Fünf Thesen zu Prostitution

Angesichts der jüngsten Debatten rund um das Thema Prostitution habe ich mal fünf Punkte aufgeschrieben, die mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheinen und mir bei den Diskussionen fehlen. Sie beziehen sich ausschließlich auf die freiwillige Prostitution, also nicht auf Zwangsprostitution und Menschenhandel, was ein völlig anderes (und, nebenbei, wichtigeres) Thema ist.

Aber bei der Ablehnung von Zwangsprostitution und Menschenhandel sind sich ja alle einig. Uneinigkeit besteht im Hinblick auf die Einschätzung von freiwilliger Prostitution. Doch Freiwilligkeit allein ist noch kein Beweis für die Okayheit einer Handlung, es sei denn, man würde sich völlig einer neoliberalen Logik des „anything goes, Hauptsache es lässt sich damit Geld verdienen“ verschreiben. Freiwilligkeit ist nicht das Ende der Diskussion über Prostitution, sondern höchstens ihr Anfang. Denn alles, was nicht freiwillig geschieht, ist sowieso indiskutabel. Hier also meine 50 Cent.

1. Prostitution ist keine Naturerscheinung, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt

Von der Prostitution wird gerne behauptet, sie sei das „älteste Gewerbe der Welt“, was so viel bedeutet wie: Gab es immer und wird es immer geben. Aber mal ganz abgesehen davon, dass das historisch fraglich ist (Wissenschaftlerinnen wie Christina von Braun zum Beispiel argumentieren überzeugend, dass sich ihr Entstehen präzise bestimmen lässt, außerdem gibt es Gesellschaften, die Prostitution nicht kennen), ist es kein Argument dafür, dass das immer so bleiben muss. Genauso könnte man Sklaverei oder Zweigeschlechtlichkeit als Naturerscheinungen beschreiben. Wir als Menschen sind es, die darüber verhandeln und entscheiden, wie wir den Tausch von Sex gegen Geld/Materielles bewerten und handhaben möchten, eine ominöse „Natur der Sache“ hilft uns dabei nicht weiter.

2. Prostitution ist eine Möglichkeit, Einkommen zu erzielen

Prostitution ist, vor allem für Frauen, in erster Linie eine Möglichkeit, ein relativ gutes Einkommen zu erzielen, das sie anders nicht oder nur schwer erzielen können. Sie ist eine Alternative zum sonstigen Arbeitsmarkt, zur Versorgerehe, zu informeller Arbeit. Diese Möglichkeiten haben allesamt Nachteile: Für den Arbeitsmarkt braucht man Qualifikationen und Bescheinigungen, die nicht alle vorweisen können. Versorgerehe macht abhängig von einem Mann. Informelle Arbeit ist meist prekär und sehr schlecht bezahlt. Alle Maßnahmen, die rund um das Thema Prostitution vorgeschlagen und diskutiert werden, müssen deshalb die Frage nach realistischen Einkommensmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen, sozialer Absicherung etc. ins Zentrum stellen.

3. Gesetzliche Verbote von Prostitution beschneiden die Handlungsoptionen von Frauen
Gesetzliche Verbote und Regulierungen erschweren oder verunmöglichen es Frauen, durch Prostitution Einkommen zu erzielen und beschneiden damit ihre Handlungsoptionen. Das ist meiner Ansicht nach der entscheidende Grund, warum solche Regulierungen abzulehnen sind. Frauen (und Männer), die sich dazu entschließen, Sex gegen Einkommen zu tauschen, werden in der Regel einen guten Grund dafür haben. Offensichtlich ist das für sie die beste Option, die sie angesichts der Realität, in der sie leben, wählen können. Wenn ihnen diese Option genommen wird, sei es durch Verbote, durch fehlenden Schutz, durch fehlende Infrastruktur, müssen sie logischerweise zur zweitbesten Lösung greifen, haben also konkrete Nachteile. Deshalb ist dieser Weg falsch.

4. Prostitution gründet auf einer fragwürdigen Vorstellung von Sex
Dennoch: Das Phänomen „Prostitution“ ist nur denkbar in einer Kultur, in der Sex nicht die beiderseitige Lust aufeinander zur Voraussetzung hat, sondern einseitig denkbar ist. Es muss also als akzeptabel gelten, wenn jemand, der Sex haben will, die eigene Lust mit jemandem befriedigt, der_die keinen Sex haben will – denn eine Frau, die Sex gegen Geld eintauscht, hat ja selbst auf diesen Sex keine Lust, sondern tut es, um Geld zu verdienen. Es ist natürlich prinzipiell möglich, dass wir als Gesellschaft Sex als eine solchermaßen einseitige Handlung verstehen wollen. Ich bin aber damit nicht einverstanden, weil ich hier zahlreiche Verwobenheiten mit patriarchalen Strukturen sehe, vor allem mit der Vorstellung, dass es beim Sex auf das Begehren der Frau nicht ankomme, sondern nur auf ihre formale Einwilligung – das ist ein Argument, das von vielen Männern auch bei Diskussionen um Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung regelmäßig vorgebracht wird. Über diese Abkopplung von Sex und (weiblichem) Begehren möchte ich eine politische und kulturelle Debatte führen. Wegen der Argumente aus Punkt 3 kann die sich aber nicht an der Frage von Gesetzen und Regulierungen aufhängen.

5. Prostitution ist keine „normale Arbeit“
Deshalb bin ich auch dagegen, den Tausch von Sex gegen Geld als „normale Arbeit“ zu labeln. „Normale Arbeit“, also der Tausch von Arbeit gegen Geld, beruht auf einem System der Arbeitsteilung. Der Käufer von Arbeitsleistungen hat entsprechend auch einen Anspruch auf einen äquivalenten Tausch. Wenn also die erbrachte Dienstleistung oder das bezahlte Produkt Mängel aufweist, kann es zurückgegeben werden. All das ist vertraglich geregelt, und es gibt Dritte, die in Konflikten darüber entscheiden. Sicher ist es prinzipiell möglich, auch Sex in diesem Sinn als Ware oder als Dienstleistung verstehen. Aber ich will das nicht. Genauso wie ich der Ansicht bin, dass Sex nicht zu den „Pflichten einer Ehefrau“ gehört (auch Ehefrauen sind dem ja normalerweise freiwillig nachgekommen). Der Tausch von „Sex gegen Geld“ ist aber eigentlich nichts anderes als die kapitalistische Variante von „Sex gegen Ehesicherheit“. Ganz abgesehen davon, dass die „Normalisierung“ von Sex zu einer banalen Dienstleistung sich vermutlich auch auf die Preise niederschlägt: Wenn Sex nichts anderes ist als eine Massage oder eine Fußpflege, gibt es doch eigentlich keinen Grund, warum eine „Sexarbeiterin“ mehr verdienen sollte als ein Masseur oder eine Fußpflegerin, oder? Damit wäre aber Punkt 2 früher oder später obsolet.

(Foto: Alain Bachellier/Flickr.com)

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

257 Gedanken zu “Fünf Thesen zu Prostitution

  1. Hmm ich stimme in Teilen durchaus zu. Und ich will auch eigentlich nicht so ein „WHATABOUTTHEMENZ“-typ sein aber: Deine Argumentation ist bei maennlichen Prostituierten (die es auch gibt und zwar nicht zu knapp) nicht ganz so schluessig, und die waeren schliesslich mitbetroffen. Vor allem aber scheint mir auch Punkt 5 bei dir etwas wackelig argumentiert. Es bleibt da eben einfach beim „Ich will das nicht“. Ich finde auch, dass Frauen von den kriminellen Auswuechsen des Gewerbes (und Frauen sind davon ja hauptsaechlich betroffen) geschuetzt werden muessen. Aber warum Sexarbeit nicht als regulaerer Beruf sowohl fuer Frauen als auch fuer Maenner existieren soll wird mir jedenfalls nicht klar. „Igitt“ reicht mir da nicht.

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  2. Eine sachliche Diskussion zu dem Thema ist bitter nötig.
    Aber ich für meinen Teil finde das Prostitution durchaus eine ehrenwerte Arbeit ist und ich respektiere jeden Menschen genauso als würde er/sie eine andere Arbeit machen.

    zu Punkt 5.)
    Ich biete für meinen Teil unter anderem Dienstleistungen und Beratertätigkeiten im Bereich IT an, ich sehe das erstens Mal keinen Unterschied, nur weil ich geistige Leistungen verkaufe.
    Und die Frage warum ich mehr verdiene als ein Haarpfleger oder eine Autowäscherin finde ich auch müßig.

    Ich muss dazu sagen das ich bisher noch nie Dienstleistungen in dem Bereich in Anspruch genommen habe.

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  3. @Feathers McGraw – Wo habe ich mit „Igitt“ argumentiert? Ich habe mit der Abkopplung von Sex und weiblichem Begehren argumentiert. Und ja, mein Interesse liegt vor allem beim Thema weibliche Prostitution. Inwiefern männliche Prostituierte bei dem Thema ähnlich_anders involviert sind, kann man auch diskutieren, war aber eben nicht mein Fokus.

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  4. @teovia – Neulich war ich bei der Friseurin und hinterher (als ich zuhause war) nicht zufrieden, dann bin ich am nächsten Tag nochmal hin und sie musste nachschneiden. Zum Beispiel. Man kann auch Geld zurück verlangen.

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  5. Ich schrieb dies woanders auch schon:

    „Inzwischen habe ich gelernt: Es gibt Feministinnen, die halten diese Kampagne (die von Emma) für einen paternalischen Versuch von Alice Schwarzer, den „SexworkerInnen“ den freien Willen abzusprechen und die Existenzgrundlage zu entziehen. Aus diesem Grunde halten sie es für sinnvoll, sich für die Prostitution einzusetzen, denn diese sei ja ein ganz normaler und freiwilliger Job wie jeder andere auch.

    Diese Feministinnen spiegeln meine Haltung zur Prostitution keineswegs wider, im Gegenteil, ich distanziere mich davon. Sex für Geld zu verkaufen ist dem sexistischen System geschuldet und schadet der Gesellschaft. Sie ist keineswegs mit einem normalen Job vergleichbar. Wobei es sich für mich auch dann schon um Prostitution handelt, wenn ein Mensch gezwungen ist, irgendeine Arbeit für Geld tun zu müssen, nur um zu überleben. Es geht mir nicht darum, die prekären Verhältnisse von Prostituierten, besonders jener, die von Zuhältern gekauft und gezwungen werden, abzuwerten. Es geht mir auch nicht darum, Prostitution zu verbieten. Auch nicht darum, selbstständige Edelnutten, die sich möglicherweise eine goldene Nase verdienen, zu verdammen. Es geht mir darum, dieses kranke System, das Prostitution ermöglicht und unterstützt, zu verändern. Doch dazu muss man sich erst einmal damit auseinander setzen.

    Zu einem gleichberechtigten Leben zwischen Menschen mit Begegnung auf Augenhöhe passt die Prostitution nicht. Auch wenn sie noch so aufgeklärt gesehen werden möchte: Sie öffnet dem Machtmissbrauch auf allen Ebenen Tür und Tor.

    Wie das ausgerechnet von modernen Frauenrechtlerinnen nicht gesehen werden will, ist mir ein Rätsel.“

    Das sind meine Worte. Doch ich bewundere immer wieder Antje, wie sie die Dinge in ihre Worte fasst, die noch viel klarer, strukturierter sind, wie ich finde. Und ich neige manchmal zur Polemik, aber das ist ja bekannt 😉

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  6. @Teovia – Nicht dass ich mich mit sowas auskennen würde, aber ich vermute, in diesem Sinne wäre Prostitution eher „Werkvertrag“ (also mit Erfolgspflicht) als „Dienstvertrag“.

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  7. naja bei einem Teil meiner Tätigkeiten werde ich auch dann bezahlt wenn ich ein Problem nicht optimal lösen kann, die Zeit wird gebucht und dann auch bezahlt.

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  8. @Antje: Das Maenner nicht dein Focus sind ist mir klar, die werden aber in diesem Fall einfach miteingeschlossen, was ich problematisch finde. Aber auch die Problematisierung der Entkopplung von Begehren und Sex ist mir irgendwie nicht schluessig: Eine Koechin arbeitet quasi beruflich daran, Begehren (Hunger) und Sex (Essen) abzukoppeln. Warum soll das bei Sex ganz anders sein? Ich finde eigentlich dass das Patriarchat Sex auf eine Art ueberhoeht, die ihm nicht ureigentlich innewohnt (der Koerper der Frau als ‚Tempel‘ oder ‚Heiligtum‘ z.B.). Und warum sich Sexarbeit von Fusspflege oder Kochen fundamental unterscheidet (oder zumindest unterscheiden sollte), erschliesst sich mir eben nicht.

    Ich glaube persoenlich z.B. nicht dass Frauen grundsaetzlich/biologisch weniger Sex wollen als Maenner, sondern dass das eher kultureller Natur ist. Und die Ueberhoehung von Sex als etwas, von dem Frauen gesetzlich abgehalten werden sollen bzw „discouraged“ werden sollen (sorry), es als Dienstleistung anzubieten finde ich traegt zu dieser Assymetrie eher bei als sie abzubauen. Die Entmystifzierung von Sex als gewoehnliche Dienstleistung finde ich daher eher richtig.

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  9. Ich hab schon auf FB gemeint ich denk das das Hauptproblem ist, das es abrutschen könnte in eine Richtung, das es zu normal würde. Und wie selbstverständlich arbeitslosen Frauen sagt prostituier dich doch…und das ist äußerst heikel. es gibt Frauen, für die ist es undenkbar mit jemanden zu schlafen, wenn sie ihn nicht begehren, es gibt welche da ist es ne Antwort auf Aufmerksamkeit oder weil es sein muß um die Beziehung aufrecht zu erhalten und da ist für mich die Grenze zu Prostitution auch fließend.
    Für mich wäre das auch undenkbar. Hier fließen auch Weltanschauung und Maßstäbe arg mit rein.
    In meinem bekanntenkreis gab und gibt es Frauen, die sich mal prostititert haben. Beweggründe waren durchaus unterschiedlich und bewegten sich eh mehr in der gehobenen Begleiter-Ecke. In einer etwas anderen Gesellschaft würde ich das weitaus mehr begrüßen, wenn es bei Frauen die das können als großzügigkeit gesehen würde. z-B. arbeite ich in einer Einrichtung für Behinderte, die schwer darunter leiden, keine sexuellen Kontakte haben zu können, was nicht daran liegt das sies nicht dürften. ihnen feheln Möglichkeiten und die richtige Art und Weise wie man sich einem anderen Menschen nähert. Für mich ist es da wie selbstverständlich auch an eine Prostituierte zu denken, die das als besonderen Dienst versteht.

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  10. apropos steckt in dem Wort Sexarbeit ja schon auch drin, das das keinen Spaß macht…man könnt ja auch diverse Pronodarstellerinnen fragen ob es ihnen Spaß macht oder wieso da so viel Gleitmittel rum steht. Und nein das mit dem Begehren hat nichts mit kulturell zu tun, sondern mit Hormonen, und wenn dann ist es natürlich wenn Frauen in einer bestimmten zeit sehr viel Lust auf Sex haben und dann wieder sehr wenig, weil der Körper es nicht her gibt.
    Ich glaub hier schwimmt alsweilen auch so ne romantische Vorstellung mit rum, Frauen könnten immer Spaß an Sex haben.
    Das hat womöglich mit dem Partner auch zu tun…und dem Geruch. und auch da ist jede anders….

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  11. Hey Antje,

    ich bin mit dir bei Punkten 1 bis 3 voll auf einer Linie, würde aber gerne die anderen beiden um einige Facetten ergänzen wollen.

    Ich teile deine Auffassung bei Punkt 4, dass es gesellschaftlich schlecht ist, wenn es eine einseitige Abkoppelung von weiblichen Begehren und Sex gibt. Allerdings sind ja zwei Lösungsrichtungen für dieses Problem denkbar:
    Zum einen wäre eine Gesellschaft denkbar/anstrebbar, in der es akzeptiert ist einem anderen Menschen etwas (auch physisch) gutes zu tun ohne dass es direkt und in gleicher Weise erwidert werden muss. Dabei kann es sich ja zweitrangig ob es sich zum Beispiel um eine einfache Massage der Schultern, Petting oder Sex handelt. Der wichtige Punkt ist, dass die Abkoppelung von Begehren/Bedürfnis nach Entspannung und Sex/Befriedigung des Bedürfnisses nicht einseitig stattfindet.
    Die andere anstrebbare Gesellschaft, wäre eine in der das nicht möglich ist. Eine Gesellschaft in der (sexuelle) Gefallen immer gleich erwidert werden sollten oder überhaupt nur angeboten werden sollten, wenn auch ein akutes eigenes Bedürfnis nach Sex da ist. Aber das eben von allen.
    Irgendwie fühlt sich die erste Variante für mich besser an.

    Zu Punkt 5:
    Ich würde zustimmen, das Sexarbeit kein „normaler“ Beruf ist, aber ich lese häufiger von Sexworker_innen das Sexarbeit ein „normalerer“ oder stärkerer professionalisierterer Beruf sein sollte als er es jetzt ist.
    Um einmal aus dem NDR-Interview mit der Sexworkerin Undine zu zitieren:

    [Frage:] Sie sind also nicht als Freiberufler anerkannt, zahlen aber trotzdem Steuern. Wie ist das offiziell geregelt?
    Undine: Es ist tatsächlich so, dass man sich auch keinen Gewerbeschein holen kann, weil es offiziell eine Tätigkeit ist und keine Berufsbezeichnung. Wir müssen uns eine Steuernummer holen und auf die Weise unsere Arbeit als „andere Tätigkeit“ beziehungsweise „zusätzliche Einnahmen“ verbuchen. Es gibt Richtlinien für die Kommunen uns keinen Gewerbeschein auszustellen.

    Quelle: http://www.ndr.de/regional/hamburg/kirchentag/wersglaubt/sexarbeiterin109.html
    Auch andere Forderungen, wie die Regulation der Branche an eine Gewerbeaufsicht zu geben, anstatt sie wie jetzt faktisch der Polizei zu überlassen finde ich plausibel und unterstützenswert. Über die darüber hinausgehende Forderung Sexarbeit zu einem Ausbildungsberuf zu machen habe ich mir noch keine abschließenden Gedanken gemacht, finde die Idee aber nicht so absurd, wie sie im ersten Moment klingen mag. Nicht zuletzt im Hinblick auf die gesellschaftliche Anerkennung von Sexwork.

