Frauen „wissen” weniger von Politik – aber von welcher?

home_coverAnfang Juli machten Meldungen über eine Studie des britischen „Economic and Social Research Council” (ESRC) die Runde. Ausgehend von der schon aus vielen anderen Untersuchungen bekannten Tatsache, dass Frauen überall auf der Welt weniger Faktenwissen über politische Sachverhalte haben als Männer, wollte die Studie untersuchen, ob und wie diese Lücke zusammenhängt mit dem in einem jeweiligen Land erreichten Status an Geschlechtergleichheit.

Das für manche überraschende Ergebnis war, dass es eine deutliche kontra-intuitive Korrelation zwischen beidem gibt, dass nämlich dieser Unterschied umso größer ist, je gleichberechtigter die jeweiligen Gesellschaften sind. Frauen im emanzipationsmäßig vorbildlichen Norwegen, aber auch in UK oder Kanada haben im Vergleich zu ihren männlichen Landsleuten weniger politisches Faktenwissen als Frauen in Ländern mit eher patriarchalen Gesellschaftsstrukturen wie Südkorea, Griechenland, Italien oder Kolumbien. Dass es sich wirklich um eine Geschlechterdifferenz speziell in Bezug auf politisches Faktenwissen handelt, wurde durch Kontrollfragen zu anderen Themen verifiziert, bei denen sich keine solche Differenz gezeigt hat.

Mich hat das Ergebnis nicht so sehr überrascht, denn ich interessiere mich schon länger für die Unterschiede in Bezug auf das, was Frauen und Männer jeweils unter Politik verstehen, wie Frauen und Männer sich Politik wünschen und was ihnen dabei jeweils wichtig ist. So interessieren sich deutlich mehr Männer als Frauen für institutionelle Verfahrensweisen oder Parteikarrieren – man denke nur, jüngstes Beispiel, an die Urwahl der Grünen für ihr Spitzenduo zur Bundestagswahl, wo neben den vier aussichtsreichen Kandidat_innen sich noch zehn weitere Männer zur Wahl aufstellen ließen, aber keine einzige Frau.

Frauen unterscheiden deutlicher zwischen Macht und Politik, gehen seltener und weniger gern den Weg juristischer Auseinandersetzungen, haben ein weniger empathisches Verhältnis zu formalen Politikstrukturen und ihren Ämtern. Und daher ist es meiner Ansicht nach auch kaum verwunderlich, dass sie gerade dort, wo sie nicht mehr so sehr gegen formale und strukturelle Diskriminierung kämpfen müssen, andere Prioritäten setzen. Je größer die Freiheit der Frauen ist, umso weniger sehen sie sich genötigt, sich an einer männlichen Norm orientieren zu müssen, um anerkannt zu sein. Sie beschäftigen sich eben mit den Sachen, die sie wirklich interessieren, und nicht mit denen, für die sie sich unter Gleichstellungsgesichtspunkten interessieren sollten. Und wenn sie sich für institutionelle Repräsentationspolitik nicht so sehr interessieren, wissen sie natürlich auch nicht so viel darüber.

Weil aus den Pressemeldungen aber nicht genau ersichtlich war, wie die Studie aufgebaut war, welche Fragen genau in welchen Ländern überhaupt gestellt wurden, und wie die Ergebnisse im Detail ausgefallen sind, habe ich mir eine umfangreiche Auswertung schicken lassen – was, großes Lob an den ESRC – auch sehr unkompliziert mit einer simplen Mail ging.

Leider war Deutschland nicht dabei, die Studie hat einen starken Fokus auf die anglophonen Länder: Australien, Kanada, USA und UK waren sozusagen das eigentliche Interesse, die anderen Länder dienten vor allem als vergleichende Beispiele. Aus Europa waren Griechenland, Italien und Norwegen dabei, aus Asien Südkorea und Japan, aus Lateinamerika Kolumbien. Kein einziges Land aus Osteuropa und auch keines aus Afrika waren vertreten.

Dass Afrika und Osteuropa gefehlt haben, ist deshalb schade, weil dort noch einmal ganz andere Gesellschaftsstrukturen gerade in Bezug auf das Geschlechterverhältnis vorherrschend sind. Dass Deutschland fehlte, ist schade, weil hier das Setting mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin anders ist als in Ländern mit männlichen Regierungschefs. Zumal die Studie einen Zusammenhang ergeben hat, wonach Frauen mehr Faktenwissen über Politik haben, wenn Frauen in der politischen Berichterstattung vorkommen und wenn Frauen Akteurinnen mit politischen Ämtern sind.

Besonders interessant fand ich in diesem Zusammenhang, dass vor allem die „Quality-Papers“ (also die großen Zeitungen mit politischem Schwerpunkt) sehr viel mehr Aktivitäten von Männern berichten als Aktivitäten von Frauen, und zwar relativ unabhängig vom Stand der Gleichberechtigung in dem jeweiligen Land. Im Fernsehen hingegen ist das Verhältnis von Frauen und Männern weniger krass verzerrt (wenn auch lange nicht ausgewogen) – allerdings stellt sich dabei natürlich auch noch die Frage, wie Frauen dort gezeigt werden. Jedenfalls geben laut Studie in allen Ländern die Männer einen deutlich größeren Medienkonsum an als die Frauen, und zwar in allen Medien (Zeitungen, Fernsehen, Radio, Internet).

