Brauchen wir noch Journalismus?

Ob wir noch Journalismus brauchen? Wo wir doch jetzt das Internet haben? Das war die Frage bei einem Panel der Medientage München, an dem ich gestern teilgenommen habe. Aus diesem Anlass habe ich nochmal etwas systematischer über diese Frage nachgedacht.

Und bin zu dem Schluss gekommen: Ja, wir brauchen Journalismus. Stellt sich nur die Frage, was genau Journalismus ist.

Journalismus, so würde ich es definieren, ist in erster Linie professionelle Recherche, die zu dem Zweck betrieben wird, Informationen der Allgemeinheit zugänglich und verfügbar zu machen. Das ist aus einer gesellschaftlichen Perspektive wünschenswert, weil politische Debatten darauf angewiesen sind, alle für ein bestimmtes Thema relevanten Informationen zur Verfügung zu haben.

Leider wird Journalismus häufig mit Schreiben verwechselt. Geschrieben wird aber viel, es gibt ja nicht nur journalistische Texte (Videos und Audios subsumiere ich der Einfachheit halber mal). Es gibt viele Gründe zu schreiben, Journalismus ist nur einer davon. Und es gibt viele Textformate, journalistische Texte sind nur ein Teil davon.

Zu dieser Verwechslung konnte es kommen, weil früher, vor dem Internet, ein Großteil der in den klassischen Medien – Zeitungen, Radio, Fernsehen – veröffentlichten Texte journalistische Texte waren. Die Veränderung, die das Internet mit sich brachte, ist die, dass jetzt jede Art von Geschriebenem publiziert wird. Es gibt im Internet alle möglichen Arten von Content. Persönliche Betrachtungen, Briefe, Tagebucheinträge, Gespräche, Meinungsäußerungen aller Art, Forschungsergebnisse, Pressemitteilungen – alles wird veröffentlicht, und zwar direkt von denen, die diese Texte produzieren.

Mir ist klar, dass Definitionen und Differenzierungen immer eine Unschärfe haben und sich in der Realität die Dinge oft vermischen und Grauzonen aufweisen, aber um die Dinge durchschauen zu können, ist es doch wichtig, Unterscheidungen zu ziehen und zu sehen, wo die Grenzen verlaufen – und wo nicht.

Die Grenze zwischen journalistischem und nicht-journalistischem Content hängt zum Beispiel nicht mit dem Medium zusammen, über das der Content verbreitet wird: Sowohl auf Blogs als auch in Zeitungen oder im Fernsehen können journalistische ebenso wie nicht journalistische Inhalte verbreitet werden. Höchstens aus den genannten historischen Gründen gibt es in Blogs oder in sozialen Netzwerken mehr nicht-journalistischen als journalistischen Inhalt. Aber einem Text ist es erstmal egal, ob er als Webseite oder als Print verbreitet wird. Es gibt inzwischen viele Blogs mit journalistischem Inhalt, und vieles, was in Zeitungen steht oder im Fernsehen gesendet wird, hat mit Journalismus nichts zu tun.

Es geht auch nicht um Qualität als solche. Beide Textformen, journalistische wie auch nicht-journalistische, haben eine jeweils eigene Qualität.

Ich schlage vor, den Unterschied folgendermaßen zu fassen: Nicht-journalistische Texte (oder Audios oder Videos), so meine These, sind solche, die nicht auf Recherchen beruhen, die eigens für die Veröffentlichung vorgenommen wurden. Die meisten Blogger_innen zum Beispiel geben Wissen, Einsichten und Erfahrungen weiter, die sie ohnehin haben, die sie auch hätten, wenn sie nicht bloggen würden. Sie wurden also nicht extra für die Publikation recherchiert.

Das bedeutet nicht, dass ihr Content deshalb weniger fundiert, weniger relevant, weniger verlässlich wäre als klassischer Journalismus – ganz im Gegenteil: Oft schreiben Menschen ja über Themen, mit denen sie sich sehr gut auskennen, meist sogar besser als entsprechende Fachjournalist_innen. Ganz einfach deshalb, weil es ihre Leib- und Magen-Themen sind, weil sie sich mit ihnen aus persönlichem Interesse beschäftigen. Oder weil sie ohnehin gerade anwesend waren, als etwas Interessantes passierte.

Der Unterschied, auf den ich hinaus will, ist nicht einer der Qualität, sondern der Perspektive: Blogger_innen teilen ihr Wissen mit der Öffentlichkeit, aber dieses Wissen hätten sie auch, wenn sie es nicht teilen würden. Zum Beispiel rezensiere ich hier im Blog Bücher oder Filme, berichte über Veranstaltungen oder schreibe Meinungsartikel zu gesellschaftlichen Debatten. Der Punkt ist: Diese Bücher würde ich auch lesen, diese Veranstaltungen auch besuchen und diese Meinungen auch haben, wenn ich nicht bloggen würde.

Das ist auch der Grund, warum Blogger_innen keine Bezahlung für ihre Texte verlangen: Sie haben keinen zusätzlichen Rechercheaufwand, der Aufwand des Bloggens besteht lediglich darin, das in Worte zu fassen, was man ohnehin schon weiß. Man veröffentlicht das, weil man darin ein persönliches Anliegen sieht, weil man die eigenen Ansichten und das eigene Wissen in den allgemeinen Diskurs einspeisen möchte, weil man Einfluss nehmen möchte, oder weil es wenig Aufwand ist, ein Foto, das man sowieso gemacht hat, dann auch noch rasch zu veröffentlichen und somit der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Ganz anders steht es aber um den professionellen Fotografen, der extra irgendwo hinfahren muss, um ein Foto zu machen. Oder die Journalistin, die den Auftrag bekommt, über ein Thema zu schreiben und dann erst einmal aufwändig recherchieren muss, um die notwendigen Inhalte in Erfahrung zu bringen. Wenn ich journalistisch schreibe, dann beschäftige ich mich aus professionellen Gründen mit einem Thema, mit dem ich mich ansonsten nicht beschäftigen würde. Weil ich dafür bezahlt werde, zum Beispiel.