    Eine andere Facette die zu deinem Punkt 5 zu nennen wäre, ist der fließende Übergang zu „normalen“ Berufen. Als Verbindungs- oder Brückenberufe könnten zum Beispiel erotische Massagen, Therapien (sowohl von sexuellen Störungen als auch Therapien mit Hilfe von Sex) oder erotische Filme/Theaterstücke/andere Kunst gelten. Die Grenze ist also zwangsläufig willkürlich gezogen.

    Meh, ist etwas länger als beabsichtigt geworden, ich hoffe das ist nicht schlimm.

    PS: Ich habe noch nie eine Dienstleistung in diesem Bereich in Anspruch genommen und könnte mir auch nicht vorstellen selbst als Sexworker zu arbeiten.

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  12. Ich muss nur mal eben noch meinen Senf zum Thema Friseur Reklamation geben, da ich aus erster Hand weiß, dass die Friseure das nur aus Kulanz machen. Hier gilt „gekauft wie gesehen“. Sobald du den Laden nach Bezahlung verlässt, hast du keinen gesetzlichen Anspruch auf Ausbesserung oder nachträglichem Rabatt.
    Meiner Meinung sind die Kunden dank übermäßiger Kulanz bei H&M und Konsorten mittlerweile auch übermäßig verpimpelt.
    Mit deinen Thesen gehe ich konform. Meistens denke ich, wie schlau doch diese Antje Schrupp ist. Die spricht fast immer aus, was ich denke, aber nie in Worte fassen kann.
    Liebste Grüße
    Lotti

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  13. Sexworker ob weiblich oder männlich haben eigene Vorstellungen, behaupte ich hier einfach mal.

    Von Alters her war es ja wohl auch so, daß die Frauen, die sich für sexuelle Dienstleistungen bezahlen ließen, das Risiko der Empfängnis hatten. Die Männer hatten ja schon eh‘ und jeh das Bedürfnis, ihre DNS weit zu streuen. Dieses Risiko auf sich nehmen in Verbindung mit einer begehrten „Ware“ (sexueller Kontakt) ergab m. E. den Preis.

    Heutzutage ist der Preis „erschwinglich“, wenn man bedenkt, daß zur Ausübung anonyme Arbeitsorte um der Anonymität der Damen willen unabdingbar sind. Die Kleidung ist aufwendig in vielen Fällen etc.
    Sicher gibt es auch den „Heroinstrich“, der allerdings aus ganz anderen Gründen teuer ist. Unter anderem wegen der Möglichkeit des ungeschützten Verkehrs, den die Freier bei diesen Personen schätzen. Die Palette ist breit. Luxus ist auch in anderen Sparten nicht günstig…

    Bleiben wir bei den Damen, die sich einen Erwerb durch Sexwork erarbeiten. Mittlerweile ist das Ganze ja versteuert. Nachweise werden von Bordellbetreibern bzw. den einzelnen Damen erbracht, somit ist das Ganze eine Dienstleistung, die einiges an Aufwendungen mit sich bringt, bevor eine der Damen ernsthaft ihren Lebensunterhalt dadurch erarbeiten kann. Hygiene, Sicherheit, auch hier die ganze Palette.

    Ob und wie ein Sexworker mit seinen Erfahrungen umgehen kann, bzw verarbeiten kann, sei einmal dahingestellt, wenn man z.B. bedenkt, daß der Opa von drei Häuser weiter auch solche Dienstleistungen in Anspruch nimmt.

    Ich denke nicht, daß hier das Begehren besonders abgegrenzt wird im Vergleich zur durschnittlichen Tätigkeit. Es gibt Arbeiter die beileibe keine begehrenswerten Tätigkeiten ausüben, deren Begehren hinterfragt keiner. Es liegt an einem selbst, welche Art der Tätigkeit man wählt, die Konsequenzen muß man immer daraus ziehen. Wenn ein Kanalarbeiter in die Scheiße langen muß, ist sein Begehren wohl kaum daruf ausgerichtet.

    Sexworker wollen m.E. gar keine Verteidigung ihres Begehrens, sondern der Anerkennung als das was sie sind.
    Ihre Gefühle verbergen sie während ihrer Arbeit genauso wie jeder Angestellte und Arbeiter in der Fabrik. Deren Begehren wäre vielleicht ein Spaziergang an der frischen Luft oder einfach: nicht eingesperrt oder an besondere Arbeitszeiten gebunden sein – Gründe dafür, wieso jemand den Weg Sexworker ergreift, sind viele.

    Lenken wir nicht ab: Auch wenn es eine oder zwei Kulturen gab/gibt, denen man nachsagt keine Sexworker zu haben, ist es bemerkenswert, daß Sexwork einen recht hohen Stellenwert in den meisten Gesellschaften hat, auch wenn es hier oder da verpönt ist. Noch ein Grund für die Preise, übrigens.

    Freundschaft im privaten Bereich zum Beispiel: wenn da Sexworker dazwischen sind, ohne daß man sich schämt oder was Besonderes draus macht, die zu kennen, DAS wäre schon mal n Anfang des Verständnisses… dann kann man auch mal nachfragen, wo die Damen denn der Schuh wirklich drückt 😉

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  14. Zur Einleitung: Mir ist nicht ganz klar, was du mit dem Satz „Genauso könnte man Sklaverei oder Zweigeschlechtlichkeit als Naturerscheinungen beschreiben“ meinst.

    Weiterhin möchte ich der Aussage aus Punkt 4 widersprechen. Dieser unterstellt, dass eine Prostituierte grundsätzlich kein Verlangen und keine Lust auf ihre Arbeit verspürt. Dies mag für manche (oder meinetwegen auch viele) zutreffen, aber gewiss nicht für alle. Schließlich darf Arbeit ja auch Spaß machen. Gibt genug Frauen, die sich aufgrund ihrer Lust am Sex z.B. für eine Karriere im Porno-Geschäft entschließen (Quelle: 9to5: Days in Porn, 2008) Der Argumentation „Ich tue es für Geld und nicht, weil es auch noch Spaß macht“ kann ich grundsätzlich nicht folgen, da das eine das andere nicht kategorisch ausschließt.

    In Punkt 5 vergisst du, auf die Grundsätze jeder Marktwirtschaft einzugehen die der tatsächliche Grund dafür sind, weshalb eine Prostituierte auf einen höheren Stundenlohn kommt als eine Friseurin: Weil es Konsumenten gibt, die bereit sind, dafür zu bezahlen. Offenbar ist den Kunden ein schönes Schäferstündchen mehr wert als ein guter Haarschnitt. Ich wäre jetzt auch geneigt, ein geringeres Angebot an Prostituierten als an Friseuren zu unterstellen, allerdings hängt das wohl eher vom Standort des Marktes ab.

    Weiterhin wäre es mal schön, eine fundierte Aussage zu dem Argument „Ohne Prostitution gäbe es viel mehr sexuell motivierte Straftaten“ zu bekommen. Schade, dass du da überhaupt nicht drauf eingehst, hätte mich mal interessiert.

    Abschließend möchte ich meinem Kommentar noch folgendes Statement hinzufügen:
    Ich habe kein Problem mit Prostitution. Allerdings finde ich es -grundsätzlich- schade, wenn ein Mensch Geld auf eine Art und Weise verdienen muss, die ihm keinen Spaß macht. Sei das nun Geld für Sex oder Geld für stumpfsinniges Aktensortieren. Aber wenn der Lebensunterhalt schon auf eine Weise erstritten werden muss, die ihn persönlich eher abstumpft und träge in der Seele werden lässt, dann ist es doch schön zu hören, dass zumindest die Bezahlung stimmt.

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  15. Ich vermisse bei all diesen Debatten die Meinung von Prostituierten. Gibt es dazu irgendwo Veröffentlichungen, wie sie das sehen? Schließlich sind sie es, die bei einem gesetzlichen Verbot in die Illegalität getrieben würden. Oder glaubt ihr, dass sie mal eben auf andere Jobs ausweichen könnten? Natürlich wäre es wünschenswert, wenn eine Gesellschaft keinen käuflichen Sex bräuchte, aber ist es nicht Augenwischerei, so zu tun, dass wir schon so weit sind? Soll da was erzwungen werden? In der dänischen Polt-Serie „Borgen“ gab es dazu spannende Debatten von sehr emanzipierten Frauen, die Prostitution als Gewerbe betrieben. Bei aller Zustimmung zu den obigen Argumenten ist mir die Debatte so zu einseitig und auch übergriffig für die betreffenden Frauen und Männer. Warum alles wieder „gendermäßig“ abhandeln? Sind wir nicht schon weiter?
    nachdenkliche Grüße
    Anna Hölscher

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  16. Das Benutzen von fremden menschlichen Körpern zur eigenen sexuellen Befriedigung als Dienstleistung zu definieren, offenbart in meinen Augen die ganze Perversität des patriarchalen und kapitalistischen Systems.

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  17. Eine Frage ist natürlich, wie Geld betrachtet wird. Und ob mit Geld Emotionen konserviert werden können. Die Prostituierte/Pornodasrellerin/Friseurin/Autowäscherin hat zwar an ihrem aktuellen Werk keinen Spass, aber sie werden mit Geld entlohnt. Diese Geldeinheiten, können sie aber wiederrum zum Tausch gegen Emotionen feilbieten, die ihnen Spaß bringen. Zum Beispiel einen Kinobesuch, ein Kleid oder Schuhe.

    @Claudia Regul
    „Ich hab schon auf FB gemeint ich denk das das Hauptproblem ist, das es abrutschen könnte in eine Richtung, das es zu normal würde. Und wie selbstverständlich arbeitslosen Frauen sagt prostituier dich doch…und das ist äußerst heikel. es gibt Frauen, für die ist es undenkbar mit jemanden zu schlafen, wenn sie ihn nicht begehren, es gibt welche da ist es ne Antwort auf Aufmerksamkeit oder weil es sein muß um die Beziehung aufrecht zu erhalten und da ist für mich die Grenze zu Prostitution auch fließend.
    Für mich wäre das auch undenkbar. Hier fließen auch Weltanschauung und Maßstäbe arg mit rein.“

    Nur um mal die Perspektive zu drehen. Das andere Hauptproblem, wenn Prostitution normal werden würde, wäre doch: Warum sollten Frauen überhaupt noch „freiwillig“ mit Männern schlafen, wenn sie doch die Möglichkeit auf eine Bezahlung hätten.

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  18. Ich habe noch nie solche Dienstleistungen in Anspruch genommen, daher nur rein hypothetisch: warum bedingt die Entgegennahme von Geld daß die Prostituierte keine Lust am Sex hat? Analog gedacht dürfte niemand Spaß an seiner Arbeit haben? Das erscheint mir unwahrscheinlich.

    Davon abgesehen erscheint es mir sehr fragwürdig anderen Leuten vorschreiben zu wollen was Sex für sie zu bedeuten hat. Mit welchem Recht? Warum sollten die Menschen dies nicht selbst entscheiden können?

    Es stimmt vermutich in vielen Fällen daß Prostituierte den Job nicht machen würden wenn sie auf andere Weise genügend Geld verdienen könnten. Auch das gilt aber letzlich für fast jede Art von Arbeit. Und immerhin gibt es in Deutschland ein Sozialsystem, so daß wohl die wenigsten aus finanzieller Not zu dem Job gezwungen werden, sondern weil sie eben den Handel eingehen um ihre höheren Konsumansprüche zu befriedigen.

    Die Bezahlung richtet sich übrigens einfach nach Angebot und Nachfrage. Das Gehalt von Regierungsseite festzulegen wäre Planwirtschaft.

    Ohne beides probiert zu haben erscheint mir der Beruf Fusspfleger auch fast noch ekliger als Prostitution. Aber das muss jeder selbst entscheiden – und es ist wohl gut daß auch manche Leute eklige Jobs machen.

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  19. Noch ein Gedanke zum Begehren: es erscheint mir auch denkbar daß die Menschen generell viel mehr Lust auf Sex haben als sie ausleben. Also wenn es nicht so viele Komplikationen gäbe – moralische Ächtung, Gefahr von Ansteckung und Schwangerschaft, Beziehungskrisen, würden die Menschen vielleicht viel mehr Begehren empfinden. In unserer wohlerzogenen Vorstellung erfordert es viel Überwindung von Ekel mit einem Fremden Sex zu haben, aber die biologische Realität sieht womöglich anders aus. Und wenn viele Faktoren wegfallen (Moral, Ansteckungsgefahr durch geeignete Verhütung etc), ist es evtl. auch für die Frauen einfacher Sex mit Männern zu haben die sie nicht kennen. Ich will nicht behaupten daß es im Allgemeinen so ist (keine Ahnung – ich kenne keine Prostituierten), nur daß man als Fachfremder vielleicht von völlig falschen Vorstellungen ausgeht.

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  20. @Suedelbien – Diese Art der pauschalen „Prostitution ist Pervers!!!!!!“-Argumentation ist für eine Debatte gerade überhaupt nicht hilfreich. Ja klar, schaffen wir mal eben das ganze patriarchale und kapitalistische System ab oder was? Diese Art von Undifferenziertheit in der Verdammung von Prostitution ist genau einer der Gründe dafür, warum die „Gegenseite“ zu Recht Einwände erhebt. Und vor dieser Folie erscheint dann auch das „Prostitution ist normale Arbeit“-Argument erst recht plausibel.

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  21. @Anna Hölscher – Hast du meinen Post überhaupt gelesen, bevor du hier kommentierst? Gerade dass Prostitution eine Einkommensquelle ist, war ja schließlich mein Hauptargument. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass Frauen, die nicht als Prostituierte tätig sein, keine Meinung zu dem Thema haben dürfen. Von dem Bild, das wir uns als Gesellschaft vom Zusammenhang zwischen Sex und weiblichem Begehren machen, sind alle Frauen betroffen. Und: Ja, das Thema ist aus meiner Sicht extrem „gendermäßig“. Man kann es nicht geschlechtsneutral diskutieren.

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  22. @Hagrid – Weibliches Begehren ist etwas anderes als „Spaß an der Arbeit“, aber es ist aufschlussreich, dass du beides verwechselst, denn das ist sozusagen der Kern des Problems aus meiner Sicht, dass beides in unserer Kultur notorisch verwechselt wird. Begehren bedeutet, dass man etwas sehr dringend haben will, dass man sich anstrengt, um es zu bekommen, dass es einem sehr wichtig ist, dass man sogar bereit ist, einen Preis dafür zu bezahlen. Spaß an etwas haben bedeutet, dass man es nicht direkt ätzend findet, sondern ganz okay.

    Zu Punkt 5: Genau, und ich glaube im Zuge der Normalisierung von Prostitution als Tätigkeit werden Männer immer weniger bereit sein, dafür zu bezahlen. Diese Entwicklung hat auch schon begonnen, es gibt Preisverfall in dem Bereich, bzw. es geht die Schere zwischen hochpreisiger Prostitution und Billigficks ständig auseinander.

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  23. @bertrandrolf – „Wenn Prostitution normal werden würde, wäre doch: Warum sollten Frauen überhaupt noch “freiwillig” mit Männern schlafen, wenn sie doch die Möglichkeit auf eine Bezahlung hätten.“ – in dieser Frage zeigt sich auch ein Missverständnis in Bezug auf weibliches Begehren. Es geht eben nicht darum, mit irgendjemandem Sex zu haben, sondern mit einer bestimmten Person. In einer Welt, in der Prostitution eine normale Arbeit wäre, könnten Frauen zwar leichter Geld mit Sex verdienen (oder auch nicht, wegen vermutlichem Preisverfall), aber dazu müssten sie ja mit den Männern Sex haben, die bereit sind, dafür zu bezahlen. Die meisten Frauen möchten aber lieber mit den Männern schlafen, die sie begehren. Das ist genau mein Punkt.

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  24. Wieder: es schliesst sich doch nicht aus jemanden zu Begehren und trotzdem Geld dafür zu nehmen mit ihm zu schlafen. Ausserdem ist die Frage wann/aus welchem Grund begehert eine Frau einen Mann? Vielleicht kann das Begehren ja noch entstehen, nachdem der Vertrag ausgehandelt wurde.

    Ich will das ganze nicht verteidigen, mich stören nur die ganzen Vorurteile und die Grundannahme daß Prostituierte nicht selbständig über ihr Handeln entscheiden können/dürfen sollten.

    Auch den Punkt „es prägt die Vorstellung von Sex“ finde ich untragbar. Das heisst bestimmte Arten von Sex sollten verboten sein, da es sonst den Sex für andere Menschen vermiest? Ich sehe einfach nicht ein wieso sich eine Gruppe von Menschen anmasst anderen Menschen vorschreiben zu wollen wie sie ihr Sexleben zu gestalten haben. Und nur weil es Leute gibt die z.B. Sado-Maso-Spielchen mögen heisst das doch nicht daß jeder andere das plötzlich auch mögen muss. Jeder soll doch bitteschön selber mit sich und anderen ausmachen welche Art Sex er oder sie haben will.

    Schätze hier geht es wohl um eine Grundhaltung – für mich ist das Grundprinzip daß Menschen so weit wie möglich selbst über ihr Leben bestimmen können sollten. Für andere ist anscheinend wichtiger bestimmte Moralvorstellungen durchzudrücken oder was auch immer (z.B. „Frauen sollten nicht Hausfrauen sein“ ist auch so eine Moralvorstellung/Ideologie).

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  25. Ich finde deine Argumetationen durchaus schlüssig. Es ist generell an der Zeit, das über das gesamte Ausmaß von Prostitution und nicht nur über Zwangsprostitution gesprochen wird. Es ist für mich letztendlich auch ein Gewerbe welches das Bild über Frauen und das Thema Sexualität prägt. Und nicht in positiver Weise. Jeder Heranwachsende wächst mit einer Vorstellung von der Möglichkeit von käuflichen Sex auf. Damit Sind weibliche und männliche Personen gemeint. Für mich selbst sehe ich darin eine Form der Perversierung einer sexuellen Beziehung in der die Sexualität ein Geschäft es, aber nicht sein sollte.

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  26. Das einzige Problem, das ich sehe, ist das schlechte Umfeld, in dem sich Prostitution oft abspielt.
    Wenn man sich dazu entschließt, Sexworker zu werden, und in die eigene Tasche zu arbeiten, gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, warum das verboten sein sollte.