Ich sehe dabei durchaus auch einen Zusammenhang mit der oben erwähnten Geschlechterdifferenz im Bezug auf das, was jeweils unter Politik verstanden wird. In den Medien (und in den Fragen der Studie) steht vor allem das im Fokus, was italienische Feministinnen einmal „zweite Politik“ genannt haben, nämlich jene Politik, die die konkreten Kontexte des menschlichen Zusammenlebens in Richtung strukturelle Repräsentationslogik verlassen hat. Die „erste Politik“ hingegen findet im Lokalen statt, in Gewerkschaften, Schulbeiräten, Nachbarschaftsinitiativen, Umweltgruppen und so weiter. Aber über diese „erste Politik“ wird kaum in den „großen“ Medien berichtet, und deshalb wurde nach ihr auch nicht in der ESRC-Studie gefragt, denn die Fragen wurden jeweils landesspezifisch konstruiert anhand dessen, was von den „großen“ Medien berichtet worden war.

So entstand natürlich ein feiner Zirkelschluss: Die Medien berichten vor allem über das, was Männer tun und was Männer interessant finden, dann wird das, worüber die Medien berichten, für das relevante Wissen über Politik gehalten und zur Grundlage für Fragen gemacht, die dann – Überraschung! – Männer „richtiger“ beantworten als Frauen.

Trotzdem ist aber die Geschlechterdifferenz längst nicht der einzige Faktor, der hier eine Rolle spielt. So ist der Unterschied zwischen den einzelnen Ländern größer als der zwischen den Geschlechtern. Generell über wenig politisches Faktenwissen verfügen Menschen in Amerika, also Kolumbien und USA sowie die Frauen in Kanada (sie beantworteten weniger als 40 Prozent der Fragen richtig), während die Menschen in allen anderen Ländern sowie die kanadischen Männer vergleichsweise eng beisammen liegen (zwischen 40 und 60 Prozent richtige Antworten) und lediglich die norwegischen Männer mit über 70 Prozent richtigen Antworten einen Ausreißer nach oben bilden.

Außerdem gibt es auch eine klare Alterskorrelation: Je älter die Menschen sind, desto mehr politisches Faktenwissen haben sie, wobei dieser Trend bei den Männern stärker ist als bei den Frauen. Man kann also durchaus mit gewissem Recht sagen, dass die „zweite Politik“ ein spezielles Interessensgebiet älterer Männer darstellt. (Soziale Unterschiede etwa in Bezug auf Einkommen oder kulturellen Hintergrund wurden nicht gesondert untersucht, sondern nur bei der Auswahl der Befragten auf eine repräsentative Mischung bezüglich der Bevölkerung des jeweiligen Landes geachtet).

Bemerkenswert ist auch, dass der „Alterssprung“ hin zu mehr Wissen sich bei den Frauen erst jenseits der 54 Jahre zeigt, während Männer bereits ab 35 Jahren mehr Fragen richtig beantworten. In der Studie wird das damit erklärt, dass Frauen erst in höherem Alter sich politisches Faktenwissen aneignen, was damit zusammenhängen könnte, dass ihnen vorher die zeitlichen Ressourcen wegen Kindererziehung und -betreuung fehlen. Aber ich halte das nicht für den hauptsächlichen Grund, zumal die jüngeren Frauen ja offenbar durchaus Zeit haben, sich über andere Themen zu informieren.

Ich glaube, dass sich hier vor allem kohortenspezifische biografische Erfahrungen niederschlagen. Die Studie war ja keine Langzeitstudie, sondern nur eine Momentaufnahme, das heißt, die Ergebnisse bilden das Politikverständnis und -interesse bestimmter Jahrgänge ab. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen müssen ihre Ursache also nicht im Alter als solchem haben, sondern das höhere politische Faktenwissen älterer Frauen auch in „gleichgestellten“ Ländern könnte damit zusammenhängen, dass diese Länder früher, als die betreffenden Frauen jung waren, überhaupt noch nicht gleichberechtigt waren. Erst die jüngeren und mittelalten Frauen sind ja bereits unter den Bedingungen relativ großer Gleichberechtigung aufgewachsen. Daher könnte der von mir vermutete Effekt, dass nämlich Frauen unter gleichberechtigteren gesellschaftlichen Bedingungen sich eher dafür entscheiden, andere Prioritäten und Relevanzkriterien in Punkto Politik zu setzen, eben für die älteren Frauen nur eingeschränkt gelten.

Bei den Männern hingegen hält sich der Charme der „zweiten Politik“ auch noch in den mittleren Alterskohorten der 35-54-Jährigen. Erst die noch jüngeren Männer interessieren sich für die Fakten dessen, was institutionellerweise als „Politik“ verstanden wird, fast so wenig wie die Frauen.

Die Verantwortlichen der Studie ziehen am Ende auch selbst den Schluss, dass ihr Ansatz eigentlich nicht geeignet war, um das politische Wissen und das Politikinteresse von Frauen zu erfassen, weil sie sich von der ganzen Anlage her eben an dem orientiert haben, was – vor allem ältere – Männer für Politik halten oder ins Zentrum ihres politischen Interesses stellen, und zwar sowohl die Politiker als auch die Journalisten und Redakteure der „quality papers“ als auch die normalen Bürger.