Der Unterschied zwischen journalistischem und nicht-journalistischem Content hängt also am Zustandekommen des Wissens: Ist dafür eine Recherche notwendig, die eigens betrieben wird, um etwas für das Publizieren herauszufinden? Oder ist es ein aufgrund persönlicher Interessen oder anderweitiger beruflicher Expertise erworbenes Wissen, das dann auch noch publiziert wird, quasi als Nebenprodukt?

Wichtig ist mir dieser Unterschied, weil er aus meiner Sicht entscheidend ist, um die Notwendigkeit von Journalismus zu begründen: Denn ich behaupte, wenn wir keinen Journalismus hätten, wenn also nur das publiziert würde, was irgendjemand ohnehin schon weiß, würden wichtige Dinge unbekannt bleiben, würden Informationen, die für eine gesellschaftliche Debatte wichtig sind, nicht verfügbar sein.

Es ist nämlich ein Irrtum, zu glauben, dass sich alles googeln ließe. Es gibt sehr viele Dinge, die man nicht googeln kann. Sei es, dass jemand die entsprechenden Informationen geheim halten will – dafür braucht man dann investigativen Journalismus. Oder sei es, dass wirklich noch niemand die entsprechenden Informationen zusammengetragen hat, dass sich niemand aus persönlichen Gründen so sehr dafür interessiert, um es freiwillig zu recherchieren. Oder sei es, dass diejenigen, die sich dafür interessieren würden, nicht die notwendigen Ressourcen, nicht die Zeit, nicht das Know-How haben, um es zu recherchieren.

Und genau diese Lücke kann nur professioneller Journalismus füllen. Journalist_innen, so könnte man also sagen, sind notwendig, um Wissen googlebar zu machen, das ohne ihre Arbeit nicht googlebar wäre. Sie recherchieren Dinge, die niemand freiwillig ins Netz stellt, die aber dennoch wichtig sind oder vielleicht in einem späteren Kontext einmal wichtig werden könnten.

Wo ich hingegen langfristig keine Zukunft für den Journalismus sehe, auch wenn das derzeit häufig behauptet wird, ist im Kuratieren und Aufbereiten bereits vorhandenen Wissens. Momentan mag es noch einen gesellschaftlichen Nutzen haben, wenn Leute die Fülle der vorhandenen Informationen ordnen, sortieren, evaluieren, verifizieren und häppchenweise aufbereiten. Aber ich glaube, das werden wir alle zunehmend selber machen. Die entsprechenden Tools gibt es bereit, es bilden sich entsprechende Mechanismen heraus. Woran es momentan noch fehlt, ist die dafür notwendige Medienkompetenz, die noch nicht bei allen vorausgesetzt werden kann. Aber das wird kommen. Das Kuratieren von Informationen durch Redaktionen mag ein Modell sein für den Journalismus der nächsten fünf, zehn Jahre, aber nicht auf Dauer.

Bleibt natürlich die Frage, wer Journalismus in Zukunft bezahlen soll. Meiner Meinung nach werden das nicht die User sein. Denn ein anderer häufig genannter Zusammenhang ist ebenfalls ein Irrtum: der zwischen Relevanz und Reichweite. Beides hat nichts miteinander zu tun.

Die Relevanz eines Contents lässt sich NICHT daran ablesen, wie viele Leute sich dafür interessieren. Ich sage nur: NSU versus Königshochzeiten. Die Menschen interessieren sich im Alltag für Buntes, Skandalöses, Emotionales und nicht unbedingt für die „wirklich wichtigen“ Dinge, und ich finde, das kann man ihnen nicht vorwerfen. Das geht mir auch selber oft so.

Nicht aus einer individuellen, sondern lediglich aus einer gesellschaftlichen Perspektive heraus ist es wichtig, dass möglichst viele Dinge recherchiert und veröffentlicht werden. Damit sie im Fall des Falles vorhanden und referenzierbar sind. Aber diese Rechercheergebnisse sind keine massenverkaufbare Ware. Und deshalb ist klar, dass die Finanzierung von Journalismus in  Zukunft weder über Nutzergebüren, noch über Werbung laufen kann (die ja in direktem Zusammenhang mit Reichweite und Quoten steht).

Leider befinden sich die traditionellen Medien derzeit in der Falle, dass sie sich auf der Suche nach Reichweite und damit nach Einnahmen immer weiter von genuin journalistischem Content entfernen, weil mit solchem Content eben nicht dieselben Reichweiten und Renditen erzielt werden können wie mit nicht-journalistischem Content, also mit Unterhaltung und PR. Unterhaltung (wozu auch Skandalberichterstattung gehört) erzielt Reichweiten und generiert Einnahmen. PR wiederum kostet wenig und rentiert sich daher auch bei geringeren Reichweiten, was etwa das Geschäftsmodell der Huffingtonpost ist (warum die Huffingtonpost nicht Journalismus, sondern PR ist, hat Michael Pantelouris grade auf Carta erklärt, full ack. meinerseits).

Das heißt, die Frage nach der Zukunft des Journalismus ist eine gesellschaftspolitische Frage, die nicht auf marktwirtschaftliche Weise gelöst werden kann. Angesichts der Vielzahl von anderem Content, der kostenlos verfügbar ist und das Interesse der Menschen in der Masse mehr trifft als die Ergebnisse fundierter journalistischer Recherche, werden die Leute nicht in relevantem Ausmaß dafür bezahlen. Vielleicht bei einzelnen Crowdfunding-Projekten, doch dass werden immer nur kleine Nischen sein.

Wenn der professionelle Journalismus erhalten bleiben soll, wird das meiner Ansicht nach nur über gesellschaftliche Mittel wie Kulturflatrate oder Stiftungen oder ähnliches funktionieren.

Sicher wird es auch in Zukunft noch Geschäftsmodelle für Medienangebote geben, die sich über Nutzungsgebüren oder Werbung finanzieren, aber das werden meiner Ansicht nach keine genuin journalistischen Inhalte sein, sondern in erster Linie Unterhaltung. So, wie es ein Großteil des Contents im Fernsehen oder in Zeitschriften ja jetzt schon ist.