    Eine Bekannte von mir, die jahrelang als Callgirl gearbeitet hat, hat es so zusammengefasst: Ich habe einen guten Beruf erlernt. Aber egal wie gut ich in diesem Beruf bin, ich werde nie so viel Geld verdienen wie als Callgirl. Wenn ich in meinen erlernten Beruf arbeite, arbeite ich von früh bis spät, jeden Tag und von den Überstunden reden wir gar nicht. Als Callgirl arbeite ich so viel und wann ich will. Ich bin mein eigener Chef. Ich kann mir auch aussuchen, für wen ich arbeite.
    Für sie war Sex ein Hobby. Sie war mit 15 schon so promiskuitiv, dass sie mit der halben Stadt im Bett war. Ich hab sie nie anders gekannt, das war einfach ihr Ding. Heute macht sie das nicht mehr, zum einen wegen einer Beziehung, zum anderen weil sie in eine andere Stadt gezogen ist und dort niemand das weiß. Es wäre wohl ein echtes Problem für sie, wenn ihr neuer Freundeskreis draufkommen würde.

    Verboten gehört meiner Meinung nach die Zuhälterei. Das sind nämlich Leute, die sich goldene Nasen damit verdienen, andere Menschen unter Androhung oder Anwendung von Gewalt auszubeuten.
    Zuhälterei ist Sklavenhandel, gerade vor dem Hintergrund der viele unfreiweilligen Sexworker aus dem Ausland.

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  27. Stellt sich mal jemand wirklich die Frage: warum ist es scheinbar schlimmer mit jemandem zu schlafen als jemand anderem einen Pickel auszudrücken (wie es z.B. Kosmetikerinnen in ihrem Beruf tun)? Ich vermute mal da steckt auch Jahrtausendelange christliche Sozialisation dahinter (und früher eben die mit Sex verbundenen Risiken wie Schwangerschaft und Krankheitsübertragung, die aber teilweise heute ausgeschlossen werden können).

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  28. @Björn – sorry, lies meinen Text nochmal. Wo schreibe ich da, dass bestimmte Arten von Sex verboten sein sollen? Und wo schreibe ich, dass Prostituierte nicht selbstbestimmt über ihr Handeln entscheiden dürfen sollen? Ich schreibe das genaue Gegenteil davon. Aber ich bin doch nicht verpflichtet, alles was andere Leute machen, gut zu finden!

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  29. @sittingonthefence – Wo schreibe ich, dass das verboten sein sollte?

    An alle: Bitte lest meinen Blogpost erstmal, bevor ihr die bekannten Schützengrabenpositionen hier in die Debatte werft, denn ich möchte über dieses „Verbieten, ist des Teufels!“ versus „Ist doch tolle selbstbestimmte Arbeit!“ gerne hinauskommen.

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  30. @antje Du schriebst „Von dem Bild, das wir uns als Gesellschaft vom Zusammenhang zwischen Sex und weiblichem Begehren machen, sind alle Frauen betroffen.“ (in einem Kommentar) – das scheint mir zu implizieren daß Du es verbieten wollen würdest (oder irgendwie Reglementieren, was aber einem teilweise Verbot gleichkommt) sofern Du zu der Ansicht gelangst daß die Arbeit von Prostituierten irgendwie falsch ist. Oder wie würdest Du sonst reagieren?

    Natürlich musst Du nicht gut finden was andere machen, aber das ist doch was völlig anderes als Regeln und Vorschriften für andere erstellen zu wollen.

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  31. @antje auf der Skala von „ich hasse Justin Bieber“ zu „Justin Bieber schadet dem Image aller Teenager in der Welt und niemand sollte JB anhören“ scheint mir Dein Blog im Allgemeinen eher zur zweiten Art des Diskutierens tendieren. Das nur zum Thema „ich muss doch nicht alles gut finden was andere Leute machen“.

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  32. Noch ein Grund warum Frauen Prostitution schlecht finden sollten: es senkt natürlich generell den Marktwert von Frauen. Wenn Männer für x € Sex bekommen können wird es für Frauen schwieriger „ein Haus und ein Auto und Monogamie“ zu fordern. Also generell ist Prostitution einfach Konkurrenz für Frauen.

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  33. @Björn – Ja, das mag es in deiner Phantasie implizieren, aber für mich folgt aus „finde ich nicht gut“ nicht sofort „sollte man verbieten“. Einmal weil ich als Anarchistin eh nicht von Staat und Gesetzen die allgemeine Glückseligkeit erwarte, und konkret bei diesem Thema aus den Gründen, die ich im Blogpost Punkt 2 und 3 ausführlich erläutert habe.

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  34. Ich habe geschrieben: […] „offenbart in meinen Augen die ganze Perversität des patriarchalen und kapitalistischen Systems.“
    Das System ist pervers, nicht die Prostitution, sie ist nur das Symptom; das habe ich nicht geschrieben und schon gar nicht mit !!!einself!

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  35. @antje Du zitierst mich falsch – ich denke nicht daß für Dich aus „finde ich nicht gut“ folgt etwas sollte verboten werden, sondern aus Deiner Behauptung daß die Einstellung der Gesellschaft zur Prostituion alle Frauen betrifft.

    Behauptest Du andererseits alles was Du diskutierst sollte keinerlei Konsequenzen haben? Wenn das einzige Ziel Deiner Artikel ist daß Menschen ihre eigene Einstellung ändern finde ich das ja begrüssenswert. Ich bin aber vorerst skeptisch.

    Noch eine Anmerkung weil Du schreibst „in deiner Phantasie“: die Kommunikation zwischen Menschen findet immer über die Phantasie statt. Wenn man sich zuhört kann man es vielleicht schaffen eine gemeinsame Phantasie zu entwickeln und sich zu verstehen. Oder es besteht halt nicht der Wille dazu, den Eindruck erhält man bei feministischen Diskussionen leider oft.

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  36. Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Aber es scheint ja so zu sein, wenn auch nur ein kleines bisschen der Verdacht aufkommt, jemand sei

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  37. ich war noch nicht zuende mit meinem Kommentar, sorry. Also, jemand sei dafür, Prostitution zu verbieten (wovon ich ganz ausdrücklich NICHT schrieb), handele jemand schon im Sinne des Patriarchats. Was ich für völligen Quatsch halte. Auch sehe ich nicht, wo in meiner Aussage weiter oben eine Pauschalisierung stecken soll, die eine Diskussion verhindert. Ich glaube echt gerade, ich stehe im Wald. Reflexhafte Reaktionen auf allen Seiten. DAS ist nicht sinnvoll und einer Diskussion abträglich. Aus der ich mich jetzt wohl mal lieber zurückziehe.

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  38. Prostitution hat mit Pornofilmen das Illusionäre gemein: Es seht nur so aus, als wäre es Sex. Da die Illusion aber oftmals nahezu perfekt ist, scheint der Unterschied vielen Menschen nichts auszumachen. Reichen doch allein die optischen Reize meist schon für eine sexuelle Erregung (bei Männern) aus.

    Was die „Natürlichkeit“ betrifft: Es wurde auch schon bei höherentwickelten Tieren beobachtet, dass Weibchen die Männchen kopulieren ließen, nachdem sie von diesen eine Art Geschenk (oder Bestechung?) erhielten. Da sie noch kein Geld entwickelt haben, handelt es sich dabei meist um Leckereien.

    Eine weitere Parallele besteht darin, dass es auch bei den Tieren nicht die Männchen, sondern die Weibchen sind, die auf solche Weise zur Triebbefriedigung des anderen Geschlechts überredet werden müssen. Das lässt sich sicherlich evolutionär begründen. Deine These vom „gesellschaftlichen Konstrukt“ lässt sich daher meiner Meinung nach nur aufrechterhalten, wenn man gewissen Tierarten ebenfalls eine Gesellschaftskultur zuspricht, aus der jenes Konstrukt hervorgegangen sein könnte.

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  39. @antje sorry daß ich nochmal Frage, aber ich denke darüber nach: wenn Ziel Deines Artikels/Denkens nicht das finden irgendwelcher Regeln zum Umgang mit Prostitution sein soll (moralisch oder gesetzlich – beides würde ich mal als „Verbote“ bezeichnen), was ist es dann? Für weibliche Leser wäre das doch sonst irrelevant, da sie ohnehin nicht zu Prostituierten gehen. Sie könnten höchstens versuchen ihre männlichen Freunde zu überzeugen es sein zu lassen, aber das ist wohl eher selten Gesprächsthema zwischen Männern und Frauen. Daß der Artikel sich nur an Männer richtet die zu Prostituierten gehen scheint mir unwahrscheinlich.

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  40. @Gondlir die Beispiele im Tierreich wo die Männchen die Weibchen überzeugen müssen (durch tolle Federn, das bauen toller Nester, Geschenke etc) sind bekannter, es gibt aber durchaus auch die umgekehrten Fälle. Es kommt immer auf die äusseren Umstände an. Ich finde das Buch gerade nicht, aber in „Why is Sex fun?“ von Jared Diamond wird so ein Beispiel beschrieben in dem die Weibchen um die Männchen konkurrieren müssen und nicht umgekehrt (hab die genauen Gründe vergessen, aber es lag an der Umwelt, denke besonders Aufwändige Brutpflege nötig). Bei Menschen hört man doch auch teilweise sowas, z.B. in einigen Populationen von Schwarzen in den USA, weil die meisten Männer im Gefängnis sind (d.h. brauchbare Männer sind knapp). Oder hier ein Artikel darüber daß das Kräfteverhältnis beim Dating sich bei Frauen die auf die 40 zugehen umkehrt: http://www.smh.com.au/federal-politics/society-and-culture/why-women-lose-the-dating-game-20120421-1xdn0.html

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  41. @Björn – Ich will eine Diskussion darüber anstoßen, damit wir auf einer fundierteren Basis als jetzt darüber entscheiden, wie wir uns zu dem Thema verhalten. Meinetwegen können dann irgendwelche PolitikerInnen dazu auch Gesetze machen. Aber möglicherweise ändern sich auch noch andere Dinge, EInstellungen, persönliche Entscheidungen, die Art und Weise wie einzelne über das Thema denken und sprechen usw. Kultur ist mehr als das Aufstellen von Regeln.

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  42. Hm ich würde sagen Kultur ist letzlich eine Ansammlung von Regeln. Aber egal. Ich hatte es auch nicht so aufgefasst als wärest Du schon in einer bestimmten Richtung entschieden, aber auf die Gedankengänge in Richtung „es schadet allen Frauen“ (um die Ecke gedacht, so direkt hast Du es nicht formuliert) habe ich eben geantwortet.

    Wobei auch trotzdem die Frage bleibt weshalb die gesellschaftliche Einstellung dazu diskutiert werden muss. Also ich meine mit der Behauptung es muss diskutiert werden wird ja auch impliziert daß es Gesellschaftsweite Folgen hat und daher wohl doch irgendwie reglementiert werden muss.

    Es gibt z.B. Menschen die lieben es sich in Folie einschweissen zu lassen, eine Art extreme Fesselung. Das ist mir völlig egal. Warum sollte Prostituition mir nicht ebenfalls völlig egal sein? Wenn Leute sich aus freien Stücken entscheiden das zu tun ist es mir wohl tatsächlich völlig egal. Interessant finde ich höchstens wie sie dazu kommen, ob es ihnen gut tut und falls nicht, was die Ursachen sind – vielleicht sind sie z.B. Drogenabhängig und brauchen deshalb viel Geld. Aber wie könnte man diese Ursachen bekämpfen? Hier geht es doch wohl um mehr als nur um Meinungen, da sich keiner durch Meinungen vom Drogenkonsum abhalten lassen wird (bzw. es ist ja klar daß es schädlich ist, aber es gibt dennoch Menschen die das tun).

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  43. Hallo Antje,

    vielen Dank fuer den Post! Du faengst eine Debatte an, ueber die ich immer mal wieder nachdenke und die wirklcih ueberfaellig ist. Vor allem ueber Punkt 4 wuerde ich mir gerne eine Meinung bilden.
    Ich bin bisher nicht sehr weit gekommen allerdings. Ich gehe mit dir total konform das man Prostitution nicht verbieten soll. Aber ich glaube, dass sie trotzdem schadet, auf mehrere Arten.
    Zum einen verleitet es zumindest zu der Idee, gekaufter Sex und von beidseitigem Begehren initiierter Sex sei irgendwie gleichwertig, oder zumindest fuer den Mann dasselbe. Bjoern vertritt ja hier diese Meinung zB. Ich halte das fuer falsch. Man kaeme doch auch nicht auf die Idee, eine bezahlte Begleitung mit einer Freundschaft gleichzusetzen. Fuer die Freundschaft ist eben unentgeltlich und sie erwartet nichts als Gegenleistung. Beim vom Begehren initiierter Sex bekommt man ja noch viel mehr als den rein koerperlichen Teil. Eine Bestaetigung, dass man begehrenswert ist, das man dem anderen gefaellt, moeglicherweise (nicht zwingend) ein Zeichen von Liebe, die Erkenntnis das jemand anderem dasselbe gefaellt/anturnt wie einen selbst, eine Bereitschaft etwas Intimes zu teilen, etc. Wenn ich mit jemandem schlafe, dann will ich, dass er mich will. Ansonsten waere es etwas rein mechanisches.

    Zum anderen bekraeftigt es die Vorstellung, Frauen wuerden fuer Sex immer eine Gegenleistung fordern (vermutlcih weil sie von alleine ja eh keinen wollen?) Auch das schwingt in Bjoerns Kommentar oben mit, wo er sagt, Frauen koennten nicht mehr „Haus, Auto und Monogamie fordern“ wenn es Sex auch billiger gaebe. Ich finde das richtig beleidigend, als ob Frauen mit ihren Partnern nur schlafen weil die Partner im Gegenzug irgendetwas bieten. Also, ich zumindest habe Sex mit Maennern weil ich das will (und der jeweilige Mann mich will) und aus sonst keinem Grund.

    Jetzt habe ich leider keine Zeit mehr.
    lg

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  44. Meine Antwort war auch provokant.
    Ich denke auch das die Mehrheit der Menschen Prostitution ablehnen. Auch viele Männer finden dies nicht richtig, weil der weibliche Part nicht wirklich will, keine Gefühle hat und die 2 Punkte dazu gehören. Und für viele Menschen würde sich ihre Lebenswelt nicht ändern, wenn Prostitution ein normaler Job wäre. Viele Frauen würden diese Job nicht tun und viele Männer ihn nicht nachfragen.

    Habe beispielsweise letztens eine kurze Doku gesehen, wie das Geschäft Liebe in Japan gehandelt wird. Dort gibt es Frauen, die mieten sich einen Mann, der mit ihr auf charmante und humorvolle Weise, wo sie sich wohlfühlt und sexfrei den Abend verbringt.
    Dort kann man erkennen, wie Liebesdienste, bzw. Liebesersatzdienste sich irgendwann durchsetzen werden. Weil keiner mehr Zeit hat in dieser kranken kapialistischen Welt…
    http://www.vice.com/de/the-vice-guide-to-travel/the-japanese-love-industry/?utm_source=vicefb

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  45. Liebe Antje,

    ich freue mich, dass du es als feministische „Alpha-Bloggerin“ geschafft hast, einen Artikel über freiwillige Prostitution zu schreiben, in dem du argumentierst und die Existenz freiwilliger Prostitution nicht pauschal infrage stellst. Aber, dir unterläuft ein Denkfehler, der auf einer falschen Prämisse beruht (Punkt 4) und so kommst du am Ende doch wieder nur zu einem moralischen Urteil (Punkt 5), weshalb du die Prostitution ablehnst.

    Das Phänomen „Prostitution“ ist nur denkbar in einer Kultur, in der Sex nicht die beiderseitige Lust aufeinander zur Voraussetzung hat, sondern einseitig denkbar ist. Es muss also als akzeptabel gelten, wenn jemand, der Sex haben will, die eigene Lust mit jemandem befriedigt, der_die keinen Sex haben will – denn eine Frau, die Sex gegen Geld eintauscht, hat ja selbst auf diesen Sex keine Lust, sondern tut es, um Geld zu verdienen.

    Du gehst davon aus, dass es beim Sex zwischen Sexarbeiterin und Kunde kein von der Anbieterin ausgehendes sexuelles Begehren gäbe, sondern allenfalls monetäres. Du setzt voraus, dass Prostitution immer ein einseitiges sexuelles Interesse verfolgt. Warum? Warum sollte weibliche Sexualität nicht ebenso wild, gierig, vielfältig, aktiv, ordinär, eigen-motiviert sein, wie es der männlichen immer unterstellt wird? Glaubst du nicht, dass der Umstand, dass der Sexualpartner fremd ist und einen bezahlt, selbst sexuelle Lust auslösen kann? Ebenso wie es Lust bereiten kann, gefesselt befummelt zu werden oder Gummiklamotten anzuziehen oder nem Typen ins Gesicht zu pinkeln oder mit dem gleichen Geschlecht zu bumsen wie ein wilder Eber oder die Augen verbunden zu bekommen oder was auch immer?

    Sexuelles Begehren ist wahnsinnig vielfältig – auch das sexuelle Begehren von Frauen. (Wer wüßte das besser als eine Hure!) Frauen sind nicht „normalerweise“ sexuell passiv, zurückhaltend, abwartend, enthaltsam oder erduldend. Und sie sind auch nicht „normalerweise“ nur dann glücklich im Bett, wenn ihr Partner Prince Charming ist. Wir sollten an diesem Punkt überhaupt nicht danach fragen, was für Frauen normal und was unnormal ist. Wenn wir als Feministinnen anfangen, weibliche Sexualität zu normieren, haben wir schon verloren, weil wir die Rollenbilder annehmen, die uns historisch zugedacht sind.

    Wenn du also behauptest, Prostitution gehe mit einem patriarchalen Weltbild einher, kannst du diese Ansicht nur aufrecht erhalten, indem du unterstellst, dass Sex etwas ist, das nur Männer von Frauen wollen, auf das nur Männer, aber nicht auch Frauen Lust haben, von dem nur Männer, nicht aber auch Frauen sexuell profitieren. Abgesehen davon, dass diese Annahme falsch ist, ist sie zu tiefst sexistisch! Sie arbeitet mit geschlechtlichen Rollenbildern, geht von einem typisch männlichen Begehren und einem typisch weiblichen Begehren aus und kann Männer und Frauen nur im Rahmen dieser Rollen denken. Das ist nicht feministisch!