Von daher hoffe ich, dass das Vorhaben weiter verfolgt wird, das am Ende der Zusammenfassung der ESCR-Studie skizziert ist, nämlich der jetzigen Untersuchung über ‚männliche‘ Politik noch eine über ‚weibliche‘ Politik folgen zu lassen:

Women do as well or better than men in answering questions about ‚feminine‘ political knowledge such as local social policies that are more relevant to everyday life, or about specific politics pursued by women politicians. In order to track down whether or not national gender equity regimes influence women’s knowledge of ‚feminine‘ politics, we would like to revisit this subject and develop a questionnaire that better captures awareness of the political issues that women see as the most important.

Nur dass ich hier eben statt von ‚männlicher‘ und ‚weiblicher‘ lieber von ‚zweiter‘ und ‚erster‘ Politik sprechen würde.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

41 Gedanken zu “Frauen „wissen” weniger von Politik – aber von welcher?

  1. Das Ende klingt jetzt irgendwie fast wie „Wir haben Unterschiede zwischen Männern und Frauen untersucht und welche gefunden…. verdammt! Wir müssen dringend unsere Fragen ändern damit sowas nicht nochmal passiert.“^^

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  2. @erzaehlmirnix – Nein, so ist es aber nicht gemeint. Eher: Wir haben Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden und müssen deshalb unsere Definition von Politik ändern.

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  3. @Antje
    Ich sehe auch nicht, wieso man für die Diskussion die Definition des Begriffs Politik ändern sollte bzw. inwiefern sich am Ergebnis der Studie etwas ändern würde. Gegebenenfalls müsste man nur den Begriff »Politik« durch »zweite Politik« ersetzen und an dem Ergebnis der Studie würde sich aber nichts ändern: Auch wenn Du zwischen erster und zweiter Politik unterscheidest, bleibt, dass Männer statistisch gesehen über mehr politisches Faktenwissen (zumindest für Themen in der »zweiten Politik«) verfügen. Natürlich wissen wir nicht, ob die Ergebnisse der Studie sich auch ähnlich auf lokale und Lokalpolitik (was Du »erste Politik« nennst) übertragen lassen und Männer auch dort (statistisch) einen Wissenvorsprung gegenüber Frauen haben. Das wäre auf alle Fälle eine interessante Frage.

    Mich würde aber nicht überraschen wenn auch hier Männer über mehr Faktenwissen (als Indikator für Interesse) hätten: Wissen, Interesse und Partizipation sind eng miteinander verknüpft und da Politik (auch Lokalpolitik) tendenziell Männerdomänen sind, ist ein statistischer Wissenvorsprung von Männern gegenüber Frauen nicht überraschend.

    Angesichts dessen halte ich umlabeln oder Mutmaßungen darüber, dass Frauen eher in der »ersten Politik« stark sind für nicht sonderlich zielführend: ich finde, dass Frauen sich mehr in nationale und internationale Politik einmischen sollten und sich nicht bloß mit der »ersten Politik« zufrieden geben.

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  4. @japanjedi – es soll ja nicht der Begriff „Politik“ geändert werden, sondern die Inhalte dessen, was gefragt ist. Ich glaube, ich meine auch mit „erste Politik“ noch etwas anderes als du, nämlich nicht Politik auf einer lokalen repräsentativen Ebene (Kommunalparlamente, Ortsbeiräte) – das ist ebenfalls ein Ort, wo sich bevorzugt Männer wohl fühlen. Ich meine die praktische Politik dort, wo tatsächlich zusammengelebt wird und Regeln ausgehandelt werden. Diese „erste Politik“ müsste zunächst als „wirkliche Politik“ verstanden werden – anstatt den Begriff nur für die institutionellen Formen/Parteien/Ämter zu verengen. Und dann müsste man mit diesen Inhalten eine Studie machen, dann wird sich ja zeigen, wie es verteilt ist.

    Dass Frauen sich mehr in nationale und internationale Institutionen und Repräsentative Politik einmischen sollten, wünsche ich mir auch, die Frage ist aber doch, wie uns das gelingt. Wir können sie ja nicht dazu zwingen und bloße Appelle helfen da auch nicht weiter.

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  5. @Antje
    Du hast natürlich vollkommen recht, wenn Du sagst, dass bloße Appelle nicht weiterhelfen. In meinem Beitrag wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass meine erste Reaktion auf die Studie nicht eine Erweiterung des Begriffs Politik gewesen wäre, sondern eher in Richtung Partizipation gegangen wäre. Oder ist Dir das wichtig, weil Du glaubst, dass sich der Frauenanteil »von unten nach oben« erhöhen wird (also zuerst in der lokalen Politik (z. B. Betriebsräte) und dann davon ausgehend in regionale und nationale Politik)?

    PS Mit lokaler Politik (vs. Lokalpolitik) habe ich eher an Betriebsräte und ähnliches gedacht, wo es zumindest in einigen Unternehmen einen beträchtlichen Frauenanteil gibt (z. B. im Betriebsrat des Krankenhauses meiner Mutter, die dort auch Mitglied ist).

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  6. Ich meine die praktische Politik dort, wo tatsächlich zusammengelebt wird und Regeln ausgehandelt werden.

