alle, die so sprechen, sind schon deshalb unmenschlich, abder die Unmenschen bedienen haben sich dieser Sprache bedient und bediensen sich ihrer auch heute noch.

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  37. @Thomas Weber: Was genau ist denn nun dein Argument? Wie unterscheidest du zwischen Wörtern, die man noch benutzen darf, und den anderen?

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  38. @Muriel Du darfst alle Wörter benutzen. Du darfst sie nur nicht falsch benutzen. Falsch ist z.B. biologische Verhältnisse auf menschliche zu übertragen.

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  39. (Und um das auch noch mal zu sagen: Der Mensch ist ja nun mal ein biologischer Organismus. Ich sehe das Problem weniger in biologistischem Sprachgebrauch, als in den blödsinnigen Schlussfolgerungen, die etwa der Nationalsozialismus aus sachlich völlig falschen Vorstellungen von Biologie gezogen hat und zieht. Parasiten sind ja biologisch gesehen nicht schlechter als andere Tiere, und auch die Kategorie Untertier oder unwertes Leben kennt die Biologie nicht. Ich glaube, wir sollten vielleicht weniger danach streben, uns für etwas ganz Bedonderes zu halten, und mehr der Einsicht nahe treten, dass wir es gerade nicht sind.)

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  40. Natürlich kann man den Menschen biologisch beschreiben. Diese Beschreibung ist aber nicht vollständig. Die Menschenwürde läßt sich biologisch nicht beschreiben. Natürlich sind die Menschen etwas Besonderes. Menschen gehören zur Menschheit. Dieses zu wissen zu können, ist besonders und macht die Würde des Menschen aus.

    Menschen gehören auch zur Natur. Auch dieses wissen zu können macht seine Besonderheit aus.

    Falsch ist es, menschliche Verhältnisse übertragen biologisch zu beschreiben, weil dieses das Besondere des Menschen ignoriert.

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  41. „Falsch ist es, menschliche Verhältnisse übertragen biologisch zu beschreiben, weil dieses das Besondere des Menschen ignoriert“
    Wie definierst Du menschliche Verhältnisse in Bezug zu uns und diesem Indianerstamm, die in ihrer Sprache den Begriff Zeit, Vergangenheit und Zukunft nicht kennen? Ist das kein menschliches Verhalten, was dennoch die Menschenwürde lebt und erlebt?.
    Das glücklichste Volk der Welt http://www.youtube.com/watch?v=MZgtDHDHWcs&feature=player_embedded

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  42. Der Indianerstamm besteht aus Menschen. Wenn wir zu Ihnen in Kontakt treten, dann treten Menschen zu Menschen in Kontakt. Und wo Menschen sind, ist Menschenwürde, die wie immer, wenn Menschen zusammenkommen, mehr oder weniger geachtet wird.

    Zur Achtung der Menschenwürde gehört für mich, wahrzunehmen, dass es diese gibt. Diese Wahrnehmung steht nicht im Einklang mit der biologistischen Beschreibung des Menschen.

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  43. @Muriel

    Der Mensch ist ja nun mal ein biologischer Organismus. Ich sehe das Problem weniger in biologistischem Sprachgebrauch, als in den blödsinnigen Schlussfolgerungen, die etwa der Nationalsozialismus aus sachlich völlig falschen Vorstellungen von Biologie gezogen hat und zieht.

    Eben drum. Eine naturwissenschaftliche Betrachtung des Menschen ist ebenso „legitim“ wie andere Sichtweisen. Es ist aber halt etwas anderes, wenn mittels sachlich falscher Vorstellungen gesellschaftspolitische „Doktrinen“ gezimmert – oder, besser noch – am Leben erhalten werden. Sozialdarwinismus.

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