    Deshalb bin ich auch dagegen, den Tausch von Sex gegen Geld als „normale Arbeit“ zu labeln. „Normale Arbeit“, also der Tausch von Arbeit gegen Geld, beruht auf einem System der Arbeitsteilung. […] Sicher ist es prinzipiell möglich, auch Sex in diesem Sinn als Ware oder als Dienstleistung verstehen. Aber ich will das nicht. Genauso wie ich der Ansicht bin, dass Sex nicht zu den „Pflichten einer Ehefrau“ gehört (auch Ehefrauen sind dem ja normalerweise freiwillig nachgekommen).

    Sex ist weder die Pflicht einer Ehefrau, noch die Pflicht einer Prostituierten. Auch ein Fußpfleger ist nicht dazu verpflichtet, jedem die Füße zu massieren. Wenn er bestimmte Füße oder Kunden eklig oder unsympathisch findet, kann er es ablehnen, den Kunden zu bedienen oder Bedingungen aufstellen, unter denen er bereit wäre, seine Füße zu massieren. Eine Prostituierte kann ebenso Bedingungen aufstellen, Kunden oder bestimmte Praktiken ablehnen, wie ein Fußpfleger auch. Mit ihrer Einwilligung in die Prostitution ist keine Lizenz zur Vergewaltigung verknüpft. Das wäre eine absurde Annahme, die einem Viktimblaming bei Gewalt gegen Sexarbeiter Tür und Tor öffnet!

    Nein, ich vermute, dass der Grund dafür, dass du Sex nicht als Dienstleistung akzeptieren willst, ein anderer ist: Sex ist für dich untrennbar mit Liebe verbunden. Sex ist für dich konkreter Ausdruck von abstrakter Zuneigung, vielleicht auch deshalb, weil du dein eigenes Begehren nie als primär sexuelles, sondern in erster Linie als emotionales erfahren hast? Vielen Menschen geht es so und sie neigen aufgrund dieser Prägung dazu, ihre hohen Ansprüche an die Liebe auf Sex zu übertragen und Sex zu überhöhen.

    Sex ist aber nichts Heiliges. Sex ist, neben vielen anderen, eine Form der non-verbalen Kommunikation. Diese Form der Kommunikation ist nur deshalb „intimer“, weil sie in unserer Gesellschaft versteckt, allenfalls im geheimen ausgeübt wird und wir darauf geprägt sind. Aber so, wie sich nicht unbedingt jeder Mensch vor einem Händedruck mit einem Menschen ekelt, den er nicht explizit liebt, ekelt sich eben auch nicht jeder Mensch vor Sex mit einem Menschen, den er nicht explizit liebt. Im Gegenteil, es gibt Menschen, die daraus Lust ziehen – auch Frauen.

    Wenn du für dich Sex ablehnst, wenn er nicht mit „wahrem, beiderseitigem, liebend-innigem Begehren“ verbunden ist, was ich nach deinen Ausführungen stark annehme, dann hast du genau deshalb ein moralisches Problem mit Prostitution, weil Prostitution diese Sorte von Sex auslebt. Prostitution ist die institutionalisierte Trennung von Liebe und Sex und das ist, was dir daran aufstößt. Das ist okay, du mußt dich selbst nicht prostituieren, wenn du nicht willst, niemand zwingt dich dazu. Aber deine persönliche Einstellung, dein negatives Werturteil über Sex ohne Liebe legitimiert weder ein Prostitutionsverbot, noch die gesellschaftliche Ächtung der Prostitution.

    Liebe Grüße,
    Carmen (Sexarbeiterin).

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  46. @Charlotte „Zum einen verleitet es zumindest zu der Idee, gekaufter Sex und von beidseitigem Begehren initiierter Sex sei irgendwie gleichwertig, oder zumindest fuer den Mann dasselbe. Bjoern vertritt ja hier diese Meinung“

    Diese Meinung vertrete ich absolut nicht, ich stelle lediglich in Frage anderen Menschen vorzuschreiben wie sie Sex bewerten und empfinden. Bitte korrekt lesen.

    „Zum anderen bekraeftigt es die Vorstellung, Frauen wuerden fuer Sex immer eine Gegenleistung fordern (vermutlcih weil sie von alleine ja eh keinen wollen?) Auch das schwingt in Bjoerns Kommentar oben mit, wo er sagt, Frauen koennten nicht mehr “Haus, Auto und Monogamie fordern” wenn es Sex auch billiger gaebe.“

    Auch dies habe ich nicht behauptet, bitte genau lesen. Daß der Marktwert sinkt ist einfach Fakt (dafür kann ich nichts). Aus welchen Gründen Menschen sich auf Sex einlassen bleibt dennoch diesen Leuten selbst überlassen. Ich habe damit auch in keinster Weise behauptet daß Frauen nur Sex gegen Gegenleistung „anbieten“ – das ist eine Unterstellung Deinerseits. Daß in Beziehungen auch etwas ausgehandelt wird erscheint allerdings ziemlich offensichtlich, und es ist wohl kein Zufall daß Frauen öfter mal die Scheidung einreichen wenn ihre Männer den Job verlieren (und daß der Marktwert von anderen Prostituierten durch höheres Angebot sinkt hat ja selbst Antje bestätigt). Die wahre romantische Liebe gibt es doch wohl kaum – also daß jemand einen anderen Menschen liebt egal wie dieser ist. Die meisten Paare finden sich doch weil sie gemeinsame Ziele und Wünsche haben, z.B. ein Haus zu bauen und Kinder zu bekommen. Wenn diese Vision dann durch wirtschaftlichen Absturz eines Partners unwahrscheinlich wird, entlieben manche Menschen sich nunmal. Ist das wirklich strittig? Bitte beachten daß ich keinerlei Aussage dazu mache wie ich das finde, es ist einfach nur die Realität.

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  47. @Carmen – „Du gehst davon aus, dass es beim Sex zwischen Sexarbeiterin und Kunde kein von der Anbieterin ausgehendes sexuelles Begehren gäbe, sondern allenfalls monetäres. Du setzt voraus, dass Prostitution immer ein einseitiges sexuelles Interesse verfolgt.“ -Nein, ich gehe nicht davon aus, dass das sexuelle Interesse IMMER einseitig ist, es kann schon sein, dass die Sexarbeiterin selbst auch diesen Sex (mit diesem Kunden, zu diesem Zeitpunkt) will. Ich gehe aber davon aus, dass es oft auch anders ist, dass das sexuelle Begehren der Frau also nicht eine selbstverständliche und unabdingbare Vorbedingung dafür ist, dass im Einzelfall der Prostitution Sex stattfindet.

    Deine Vermutung, bei mir würde eine moralisierend-altmodische Vorstellung von romantischer Liebe zugrunde liegen, ist falsch. Ich bin keine Anhängerin romantischer Liebe, und mein Problem mit Prostiution ist kein moralisches. Es geht mir nicht um das Begehren des Sexpartners in romantischer Hinsicht, sondern um das Begehren des Sexpartners in Punkto Sex. Mit einem Verständnis von Prostitution, das das beidseitige Begehren auf Sex in dieser Art und Weise in dieser persönlichen Konstellation und zu diesem Zeitpunkt zur Grundlage hat, hätte ich überhaupt kein Problem, ich bezweifle aber stark, dass das ein funktionierendes Geschäftsmodell wäre 🙂

    Ich bin unbedingt für eine Trennung von Liebe und Sex, beziehungweise für die Schaffung von entsprechenden Möglichkeiten, zum Beispiel in Form von Sexparties, Sexbörsen, generelle Toleranz gegenüber allen möglichen Formen von sexuellen Handlungen, auf die alle Beteiligten jeweils Lust haben und wo das einzige „moralische“ Kriterium, wenn man so will, wäre, dass alle Beteiligten genau darauf jetzt Lust haben. Prostitution, die in dieses kulturelle Trennen von Sex und Liebe den Faktor Geld einführt, ist nicht die Institutionalisierung der Trennung von Sex und Liebe, sondern die Kapitalisierung der Tatsache, dass in der Gesellschaft allgemein diese Trennung gerade nicht praktiziert wird. Meine Meinung.

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  48. @Charlotte ich muss allerdings tatsächlich zugegben daß ich ab und zu darüber nachdenke warum Menschen sich überhaupt noch in Paaren zusammentun. Also warum ist es so üblich daß sich (im Normalfall) ein Mann und eine Frau zusammentun und eine Einheit bilden? Ich denke schon daß da teilweise praktische Erwägungen eine Rolle spielen (unbewusst), die heutzutage aber teilweise nicht mehr relevant sind (Aufgabenteilung bei der Kindererziehung, Schutz vor Geschlechtskrankheiten, Einsamkeit im Alter etc). Und Sex müsste dabei eine tragende Rolle spielen, ansonsten gäbe es doch keinen Grund sich ausgerechnet in der Konstellation Mann-Frau zu paaren? Sofern Sex zunehmend auch anders zu haben ist, erledigt sich evtl. auch die Notwendigkeit von Paarbeziehungen, und damit auch die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Versorgung.

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  49. @Antje: Aber warum ist denn der Faktor Geld bei Sex/Liebe deiner Ansicht nach so ein grosses Problem und bei vielen anderen Dingen nicht? Ich verstehe einfach nicht so ganz, wo der Unterschied zur Fusspflegerin ist. Alles was ich da an Argumenten finden kann verwendet, wie ich finde mit patriarchalen Mechanismen.

    Wenn Sex also (wie wir beide finden) nicht heiliger als Essen und Fusspflege ist, warum verdient dann Prostitution prinzipiell groessere Vorsicht/Aufmerksamkeit als das Koechin oder Fusspflegerin-sein?

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  50. um mal meine Gedanken von oben weiter zu führen:
    Vielleicht würde eine Normalisierung von Sexarbeit dazu führen, dass die Entkopplung von fast ausschließlich weiblichem Begehren und Sex auch zunehmend um die Entkoppelung von männlichen Begehren und Sex ergänzt wird.

    So halte ich es durchaus für vorstellbar, dass (einige) Spas und Wellnesshotels etc. zunehmend zusätzlich zu ihrem bisherigen Angebot an Massagen usw. auch erotische Massagen, Tantramassagen und Massagen die -wie auch immer geartete- sexuelle Befriedigung beinhalten anbieten würden.
    Da solche Wellnessangebote zum größten Teil von Frauen wahrgenommen werden, welche wiederum zum größten Teil (mehr oder minder) heterosexuell sind, würde sich daraus auch ein nennenswerter Bedarf an männlichen Sexworkern für eine weibliche Kundschaft ergeben.

    Das wiederum hätte positive Auswirkungen auf deine Punkte 4 und 5. Was denkst du darüber?

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  51. Wieso sollte eigentlich Zweigeschlechtlichkeit keine Naturerscheinung sein? Immerhin existiert sich auch im Tierreich, und auch unter Menschen existierte sie schon lange bevor es irgendwelche Gesellschaften gab.

    Dass eines von 2000 Kindern ohne eindeutige Geschlechtsmerkmale geboren wird, ändert an der Gültigkeit der Regel nichts.

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  52. Es ist zwar richtig, dass alle vernünftigen Menschen gegen Zwangsprostitution sind, aber leider reicht das eben nicht, um Zuhälterei, Gewalt gegen störrische Zwangsprostituierte und Menschenhandel zu verhindern. Es reicht dieser – sicherlich mehrheitliche – Konsens auch nicht aus, um arme Familien daran zu hindern, ihre Kinder in die (Sex-)Sklaverei zu verkaufen oder Mütter / Töchter aus bitterarmen Verhältnissen fortzuschicken, damit sie mit „freiwilliger“ Prostitution in reicheren Gegenden Geld verdienen, um die Familie daheim zu ernähren. Diese moralische Einsicht Vieler wird auch keinen arbeitslosen, ausreichend gewaltbereiten Mann daran hindern, sich mit dem Elend von verschleppten Kindern und Frauen auf kriminelle Weise ein Vermögen zu verdienen.
    Ich sehe hier grundsätzlich auch keinen Sinn darin, zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden, denn beide Geschlechter treten hier als Opfer sowie als Täter auf. Machtmissbrauch ist erst einmal geschlechtsneutral. Die prozentuale Aufteilung spricht zwar Bände über die gesellschaftliche Stellung der Frauen in den betroffenen Ländern, aber deswegen sind die männlichen Opfer keineswegs weniger hilfsbedürftig.
    Die prekären, ökonomischen Verhältnisse, aus denen viele Prostituierte kommen, müssten als Ursache erst einmal beseitigt werden, um wirklich von Wahlfreiheit sprechen zu können, wenn jemand sich entscheidet, mit Prostitution Geld zu verdienen. (Wobei ich betonen möchte, dass ich davon überzeugt bin, dass es diese Wahlfreiheit in vielen Fällen sicher bereits gibt. So wie es ja auch Leute gibt, die dieses Gewerbe gerne betreiben, es cool finden und sich dadurch nicht in ihrer Menschenwürde verletzt fühlen. Das gilt für Prostitution ebenso wie für Pornographie, die „kleine Schwester“. Mit beiden Gewerben oder Berufen wird auch so wahnsinnig viel Geld umgesetzt, dass es wohl schon deshalb nicht gelingen wird, beides jemals abzustellen.)
    Es ist aber juristisch kaum möglich, die kriminellen Auswüchse unter Strafe zu stellen, ohne das gesamte Gewerbe zu kriminalisieren. Seit der Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes hat sich Deutschland zum Eldorado für Zuhälter, Bordellbetreiber und Menschenhändler entwickelt. Die Politik verdient über die Gewerbesteuer fleißig mit am Sex-Tourismus. Die Polizei ist nahezu machtlos im Kampf gegen die Auswüchse, die nur dann geahndet werden können, wenn die Opfer sich wehren und Anzeige erstatten gegen ihre Peiniger. Die Kundschaft freut sich und sieht weg.
    Nur ein allgemeines Verbot, eine Bestrafung der Kundschaft dreht diese Situation wieder zugunsten der Opfer um, gibt der Polizei und der Justiz wieder die Zügel in die Hand und erlaubt eine Verfolgung der Täter, ohne dass die Opfer eine Stärke und einen Mut beweisen müssen, die sie in den allermeisten Fällen in ihrer misslichen Lage einfach nicht aufbringen können.
    Zudem ist ein solches Verbot ein klares gesellschaftliches Signal an die Bürger, dass das Land nicht als Hochburg des käuflichen Sex gelten soll, dass menschliche Beziehungen anders be- und verhandelt werden sollen, dass das Verhältnis der Geschlechter kein ökonomisch verwertbarer Handel sein soll. Mit unserer Gesetzgebung lenken wir nicht nur die gesellschaftlichen Abläufe, sondern geben wir eben auch eine Wertung ab. Neutralität ist hier Feigheit vor dem Feind.
    Ein Verbot der Prostitution, wie es in anderen Ländern ja bereits existiert, ist auch in Deutschland notwendig. In anderen Ländern hat es dazu geführt, dass über Sex anders geurteilt wird, dass Frauen und Männer sich anders begegnen; Prostitution kommt dort trotzdem vor, aber die goldenen Zeiten für Zuhälter und Menschenhändler sind vorbei.
    Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man die Opfer der schrankenlos legalisierten Prostitution durch einen Gesinnungswandel schützen könnte – das kann nur ein Gesetz wirklich nachhaltig erreichen. Und genau darum geht es in der EMMA-Kampagne.
    Unter diesem Gesichtspunkt spielt es überhaupt keine Rolle, was irgendwer persönlich von Prostitution hält oder wie irgendwer persönlich mit den eigenen sexuellen Bedürfnissen umgeht. Hier geht es um Opferschutz, Vermeidung von Bereicherung auf Kosten Schwächerer und um Verfolgung krimineller Nutznießer und Verbrecher. Nicht mehr und nicht weniger. Wer Zwangsprostitution, Menschenhandel und sexuellen Missbrauch an Minderjährigen abstellen will, muss für eine andere Gesetzgebung eintreten, denn alles andere hat sich als wirkungslos erwiesen.

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  53. @Feather McGraw – Ich glaube, da sind wir jetzt genau an dem Punkt, um den es geht. Sex ist (oder sollte meiner Meinung nach sein) etwas, das zwei oder mehr Menschen gemeinsam machen, in dieser Gemeinsamkeit sehe ich eine wesentliche Qualität von Sex, und das ist beim Essen oder der Fußpflege anders. (Qualität nicht in dem Sinne von „besser“, sondern in dem Sinn, wie wir es im ABC des guten Lebens beschrieben haben).

    Fußpflege ist etwas, das eine Person für eine andere macht, nichts, was die beiden gemeinsam machen. Es ist für eine gute Fußpflege völlig unerheblich, wie es den Füßen der Fußpflegerin gerade geht. Ebenso ist es beim Essen: Ich kann gut für jemand anderes Rosenkohl kochen, auch wenn mir selber Rosenkohl überhaupt nicht schmeckt. Beim Sex hingegen sollte es meiner Ansicht nach so sein, dass das Begehren von allen Beteiligten gleichermaßen involviert ist, wie gesagt, nicht in Bezug auf irgendeine „Heilige romantische Liebe“ sondern allein in Bezug auf das, was sexuell in dieser Situation passiert.

    Deshalb bin ich der Meinung, dass Sex nicht „konsumiert“ werden sollte, dass er nicht gegen andere Dinge eingetauscht werden sollte, denn zum Tausch gehört gerade das Loslösen von der Gegenseitigkeit und die Übertragung des Wertes auf ein neutrales Äquivalent wie Geld.

    In dem Vokabular unseres ABCs gehört Sex daher für mich ins Feld der Gabe und nicht ins Feld des Tauschs.

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  54. Alle Eigenschaften Die Du in Punkt 4. Sex zuschreibst gelten IMHO auch für Gespräche. Insbesondere lebt ein gutes Gespräch von Gegenseitigkeit. Trotzdem kennen wir institutionalisierte Gespräche bei denen ein Teilnehmer bezahlt wird: Talkshows, Beichte, Beratung, Psychotherapie, Anamnese, Diskussionen zu Blogbeiträgen.
    Hast Du als Autorin das Gefühl, freiwillig zu schreiben?

    Diese kommerziellen Gespräche gefährden die kostenlosen Gespräche nicht.
    Dazu kommt, dass Gespräche und Sex auch wenn kein Geld im Spiel ist geführt werden, um etwas zu bekommen, dass man vom Anderen braucht: Geborgenheit, Bonding, Aufmerksamkeit, etc. Muss dass dann auch verboten werden?