    Praktische Politik wird doch auch im Gemeinderat beschlossen: Wird ein neuer Kindergarten gebaut? Setzt man sich beim Verkehrsverbund für eine zusätzliche Buslinie ein? Der Anstoß dazu kommt aber oft von außerhalb – jemand regt sich bei einer Bürgerversammlung auf und kommt in die Zeitung, Eltern sprechen den Bürgermeister wegen der Kinderbetreuung an…

    So zu tun, als würde in den repräsentativen Gremien nur Wichtigtuerei stattfinden, läuft darauf hinaus, dass man sich alles selbst organisieren muss. Aber siehst doch auch lieber eine Polizeistreife durch die Stadt laufen anstatt dich zu bewaffnen und eine Bürgerwehr zu gründen, oder?

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  7. Wenn du gern alles im Kleinen unter den Beteiligten aushandelst – wieso wohnst du dann nicht weit draußen auf dem Land? Auf dem Dorf unter Einheimischen hat man in dieser Hinsicht viel mehr Möglichkeiten als in einer modernen Großstadt.

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  8. Ich würde gerne noch ergänzen: 1. Werden Frauen in der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nicht entsprechend ihrem realen Anteil dargestellt, sondern weitaus weniger (siehe Untersuchung „Ungleich mächtig“ zum Gendering von Führungspersonen). 2. Die Untersuchungen zur Präsenz von Frauen in der Presse zeigen auch, dass der Frauenanteil im Lokalteil einiger Zeitungen erheblich größer ist als im Politikteil. Und 3. Es gibt eine experimentalpsychologische Untersuchung wonach Frauen, wenn sie einen Vortrag halten und Abbildungen weiblicher Vorbilder im Raum aufgehängt sind (Merkel, Clinton), sodass sie sie sehen können währenddessen, dass sich dann die Frauen mehr anstrengen und bessere Ergebnisse bringen. – Und die Kommunikationsforschung hat für den Begriff „Öffentlichkeit“ schon vor Jahren angefangen ähnliche Unterscheidungen einzuführen wie Du, Antje, sie für den Politikbereich benennst. Insofern ist dass keine willkürliche Umbenennung, sondern eine die Genderaspekte mitreflektiert.

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  9. …im Duden steht bei mir, wenn ich das hier mit einbringen darf?!:
    Die Frage ist doch: wer hat Lebenserfahrung auf diesen und jenem Gebiet und kann daheraus mitreden/regieren? So haben Maenner und Frauen ja bekanntlich unterschiedliche Interessen und Lebensaufgaben und Anlagen -koerperliche wie geistige-, sodass da schon ein natuerliche Trennung der zu steuerenden Gegebenheiten entsteht, solang nicht der ein oder andere behauptet, Sie sei Mann, oder Er sei Frau,- oder etwa nicht?! „Allgemeines“ ist natuerlich allgemein zu behandeln!

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  10. @Irene – naja, den letzten Polizeieinsatz, den ich mitbekommen habe, war der bei Blockupy in Frankfurt und auf den hätte man gut verzichten können. Aber ganz abgesehen davon: In den repräsentativen Gremien findet natürlich nicht nur Wichtigtuerei statt, aber doch mehr als dass sie für viele Frauen ein attraktiver Ort des Engagements werden. Ich will ihnen ja auch die Qualität der Politik gar nicht absprechen, sondern ich bestreite nur, dass das die einzigen Orte sind, an denen Politik stattfindet.

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  11. @Irene – Dass man auf dem Dorf unter Einheimischen bezüglich „erster Politik“ mehr Möglichkeiten hätte, bestreite ich – als eine, die auf dem Dorf aufgewachsen ist – vehement. Meine Erfahrung besagt was anderes.

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  12. @AntjeSchrupp:

    „Ich will ihnen ja auch die Qualität der Politik gar nicht absprechen, sondern ich bestreite nur, dass das die einzigen Orte sind, an denen Politik stattfindet.“

    Also, noch mal die Bitte, mal ein paar konkrete Beispiele zu bringen, die die frauenverhaftetheit von „erster Politik“ belegen bzw. mal veranschaulichen, worin die eigentlich bestehen soll … geht es jetzt darum, ob man den Kirschbaum im Garten so pflanzt, dass er den Schatten auf Nachbars Grundstück wirft? Darum, auch mal auf die Kinder des Nachbarn aufzupassen? Feten zu organisieren?

    Du brauchst doch garnichts „bestreiten“ – Du könntest doch einfach mal erklären, worüber Du überhaupt sprichst …

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  13. @Andreas – Ja, das alles unter anderem auch, aber nicht nur zu tun, sondern dabei auch Regeln auszuarbeiten oder Konflikte zu bearbeiten. Es geht auch um die (Selbst)-Organisation von Angestellten in Betrieben (unterhalb von „Betriebsratswahlen“), und so weiter. Politik verstanden (was ich aber auch schon oft geschrieben habe) als alles das, wo Menschen miteinander über die Art, wie sie zusammenleben wollen, verhandeln, ohne dabei nur die Durchsetzung eigener Interessen im Blick zu haben, sondern das allgemeine Gute. Ich behaupte auch gar nicht, dass das „frauenverhaftet“ ist und Männer solche „erste Politik“ nicht machen würden. Ich behaupte nur, dass die Männer eine symbolische Ordnung entwickelt haben, wo sie oberhalb dieser „ersten“ Politik noch eine „zweite“ installiert haben, eben die Repräsentationsstrukturen, die sie klar „männlich“ bzw. „nicht-weiblich“ konnotierten (die „zweite“ Politik konstituierte sich übe den Ausschluss der Frauen), und die dann für sich beanspruchte, die „einzige/wahre/eigentlich“ Politik zu sein.