Soweit erstmal meine Überlegungen zum Thema. Das Panel bei den Medientagen wird Anfang November auch  noch ausgestrahlt (dann reiche ich den Link nach). Bereits online steht ein Interview dazu, das der BR vor dem Panel mit mir gemacht hat (das Foto ist ein Screenshot daraus).

Weiterlesen: Information und Wissen

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

37 Gedanken zu “Brauchen wir noch Journalismus?

  1. Gute Thesen – den Weg zu der Abgrenzung von Bloggen und journalistischem Schreiben hattest Du ja schon vor ein oder zwei Wochen auf Twitter angedeutet.

    Aber das scheint mir nicht ganz schlüssig zu sein: Wie steht es denn mit dem freien Wissen? Wenn ich für einen Artikel für Wikipedia recherchiere, gehe ich nach Deiner Definition journalistisch vor, erstelle dabei aber kein journalistisches Format. Der Artikel ist nur innerhalb von Wikipedia zu gebrauchen, er wird höchstens auszugsweise zitiert, beispielsweise wenn er Definitionen enthält (so, wie man auch Duden oder Brockhaus zitiert). Und die Recherche hätte ich sowieso gemacht, denn das Thema interessiert mich. Dabei kommt übrigens auch fast immer wieder etwas Neues heraus in dem Sinne, daß ich es noch nicht gewußt habe – und ganz viele andere auch nicht, obwohl es schon publiziert war, aber eben ziemlich versteckt. Mit der Veröffentlichung auf einem der größten Knoten im Netz ist das dann auch „googlebar“. Und das ist für mich genaugenommen nur eine sehr spezielle Form des Bloggens.

    Deshalb glaube ich nicht, daß sich die Recherche als Abgrenzungskriterium eignet. Es ist viel einfacher, man muß es materialistisch beschreiben: Journalistische Texte sind solche, die im Auftrag eines anderen in einem Massenmedium geschrieben werden, im Blog schreibe ich nur für mich und nur wenn ich Lust habe. Außerdem werden journalistische Arbeiten vergütet. Alles andere ist unerheblich.

    Zustimmen würde ich Dir, wenn Du sagst, daß der bloß kuratierende, affirmative Journalismus, der nur Agenturmeldungen oder PR aggregiert und konsumierbar aufbereitet, abgewirtschaftet hat. Der wurde bereits ersetzt, und zwar nicht durch die Blogs, sondern einerseits durch die Linkschleudern der sozialen Netzwerke und andererseits – zum Nachlesen – durch die Artikel über aktuelle Ereignisse in Wikipedia, wo auch zu laufenden Ereignissen ständig die neuesten Meldungen nachgetragen werden. Also durch gemeinschaftliche Community-Leistungen. Und das bietet so keine Zeitung und keine Website sonst.

    Sowohl Blogger als auch Journalisten können also Neues ausgraben oder ermitteln und publizieren. Das kann also kein Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Gruppen sein. Was bleibt, ist der wirtschaftliche und organisatorische Aspekt: Wird das ganze beruflich und mit Gewinnerzielungsabsicht bzw. im Rahmen einer größeren wirtschaftlichen oder publizistischen Organisation oder aus freien Stücken heraus gemacht? So kann auch ein kommerzielles „Blog“ als journalistisches Produkt daherkommen und damit kein Blog mehr im ursprünglichen, freien Sinne sein. – Zur Erinnerung: Ich vertrete die These vom echten Bloggen. 😉

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  2. Ich finde es ja immer erhellend, Zusammenhänge auch mal von der Etymologie her ins Auge zu fassen: „Journalismus“ kommt von „Journal“. Ein Journal ist eine täglich erscheinende Publikation, denn in „Journal“ steckt der „Jour“, also der Tag. Nun ist aber die Aufgabe, die du dem Journalismus zuweist, gerade eine, die weit über den Tag hinaus reicht: es geht um die recherchierende Aufklärung von längerfristigen Zusammenhängen. Nichts brauchen wir dringender, und nichts liegt weniger im Trend dessen, was uns derzeit als „Qualitätsjournalismus“ verkauft wird, aber zu grossen Teilen, wie du richtig analysierst, nichts weiter ist als ein absehbar schon jetzt verlorenes Wettrennen um Reichweite und Aufmerksamkeit. Würde es also, was ich sehr befürworten würde, in Zukunft Portale geben, bei denen man – wie auch immer finanziert – profunde Recherchen holen oder auch bestellen könnte, dann würde ich die Leute, die dort bezahlt arbeiten, nicht „Journalistinnen“ nennen. Ich würde sie vielmehr nach dem benennen, was sie tatsächlich tun: Rechercheurinnen, also Leute, die eben nicht für den „Tag“, sondern weit darüber hinaus Wissen produzieren und zur Verfügung stellen. Und die Portale müssten dann „Rechercheportale“ oder sowas heissen.

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  3. @jfenn – Ich mache nicht Recherche als solche zum Abgrenzungskriterium, sondern den Grund der Recherche: Blogger_innen recherchieren ebenfalls, aber nicht nur, weil sie publizieren wollen, sondern aus persönlichem Interesse, politischem Engagement etc. heraus. Es ist also keine gesonderte Recherche notwendig, aber natürlich könnte man in einem sehr weiten Sinne sagen, dass alles, was irgend jemand weiß, vorher „recherchiert“ wurde. Und natürlich bringen auch Blogger_innen neues und Originelles hervor und machen es damit googlebar. Da ist kein Unterschied zum Journalismus. Der Journalismus ist imho dafür da, auch diejenigen Dinge zu recherchieren, um die sich sonst niemand kümmert.

    Danke zu deinem Link zum „echten Bloggen“, sehe ich genauso.

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  4. @inabea – Interessant! Aber vielleicht hat auch in diesem Sinn der wörtliche „Journalismus“ nicht ausgedient, weil es diese Art fundierter Recherche auch bezüglich tagesaktueller Entwicklungen braucht. Also: Irgend ein Gerücht kommt auf und jemand muss es überprüfen. Irgend eine Diskussion flammt auf und jemand recherchiert die Hintergründe. Sowas in der Art. Also „profunde“ Recherchen sind nicht immer langfristig, das würde man dann vielleicht eher „Forschung“ nennen, sondern manchmal auch kurzfristig vonnöten. Also ich würde die Betonung auf „Wissen produzieren und zur Verfügung stellen“ legen, und das kann auch mal „für den Tag“ notwendig sein.