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  55. @Kokja – Hm, tatsächlich, ja, Gespräche sind vielleicht sowas wie ein Zwischending, und es gibt dazu ja auch schon sehr sehr viel Forschung, inwiefern sich professionelle Gespräche von gegenseitigen Gesprächen unterscheiden (müssen). Ich denk mal drüber nach, aber spontan finde ich den Vergleich unpassend, denn Gespräche sind eigentlich ein Oberbegriff über all unsere Kommunikation. Sobald wir überhaupt etwas mit anderen Menschen zu tun haben, sprechen wir dabei. Von daher ist es eigentlich klar, dass es sehr unterschiedliche Arten von Gesprächen geben muss, je nachdem, worüber und warum da gesprochen wird. Sex verstehe ich eigentlich nicht so als Oberbegriff sondern eher als eine sehr spezifische Art von „etwas miteinander tun“. Aber das ist noch unausgegoren, zugegeben.

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  56. @Eva Hehemann ich verstehe nicht inwiefern ein allgemeines Verbot den „Opfern“ helfen würde ihr Leiden anzuzeigen? Zwangsprostitution & Menschenhandel sind doch jetzt schon illegal, trotzdem schaffen die Opfer es anscheinend nicht das anzuzeigen. Wäre Prostitution insgesamt illegal würden die Zwangsprostituierten doch noch illegaler als sie sowieso schon sind. Jetzt haben sie das Risiko abgeschoben zu werden oder was auch immer, in Zukunft kommt dann auch noch die Strafe für Prostitution dazu? Logischerweise macht es das noch schwieriger sowas anzuzeigen.
    Umgekehrt sollten doch eher die Gründe abgeschafft werden weshalb die Frauen sich nicht wehren können, also z.B. die Frage was passiert wenn hier jemand ohne Ausweis aufgegriffen wird (ich weiss nicht was es da alles für Faktoren gibt, aber es wird doch hoffentlich Spezialabteilungen der Polizei geben die sich damit auskennen).

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  57. Aha, da bin ich jetzt schon viel naeher daran zu verstehen, was du meinst. Zweierlei Einwaende hab ich, wobei einer daran liegen koennte dass mein Gabe/Tausch Verstaendnis sich mit deinem nicht deckt bzw ich dein Begriffspaar nicht ganz verstanden habe. Denn deiner Definition nach sollte Sex eine Gabe sein – wobei es aber idealerweise eine wechselseitige Gabe ist, d.h. zumindest in der Naehe des Tausches angesiedelt ist.

    Zweitens finde ich die grundsaetzliche Eliminierung der Asymetrie im sexuellen Austausch nicht mal theoretisch machbar. Toll waere es, aber praktisch umsetzbar. Der Einfachheit halber belasse ich es mal bei einem Beispiel, naemlich Menschen die sexuelle Spezialinteressen haben die der Partner nicht erfuellen will/kann. Da gibt es sehr viele Varianten in denen die Erfuellung auf dem freien Markt beim besten Willen nicht drin ist. Solchen Menschen bleibt also im Prinzip nur, entweder ein leben lang sexuell frustriert zu sein, oder ab und zu professionelle Hilfe hinzuzuziehen.

    Die vollstaendige Beseitigung der Asymetrie des Begehrens nur durch Oeffnung des „Marktes“ (bzw der umfassenden sexuellen Befreiung aller „Marktteilnehmer“) ist mir daher zu utopisch. Vielleicht habe ich auch einfach zu viel Savage Love gelesen (Weiss nicht ob der dir was sagt, eine Advice Column, auch online abrufbar). Es gibt da einfach zu viele Situationen, in denen ohne Prostituierte einfach keine Loesung moeglich waere.

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  58. @Bjoern: Sorry, falls ich dich falsch verstanden habe. Da du geschrieben hast Prostitution senke den „Marktwert“ von Frauen, habe ich das so interpretiert als Maenner dann halt eben sich Sex kaufen gehen anstatt mit ihren Frauen zu schlafen, das sie quasi nach kapitalistischer Logik immer das billigere Nehmen. Aber das hast du ja nicht gemeint.

    Ansonsten so ganz generell: Sorry, ich glaube wir leben in so unterschiedlichen Realitaeten das eine Diskussion keinen Sinn macht 🙂
    Ich lebe eine romantische Liebe, auch wenn Du nicht dran glaubst. Bei mir haben Frauen genau wie alle anderen Menschen keinen Marktwert. Bei mir fordern Frauen nicht ein Haus, Auto und Monogamie. Bei mir ist Prostitution niemals Konkurrenz fuer Frauen, weil Leute die zB mit mir schlafen nicht einfach Sex haben wollen, sondern Sex mit genau mir haben wollen, den sie ja logischerweise von niemandem anders kriegen koennen. Die Anzahl Maenner die an genau mir interessiert sind aendert sich durch Prostitution ueberhaupt nicht.

    Im uebrigen moechte ich nochmal klarstellen, dass ich genau niemanden verurteile dafuer wie er oder sie Sex haben moechte. Ich finde halt nur, das bezahlter Sex nicht dasselbe ist wie Sex, der zustande kommt weil beide Seiten sich das wuenschen.

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  59. @Charlotte ob wir in unterschiedlichen Realitäten leben sei dahingestellt, ich denke eher wir denken in unterschiedlichen Kategorien. Ich abstrahiere gerne, „Haus, Auto und Monogamie“ sind nur leicht provokante Beispiele. Ich bin mir sicher Du hast in Deinen Beziehungen auch einen „Deal“, auch wenn Du Dir dessen nicht bewusst bist. Und das ist auch OK… Aber egal, wir müssen ja nicht diskutieren.
    Ich verwehre mich allerdings gegen Deine Unterstellungen, sorry, aber Du hast mich einfach überhaupt nicht verstanden.

    Nur mal zur Liebe: würdest Du Deinen Partner/Partnerin auch noch weiterlieben wenn derjenige Drogenabhängig werden würde, ständig nur halb krank und verwahrlost in Deiner Wohnung rumhängen würde und ab und zu Leute ausrauben würde um die Sucht zu finanzieren (und DIch auch beklauen würde)? Ich denke es gäbe zumindest viele Beziehungen die sowas nicht lange aushalten würden. Ein Teil des „Deals“ den ich Dir unterstelle ist also z.B. „wir rauben uns Gegenseitig nicht aus, halten uns hygienisch fit“ etc. Jeder hat sich als eine bestimmte Art Mensch dem anderen präsentiert und diese „package“ ist eben der Deal.

    Anders sieht es hingegen bei der Liebe von Eltern zu ihren Kinden aus, denke die meisten würden ihr Kind auch weiterlieben wenn es Drogenabhängig wird. Von daher glaube ich auch an die echte Liebe, nur halte ich sie für sehr selten zwischen Erwachsenen (die nicht miteinander Verwandt sind). Also wenn solche Liebe zwischen Kindern und Eltern möglich ist muss sie theoretisch auch zwischen anderen Menschen möglich sein, aber wie gesagt, ich vermute es ist eher nicht der Normalfall (und es gibt natürlich umgekehrt auch Eltern die ihre Kinder verstossen).

    Daß es Männer gibt die nur mit Dir Sex haben wollen finde ich auch faszinierend.

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  60. Mit den Thesen 1, 4 und 5 bin ich sehr einverstanden. Mit 2 und 3 habe ich Schwierigkeiten. Dass Prostitution eine Möglichkeit ist, Einkommen zu erzielen, wäre für mich vielleicht eher akzeptabel, wenn ebenso viele Männer wie Frauen diese Dienste verkaufen würden, und wenn ebenso viel Frauen wie Männer sie in Anspruch nähmen. Auch stellt es sich für mich so dar, dass gerade die Anerkennung von Prostitution als Erwerbsmöglichkeit die wichtigen Punkte, die unter 1, 4 und 5 beschrieben sind, ausblendet oder dazu einlädt, sie auszublenden.
    An der Legalisierung von Prostitution stören mich zum Beispiel die konkreten Auswirkungen in meinem Lebensumfeld: dass mir mitten im historischen Stadtzentrum am hellichten Tag die aggressive Werbung von Laufhäusern entgegenspringt, in Form von »Porno-Mobilen« mit halbnackten Prostituierten darin, welche in Einkaufszentren Flyer für die »Porno-Halloween-Nacht« verteilen, oder als massive Plakatierung von »Gangbang-Special-Night«-Reklame über die ganze Stadt geklebt.
    Ich fände deshalb ein Verbot von Prostitution richtig, weil das Nichtvorhandensein der Möglichkeit käuflicher sexueller Handlungen eine andere Realität schaffen würde, auch wenn sich noch nicht alle Menschen über das Abkoppeln weiblichen Begehrens und Sex im Klaren sind. Ich möchte nicht darauf warten, bis alle kapiert haben, dass die Grundhaltung von »einseitigem Sex« falsch ist. Weil ich glaube, dass Bilder eben auch wieder Möglichkeiten im Kopf schaffen und Verschaltungen bahnen. Und wenn Prostitution von allen Bauzäunen und Hauswänden marktschreit, zementiert das eben ein anderes Verständnis von Sexualität und Frausein als wenn das per se nicht möglich, weil verboten ist.

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  61. Auch wenn ich in vielen Dingen nicht übereinstimme, so ist dies ein wichtiger Artikel. Er zeigt, dass man Prostitution gegenüber kritisch sein kann, ohne die Lebensrealitäten der Betroffenen zu ignorieren.

    „Wenn Sex nichts anderes ist als eine Massage oder eine Fußpflege, gibt es doch eigentlich keinen Grund, warum eine „Sexarbeiterin“ mehr verdienen sollte als ein Masseur oder eine Fußpflegerin, oder?“

    1. Verdienen viele Sexarbeiterinnen tatsächlich nicht mehr als ausgebildete Masseure.
    2. Sind die Preise das Resultat von Angebot und Nachfrage. Wenn Sexarbeit weniger stigmatisiert wäre, gäbe es sicher mehr Frauen die es ausüben. Ich kenne persönlich einige Frauen die es schon immer mal ausprobieren wollten, aber aus Angst vor gesellschaftlichen Repressionen doch sein liessen (dasselbe gilt für unbezahlten, unverbindlichen Sex) Aber es gäbe immer noch viele Personen, für die es nicht in Frage kommen würde. Somit wäre der Stundenpreis im Schnitt vermutlich immer noch höher als an der Kasse stehen. Nur weil Sexarbeit als „echte“ Arbeit bewertet wird, bedeutet das nicht, dass es Identisch mit jedem Dienstleistungsberuf sein muss. Es gibt schliesslich auch grosse Unterschiede zwischen teuren Wellness-Angeboten und Verkauf von Lebensmittel.
    3. Es gibt zahlreiche Dienstleistungsberufe, in denen man die Dienstleistung nicht zurückgeben kann. Ein Haarschnitt ist ein Werk, eine Massage nicht. Wenn meine Massage doch nicht so toll war wie ich sie mir vorgestellt habe, wird kein normales Studio mir eine zweite Gratismassage anbieten. Ausser wenn die Massage nachweislich so schlecht war, dass sie unzumutbar war- da finde ich es aber auch gereachtfertig, in der Sexarbeit den Preis zurückzuverlangen. Beispielsweise wenn die Dienstleisterin einen Kunden ständig beleidigt. Umgekehrt natürlich auch: Wenn ein Kunde sich so unzumutbar verhält dass die Dienstleistung nicht erbracht werden kann, bekommt er sein Geld nicht zurück und sollte idealerweise gehen müssen.
    4. Die fragwürdige Vorstellung von Sex beruht darauf, dass ein Nachfrageüberhang bei Männern bezüglich UNVERBINDLICHEM Sex besteht (egal, ob dies nun biologisch oder gesellschaftlich bedingt ist). Männer werden also versuchen, sich in einem möglichst guten Licht darzustellen- sei dies mit Nett sein oder materiellen Zuwendungen- damit sie Sex bekommen. Frauen können hingegen vermehrt aussuchen, wenn es nur um schnellen Sex geht (Female Choice- etwas, das Darwin bereits erkannte und damalige Frauenhasser in Rage brachte) Will man dieses Verständnis von Sex bekämpfen, muss man hormonell oder mittels Erziehung das Sexualbegehren von Männern dämpfen und gleichzeitig das Schlampen-Stigma bei Frauen bekämpfen, damit Frauen weniger Hemmungen haben ihre triebhaften Bedürfnisse auszuleben (und somit weniger ungleiche Nachfrage besteht). Letzteres befürworte ich absolut, ersteres wäre nur in einem totalitären Dystopia möglich. Wenn man denkt, dass es „eigentlich“ gar keine Zweigeschlechtlichkeit gibt, in welcher ein Geschlecht die Konsequenzen von Sex stärker am eigenen Körper spürt, erübrigt sich dieser Punkt natürlich.

    Ich verstehe nicht, wieso Sex als einzige menschliche Aktivität keine Ware sein darf. In privaten Beziehungen lehne ich den Warencharakter absolut ab, aber das gilt auch für „Freundschaft erkaufen“ etc. Und trotzdem sieht niemand ein Problem, wenn Freundschaft bzw. Substitute dafür in Form von Gesprächstherapien, Sozialen- und Esoterik-Angeboten kommerzialisiert werden oder Eltern- bzw. Sippenliebe outgesourced wird. Für ein Kind ist es egal, ob sich jemand wegen Geld oder Liebe um ihn kümmert- es wird immer eine wichtige Person sein, welche die Persönlichkeit des Kindes vielleicht nachhaltig prägt. Und für einsame Menschen substituiert das Gespräch mit der Friseurin, der Psychologin, der Pflegebetreuerin etc. echte Freundschaften. Ich finde auch nicht, dass Sexarbeit mit an der Kasse stehen verglichen werden kann. Dafür gibt es zu viele spezielle Faktoren, auch problematische. Aber das bedeutet nicht, dass Sexarbeit in einer völlig anderen Kategorie wäre. Diese Sicht führt meistens dazu, dass man Sexarbeiterinnen die Krankenkassenversicherung, Bankkonten und grundlegende gesellschaftliche Anerkennung verweigert wird (werfe ich jetzt nicht ihnen vor, aber so geschieht es meistens). Es gibt viele andere Berufe und Verhaltensweisen, die zum System der Ungleichheit beitragen. Wir sind fast alle Teil davon: Jede Frau, welche sich für einen Care-Beruf entscheidet und sich nicht für Computerspiele interessiert, trägt zur Reproduzierung von Geschlechterstereotypen- und Zwängen bei. Die Wirtschaftspolitik der EU trägt ganz gewaltig zu Leid in 3.-Welt-Ländern bei. Jeder, der günstige Kleidung kauft, ist mit Schuld an Ausbeutung.

    @ Anna Hölscher: Hier die Meinung einer Sexarbeiter/innen-Vereinigung: http://www.sexwork-deutschland.de/Prostituierten-Vereinigung/Aktuelles/Eintrage/2013/10/29_Appell_fur_Prostitution.html
    Sexarbeiterinnnen (zu denen ich auch zähle) beteiligen sich bereits an der Debatte. Aufgrund der Stigmatisierung können Sexarbeiterinnen kaum öffentlich für ihre Belange eintreten, daher sieht man uns sonst so wenig. Ich behaupte mal, dass in eurem weiteren Bekanntenkreis die eine oder andere Sexarbeiterin anzutreffen sein wird, nur weiss niemand davon. Dazu muss natürlich noch gesagt werden, dass Sexarbeit sehr divers ist. Wie man Sexarbeit empfindet, wird sehr davon abhängen unter welchen Bedingungen man sie ausübt und welche Alternativen man hat.

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  62. @Sina – Hm, Danke. Über die Unterscheidung zwischen Sexarbeit und anderer Arbeit in Punkto Ware muss ich nochmal nachdenken, da sind meine Überlegungen wohl in der Tat noch etwas unausgegoren.

    Bei einem anderen Punkt würde ich aber widersprechen, und zwar dem mit der „Female Choice“. Ich glaube nicht, dass es beim Wunsch nach unverbindlichem Sex Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, sondern dass der Unterschied darin besteht, dass Männer (ja auch längst nicht alle!) in höherem Maß dazu tendieren, aus dem Wunsch auch Ansprüche auf seine Realisierung abzuleiten. Ich hatte auch schon sehr oft den Wunsch nach Sex mit Mann X und Mann Y, aber das hat dann eben nicht geklappt, weil Mann X oder Mann Y nicht wollte oder wir in der Kommunikation gar nicht so weit vorgedrungen sind usw. Der Unterschied besteht darin, dass sich mein Wunsch nach Sex nicht mit dem Besuch bei einem Sexworker befriedigen lässt, weil dieser Wunsch bei mir (und ich glaube, dass ich da nicht die einzige Frau bin) sich immer verbindet mit dem Wunsch, dass auch der_die andere diesen Wunsch wirklich hat. Und wenn das nicht der Fall ist, kommt es eben nicht zum Sex, bzw. kann ich meine Geilheit auch mit Masturbation befriedigen.

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  63. Wenn ich es richtig verstanden habe wird über Prostitution als selbst gewählte selbständige Tätigkeit diskutiert .

    In allen Formen von Arbeit ob in der Produktion, Verwaltung oder Dienstleistung werden Leistungen erbracht ohne Lust diese zu erbringen und sie werden auch auch dann erbracht, wenn sie nicht erbracht würden, wenn nicht die ökonomische Notwendigkeit bestehen würde einem Erwerb nachzugehen.
    Je stärker eine Tätigkeit den Charakter eine Dienstleistung hat ums so stärker, häufiger und konkreter spielen individuelle Interessen/Wünsche, Kompetenzen, Mächtigkeiten, Emotionen, Erfahrungen, Sympathien/Antipathien eine Rolle wie freiwillig sie erbracht wird. Wie frei individuelle Dienstleistende dabei beim Aushandeln der Regeln sind, ist von ökonomischen, arbeitsweltlichen, branchen- und Dienstgeberabhängigen und allgemein sozialen Bedingungen abhängig.

    Selbständige sind wohl freier in diesem Punkt des Regeln Aushandelns und auch des Ablehnens von Aufträgen, als Menschen in abhängigen Dienstverhältnissen, wenn sie es sich ökonomisch und in Bezug auf ihren Marktwert als Dienstleister leisten können.