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  14. @Andreas – Die Art und Weise, wie du die Themenfelder der „ersten“ Politik aufzählst, bzw. die in deinem Spott durchscheinende Behauptung, da wäre doch alles Intrige und Zickenkrieg, ist übrigens ein schöner Beleg für diese männliche Verachtung und Geringschätzung der ersten Politik, also in gewisser Weise: Danke für das q.e.d.

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  15. “ Erst die noch jüngeren Männer interessieren sich für die Fakten dessen, was institutionellerweise als “Politik” verstanden wird, fast so wenig wie die Frauen.“

    in allen Ländern gleichermaßen?

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  16. @Antje – „Ich behaupte nur, dass die Männer eine symbolische Ordnung entwickelt haben, wo sie oberhalb dieser “ersten” Politik noch eine “zweite” installiert haben, eben die Repräsentationsstrukturen, die sie klar “männlich” bzw. “nicht-weiblich” konnotierten (die “zweite” Politik konstituierte sich über den Ausschluss der Frauen), und die dann für sich beanspruchte, die “einzige/wahre/eigentlich” Politik zu sein.“

    Schließe mich dieser ‚Behauptung‘ an.

    Geradezu unverschämt empfinde ich ‚Zurechtweisungen‘ an Frauen, dass sie sich zu wenig oder nicht
    für DIE POLITIK interessierten und sich daher auch nicht beklagen sollten, wenn diese ohne sie stattfindet.

    Diese „zweite Politik“, mit ihren vorherrschenden Repräsentationsstrukturen ödet nicht nur Frauen an und darüber tausche ich mich auch beim Kaffeeklatsch (oder im Biergarten) mit Frauen und Männern aus. Impulse für solchen Austausch über ‚erste und zweite Politik‘ kommen allerdings, so meine Erfahrung, eher von Frauen.
    Nicht selten erlebe ich, dass es Männer sind, die meinen, sie müssten ihre Gesprächspartner_innen, die über die bestehende Ordnung hinausdenken, über die vorherrschende aufklären um ihnen damit ihre
    „Spinnereien“ auszutreiben. Mannomann !

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  17. @Claudia – das geben die mir zur Verfügung gestellten Tabellen leider nicht her, die Auswirkung des demografischen Faktors ist nur so dargestellt, dass angezeigt wird, wie viel mehr die älteren Männer bzw. Frauen im Vergleich zu den 18-34-Jährigen wissen. Dieser Anstieg ist bei den Männern am höchsten in Australien, Kanada und Norwegen, wohingegen die Männer in USA erstaunlicherweise fast gar nicht „besser“ im Fragen beantworten werden. Es ist aber wirklich auffällig, dass der größte Sprung bei den Männern in allen Ländern (außer USA) zwischen den 18-34-Jährigen und den 35-54-Jährigen liegt, während der größte Sprung bei den Frauen (außer in Kolumbien, wo der Anstieg aber generell bei den Frauen sehr gering ist) zwischen den 35-54-Jährigen und den Über-54-Jährigen liegt.

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  18. @Antje – Die Frage, die sich mir im Zusammenhang mit dieser Politik-Fakten-Abfrage stellt ist, welches Wissen über die „Politik der zweiten Ordnung“ benötigen Frauen und Männer, damit sich Politik im dem Sinne realisieren kann wie du es hier anführst:
    „Politik verstanden als alles das, wo Menschen miteinander über die Art, wie sie zusammenleben wollen, verhandeln, ohne dabei nur die Durchsetzung eigener Interessen im Blick zu haben, sondern das allgemeine Gute.“

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  19. Dass vorallem ältere Frauen sich politisch einmischen, wundert mich nicht.
    Hier ein Beispiel von einem kleinen, aussterbenden Dorf.

    http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/programmkalender/sendung575136.html
    leider finde ich den Filmlink nicht.

    Nur soviel, die meist älteren Frauen haben nachdem ihr Ort immer mehr vergreiste, die Organisation des Dorfes von Bürgermeister bis hin zum Vereinsvorsitzenden übernommen.
    Ich erlebe das gleiche in den kleineren Nachbargemeinden. Auch dort werden die Frauen aktiv sobald Kindergarten oder Schule geschlossen werden.
    Sie organisieren Jugendbusse damit die Halbwüchsigen am Wochenende ausgehen können,
    einen Dorfladen, betreiben das Schwimmbad in einer Bürgerstiftung, selbst die im Nachbarort angesiedelte Blaskapelle wird inzwischen von einer Tubaspielerin geleitet.
    Die Tazbericht http://www.taz.de/!119800/ über die Freiwillige Feuerwehr geht in die gleiche Richtung.
    Gerade wegen der Demografie und Abwanderung auf dem Land, gewinnen ältere Frauen dort an Bedeutung. Die Lücke die Männer hinterlassen füllen Frauen, und dies auf eine ganz besondere, mich anrührende Weise in Stärkung des Dorfzusammenhalts.
    Von der Sozialbewegung ist der Schritt in die Kommunalpolitik ein kleiner.
    Dass diese Frauen erst dann politisch aktiv werden, wenn ihre Familienphase sich zu Ende neigt und keine politische Konkurrenz der Männer da ist, ist ein Zeichen dafür dass sie tatsächlich nur dann aktiv sein wollen, wenn sie gehört werden, die nötigen zeitlichen Reserven haben und nicht alleine sind oder das Gefühl haben etwas wichtiges in die Gemeinschaft einbringen können. Man könnte sagen es sind moderne Trümmerfrauen und es gibt sie nicht nur in den sterbenden europäischen Dörfern sondern auch in den als Slumgroßmütter in den Gethos der Dritten Welt oder als alte weiße Mütter die gegen Krieg und Menschenverschleppung sich erheben in Srebreniza und überall.