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  5. Ebenso interessant wie die definitorische Abgrenzung von „Bloggen“ und „Journalismus“ ist demnach die Abgrenzung zwischen „Recherche“ und „Forschung“. Wo da eigentlich die Grenze sinnvollerweise verlaufen würde, ist mir, abgesehen davon, dass (heute noch?) verschiedene Institutionen involviert sind, nicht klar. In beiden Bereichen gibt es viel Leerlauf, der darin begründet ist, dass nicht geklärt – bzw. massiv interessengeleitet kanalisiert – ist, was eigentlich „gesellschaftspolitisch relevant“ ist. (Davon können wir als postpatriarchale DenkerInnen ja ein ellenlanges Klagelied singen). Ich befasse mich gerade mit der Frage, was eigentlich die IAFFE (International Association for Feminist Economics) tut. Das ist eine an sich eminent wichtige Organisation, die meiner Meinung nach Wissen erzeugen und zur Verfügung stellen müsste darüber, wie sich Geschlechterdifferenz ökonomisch auswirkt bzw. verändert. Tatsächlich aber wird da viel Energie in individuelle Karriereplanung und die Erstellung von „Databases“ gesteckt, deren gesellschaftliche Relevanz mir nur schwer nachvollziehbar ist, da die Fragestellungen oft theoretisch kaum durchdacht sind. Die Frage nach der Zukunft von Bloggen/Journalismus/Recherche/Forschung läuft damit letztlich auf die Frage hinaus, wie wir als verantwortliche Bürgerinnen eigentlich zu dem Wissen kommen, das wir brauchen, um uns in Richtung auf ein gutes Zusammenleben zu bewegen. Wer macht in diesem Feld sinnvollerweise was? Wer sorgt für die Generierung relevanten Wissens, und wer über welche Kanäle für dessen sinnvolle Verbreitung?

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  6. @inabea – Ja, genau das sind die Fragen, danke! Vielleicht ist es hilfreich, den Aspekt „Vermittlung“ noch mitzudiskutieren. Forschung wird meist schlecht (zum Beispiel nur an die eigenen In-Zirkel) vermittelt, was dann an Journalismus delegiert wird usw. Vermittlung ist der Beziehungsaspekt, das heißt es kommt nicht nur auf die Information als solche an und dass sie prinzipiell publiziert ist, sondern auch darauf, wer das wem wie wo vermittelt, was ein wechselseitiger Prozess ist und eine Beziehung voraussetzt…

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  7. @Antje – stimmt, es geht je länger je weniger um „Verbreiten“, sondern um wechselseitiges Vermitteln. Dazu braucht es neue Kompetenzen. Die Tools stehen uns in Form von Socialmedia und Blogosphäre jetzt zur Verfügung. Eine Story dazu: Kürzlich stellte ich via Facebook eine Printjournalistin zur Rede, die mit dem Arbeitspsychologen Theo Wehner ein ganzseitiges Interview über die Zukunft der Tätigkeitsgesellschaft geführt und publiziert hatte. Wie immer hatte er nur von „bezahlter“ und „freiwilliger“ Tätigkeit gesprochen und den ganzen Bereich der notwendigen unbezahlten Arbeit weggelassen. Ihr – wohlgemerkt: einer berufstätigen Mutter zweier Kleinkinder und Feministin – war diese notorische Leerstelle doch tatsächlich „nicht aufgefallen“. Sie war dann etwas erschreckt, dass „sowas“, also ein inhaltliches Feed-back und der Ansatz einer Debatte, auf der „Krake Facebook“ möglich ist. Was in dieser Sache weiter passiert, weiss ich noch nicht, denn diese Facebook-Begegnung ist erst ein paar Tage her. – Was will ich sagen? Das permanente Niedergerede von Socialmedia als nichtigem Zeitvertreib für Pubertierende hindert sogar intelligente Leute vom Fach daran, die neuen Vermittlungspotentiale, die uns heute zur Verfügung stehen, wahrzunehmen, geschweige denn zu nutzen. Aber wir werden’s schon noch lernen.

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  8. @antje Du schreibst:
    “Ich mache nicht Recherche als solche zum Abgrenzungskriterium, sondern den Grund der Recherche: Blogger_innen recherchieren ebenfalls, aber nicht nur, weil sie publizieren wollen, sondern aus persönlichem Interesse, politischem Engagement etc. heraus.”

    Klar gibt es in Redaktionen jeden Tag Dinge, die keine Herzensthemen sind, und für die dennoch recherchiert werden muss. Ich wurde jedoch während meiner Arbeit für eine Wochenzeitung drei Jahre lang täglich Zeugin, dass Journalist*innen sehr wohl aus persönlichem Interesse und (politischem) Engagement heraus recherchiert haben. Ich behaupte sogar, ohne diese Faktoren wären sie keine guten Journalist*innen.

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  9. @ruhepuls – hm, ich bin ja auch selber Journalistin und natürlich versuche ich dabei, mich möglichst mit Dingen zu beschäftigen, die ich auch selber interessant finde. Aber trotzdem würde ich das nicht machen, wenn ich nicht dafür bezahlt würde. Weil ich dann lieber noch etwas ganz anderes machen würde. Ich vermute, das geht den meisten Journalist_innen so.

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  10. Ein demokratischer Rechtsstaat braucht Journalismus als Luft zum Atmen! Deshalb sind Journalistinnen und Journalisten (mit Presseausweis) sowie die Fernsehsender, Zeitungen und Nachrichtenmagazine in bestimmter Hinsicht privilegiert. Pressefreiheit ist eine unverzichtbare Grundlage der Demokratie.

    Das Problem: Viele Medien und Einzelpersonen missbrauchen diese Priviliegien und verstoßen gegen die Regeln des Journalismus (also etwa: Gründliche Recherche, Quellenprüfung, Trennung von Bericht und Kommentar sowie Trennung von Journalismus und PR/Werbung).

    Deshalb werden Journalisten als Berufsgruppe laut »lobbycontrol« inzwischen als so korrupt wie die Politiker wahrgenommen, denen sie eigentlich auf die Finger sehen müssten.