    Je näher ich jemanden an mich heranlasse – und ich kann dabei nur von mir ausgehen – egal ob sozial, emotional oder körperlich, um so mehr treten meine Empfindlichkeit und meine Verletzlichkeit in den Vordergrund. Das ist doch vor allem in den Berufen, die direkt an und mit Menschen Dienstleistungen erbringen ein wesentliches Thema, in allen begleitenden und therapeutischen Berufen. Und es ist doch auch ein großes Thema ob es individuell gelingt, die richtigen und nötigen Grenzen zu ziehen und wie oft es richtig ist, sich zu überwinden etwas doch zu tun, obwohl es einem widerstrebt.

    Eine Seelsorgerin steht oft vor dieser Frage, genau so wie ein Krankenpfleger oder wohl auch der angeführte Fußpfleger.
    Beim Sex – auch beim vielzitierten nicht romantischen – lässt man doch Andere so nahe an sich heran und gibt Kontrolle ab/auf, wie in wenigen anderen Situationen?

    Wer in der Sexarbeit nicht mit viel Menschenliebe, breiten sexuellen Interessen, einem hohen Marktwert und ökonomisch abgesicherter Selbständigkeit gesegnet ist, wird doch häufig mit Menschen und Erwartungen konfrontiert sein, auf die er oder sie keine Lust hat, und sich trotzdem – nicht wirklich freiwillig – überwinden, oder? Natürlich geschieht das – No na – auch bei nicht entgeltlichem Sex und natürlich sicher auch dort häufig aus ökonomischen Zwängen. Gut ist es da wie dort nicht und letzteres ist m.E. schon von Sexarbeit im Sinne einer Erwerbstätigkeit zu unterscheiden.

    Wenn in der Sexarbeit keine Einseitigkeit in dem Sinn vorliegt, dass ein/e Käufer/in als Dienstleistung konsumiert was sie an „Dienst“ einfordert und was dann geleistet wird, sondern zur beiderseitigen Lustbefreidigung dient, wie oben auch beschrieben wird, stimmt die Analogie mit anderen Dienstleistungen nicht, weil z.B. im Konzept der Fußpflege als entgeltlicher Dienstleistung – No na 🙂 – keine gegenseitige Fußpflege vorgesehen ist. Wenn kein Erwerbsdruck bestehen würde, würden diese Anbieter Sex wohl auch unentgeltlich anbieten, kann man wohl schließen. Das geschieht ja auch, aber es gibt offensichtlich zahlreiche Nachfragenden die zahlen müssen, entweder, weil das unentgeltliche „Angebot“ nicht ausreicht um den Bedarf zu decken, weil Anbietende und Nachfragende nicht zusammen kommen oder weil es eben niemanden gibt der ihnen individuell etwas anbieten möchte.

    Es wird wohl tatsächlich andere dienstleistende Tätigkeiten geben, die sich nur graduell von bezahlter Sexarbeit unter „Idealbedingungen“ unterscheiden. Mein Eindruck ist aber, dass die überwiegende Mehrzahl der SexarbeiterInnen nicht unter solchen Idealbedingungen arbeitet und arbeiten kann, egal wie gut die rechtlichen Rahmenbedingungen auch sein mögen.

    Sexarbeit als normale Arbeit sehen möchte ich wohl deshalb nicht, weil mir grundsätzlich nicht gefällt, dass unser Leben – wie mir scheint – immer vollständiger ökonomisiert wird, weil sich immer neue Geschäftsfelder auftun, auf denen sich immer neue Defizite – von denen, die es sich leisten können – durch Dienstleistungszukauf abdecken lassen. Dabei gibt es immer Viele, die sich das nicht leisten können, ausgeschlossen bleiben, oder nur dann Zugang haben, wenn sich ein Markt zu Dumpingpreisen gebildet hat, der dann wieder die dort Dienstleistenden unter ökonomischen Druck setzt. Alles scheint zur Frage zu werden, ob man es sich leisten kann., Freizeit, Kinder, Bildung, Ansehen, Gesundheit, Alter und eben auch Sex. Vielleicht bin ich ja ein Träumer und das ist alles schon ewig so, nur vielleicht verdeckt, nicht ganz so offensichtlich. Früher hat die nicht vermögende Masse solche Benachteiligungen halt erduldet. Und vielleicht ist das ein Luxusphänomen, dass wir es uns heute leisten können es zu problematisieren.

    Ich dachte und gehe immer noch davon aus, dass wir das überwinden woll(t)en.

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  64. Ich muss meine Behauptung noch präzisieren: Sowohl Männer als auch Frauen wollen unverbindlichen Sex, aber Frauen sind tendenziell wählerischer (und daher wieder weniger solche Angebote von Frauenseite). Der Grund, weshalb Männer eher dazu tendieren ihre sexuellen Bedürfnisse über Sexarbeit zu realisieren würde ich anderst formulieren: Die Sexualität vieler Frauen ist stärker auf das begehrt-werden ausgerichtet ist, während viele Männer stärker begehren. Ich meine nicht, dass dies an sich eine illegitime Anspruchshaltung ist (auch wenn einige Männer bei der Realisierung dieser Bedürfnisse eine widerliche Anspruchshaltung an den Tag legen können).

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  65. „Sexarbeit als normale Arbeit sehen möchte ich wohl deshalb nicht, weil mir grundsätzlich nicht gefällt, dass unser Leben – wie mir scheint – immer vollständiger ökonomisiert wird, weil sich immer neue Geschäftsfelder auftun, auf denen sich immer neue Defizite – von denen, die es sich leisten können – durch Dienstleistungszukauf abdecken lassen.“

    Das ist ein Beweggrund, den ich sehr gut nachvollziehen kann. Dazu muss man aber auch sagen, dass Sex in den letzten Jahrzehnten immer mehr De-ökonomisiert wurde, und zwar dadurch, dass Frauen endlich nicht mehr von einem Mann abhängig sein müssen. Früher konnten viele Frauen nur mit sehr schlechtbezahlter Care-Arbeit und Sex (in der Ehe oder auf dem Markt) ihren Lebensunterhalt sichern. In den letzten paar tausend Jahren war Sex wohl nie so unökonomisch wie heute. Transaktioneller Sex verschiebt sich immer mehr aus dem privaten heraus in das professionelle, eine Entwicklung die ich sehr begrüsse.

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  66. @Sina – Ja genau, und das ist mein Punkt: Bei den Männern steht im Vordergrund, was sie begehren, bei den Frauen nicht – und das ist sozusagen die Folie, vor der Sexarbeit überhaupt nur denkbar ist. Ich halte das eben nicht für „natürlich und normal“ sondern für eins der problematischen Phänomene im Zusammenhang mit der Geschlechterdifferenz, und ich befürchte, die Normalisierung von Sexarbeit trägt dazu bei, es zu verfestigen. Das meine ich aber eben als übergeordnetes kulturelles Thema, das in dem Zusammenhang verhandelt gehört, ich leite daraus NICHT Verbote ab.

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  67. @Sina Danke für Deinen Kommentar. Weil sich in meinem Umfeld niemand als Kunde outet, habe ich noch mit niemandem über seine/ihre Motive und Wünsche sprechen können. Ich kann mir vorstellen, dass „unverbindlicher“ Sex leichter möglich ist, wenn er als Ware verstanden und „gekauft“ wird. Ich kenne den Wunsch und die Schwierigkeit Unverbindlickeit verbindlich zu vereinbaren :-). Und ich kann mir vorstellen, dass man(n) deshalb lieber kauft, als mit Verbindlichkeitswünschen konfrontiert zu werden. Trotzdem möchte ich persönlich lieber mit einer Person Sex haben, bei der ich vermute, dass ich ein – zumindest für den Moment – gewünschter Partner bin und bei der nicht Geld das vermutet eigentliche Motiv ist – aber das ist meine Geschichte.
    Zur „normalen Arbeit“ möchte ich jetzt anders formulieren, Im Grunde will ich nichts als „normale Arbeit“ anerkennen, was unter finanziell, körperlich und / oder psychisch unzumutbaren Bedingungen stattfindet. Dass Sexarbeit häufig unter solchen Bedingungen stattfindet, wird man kaum bestreiten können und es ist notwendig es aufzuzeigen. Aber wenn es generalisiert geschieht, trägt es dazu bei die allgemeine Stigmatisierung aufrecht zu erhalten.

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  68. Das Wort „Begehren“ finde ich aber allgemein sehr missverständlich. Kurz vorweg, ich persönlich denke fast nur (markt)wirtschaftlich und Soll an Haben. Aber vorhin beim Joggen habe ich zufällig über dieses Thema hier nochmal nachgedacht. Im Grunde, müsste sich durch die gewachsene Sex-Industrie und die kapitalistische Fesseln das weibliche Begehren eine Gegenseite schaffen. Dann dachte ich das sich dieses vielleicht in Esoterik und Religion kanalisiert und kam zur Gleichung: boomender Kapitalismus/Sexindustrie = boomender Esoterikmarkt.

    Die These, das sich Begehren auf Esoterik verlagert, wollte ich einfach für mich überprüfen und benutzte. Und ich finde es erstaunlich, weil es ist nicht das erste Mal, das ich auf Ihre Seite stoße. http://www.antjeschrupp.de/begehren-neu

    Begehren lässt sich danach nicht fassbar machen oder quantifizieren, sondern braucht allgemein Frei- oder Spielraum. Und durch die kapitalistische Fessel, wird die Prostitution zu einem Mechanischen Akt, der jeglichen Raum erstickt. Vielleicht ist die Intimität, entweder ein besonderer oder auch der letzte Raum? Geht dies in die richtige Richtung?

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  69. @bertrandolf – Ja, das Wort „Begehren“ ist missverständlich, aber durchaus auch fruchtbar. Die Idee mit der Esoterik ist interessant, muss ich mal drüber nachdenken 🙂

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  70. @antje: ich finde es dann schädlich, wenn es generalisiert wird und man gar irgendwelche unterschiedlichen verhaltensregeln für frauen und männer daraus ableiten möchte.

    @walter: mit dieser definition von normaler arbeit kann ich mich anfreunden. Leider bedeutet ’sexarbeit ist keine normale arbeit‘ in sonstigen diskussionen oft: sexarbeit ist so abnormal, dass es absurd umd somit überflüssig ist, gute arbeitsbedingungen zu fordern (siehe alice schwarzer)

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  71. @ Antje Ich finde genau diesen Punkt »Bei den Männern steht im Vordergrund, was sie begehren, bei den Frauen nicht« schmerzhaft wichtig. Aber ich frage mich wirklich, wie sich das flächendeckend ändern kann ohne ein Verbot, das erst mal vollendete Tatsachen schafft und die Leichtigkeit, mit der männliches Begehren im Gegensatz zu weiblichem durch Geld (oder Gewalt) realisiert werden kann, unterbindet, statt sie ständig neu zu legitimieren. Das könnte einen Prozess starten, indem Männer in die Lage versetzt werden, den begehrten Frauen (zumindest kurzfristig) gefallen zu müssen, um zu sexueller Erfüllung zu gelangen. 🙂
    Es geht mir auch nicht um ein moralisches Verbot oder die Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten derer, die freiwillige Prostitution als beste Option für ein Einkommen wählen.
    Ich finde aber den Normalisierungseffekt der Ungleichheit von männlichem und weiblichem Begehren (bzw. der Aussicht auf deren Erfüllung) zerstörerischer als den Verlust dieser Option. Allerdings das mag eine etwas ignorante Haltung von mir sein.
    Wie ein kulturelles Umdenken stattfinden kann, während die Auswirkungen dieser Folie stets massiv präsent sind, kann ich mir nicht vorstellen. In meiner Stadt wird außergewöhnlich massiv und offensiv im öffentlichen Raum für Großbordelle geworben. Weibliches Begehren wird dadurch in der Mitte der Gesellschaft marginalisiert und unsichtbar gemacht, männliches explizit zum tagtäglichen Augenbrot stilisiert. Ich stelle mir vor, wie es wäre, hingen da überall schöne Adonisse an den Bauzäunen und blickten mit schwärmerischem Ausdruck potentielle Kundinnen an… An dieser Vorstellung wird für mich deutlich, wie weit wir von einer öffentlichen Präsenz des weiblichen Wollens entfernt sind und wie Prostitution die Entfernung immer größer macht – meinem Eindruck nach.

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  72. @rivka – Ja, da wären wir bei der Frage, wie Veränderungen generell angestoßen werden können, als Anarchistin habe ich es da generell nicht so mit Gesetzen. Sie haben nämlich selten die Folgen, die man sich wünscht, die Verantwortung wird an „denn Staat“ abgegeben, in diesem Fall wird es auf dem Rücken von Prostituierten ausgetragen. Da würde ich sagen, sollten die Ressourcen eher in die Verfolgung von eindeutigem Menschenhandel fließen (inkl. z.B. Aufenthaltsrecht und Schutz für Frauen ohne Aufenthaltsstatus, die aussagen möchten), sowie in die Verbesserung der Optionen für Frauen, Einkommen zu erzielen usw. Das Gesetze dazu führen würden, die Einstellung von Männern in Hinblick auf das weibliche Begehren zu verändern, glaube ich einfach nicht.

    @sina – Ja klar, völlig d’accord.

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  73. Antje Schrupp meint, dass Sex nicht gegen Geld eingetauscht werden sollte. Sex sollte ihrer Meinung nach etwas sein, das zwei oder mehr Menschen gemeinsam machen, weil dies die Qualität von Sex sei. Sie plädiert auch für eine Trennung von Sex und Liebe und schlägt als Möglichkeiten Sexparties, Sexbörsen, generelle Toleranz gegenüber allen möglichen Formen von sexuellen Handlungen vor – was es ja teilweise schon gibt. Aus Sex jedoch Kapital zu schlagen ist ihrer Meinung nach deshalb möglich, weil Sex und Liebe – aufgrund moralischer Wertvorstellungen – in der Gesellschaft eben nicht getrennt sind.

    Dem kann ich mich anschließen. Jedoch finde ich, dass es dennoch auch die Möglichkeit geben sollte, für Sex Geld zu nehmen, wenn es für beide Seiten ok ist. Das wird, wie ich finde, jedoch dann problematisch, wenn die Anbieterinnen noch sehr unreif sind (da stelle ich mir wohl vor, wie es wäre, hätte ich eine 14-jährige Tochter, die sich für Sex bezahlen lässt, damit sie sich im Kaufhaus irgendwelches Zeug kaufen kann, weil ich dann Sorge hätte, Sex würde dadurch für sie abgewertet werden – ah, ich ertappe mich selbst dabei, dass ich Sex und Liebe nicht trenne!) Und zum anderen fände ich es dann problematisch, wenn die Anbieterinnen bspw. drogenabhängig sind und das Geld für die Sucht brauchen und deshalb nicht frei sind in ihren Entscheidungen. Das denke ich mir jedenfalls so.

    Was ich nicht befürworte, ist (aggressive) Werbung für Prostitution oder Pornographie. Da bin ich intolerant.

    In meiner Favoritenserie „Borgen“ ging es in einer der letzten Folgen um das Verbot von Prostitution (in Dänemark) und die damit verbundene Kriminalisierung von Kunden. Da Borgen eine Politserie ist, geht es sehr viel um politische Parteien. Weil die Hauptfigur keinen Gesetzesentwurf unterschreiben wollte über ein Thema, von dem sie nicht genug wusste und bei dem vor allem nicht die Sexarbeiterinnen selbst befragt wurden, kam eine Sexarbeiterin ins Spiel. Es hat mich beeindruckt, wie diese Frau versucht hat, über ihre Arbeit zu reden. Aber diejenigen Frauen und Männer, die das Gesetz durchbringen wollten, waren nicht an ihrer Meinung interessiert. Sie fuhren ihr über den Mund und hatten lauter Experten und Expertinnen dabei, die es besser wussten. Die Frau verstummte. Später sagte sie, sie hätte sich noch nie benutzt gefühlt, aber in dieser Debatte wäre sie sich vorgekommen wie vergewaltigt.

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  74. @antje und @rivka ich muss zugeben daß ich den Punkt mit dem Begehren nicht ganz verstehe (worüber redet ihr eigentich genau?), aber ich wollte mal daran erinnern daß nicht jeder Mann automatisch an einem frustrierten Abend bei Prostituierten landet, noch dies als Option in Betracht zieht. Dieses Verallgemeinern und Mutmassen über männliche Sexualität passt irgendwie so gar nicht zu dem Anspruch dieses Blogs – ich entsinne mich an andere Artikel denen zufolge Männer angeblich nicht für Frauen sprechen können. Aber umgekehrt kein Problem, oder wie?

    Laut diesem Artikel aus dem grundseriösen Focus den ich eben ergoogelt habe nutzen „nur“ 10% aller Männer die Angebote von Prostituierten: http://www.focus.de/panorama/welt/umfrage-unter-deutschen-maennern-33-prozent-geben-geld-fuer-sex-aus_aid_834202.html

    Also bitte etwas mehr Vorsicht bei den Verallgemeinerungen…

    Untersuchungen zufolge passen auch Frauen ihr „Begehren“ an die Auswahlmöglichkeiten an: http://timharford.com/2007/11/business-life-the-economics-of-dating/ – wenn niemand besserer da ist senken auch Frauen die Ansprüche an ihre Partner. Daher glaube ich nicht so ganz an das Argument „als Frau wünsche ich mir nur Sex mit Person X, das lässt sich nicht durch Sex mit jemand anderem ersetzen“. Vielleicht ist der Grund daß Frauen seltener ihren Frust mit käuflicher Liebe mindern wollen einfach das mangelnde Angebot (wohin soll man sich wenden?)? Davon abgesehen daß es für Frauen nunmal einfacher ist Sex zu erhalten. Wenn eine Frau in der Disco bei ihrem Favoriten abblitzt muss sie nicht ins Bordell gehen um stattdessen Sex zu haben: es reicht wenn sie ein paar andere der anwesenden Männer fragt. Die Wahrscheinlichkeit daß ein Mann ja sagt wenn eine Frau ihm direkt Sex anbietet ist sehr gross. Ich war nie ein grosser Discothekengänger aber ich würde mich nicht wundern (auch Aufgrund von Erzählungen) wenn diese Art von Ersatzsex durchaus häufig passiert. (Zu der Frage gab es auch eine Studie, also zu der Reaktion auf die Frage „do you want to have Sex with me“: http://www.madsciencebook.com/07bedwithme.htm )

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  75. Das einzige, was mich an Prostitution stört ist ( abgesehen von den Begleiterscheinungen wie Menschenhandel etc. ) ist, dass ich für eine Prostituierte zahlen müßte – mir ist absolut unklar, warum ich das tun sollte, eigentlich.