    Ich glaube auch dass Frauen eine andere Politik mögen, dennoch halte ich es für ein Fehler dass viele sich nicht für die männliche Politik interessieren und so oft auch gesellschaftlich relevante Themen einfach verschlafen. Es geht mir nicht um Schuldzuweisung, weder an Männer noch Frauen — es ist eher ein resigniertes Bedauern.

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  20. @AntjeSchrupp:

    Keine Ahnung, wo Du da schon wieder „Verachtung und Geringschätzung“ durchscheinen siehst.

    „Politik verstanden (was ich aber auch schon oft geschrieben habe) als alles das, wo Menschen miteinander über die Art, wie sie zusammenleben wollen, verhandeln, ohne dabei nur die Durchsetzung eigener Interessen im Blick zu haben, sondern das allgemeine Gute.“

    Ein „allgemeines Gutes“ gibt es nicht – deswegen kann das auch niemand im Blick haben, imho. Im Zweifel werde ich mich immer mit konkreten Interessen meines Mitmenschen auseinandersetzen müssen – und wenn ich darauf verzichte, habe gerade ich das „allgemeine Gute“ schon längst nicht mehr im Blick ( ein schönes Beispiel ist z.B. die BGE-Bewegung, die das „allgemeine Gute“ eben nicht im Blick hat, sondern nur die Partikularinteressen von ein paar Leuten ).

    Und es kann eine politische Entscheidung sein, auf Verhandlungen und Zusammenleben lieber zu verzichten.

    Wie kann man mit „erster Politik“ Dinge bewältigen, bei denen sehr große Menschenmengen, die weit verstreut sind, betroffen sind?

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  21. @Andreas – „Wie kann man mit “erster Politik” Dinge bewältigen, bei denen sehr große Menschenmengen, die weit verstreut sind, betroffen sind?“

    Welche Bewältigung von Dingen sind hier gemeint?

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  22. @Ute Plass
    »Geradezu unverschämt empfinde ich ‘Zurechtweisungen’ an Frauen, dass sie sich zu wenig oder nicht
    für DIE POLITIK interessierten und sich daher auch nicht beklagen sollten, wenn diese ohne sie stattfindet.«
    Aber das trifft ja auf Männer wie Frauen gleichermaßen zu: wer nicht bereit ist sich an den politischen Prozessen zu beteiligen, ›der kann sich gerade nicht beklagen, wenn sie ohne sie stattfindet‹. Selbst wenn Frauen sich tendenziell stärker in ›anderen Formen der Politik‹ involvieren, bedeutet das ja nicht, dass es nicht besser wäre, wenn sie auch stärker in anderen, institutionellen Formen der Politik stärker vertreten wären.

    Auf mich wirken diese Kommentare und Argument, dass Frauen sich bloß in anderen Formen der Politik (das, was Antje ›erste Politik‹ nennt) defensiv: Ich lese das als ›ja, Frauen machen Politik, aber da es nicht innerhalb von der männerdominierten, organisierten Politik stattfindet, merkt niemand den Beitrag der Frauen‹. So als würde man sagen ›wenn man Menschen (statistisch gesehen meist Frauen) die Hausarbeit vergüten würde, dann würden sie einen beträchtlichen zum Bruttoinlandsprodukt leisten‹. Solche Argumente verschleiern, dass es besser wäre, Hausarbeit zu gleichen Teilen auf Männer und Frauen zu verteilen, dafür zu sorgen, dass es einfacher ist, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren und dafür zu sorgen, dass Frauen bei gleicher Qualifikation eben nicht im Schnitt ca. 20 % weniger Gehalt kassieren.

    Ganz ähnlich ist es hier: selbst wenn man den Beitrag der Frauen am politischen Leben der Gesellschaft erhöht indem man andere Formen der Politik mitnimmt, ändert das nichts daran, dass das eigentliche Problem eine zu geringe Partizipation der Frauen an traditionellen Formen der Politik ist. Ein darauf aufmerksam machen ist nicht unverschämt, sondern sollte ein Problembewusstsein schärfen.

    @Valerie
    »Ich glaube auch dass Frauen eine andere Politik mögen, dennoch halte ich es für ein Fehler dass viele sich nicht für die männliche Politik interessieren und so oft auch gesellschaftlich relevante Themen einfach verschlafen. Es geht mir nicht um Schuldzuweisung, weder an Männer noch Frauen — es ist eher ein resigniertes Bedauern.«
    Genau. Ich fasse mich da an die eigene Nase, obwohl ich relativ politisch interessiert bin, beteilige ich mich nicht am politischen Prozess (von Wahlen mal abgesehen).

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  23. @japanjedi – Wenn Frauen und Männer sich nicht für das politische ‚Partei-Regierungsgeschäft‘ interessieren , bedeutet das ja keineswegs, dass sie sich nicht an politischen Prozessen beteiligen.
    Siehe attac, Occupy, mehr Demokratie, Anti-Atom u. Friedens-Frauenbewegung-Bewegung, ElternbeirätInnen, BGE-Initativen ……….. Aus diesen Kreisen kommen ja nicht wenige Impulse für die
    „zweite Politik“. Frau Merkel hätte nach Fukushima ganz sicherlich nicht ihren Atom-Kurs geändert, wenn
    es hierzulande nicht eine breite Anti-Atom-Bewegung gegeben hätte und immer noch gibt.