    Die Antwort auf die Frage ist also: Ja, wir brauchen Journalismus – aber es muss der richtige Journalismus sein. Man kann die Frage über dem Artikel nicht diskutieren, ohne zwischen »falschem« und »echtem« Journalismus zu differenzieren – oder man muss voraussetzen, dass mit der Frage nur »echter« Journalismus gemeint ist. Dann darf man allerdings auch vom »falschen« Journalismus nicht schweigen.

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  11. Wieso besteht denn überhaupt der Grund darin, neue abgrenzende Definitionen für Journalismus zu erfinden? Es gibt doch bereits klare, wissenschaftlich begründete Definitionen, z.B. das zur Verfügung Stellen von Informationen für ein möglichst breites Publikum, unter Kriterien wie Aktualität, Verifizierbarkeit oder Wahrhaftigkeit.
    Mehr braucht es doch nicht. Keine Recherche-Herangehensweisen oder Defintionen durch Bezahlung und Ähnliches. Das sind letztlich doch nur Versuche, evtl. neue Formen von Journalismus von traditionellen abgzugrenzen, um die eigene Profession quasi “rein“ und pur zu halten.
    Das ist aber m.M.n. die falsche Herangehensweise. Nicht Exklusion neuer Inhalte sollte es sein, sondern INKLUSION. Blogs, Social Media-Beiträge – auch die können Journalismus sein. Solange sie eben Informationen enthalten die neu sind, die für möglichst VIELE Menschen relevant sind, die verifizierbar sind und die wahr sind. That’s it.

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  12. @Tino N. – Weil die alten Definitionen meiner Meinung nach nicht mehr taugen. Verifizierbarkeit und Wahrhaftigkeit sollte man von jeder ernsthaften Publikation erwarten, ob jemand aus privatem Interesse oder Profession publiziert, schreibst du ja selbst, dass jede Menge Blogs Inhalte enthalten, die man nach früheren Definitionen als Journalistische bezeichnet hätte. Aber unter der Frage der Finanzierbarkeit bzw. Finanzierungswürdigkeit zum Beispiel ist es nicht sinnvoll, das alles als Journalismus zu bezeichnen. Ich argumentiere ja, dass der „Markt“ diese Finanzierbarkeit nicht regeln wird, sondern plädiere für öffentliche Gelder. Die sollten an das gehen, was „notwendigerweise“ finanziert werden muss. Die meisten Blogs müssen offensichtlich nicht finanziert werden, da sie auch so schon existieren. Deshalb komme ich auf den Punkt, dass öffentliche Subvention für Journalismus dahin fließen müsste, wo es notwendig ist, Dinge zu recherchieren, die ansonsten nicht recherchiert würden.

    Das „für ein möglichst breites Publikum“ aus der von dir zitierten alten Definition des Journalismus ist übrigens meiner Ansicht nach wegen des Internets kein sinnvolles Kriterium mehr, da es problemlos möglich ist, Teilmengen zu adressieren. Wichtiger wäre es, Informationen in bestimmten, differenzierten Kontexten plausibel zu machen und vermitteln!

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  13. @ Antje Schrupp:
    Warum sollten sie nicht mehr taugen? Weil man dann Publikationen mit einbeziehen müsste, die man selbst nur ungern als Journalismus bezeichnen will? Das ist – no offense – ziemlich subjektiv.
    Zu Verifizierbarkeit und Wahrhaftigkeit: Man mag das von allen Publikationen gern erwarten. Der Punkt ist, dass nur das Journalismus ist, was diese Kriterien auch wirklich ERFÜLLT und ein Stück weit eben auch garantiert. Andere Definitionen braucht es nicht, das ist mein Argument.
    Insbesondere die Herangehensweise über Recherche finde ich nicht wirklich sinnvoll – denn so wird eine große Menge an Journalismus plötzlich als unjournalistisch definiert, z.B. Fachjournalismus aus den Bereichen Wissenschaft oder Finanzen.

    Das mit der Finanzierung ist ein völlig anderes Problem, was mNn mit der reinen Definition von Journalismus nichts zu tun hat. Es gab immerhin auch schon Journalismus, bevor die großen Newspaper nach unserem jetzigen Verständnis entstanden sind. Es gab auch schon immer Publizisten, die unentgeldlich Journalismus vetrieben haben. Ich sehe in der Bezahlbarkeit kein Definitionskriterium. Deine Betrachtungen zu einer staatlichen Subvention von Journalismus ist aber interessant und durchaus eine Überlegung wert – keine Frage.

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  14. Nachtrag zum Thema breites Publikum: Gerade WEIL es im Internet zu Hauf Publikationen für eine bestimme Klientel gibt, ist es ein sinnvolles Kriterium. Je kleiner die adressierte Gruppe, desto weniger ist es Journalismus.

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  15. > Je kleiner die adressierte Gruppe, desto weniger ist es Journalismus.
    Aha, Journalismus ist Propaganda. Selektives, vereinfachtes Berichten mit vorgefertigter Meinung zum mitnehmen.
    Daher rührt auch das schlechte Ansehen der Berufsgruppe.

    Interpretiert man das hier geschriebene feindselig: bezahlte Propaganda von Leuten, die sich erstmal einarbeiten müssen (recherchieren), das mangels Kompetenz aber nicht immer richtig hinkriegen, Hauptsache der Arbeitgeber / Intendant / Chefredakteur ist zufrieden und die Quote stimmt. Bei „BR“ sagt man ja auch „CSU“.
    Nein, wir brauchen keinen Journalismus mehr. Die Journalisten springen nur auf ein Thema auf, wenn das lange genug von anderen gepusht wurde.

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  16. @ Bill:
    keine Ahnung, wie du auf diese Gleichung “ist gleich Propaganda“ kommst. Womöglich solltest du deine eigenen vorgefertigten Meinungen überprüfen.
    Ich versuchs mal zu erläutern:
    – je weniger Leute ich adressiere, desto weniger Publikum kann ich über bestimmte Sachverhalte aufklären und damit am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Den braucht es aber, denn sonst funktioniert Demokratie nicht und wir hätten tatsächlich so etwas wie Propaganda. Das ist damit gemeint – nicht etwa Meinungsmache oder Polemik. Ich hoffe, nun ist es klarer 😉

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  17. Ja nee, is klar: Wie beim öffentlich rechtlichen soll die Allgemeinheit für eine weitere Art von „Demokratieabgabe“ zur Kasse gebeten werden. Damit werdet Ihr scheitern, Ihr Ritter des Mainstreams!