    Mich würde mal die Motivation von Männern interessieren, die dazu bereit sind – ist es Bequemlichkeit ( man muss keine Ader zu der Frau haben ), Druck ( in der Not frisst der Teufel fliegen ), Geldmangel ( die klassische Ehefrau kann mann sich nicht leisten ) oder irgendetwas anderes?

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  76. Servus.
    Ich les schon länger in dem Blog und dachte ich geb auch mal einen Kommentar ab…
    Ich kenne in meinem Bekanntenkreis ein paar Personen (Studenten mit zu viel Geld) die schonmal Pläne hatten in ein Bordell zu gehen bzw. es auch regelmäßig machen.
    Beweggründe waren neben dem ausprobieren wollen (wie sich das wohl anfühlt) auch der Preis/Leistungsfaktor. Sie meinten wenn sie abends weggehen um eine Partnerin für einen ONS zu finden müssen sie Eintritt in einen Club bezahlen, der Frau Drinks ausgeben und dann „hoffen“ dass es funktioniert. Da rechnet es sich für sie eher direkt für den Sex zu bezahlen.

    Ein anderes Problem bei der Diskussion ist imho auch der Unterschied zwischen (vielen? manchen? oder doch nur einzelnen?) Frauen und Männern.
    Ich gehe hierbei von persönlichen Erfahrungen meines Bekanntenkreises aus, so gefährlich wie sowas ist. Viele der Frauen die ich kenne denken bei Sex an LIebe und Beziehung. ONS kommen für sie eher nicht in Frage. Viele (v.a. die Single) Männer wollen in erster Linie sexuelle Befriedigung bzw. reden zumindest davon, dass ihnen das das Wichtigste ist.

    Was mich als Ansatzpunkt bei der Überlegung zur Prostitution interessieren würde, ist wie die Verhältnisse im Schwulenbereich sind. Ein Freund von mir erzählt mir mal, dass er einen festen Freund suche, aber das Problem habe, dass viele seiner (homosexuellen) Freunde und Bekanntschaften eher auf der Suche nach viel Sex und das gerne mit vielen verschiedenen Partner sind. Allerdings hab ich auch kene Ahnung ob das auch „belegbar durch Studien“, bzw. allgemeingültig ist.
    Auf jedenfall gäbe es hier einen Bereich / eine Gruppe (wie man es auch immer nennen will), in dem (falls es stimmen sollte) ein großes Angebot an Sex gibt und dazu kein „Problem“ des Geschlechtsunterschieds sondern nur des persönlichen Unterschieds gibt. Jetzt ist die Frage ob es hier weniger käuflichen Sex gibt als bei heterosexuellen Männern.

    Vielleicht alles etwas wirr grad geschrieben, aber ich hoffe es trägt zur Diskussion bei. 🙂

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  77. ad these 5: man kann dazu natürlich eine meinung haben. aber argumentativ handelt es sich bei der prostitution unter der voraussetzung, dass sie nicht, wie in vielen rechtssystemen üblich, in die illegalität gedrängt wird, um eine arbeit wie jede andere. in vielen berufen sind zeittarife üblich. diese werden oft unabhängig vom erfolg geschuldet. man kann also nichts zurückgeben bei mängeln (privatlehrer, anwälte usw.)

    daraus ergibt sich für these 4: das begehren der prostituierten mag subjektiv interessant sein (ebenso die diskussion darüber), aber für den gesellschaftlichen und juristischen umgang mit der prostitution ist es irrelevant. warum? in dienstleistungsberufen ist die motivlage meist assymmetrisch. die arbeitskraft am fahrkartenschalter hat es lang nicht so eilig, wie die kunden in der schlange vor ihm, ein schuhverkäufer verkauft gern dinge, die er nie anziehen würde und nicht jede(r) macht gern intimpflege bei alten männern. im übrigen unterscheidet in jedem beruf genau das den profi vom amateur.

    das einbringen der frage des sexuellen begehrens erscheint hier mehr als eine inadäquate idealisierung von bereichen, die eigentlich nüchtern von den beteiligten auf basis ihres freien willens geklärt werden sollten. oder anders gefragt: muss ein schwer depressiver patient erst der guten laune seiner psychotherapeutin gerecht werden, damit die dienstleistung, die sie ihm gegenüber erbringt, politisch korrekt ist?

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  78. @ Björn »Davon abgesehen daß es für Frauen nunmal einfacher ist Sex zu erhalten. Wenn eine Frau in der Disco bei ihrem Favoriten abblitzt muss sie nicht ins Bordell gehen um stattdessen Sex zu haben: es reicht wenn sie ein paar andere der anwesenden Männer fragt. Die Wahrscheinlichkeit daß ein Mann ja sagt wenn eine Frau ihm direkt Sex anbietet ist sehr gross.«
    Das hängt meiner Meinung nach stark mit dem Umstand zusammen, dass Frauen auf die »sexuelle Eignung«, u. a. auch Verfügbarkeit hin sozialisiert sind. Frauen sind dazu angehalten, ihre »Fuckability« zu pflegen, die gehört zur Konstruktion des Frauseins dazu. Sie gefallen auf Grund ihrer Zurichtung Männern leichter als andersherum. Müssten Männer ebensoviel Aufwand betreiben, um appetitlich, geschmeidig und leicht verdaulich zu erscheinen, wäre das vielleicht anders.

    Wie genau weibliches Begehren geweckt und erfüllt wird, (also ich meine hier sexuelles erotisches Begehren) interessiert aber nicht in dem Maße wie das männliche, zumindest wird es in der Öffentlichkeit ja kaum bis gar nicht abgebildet. Auch Frauen selbst interessiert es scheinbar oft nicht, weil sie den männlichen Blick ebenso verinnerlicht haben wie Männer. So sind auch die einzigen wirklich erotischen Abbildungen von Männern wiederum an ein männliches Auge gerichtet, in Form von Schwulenmagazinen, Plakaten etc.

    Es gibt keinen Wirtschaftszweig, der in vergleichbarer Weise auf dem weiblichen (sexuellen) Begehren aufbaut. Auch Esoterik tut das nicht, weil da keine sinnlichen, sondern eher »übersinnliche« und, wie ich finde, eskapistische Bedürfnisse (nix gegen Eskapismus) befriedigt werden.

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  79. @jj: ich kenne einige männliche callboys. Es gibt sooo viele männer welche den ‚traum‘ haben heterosexuelle callboys zu sein, aber dafür gibt es fast keinen markt . Es gibt sogar betrüger die darauf spezialisiert sind, männern falsche jobangebote als gigolos zu machen, um sie schlussendlich auszunehmen. in der realität verdienen sie nichts mit frauen, sondern müssen auf homosexuelle sexarbeit ausweichen Wenn sie mehr als einen kunden pro monat oder so haben wollen. Hier geht es vor allem um jüngere/ältere und besonders attraktive männer. Sie können für sex geld nehmen, weil sie so begehrt sind.

    Wenn es darum geht, weibliches begehren zu berücksichtigen: wieso wird angenommen, dass der derzeitige stereotyp weiblicher sexualität das ‚richtige‘ und ’normale‘ ist, an das sich männer gefälligst anzupassen haben (notfalls auch mit gesetzlichen verboten)? Ich halte es für viel plausibler, dass viele frauen sich einfach immer noch nicht getrauen frei sex zu haben, weil ihr wert als mensch zt an die anzahl sexpartner geknüpft wird (wenm man annimmt, dass das sexualverhalten sich hauptsächlich aus sozialen normen ergibt). Wenn frauen mehr und mit weniger bedingungen unverbindlichen sex haben würden, gäbe es schonmal 50% alle sexarbeits-kunden meiner einschärzung nach nicht. Denn viele sind nicht schlecht aussehende, absolut charmante und höfliche männer, welche trotzdem einfach keinen sex finden. Sie sprechem im ausgang immer frauen an, geben sich mühe. Und trotzdem gibt es nur ablehnung. Als schüchterner mann hat man erst recht keine chance. irgendwann wird es ihnen zu blöd immer der aktive sein zu müssen, und dann weichen sie auf sexarbeiterinnen aus.

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  80. wieso man dafür zahlen sollte??? Auweia! Warum zahlst du wenn du essen gehst??? Und das ist wohl das „natürlichere“ Bedürfnis von beiden. Und da komme ich zu dem Punkt in Antje Schrupps Thesen: Banalisierung des sex muss nicht zu weniger Geld führen. Im Gegenteil: Gefahrenzulage. bei Fremden weiß man nicht, was einer_m verschwiegen wird.

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  81. 3 kurze Anmerkungen @ Sina (und natürlich auch @ Antje)

    „Verdienen viele Sexarbeiterinnen tatsächlich nicht mehr als ausgebildete Masseure.“

    Ganz wichtiger Punkt! Die einzige Angabe zum Durchschnittslohn, die ich mal gelesen habe, lag bei 30k brutto (ohne ALG I oder Rentenansprüche).

    „Es gibt zahlreiche Dienstleistungsberufe, in denen man die Dienstleistung nicht zurückgeben kann.“

    Das Pascha wirbt mit einer Geld-zurück-Garantie für den Fall, dass ein Freier unzufrieden mit der erhaltenen Leistung ist
    http://www.pascha.de/DE/guarantee
    Akzeptabel?
    Ich meine ganz klar: keinesfalls!

    „Ich verstehe nicht, wieso Sex als einzige menschliche Aktivität keine Ware sein darf.“

    Ist sie nicht. Eizellenspende und Leihmutterschaft sind de facto bei uns (noch) verboten. Hier plädiere ich für eine Liberalisierung, wohlwissend, dass auch dieser Markt schlimme Folgen für die „Dienstleisterinnen“ haben kann, auf einem ökonomischen Gefälle zwischen den Parteien beruht und die Frauen den geringsten Anteil der Gewinne kassieren. Mir ist klar, wie inkonsequent meine Haltung im direkten Vergleich wirkt.
    Hier stehe ich nun und kann nicht anders.

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  82. »Denn viele sind nicht schlecht aussehende, absolut charmante und höfliche männer, welche trotzdem einfach keinen sex finden.« Na und? Das gibt es andersherum ja genauso, also attraktive Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen Sexpartner finden. Dass daraus als logische Konsequenz ein Angebot für käuflichen Sex folgen muss, sehe ich nicht. Eher müssten die ganzen Zuschreibungen und Ableitungen, die an Sex drangebastelt sind, abmontiert werden, damit freierer Sex auf beiden Seiten möglich ist. Das wiederum kann nicht ohne Auseinandersetzung mit weiblicher Sexualität und weiblichem Wollen vonstatten gehen.

    (Auch spekuliere ich, dass die Männer, welche so gern Callboys sein wollen, gar nicht alle Frauen bedienen wollen würden, sondern sich erträumen, von hübschen, gesunden, angenehmen Frauen angeheuert zu werden. Alte Frauen, also Greisinnen, kann ich mir vorstellen, würden sich z. B. womöglich gar nicht trauen, Sex zu kaufen, da alte Frauen in Verbindung mit Sex in unserer Gesellschaft noch viel tabuisierter und viel mehr der Lächerlicherlichkeit bzw. dem Abscheu preisgegeben sind als Männer.)

    Ich stimme zu, dass es unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich der Trennung von Liebe und Sex bei Männern und Frauen gibt (Womanizer vs. Slut bzw. »er liebt die Frauen« vs. »sie ist bindungsgestört«) und aus dieser Bewertung folgend auch unterschiedliche Bedürfnisse nach verbindlichem bzw. unverbindlichem Sex. Aber Prostitution verstärkt dieses Gefälle eben immer mehr, statt es in Richtung freie und fordernde weibliche Sexualität zu verändern. Prostitution, so meine Meinung, muss dieses Klischee à la »Mann will immer, Frau ziert sich, Mann muss daher Geld für Sex bezahlen« zitieren und fördern, weil sie von dieser Rollenverteilung lebt.

    Trotzdem sehe ich nicht ein, dass ungestillter sexueller Lust mit käuflichem Sex begegnet werden muss. Dass die gekaufte Befriedigung des mächtigen männlichen Sexualtriebs das kleinere Übel gegenüber Samenstau, Vereinsamung oder gar steigenden Vergewaltigungsraten ist, sind ja so Lieblingsargumente. Wer das akzeptiert, sagt implizit ja zum Primat männlichen Begehrens, finde ich.

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  83. @rivka naja es ist doch wohl offensichtlich daß Sex für Frauen „teurer“ ist und die Asymmetrie im Verhalten eben daher rührt. Teurer im Sinne von risikoreicher (Schwangerschaft, Risiko durch Geburtskomplikationen zu sterben, …). Die ganze „Attraktivitätspflege“ hat denke ich eher etwas mit der Konkurrenz von Frauen untereinander zu tun als dem Problem einen One Night Stand aufzureissen. Wie der verlinkte Artikel von Tim Harrford schon sagt: sowohl Frauen wie Männer passen ihre Standards dem Angebot an, es reicht also besser auszusehen als die meisten Konkurrentinnen in der Disko (die noch da sind – jeh später desto weniger Konkurrenz).
    Was nun das erotische Begehren von Frauen erweckt: keine Ahnung! Das müssen die Frauen selber wissen. Als Mann rätsele ich schon manchmal, da ich nunmal Frauenkörper attraktiv finde und Männerkörper meist weniger. Also müssen Frauen irgendwie anders ticken. Ich glaube aber ehrlich gesagt nicht daran daß wir da nur Opfer von Werbung & Co sind. Höchstens könnte ich mir einen Effekt von „Social Proof“ vorstellen, der ja auch höchst effektiv ist wenn man Frauen beeindrucken will: wenn schon ein paar andere Frauen einen toll findet lockt das noch mehr Frauen an. Werbung suggeriert vielleicht bestimmte Männertypen seien beliebt und Frauen ahmen das dann nach. Aber wie gesagt, letzlich habe ich keine Ahnung…

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  84. Der Artikel spricht viele wichtige und interessante Punkte an. Vor allem finde ich es gut, dass du gleich zu Beginn klar machst, dass es hier nur um die freiwillige Prostitution geht. So wird die Vermischung von Prostitution und Menschenhandel in diesem Artikel nicht statt (wie an so vielen anderen Stellen).
    Da die Kommentarspalte schon ziemlich voll ist, habe ich die zum Großteil nur überflogen, hoffe aber nicht allzu viel anzusprechen, was bereits zur Sprache kam. Erstmal meine Meinung zu den fünf Punkten im Artikel:

    1. Unbedeutend. Man weiß einfach nicht genau seit wann es schon so etwas wie die Prostitution gibt und es spielt meiner Meinung nach auch eine geringe Rolle für die heutige Bedeutung. Etwas ist noch lange nicht gut, weil es schon lange da ist, genauso wie etwas noch lange nicht gut ist, weil es „neu und modern“ ist.

    2. Ziemlich neutral beschrieben, da kann man ja nur zustimmen 🙂

    3. Vollste Zustimmung. Und ich kann auch nicht verstehen wie einige Kommentatoren darauf kommen, du sprächst dich für ein Verbot aus, obwohl hier genau das Gegenteil steht. Auch für mich ist der wichtigste Punkt, Sexarbeit nicht zu verbieten, die Handlungsfreiheit jeder Frau zu schützen.

    4. „Es muss also als akzeptabel gelten, wenn jemand, der Sex haben will, die eigene Lust mit jemandem befriedigt, der_die keinen Sex haben will – denn eine Frau, die Sex gegen Geld eintauscht, hat ja selbst auf diesen Sex keine Lust, sondern tut es, um Geld zu verdienen.“

    Dem möchte ich widersprechen. Ich glaube nicht, dass eine Frau, die Sex gegen Geld eintauscht zwangsweise keine Lust darauf hat. Nur weil man für etwas Geld bekommt, bedeutet es doch nicht, dass man daran keinen Spaß hat. Ich fände es traurig, wenn man nur einer Arbeit nachgehen könnte, die keinen Spaß macht und die man ohne Bezahlung nie tun würde. Ich mache es zum Beispiel nur umgekehrt und arbeite auch nur in Bereichen, die mir eben Spaß machen.
    Mir ist weiterhin nicht ganz klar, was du mit (weiblichem) Begehren meinst. Du hast in deinen Kommentaren eindeutig erklärt, dass es dir nicht um die romantische Vorstellung von Liebe geht, sondern du durchaus eine Trennung von Sex und Liebe befürwortest. Aber was ist für dich das Begehren?

    5. Thema „normale“ Arbeit. Definitionen von irgendwas als „normal“ empfinde ich immer problematisch. Gerade der Bereich der Berufe ist so vielfältig, dass ich gar nicht alle über einen Kamm scheren kann und will. Ich sehe allerdings auch nicht, dass man Dienstleistungen generell umtauschen kann, sondern nur Produkte. Ob jetzt eine Massage, eine Fußpflege oder beispielsweise eine Trainigsstunde bei einem Fitnesscoach. Und als eine Dienstleistung könnte meiner Meinung nach auch die Sexarbeit betrachtet werden. Und mal provokativ gefragt, wenn die Stigmatisierung aufgehört hätte (leider heute noch nicht so weit), wo liegt dann noch das Problem, Arbeitslose in die Sexarbeit zu vermitteln? Es gibt haufenweise Berufe die bei mir definitiv hinter der Sexarbeit lägen in der Prioritätenliste, warum soll ich diese machen müssen, Sexarbeit aber nicht?

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  85. Jetzt noch mal ein Statement zu der aufgeworfenen Frage der Motivation der Freier. Ein guter Freund von mir nimmt ab und zu die Dienste einer Sexarbeiterin in Anspruch und ich habe ihn diesbezüglich mal gefragt. Es ist nicht so, dass er irgendwie besonders hässlich oder schüchtern ist und sonst wenige Chancen bei Frauen hat – eher im Gegenteil.
    Der Vorteil von Sex mit einer Sexarbeiterin ist ganz einfach der, dass vorher alles deutlich geklärt ist. Es ist von beiden Seiten klar, dass es sich um eine Geschäftsbeziehung handelt und keine Liebe erhofft wird. Wenn mein Freund sich nun in der Disko eine Frau für einen ONS sucht besteht häufig einfach die Möglichkeit, dass diese sich mehr erhofft und anhänglich wird.
    Das ist nach meinen Erfahrungen nicht gerade unwahrscheinlich und trifft genauso auch auf Männer zu. Auch manche Männer können nach einem ONS anhänglich werden. Manchmal wäre mir auch lieber, ich hätte genug Geld, um mir einen Callboy zu kaufen, dann ist alles viel klarer und deutlicher von vornherein.
    Und nur weil Geld im Spiel ist, bedeutet das doch nicht, dass der Respekt fehlt!