    In den Gründungszeiten der Grünen gab es noch eine intensive Auseinandersetzung darüber, ob und wie Parteien u. Parlamente mit ihrer StellvertreterInnen-Politik dem selbstbestimmten Leben der Menschen gerecht werden können bzw. welche Formen der direkten Mitbestimmung notwendig wären. Festzustellen ist, dass, wenn Parteien im sog. Regierungsgeschäft mitmischen, sie wenig bis kein Interesse mehr an diesen Fragen zeigen. Erst der Druck von ‚aussen‘, und hier wirken sehr wohl nicht wenige Frauen mit, führt dazu, dass sich unsere gewählte Volksvertretung bewegt.

    Daher sehe ich es nicht als Problem an, wenn Frauen und Männer sich den traditionellen Formen
    von Politik verweigern. Im Gegenteil.

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  24. “ Es ist aber wirklich auffällig, dass der größte Sprung bei den Männern in allen Ländern (außer USA) zwischen den 18-34-Jährigen und den 35-54-Jährigen liegt, während der größte Sprung bei den Frauen (außer in Kolumbien, wo der Anstieg aber generell bei den Frauen sehr gering ist) zwischen den 35-54-Jährigen und den Über-54-Jährigen liegt.“

    Ich finde das eigentlich nicht so überraschend – ich denke, es hat einfach damit zu tun, dass Männer in dem Alter schlicht anfangen, in Strukturen zu leben, die halt sensibel auf politische Prozesse reagieren.

    Während das Leben von Frauen häufig noch lange indirekter beeinflusst wird bzw. Schwerpunkte hat, die sehr viel träger veränderlich und eben auch nicht so einfach politisch beeinflussbar sind.

    Was übrigens in meinen Augen auch eine viel logischere Erklärung für ihre Abstinenz in der Politik ist.

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  25. @Ute Plass
    »Wenn Frauen und Männer sich nicht für das politische ‘Partei-Regierungsgeschäft’ interessieren , bedeutet das ja keineswegs, dass sie sich nicht an politischen Prozessen beteiligen.
    Siehe attac, Occupy, mehr Demokratie, Anti-Atom u. Friedens-Frauenbewegung-Bewegung, ElternbeirätInnen, BGE-Initativen«
    Ich glaube da reden wir etwas aneinander vorbei: Selbstverständlich tragen diese grass roots-Organisationen dazu bei, Politik zu machen und Parteipolitik zu verändern. Ich denke, Du verwendest den Begriff ›erste Politik‹ in Deinem Post anders als ich in meinem: soweit ich den Begriff verstehe, schließt ›erste Politik‹ nur Tätigkeiten *außerhalb* von Organisationen ein, also politisches Engagement, das selbstorganisierend ist und keine hierarchischen Strukturen braucht. Beispielsweise schreibt Antje »Es geht auch um die (Selbst)-Organisation von Angestellten in Betrieben (unterhalb von “Betriebsratswahlen”), und so weiter.« Das bedeutet, für Antje zählt der Betriebsrat, Attac oder Mehr Demokratie nicht zur ersten, sondern zur zweiten Politik.

    Ich glaube daher, dass wir meinungstechnisch deshalb gar nicht so weit auseinander liegen: ich habe vorher auch von der Rolle der lokalen Politik (z. B. Betriebsräte) ähnliches geschrieben wie Du.

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  26. @japanjedi – ja, sehe ich auch so, dass wir „meinungstechnisch“ gar nicht so weit auseinander liegen und kann dem auch gut folgen, wenn Du sagst:

    “Selbst wenn Frauen sich tendenziell stärker in ›anderen Formen der Politik‹ involvieren, bedeutet das ja nicht, dass es nicht besser wäre, wenn sie auch stärker in anderen, institutionellen Formen der Politik stärker vertreten wären.”
    Die Frage, die wir hier auch diskutieren ist ja die, warum genau das vielen Frauen nicht begehrenswert scheint?

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  27. Noch eine ganz aktuelle Ergänzung aus dem Medienbereich (die Medien prägen ja mit, was als Politik verstanden wird): Frauen sind nur mit 22 % in Entscheidungsfunktionen in den Medien vertreten (EU-LÄnder). In den privaten sieht es noch schlimmer aus: nur 12 %. Das Fazit von EIGE, European Institute for Gender Equality: eine größer Frauenbeteiligung wäre sozial gerechter, damit würden Fähigkeiten und Talente besser genutzt und innovative Entscheidungen befördert. All dies würde die Inhalte der Medien verbessern. Zur Pressemitteilung: http://eige.europa.eu/sites/default/files/documents/EIGE_PRESS_Women%20and%20media.pdf

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  28. Von welcher Politik weiß denn eigentlich ‚ die erste Frau im Lande ‚ – unsere Kanzlerin Angela Merkel?