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  18. Möchte mich Tino N. anschließen: Bevor die Frage, ob wir noch Journalismus brauchen bzw. was Journalismus eigentlich ist, flugs durch eine neue, eigene Definition beantwortet wird, wäre es ganz sinnvoll, sich erst mal vorhandene Definitionen bzw. ihre Kriterien anzuschauen.
    Nimmt man der Einfachheit halber als Basis mal die Definition bei Wikipedia (jaja, ich weiß, ich weiß…), dann wäre Journalismus grob zusammengefasst:

    – das Zur-Verfügung-Stellen von Themen für die öffentliche Kommunikation
    – durch kontinuierliche bzw. periodische Publikation
    – basierend auf professioneller Fremdbeobachtung gesellschaftlicher Bereiche
    – durch hauptberufliche Journalisten
    – nach den Kriterien Aktualität, Faktizität, Relevanz.

    Der Aspekt der Recherche ist hier aus meiner Sicht bereits ebenso enthalten wie die Abgrenzung zur Wissenschaft:
    „Professionelle Fremdbeobachtung“ setzt Recherche voraus und schließt rein persönliche Betrachtungen und Tagebucheinträge ebenso aus wie die Publikation _eigener_ wissenschaftlicher Erkenntnisse.

    Ob Journalismus allerdings nur das ist, was hauptberuflich tätige Journalisten tun, und wer denn eigentlich bestimmt, was relevant ist, darüber könnte man sicherlich trefflich debattieren.

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  19. @ Tino
    je mehr Leute adressiert werden, desto simpler und einfacher muss es (leider) auch werden, und am Ende gibt es dann „Journalismus“ wie in der Springerpresse. Ein übersimplifiziertes Thema in eine bestimmte politische Grundhaltung hinein ist Propaganda: gezielte Meinungsmache zur Herbeiführung einer „herrschenden Meinung“ oder eines „Zeitgeistes“, dem die politischen Realitäten folgen können. Das die Absicht heute vorwiegend monetär und erst in zweiter Linie politisch ist sei der Internet-Revolution geschuldet. Und unglücklicherweise sorgt die ganze Debatte um die Zukunft des Journalismus bei den „Qualitätsjournalisten“ für genau die richtige Menge an Angst um das Einkommen und den Job, damit alle Noch-Angestellte(n) genau wissen, was erlaubt ist und was nicht. Als Leser oder TV-Zuschauer fühlt es sich an, als seien die allermeisten bereits gleichgeschaltet.
    Guckst du Mollath (nach ein paar Jahren Initiativen und Anwaltsarbeit angekommen in der Presse), kaum kritisiert jemand die Kirchensteuer darf Grußaugust Peter Voß erst einmal einem Bischof eine nette Sendestunde auf 3sat schenken, oder die Beschneidungsdebatte (da wurden sogar extra Rabbis aus LA, New York und Israel eingeflogen), oder oder…
    Klar darf’s auch ein bissl Kritik sein, aber nur in homöpathischen Dosen. Sonst gibts Hartz IV, gelle!

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  20. Nachtrag zur Abgrenzung Journalismus – Wissenschaft:
    Auch Wissenschaft ist ja eine „professionelle Fremdbeobachtung“, allerdings nicht primär zum Zweck der Herstellung von (breiter) Öffentlichkeit. (Wissenschafts-)Journalismus wäre dann eine professionelle Fremdbeobachtung der professionellen Fremdbeobachtung, also sozusagen eine Beobachtung zweiter Ordnung.

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  21. @ Tina L.: jep, deswegen ist es natürlich erlaubt, vorhandene Definitionen in Frage zu stellen. Das mit der Hauptberuflichkeit ist z.B. eines der Dinge, die ich nicht mehr zeitgemäß finde.

    @ Martinique: Das Ding mit der staats- (und damit steuer-) finanzierten Presse ist tatsächlich knifflig. Einerseits ist es gut:
    – Unabhängigkeit von dem überall zunehmenden Druck der Wirtschaftlichkeit bedeutet, dass polemische Tenzdenzen und dem Trend zum Entertainment (der zurecht beklagt wird) Einhalt geboten wird
    Andererseits gibt es Gründe dagegen:
    – vor allem die Unabhängigkeit der Presse vom Staat – denn die herrschende Elite zu kritisieren ist wenigstens formal ja noch eine der Hauptaufgaben von Journalismus

    @ Bill:
    hold it right there. Du vermischt da einige Sachen, die gern mal einfach vermischt werden.
    Je weniger adressiert, desto weniger ist es Journalismus: warum, habe ich erklärt. Das heißt aber nicht, dass alles, was eine möglichst breite Masse adressiert AUTOMATISCH mehr oder besseren Journalismus bedeutet. Es gibt da ja noch einige andere anzulegende Kriterien, von denen schon genug genannt wurden.
    Simplifiziert muss auch nicht schlecht bedeuten. Es muss auch nicht die Art von Sprache zur Konsequenz haben, welche die Bild benutzt.
    Und schlussendlich muss es schon garnicht Propaganda bedeuten. Das ist ja keine Frage dessen, wie viele ich erreiche oder eine Frage meines Sprachstils, sondern das Inhalts. Wie du schon sagst: das wäre Journalismus in eine politische Grundhaltung hinein – so, wie sich die DDR-Journalisten beispielsweise verstanden haben. Dort fand die Propaganda aber auf jeder Ebene statt – auch in Publikationen, die nur ein kleines Klientel adressiert haben. Die Erreichbarkeit spielt dabei also keine Rolle. Nur in sofern, dass Propaganda am besten funktioniert, wenn ich möglichst viele erreiche.

    Eins stimmt aber: Je mehr Menschen ich durch ein einzelnes Medium erreiche, desto höher ist die GEFAHR von Propaganda gegeben. Weswegen wir ja auch an einem möglichst breiten Medienangebot interesssiert sein sollten – das aber bricht zumindest im Print- und Hörfunkbereich durch wirtschaftlich schlechte Bedingungen immer weiter zusammen und verlagert sich ins Internet.

    Im Übrigen widersprichst du dir teilweise selbst. Du sagst: Kritik durch die Presse darf nur noch in homoöpathischen Dosen sein, sonst gäbe es Harzt IV. Damit befürwortest du aber indirekt eine Entlohnung der Journalisten durch eine staatliche Subventionen – das würde sie schließlich freier von wirtschaftlichen Zwängen machen, gelle? 😉

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  22. Hallo Frau Schrupp,guter Ansatz, trifft nur nicht zu:

    Warum Blogger auf jeden Fall Geld von ihren Lesern und Auftraggebern verlangen sollten:
    Der Maler Picasso wurde einmal von einer amerikanischen Touristin gebeten doch mal was zu zeichnen. Picasso etwas freundlicher als bekannt tat ihr den Gefallen und kritzelte auf einer Serviette einen Frauenkopf, der der Touristin sehr gut gefiel, sie fragte was denn das bild kosten solle. Picasso: 50.000 Dollar. die touristin war entsetzt und fragte: wieso? sie haben doch nur 5 Minuten gearbeitet. daraufhin lehnte sich Picasso entspannt zurück und sagte. Aber es hat 50 Jahre gebraucht, damit ich das konnte…

    Journalisten werden nach ihrem Marktwert bezahlt, dem Netzwerk, dem Zugang zu Personen, Orten und dem kulturellen Kapital dass sie angesammelt haben. Warum sollten Blogger nicht danach bezahlt werden?

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  23. @fuhriello – Nun, es ist ja nicht unbedingt so, dass man alles Geld, das man verlangt, auch bekommt – ich nehme mal an, Picasso in der geschilderten Situation auch nicht. Wer sich vermarkten kann, soll das meinetwegen tun, in meinem Post ging es ja um die Frage, ob „Wir noch Journalismus brauchen?“, also um die gesellschaftliche Perspektive. Es verkauft sich auch alles mögliche Zeugs gut, das „wir“ als Gesellschaft nicht brauchen. Meine These war nun, dass derjenige Journalismus, der gesellschaftlich wichtig wäre, gerade nicht marktkonform ist, das heißt, dass man dafür zwar Geld verlangen kann, wenn man will, es aber nicht bekommen wird. Dasselbe gilt natürlich auch für Blogger_innen, jedenfalls für die meisten.

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  24. Wie viele Demos habe ich besucht, wie viele Bücher gelesen, wie viel Rechercheaufwand in parlamentarischen Informationssystemen geleistet, wie viele parlamentarischen Ausschüsse besucht, nur um darüber zu schreiben – also auf meine Art zu bloggen trifft Deine Unterscheidung nicht zu. Dass dabei nicht viel Geld rumgekommen ist, weil zu wenige den Flattr-Button drücken, kann ja wohl nicht das entscheidende Kriterium sein.

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  25. Ich wurde durch Ute Plass aus Worms auf diese Diskussion hier aufmerksam gemacht, habe den Blogartikel mit Interesse gelesen und möchte gerne ein neues Element einbringen.

    Der „Journalist“ leidet meiner Meinung nach an einem grundsätzlichen Widerspruch, den er mit quasi jedem Beruf in der immer arbeitsteiligeren und profitorientierteren modernen Warenkultur teilt. Er arbeitet für Geld und nach Antje Schrupps Definition ist es ja auch gerade dies, was ihn vom speziell an einem Thema „privat“ Interessierten unterscheidet. Entschuldigt, wenn ich jetzt ein bisschen brutal direkt zu meinem Punkt komme. So wie die Prostituierte für Geld liebt und aus diesem Grund kaum wirklich liebt, so recherchiert der Journalist zuvorderst, WEIL er dafür bezahlt wird, und genauso ist seine Recherche keine echte aus eigenen Zusammenhängen motivierte, sondern nur eine mittelbare. Er wird bezahlt, um Informationen zu liefern, aber WEIL er bezahlt wird, liefert er nur monetär interessierte Informationen oder zumindest nur kalte, ihn nicht persönlich angehende.

    Wenn neue, allen potentiellen Sendern und Empfängern von Information zugängliche Kommunikationsplatformen wie das Internet frei gehalten würden von jeglicher Beeinflussung und finanziellen wie know-how-relevanten Hürden, dann böte sich damit die Möglichkeit, dass diejenigen, die an Vorkommnissen interessiert (inter esse = drin sein) und/oder direkt davon betroffen sind, Information aus erster Hand weitergeben könnten.

    Allerdings bleibt auch dann eine Frage unbeantwortet im unbewussten Hintergrund: Warum muss Information überhaupt über Medien (also mittelbar) quasi journalistisch weitergegeben werden?

    Zunächst sollte man klar erkennen, dass heute die meiste Information, die bei uns als „Nachricht“ ankommt, uns in keiner Weise angeht, also im eigentlichen Sinn gar keine Information ist. Selbst wenn wir erfahren, dass am Sambesi-Fluss ein schreckliches Erdbeben stattgefunden hat, geht das uns zu 99,99% nichts an. Außer einer kleinen Minderheit von überregionalen Hilfsorganisatoren, kann niemand helfen. Die Wichtigkeit oder Nützlichkeit von Informationen wie über die Geburt des britischen Thronfolgers oder über ein Bundesliga-Fußballspiel ist mehr als fragwürdig. Ist es nicht der Journalismus selbst, der die Art von Informationen, die er vorwiegend verbreitet, erst überhaupt in die Welt gebracht hat?