    „Bei der heutigen Pressekonferenz fragt ein ausländischer Journalist, welche Kräfte sie eigentlich antreibe. Und dabei versehentlich von Treibkräften spricht.
    „Meine Triebkräfte? Ich wusste nicht, ob ich was von Streitkräften gehört hatte. Die brauche ich zum Aufstehen ehrlich gesagt persönlich noch nicht. Also meine Triebkräfte: Ich finde, dass die Arbeit der Bundeskanzlerin eine sehr schöne, inspirierende Arbeit dahingehend ist, dass sie immer wieder neue Probleme haben.“ Die Hauptstadtpresse lacht. Die Kanzlerin meint das aber ernst.“

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  29. @Antje – den bzw.weiterdenken-Beitrag der italienischen Feministinnen finde ich hochspannend.
    Wäre echt wünschenswert wenn er von vielen Leuten gelesen würde, beschäftigt er sich doch mit der altneuen Frage, wie es gelingen kann mit Macht so umzugehen, dass sie nicht in Herrschaft des Menschen über den Menschen umschlägt, sowie der notwendigen Einsicht, dass Politik und Macht nicht dasselbe ist.

    Kannst du noch mehr dazu sagen, was die Autorinnen unter „Maßstab des männlichen Urteils“ verstehen?

    Wie können ParlamentarierInnen der Falle der „Neutralisierung“ , sprich, der Einhegung des
    Eigenen in vorhandene Macht/Herrschaftsstrukturen entkommen?

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  30. „Beleg für diese männliche Verachtung und Geringschätzung der ersten Politik“

    Ich denke, es geht hier eher um die (berechtigte) Verachtung & Geringschätzung einer (vornehmlich differenz-)feministischen Taktik, Dinge, die als „männlich“ gelten, aus diesem Grund abzulehnen und einen „weiblichen“ Gegenentwurf basierend auf weibl. Stereotypen zu kreieren. In diesem Falle wird eine „erste Politik“ erfunden und zum „weiblichen“ Ideal erkoren, die sich zwischen Küchentisch und Klobürste abspielt.

    Man könnte auch einfach konstatieren, dass Frauen sich für das, was gemeinhin unter Politik verstanden wird, weniger interessieren. Man könnte dieses Stereotyp aufbrechen, statt eine „weibliche“ Politik zu erfinden.

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  31. @horst sabine

    Ach ja, Frauen sollen doch einfach mal ein weibliches Stereotyp aufbrechen, und schon ist die Welt (wessen Welt ?) in Ordnung.

    Sie wollen sich einfach nicht mit den Hindernissen befassen, die es Frauen
    (aber auch vielen Männern) erschweren, nach ihren Überzeugungen politisch aktiv zu sein und sich politisch einbringen, ohne Ochsentour, Gehirnwäsche und Fraktionszwang.

    Ich bin als junges Mädchen bei den Falken gewesen, dann bei den JUSOs, war bei der Partei- Gründung der GRÜNEN in Karlsruhe dabei, kannte viele aus dem KBW-Spektrum, lebte in einer SDS-WG.Mein Vater ist aktiver Sozialdemokrat . Ich kannte das Innenleben der beiden Partei von Parteitagen und persönlichen Kontakten – weiß über die Ochsentour Bescheid, habe die Kontroversen der Grünen zwischen der REALOS/ExKBWler und Fundis mitgekommen und konnte sehr das männliches Alphatiergehabe der sogenannten revolutionären Führungskader der ExKBWler und der Frankfurter Realos aus nächster Nähe studieren.
    Wie „männlichen“ Strukturen entstehen, konnte ich bei den Grünen beobachten.
    Als die basisdemokratischen Prinzipien und emanzipatorische Streitkultur durch die REALOS und ihrem Wille zur Macht aufgebrochen wurde, gab es einen Exodus von sehr vielen Frauen aus der Partei. Jutta Ditfurth war eine der bekanntesten.

    Ich behaupte heute, dass linke Parteien ein weit größeres Problem mit weiblichen politischen Denken haben als Rechte. Und das Kernproblem ist das Streben nach Egalität – welche ja eigentlich per Definition linke und rechte Politik unterscheidet.
    Wenn die Linken nicht anerkennen dass es Differenzen der Geschlechter/Klassen und Kulturen gibt (nicht anerkennen können!!!) und nur sich auf die Egalität der Menschen berufen, werden die Strukturen, die eher für männlich sozialisierte Menschen gemacht wurden, nie hinter fragt und schließen so die Mehrheit der Frauen aus.
    Um die Politik etwas gleichberechtigter zu machen, bedarf es dann einer Frauenquote oder sonstiger Quoten.
    Dummerweise aber vertreten die Quoten-Frauen nun nicht unbedingt die Interessen der anderen Frauen. Ganz im Gegenteil. Sie sind ein politisches Feigenblatt und sie werden nicht riskieren ihre eigenen Privilegien durch nicht systemkonforme Politik in Frage zu stellen.
    Was mich als Frau an der realen Politik abschreckt, ist das Streben nach Macht und damit einhergehend die Unterdrücken von anderen Meinungen, der ständige Fortschrittsglaube, die technischen Lösungsansätze und die zunehmende Entfremdung vom Menschen.

    Wenn die Hinwendung zum Menschen und dessen Bedürfnissen als Politik zwischen Küchentisch und Klobürste bezeichnet wird, und somit wie immer einen eher weiblichen, stark abgewerteten Bereich zugeordet wird, frage ich mich, warum so viele diese Abwertung nötig haben.
    Dabei fällt mir Orwells „Alle sind gleich, nur einige sind gleicher “ ein.

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