    Auf der anderen Seite besteht für die Menschen in der modernen hyperarbeitsteiligen und vernischten Profitkultur ein wahrer Bedarf, zu wissen, was über den engen eigenen Rahmen hinaus passiert. Der kleine Finger der linken Hand der Gesamtgesellschaft kann in der modernen zersplitterten Welt nicht wissen, was der große Zeh seines rechten Fußes tut. Ja man weiß nicht einmal, wer und was diese Gesamtgesellschaft eigentlich ist. Es ist den Menschen in diesem System nicht möglich, das Ganze zu überblicken. Als ERSATZ dafür bekommen sie mehr als mittelbare journalistische Information von Informationsspezialisten, die den SCHEIN von Überblick vermittelt und die wie oben schon gesagt, nur eine kalte, fremd interessierte Information sein KANN. Die „Nachrichten“ der Journalisten können die grundsätzliche Fremde, die Entfremdung in der Gesellschaft nicht überwinden. Im Gegenteil: der Journalismus trägt maßgeblich dazu bei, die Situation so zu erhalten, wie sie ist.

    Zum Vor-Schluss sei etwas provokativ behauptet: Das Liebesleben in einer Gesellschaft wird dann erst glücklich und authentisch sein, wenn sie keine Prostituierten mehr braucht. Genauso verhält es sich mit dem Informationsleben. Eine Gesellschaft ist dann in sich stimmig, wenn alle Menschen ohne Informationsspezialisten aus dem gesellschaftlichen Leben heraus sozusagen natürlich über alles Notwendige und Relevante informiert sind.

    Schlussbemerkung: In der heutigen profit- und konsumgesellschaftlichen Entfremdungssituation braucht es allerdings Informationsspezialisten, die immer wieder EMPÖRT und ERREGT über den wahren Zustand und dessen Not berichten.

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  26. @Oswin Haas – „Eine Gesellschaft ist dann in sich stimmig, wenn alle Menschen ohne Informationsspezialisten aus dem gesellschaftlichen Leben heraus sozusagen natürlich über alles Notwendige und Relevante informiert sind.“
    Ja, daher Abschaffung aller Geheimdienste!

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  27. @antje Meine Motivation zum Bloggen hat sich in den vergangenen Jahren häufig geändert, ohne das mir das immer bewusst war. Es ging vor über vier Jahren los mit der Idee, über besonders gute – nahrhafte und köstliche, eben „umami“ – Bücher zu schreiben und über Autorinnen, die drohen, in Vergessenheit zu geraten, wie Marlen Haushofer und Anita Brookner. Das Blog sollte damals auch ein Ausgleich zum beruflichen Schreiben sein. Der deutsch-spanische Blogger und Journalist Uhupardo http://uhupardo.wordpress.com/, (der leider seit 10 Wochen kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben hat), beschrieb seine Motivation so: „Wer sonstwo schreibt, was er muss, ist froh, hier schreiben zu dürfen, was er will.“ Das trifft sicher auf viele Lohnschreiber zu. (Du bist da wohl eine seltene Ausnahme, Antje.)

    Inzwischen lese ich nur noch relativ wenig Romane. Das Bloggen erzieht und verzieht. Es erzieht bestenfalls zum klaren Denken und genaueren Formulieren und verzieht, weil einem irgendwann nur noch interessant erscheint, was gerade in aller Munde bzw in aller Timeline ist.

    Aber es ist nicht so, dass ich nur schreibe, wenn ich gerade Lust habe. Häufig empfinde ich eine Verpflichtung zu schreiben – z.B. während des Occupy Camps in Frankfurt, bei Blockupy oder wenn ich meine, dass „Mainstream“- Medien zu wenig über ein wichtiges Thema berichten.

    Manchmal wenn mich jemand nach meiner Motivation fragt, sage ich einfach: Ich mache PR für die guten Gedanken anderer Leute. Außerdem schreibe ich, wie die meisten Menschen, damit ich rauskriege, was ich eigentlich genau denke. Also ist Bloggen auch ein Selbstbildungprozess.

    Wann entscheide ich zu recherchieren? Wenn ich mich für ein Thema halbwegs kompetent fühle und die Informationswege kenne, d.h. den Zeitaufwand einschätzen kann. Da ich lange in der Kommunalpolitik gearbeitet habe (und sie mir gelegentlich arg fehlt), traue ich mir bei lokalpolitischen Themen die schnelle Recherche zu.

    Aber ganz generell würde ich sagen, Bloggen gehört zur mir gemäßen Weise, in der Welt zu sein.

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  28. Wahrlich interessanter und zutreffender blog-Text. Dann stellt sich für uns die Frage, wie Sie unsere umfangreiche Video-RECHERCHE zu den „10 unbequemen Wahrheiten über „Klimapapst“ Schellnhuber“ bewerten…??

    http://www.klimamanifest-von-heiligenroth.de/wp/

    Sie sollten sich unbedingt mal die Kapitel 6 und 8 der „Unbequemen Wahrheiten“ anschauen, die auch gravierende Medienkritik insbesondere über den TV-Journalismus beinhalten.

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  29. Tja, die Idee mit einer „Kulturflatrate“ für Journalismus oder so ähnlich ist ja grundsätzlich vielleicht gar nicht so übel. Was allerdings in der Realität daraus wird, kann man in höchst abschreckender Weise bei öffentlich rechtlichen Fernsehen beobachten. Die sind genau so finanziert und es wäre ihr verdammt noch mal ureigenster Job und Auftrag, den RELEVANTEN Kontent ordentlich zu recherchieren und neutral zu senden. Und…..wann tun sie das jemals?

    Und ich glaube auch nicht, dass solch eine Flatrate dem zunehmenden Totalversagen der Printmedien entgegen wirken würde. Artikel, die dem großen Anspruch der „4. Gewalt“ gerecht werden, kann man jedenfalls mit der Lupe suchen.

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  30. „Irgendwie durchlebt die Gesellschaft gerade einen medienkritischen Crashkurs – was nach Jahren der medienkritischen Öde auch dringend nötig war. Dabei haben wir schon eines gelernt, was ich für großartig halte, nämlich das mediale Improvisieren. Wir basteln uns gerade – jeder auf seine Art – die Informationen zusammen, die wir brauchen. Und darin steckt in meinen Augen schon so etwas wie eine Skizze der medialen Zukunft. Ich finde die Chancen aufregender als die Klage über die Verluste.“

    Zitiert aus: „Ja, lügen die Medien denn nun oder nicht?“
    http://www.nachdenkseiten.de/?p=24698

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