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  86. @Björn – „Die ganze “Attraktivitätspflege” hat denke ich eher etwas mit der Konkurrenz von Frauen untereinander zu tun“ – das widersprichst du dir aber jetzt selber, wenn Frauen doch angeblich an jeder Ecke ständig Sex haben können, bräuchten sie ja sich überhaupt nicht anstrengen diesbezüglich…

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  87. @Miria – „Und mal provokativ gefragt, wenn die Stigmatisierung aufgehört hätte (leider heute noch nicht so weit), wo liegt dann noch das Problem, Arbeitslose in die Sexarbeit zu vermitteln? Es gibt haufenweise Berufe die bei mir definitiv hinter der Sexarbeit lägen in der Prioritätenliste, warum soll ich diese machen müssen, Sexarbeit aber nicht?“ – Ja, genau, das bedeutet es in letzter Konsequenz, und das finde ich falsch, weil – eben – Sexualität meiner Ansicht nach mit Begehren zu tun haben soll, und damit meine ich, dass alle Beteiligten genau das jetzt unbedingt und aus sich heraus tun wollen. Das verträgt sich aber nicht mit dem Konzept der Arbeit bzw. der Arbeitsteilung, weil man dabei auch öfter mal Sachen tun muss, die man jetzt gerade nicht dringend machen will, auch wenn der Beruf generell Spaß macht. Einfach, weil da Verlässlichkeit dazu gehört. Wenn der Bäcker morgens einfach keine Brötchen backt, weil er heute keinen Bock hat, oder die Postbotin keine Briefe austrägt, dann wird das mit der Organisation von Arbeitsteilung ziemlich kompliziert. Beim Sex sollte das meiner Meinung nach anders sein.

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  88. Zitat: „Lea Ackermann: Ich empfehle das Vorbild Schweden. Dort ist nicht die Prostitution, sondern das Freiertum unter Strafe gestellt. Wird ein Freier erwischt, muss er Strafgeld zahlen. Da wurde ein Blickwechsel vollzogen: Wer einen Menschen kaufen will, handelt strafbar. Das hat einen Gesinnungswandel bewirkt. In Schweden halten rund 80 Prozent Prostitution für ein Übel, in Deutschland eher 20 Prozent.“ Zitatende

    Strafgesetzbuch §177, Deutschland, sexuelle Nötigung
    – bitte auf den genauen Wortlaut achten -:
    Zitat: „(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
    1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), …“

    Muss man zu diesem Gesetzestext im Zusammenhang mit „freiwilliger“ Prostitution (der eine will Sex, die andere nicht) überhaupt noch etwas sagen?

    Ein weiteres Zitat aus einem anderen Blog: „Frauen werden aber unterdrückt, ihre sexuelle Befriedigung spielt gar keine Rolle. Es geht nur um das Vergnügen der Männer. Da und nur da liegt das Problem.“ Zitatende

    Oder wie wäre es damit?
    Etwa 70% der Prostituierten sind als Mädchen sexuell missbraucht worden und jede zweite Prostituierte sind Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt (Vergewaltigung).
    Die Meldequote in Deutschland ist gering (in Schweden viermal höher). Falschanschuldigungen wegen sexueller Gewalt sind, obwohl gerne in den Medien hochgespielt, eher selten (etwa 3%).

    Tagtäglich „benutzen“ ca. 1 Millionen Männer (in Deutschland) Frauen als sexuell käufliche Objekte.

    Wer immer noch nicht begriffen hat, das menschliche Sexualität sehr viel mit persönlicher Initimität von Menschen zu tun hat (egal wie es im Tierreich zugeht) und deswegen Prostitution die schlimmste Verletzung der Intimsphäre eines Menschen bedeutet (siehe oben, Strafgesetzbuch) und dass dies schlichtweg nicht gekauft werden darf, weder von Männern noch von Frauen, der dürfte noch lange brauchen, um zu verstehen, was Menschsein bedeutet. (Das Denken, das alles käuflich ist, genauer: käuflich sein darf, gehört jedenfalls nicht dazu).

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  89. Sehe gerade, dass zwei Schreibfehler im ersten Text sind. Egal, lesbar ist er.
    Habe etwas vergessen zu schreiben:
    Grundgesetz, Artikel 1. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
    Harmlose Frage: Was ist wohl mit der Würde des Menschen am meisten verbunden?
    Harmlose Frage, die ich gerne den „liberalen“ Männern stelle, die zwar „nie zu eine Prostituierten gehen würden“, aber finden, dass dies auch nicht verboten gehört (- mit anderen Worten, wenn das andere machen, ist dies deren Sache).
    „Würdest du deinen Körper für Sex verkaufen?“
    … Da leuchten so manche Männeraugen auf, wenn sie sich vorstellen für Sex mit einer Frau auch noch Geld zu bekommen…
    Dann kommt die weniger harmlose Frage:
    „Ich meine nicht, dass du deinen Körper für sexuelle Dienste mit einer Frau zur Verfügung stellst, sondern deinen Körper für sexuelle Dienste an einen (schwulen) Mann verkaufst.“
    (Spätestens an diesem Punkt fangen die „Liberalen“ an nachzudenken und die Augen leuchten nicht mehr.)
    Tja, so ist das mit dem Liberalismus in einem System, wo alles käuflich ist, …
    http://www.thesen-zur-manipulation.npage.de

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  90. @antje es gibt dennoch die Konkurrenz um die attraktivsten Männer. Ausserdem gibt es ja mehr zu erringen als nur Sex, z.B. tiefergehende Commitments wie Ehe oder Exklusivität. Nur weil ein Mann ein paar Spermien spendet ist er noch lange nicht bereit seine ganze Zeit und Energie für eine Frau zu investieren. Sex ist eben für Männer billig (biologisch), aber Beziehungen können trotzdem teuer sein.

    Es müsste sich ja ansonsten leicht testen lassen ob es reichen würde das Männer sich besser pflegen um auf die Frage „willst Du Sex“ auch 90% Ja-Antworten zu erhalten.

    Ausserdem, da Sex für Männer billig ist, sind Frauen vielleicht auch noch mehr auf die Top-Männer fixiert. Also jetzt mal historisch/biologisch kann der beste Mann ja problemlos mehrere Frauen schwängern. Daher können sich mehrere Frauen gleichzeitig um den besten Mann bemühen – um den sie dann auch konkurrieren würden. Anscheinend folgt die Verteilung von Sex ja auch einer Power-Law Verteilung, d.h. ein paar Männer haben sehr viel Sex, der Rest sehr wenig.
    Umgekehrt für Männer würde es weniger Sinn machen sich nur auf die attraktivsten Frauen zu konzentrieren, da diese ja nur ein Kind bekommen können (erstmal). Daher ist es sinnvoller jede Chance zu nutzen die sich bietet, auch wenn die Frau weniger attraktiv ist.

    Sorry wenn das etwas abschreckend klingt – ich habe es nicht so erfunden…

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  91. @antje um es nochmal anders zu verdeutlichen: angenommen ein Mann erhält die Chance mit einer kränklichen, mangelernährten, armen Frau zu schlafen und sie wird schwanger. Selbst wenn die Überlebenswahrscheinlichkeit des Kindes nur 20% ist – die Investition des Mannes waren nur 5 Minuten Sex. Nun nehmen wir den umgekehrten Fall: eine Frau erhält die Chance mit einem armen, kränklichen Mann zu schlafen. Wird sie schwanger kann er sie nicht versorgen und das Kind hat nur eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 20%. Das Investment der Frau waren aber 9 Monate Schwangerschaft mit (historisch) einer real sehr hohen Chance daran sogar zu sterben (Komplikationen während der Schwangerschaft).
    Im Resultat wird der Mann die Chance nutzen, die Frau wohl eher nicht sondern auf einen Mann warten der gesund und reich ist und sie mit hoher Wahrscheinlichkeit versorgen kann wenn sie schwanger wird.

    So direkt denkt natürlich kaum einer (nehme ich an), aber es steckt eben noch in den Genen. Und selbst mit moderner Medizin und Solzialversicherung und Alimenteforderungen ist die biologische Logik wahrscheinlich auch heute noch in Teilen gegeben. Z.B. wenn ein Mann arm ist und nix zu verlieren hat wird ihn die Angst vor Alimenteforderungen evtl. nicht schrecken und er würde jedes Angebot von Sex nutzen.

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  92. „wieso man dafür zahlen sollte??? Auweia! Warum zahlst du wenn du essen gehst???“

    Ja, das ist nun das übliche Argument – als ich als junger Mann bei einem Besuch in Hamburg das erste Mal auf dem Kiez war, und „eingeladen“ wurde, lehnte ich damals auch ab und sagte naiverweise, dass ich nicht für Sex zahlen wollte.

    Daraufhin waren mein Kumpel und ich ruckzug von einer Traube von Strassenprostituierten umgeben, die uns belehrten, dass man schliesslich auch für seine Freundin/Ehefrau zahle ( Geschenke, Einladungen, Aushalten ), man ja auch zahle, wenn man Essen gehe und was es da noch an blödsinnigen Betrachtungen zu gibt.

    Jedenfalls habe ich damals gelernt, dass Prostitution nichts weiter ist als ein Geschäftsmodell, wie es auch viele Frauen fahren, die sich nicht offiziell „prostituieren“ und im Grunde auf einer Sicht auf Männer beruht, die diese von individuellen Menschen zu Geldsäcken reduziert – ich empfinde diese Sicht als durchaus aggressiv.

    Der Kumpel, mit dem ich unterwegs war, war übrigen schwul und sagte mir hinterher, dass das einer der Gründe sei, warum manche Männer auch bei fehlender Neigung lieber mit anderen Männern anbandeln, als mit Frauen.

    Also, um Deine Frage zu beantworten, warum ich beim Essen zahle – da bekomme ich Qualität vorgesetzt.

    Bei Prostitution fehlt all das, was für mich die Qualität von Sex ausmacht – keine Ahnung, warum sich Prostituiertengänger es da nicht einfach mal selber machen und sich die Geldverschwendung sparen.

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  93. PS. Ich erinnere mich an ein Interview mit einer Frau, die ein Bordell führt/e, welches spezielle Wünsche von Männern bediente ( geschlagen werden etc. ), also solche Wünsche, bei denen die Prostituierten als „Domina“ auftreten.

    Deren interessante Aussage war, dass die Männer, die solche Wünsche haben, fast ausnahmslos von ihren Müttern malträtiert worden seien, während die Prostituierten, die diese Wünsche bedienen, fast ausnahmslos mental völlig kaputte Männerhasserinnen und Junkies seien.

    Keine Ahnung, ob das stimmt, aber es würde mich nicht wundern.

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  94. Warum gibt es (weibliche) Prostitution?
    Eigentlich ist das vermutlich relativ einfach: Die weibliche Sexualität ist wertvoll genug, als dass Männer bereit sind darfür zu zahlen. Umgekehrt funktioniert das nicht, für Frauen ist Sex viel leichter kostenlos zu haben. Dazu kommt, dass Männer tendentiell eher willens sind, Sex und Gefühle zu trennen.
    Dass das eine Mogelpackung ist, dass eine Sexworkerin eine Illusion verkauft, ist klar.
    Kulturen, in denen es keine Prostitution gibt? Spontan fallen mir da die Hippies ein. Unsere Gesellschaft pleut unseren Frauen ein, dass Sex etwas ist, mit dem man sparsam umgehen muss. Weibliche Sexualität wird verknappt. Das mag sowohl evolutionäre als auch soziologische Gründe haben, aber es gibt hier ein ziemlich deutliches Ungleichgewicht.
    Bei dem Begehren.. das könnte man so auslegen, dass Männer uns über uns definieren, Frauen über die Meinung der Umwelt. Natürlich ist es wundervoll begehrt zu werden. Aber siehe oben, was sexuelles Begehren angeht, da sind doch Frauen absolut im Vorteil.

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  95. @Björn
    Alles was Du beschreibst, hat erst mal nur mit männlicher bzw. patriarchal geprägter Sexualität zu tun, also Sex als Penetration plus (männliche) Ejakulation plus Schwangerschaftsrisiko. Weibliche Sexualität hat da noch gar nicht stattgefunden.

    Mit Konstruktion des Frauseins ist auch nicht »Attraktivitätspflege« gemeint, sondern die gesamte Zurichtung aufs Gefallen und Begehrtwerdenmüssen, die viel weiter reicht.

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  96. @rivka: wenn eine normal attraktive frau keinen sexpartner findet liegt dies nicht daran, dass kein normal attraktiver mann mit ihr sex haben will, sondern daran, dass sie keinen findet der genau ihren vorstellungen entspricht.

    @autor: ich konnte mich bisher nicht dazu überwinden eine weibliche paysex-kundin anzunehmen (solche anfragen kommen so gut wie immer von paaren), so wie viele andere sexarbeiterinnem nicht die option ‚bi‘ anbieten. Was wollen sie denn damit aussagen?

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  97. Liebe Antje, du schriebst:

    Mit einem Verständnis von Prostitution, das das beidseitige Begehren auf Sex in dieser Art und Weise in dieser persönlichen Konstellation und zu diesem Zeitpunkt zur Grundlage hat, hätte ich überhaupt kein Problem, ich bezweifle aber stark, dass das ein funktionierendes Geschäftsmodell wäre.

    Ich denke, dass die Gruppe der Sexarbeiter_innen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, die Lust dabei empfinden und darin aufgehen, größer ist, als weithin angenommen. Ich arbeite immerhin selbst in dem Job und ich kenne einige Kolleg_innen, die Ähnliches von sich berichten und die Sexarbeit jeder anderen Erwerbstätigkeit vorziehen – und zwar nicht, weil es ihnen an Optionen oder Bildung mangeln würde!

    Aber selbst wenn ein_e Sexarbeiter_in kein sexuelles Begehren bei einem Kundenkontakt empfindet, kann es für sie trotzdem völlig okay sein, in diesem Job zu arbeiten. Denn kein Begehren zu empfinden, heißt noch nicht gleich, Ekel oder Abneigung überwinden zu müssen. Tätigkeiten können akzeptabel genug sein, als dass wir uns vorstellen können, mit ihnen unseren Lebensunterhalt zu verdienen – auch wenn sie uns nicht explizit Lust bereiten, wir nicht explizit in ihnen aufgehen: Kellnern, Call-Centern, Kassieren, Nieren opperieren…

    Was für jeden als Erwerbstätigkeit akzeptabel erscheint und was nicht, muß m.E. jedem selbst überlassen bleiben. Wer sind wir, anderen diese Entscheidung abzunehmen und sie so ihrer Mündigkeit zu berauben. Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung, auch dann, wenn sie sich für etwas entscheiden, was wir uns für uns selbst nicht vorstellen können. Warum sollten Frauen (und Menschen anderen Geschlechts) in der Sexarbeit nicht fähig sein, diese Entscheidung für sich zu treffen? Ich kann mir z.B. nicht vorstellen, Ärztin, Polizistin oder Berufsmusikerin zu werden, trotzdem verbiete ich das niemandem.

    Prostitution, die in dieses kulturelle Trennen von Sex und Liebe den Faktor Geld einführt, ist nicht die Institutionalisierung der Trennung von Sex und Liebe, sondern die Kapitalisierung der Tatsache, dass in der Gesellschaft allgemein diese Trennung gerade nicht praktiziert wird.

    Ja, ich bin auch generell kapitalismuskritisch. Aber eine Kapitalismuskritik, der man sich nur im Zusammenhang mit Sexarbeit erinnert, ist eine doppelbödige. Solange wir in einer kapitalistischen Gesellschaft leben und also unser Überleben davon abhängt, dass wir für Geld arbeiten, muß es Menschen möglich sein, ihren Lebensunterhalt auf eine für sie akzeptable Weise zu verdienen – solange das legal ist.

    Prostitution ist legal, und zwar nicht erst seit dem Prostitutionsgesetz von 2002, sondern (mit Unterbrechungen) seit den veränderten Hygienevorschriften von 1927. Illegal ist hingegen nach wie vor alles, was innnerhalb und außerhalb der Prostitution ausbeuterisch oder unfreiwillig geschieht: Nötigung, Vergewaltigung, Ausbeutung der Arbeitskraft, Menschenhandel. An zwei Menschen, die sich Kraft ihrer Wassersuppe entscheiden, Geld gegen Sex zu tauschen, sehe ich weder etwas Illegales, noch etwas Illegitimes.

    Wenn Sex dir nicht heilig ist und du Prostitution nicht aus moralischen Gründen ablehnst, wie du schreibst, was ist dann an Sex dran, das dich glauben macht, du müßtest ihn vor kapitalistischer Vermarktung schützen? Was ist dieses Etwas, wenn es keine Ehrfurcht ist? Dass nicht alle Menschen sich mit ihrem Job selbstverwirklichen, ist ja kein legitimer Grund, allen Menschen die Arbeit in diesen Branchen zu verbieten. Sinnvoller fände ich es, sich generell für ein freieres, selbstbestimmteres, gerechteres Arbeiten in unserer (leider kapitalistischen) Gesellschaft stark zu machen.

    In der Prostitutionsdebatte wird häufig danach gefragt, ob Prostitution ein normaler Beruf sei. Was ist ein normaler Beruf? Ärztin, Profisportlerin, Soldatin, Hochspannungsleitungsinspekteurin, Lehrerin, Bischöfin? Die Feststellung, das Prostitution kein „normaler“ Beruf ist, geht m.E. am Kern der Debatte völlig vorbei. Denn worum es uns Sexarbeiter_innen geht, was uns Prostitutionsgegnerinnen mit der Argumentation „Begleitkriminalität“ und „Menschenhandel“ vorenthalten möchte, ist Gleichberechtigung!

    Wir fordern gleiche Rechte, wie alle anderen arbeitenden Menschen auch. Wir wollen unsere Geschäfte durchführen dürfen, wo andere das auch dürfen – nicht „zum Schutze der Jugend und der öffentlichen Ordnung“ durch Sperrbezirke beschränkt werden. Wir wollen, dass für uns die Abgabenordnung gilt, wie für alle anderen Menschen auch – nicht Sonderbesteuerungsverfahren à la Düsseldorfer Verfahren. Wir wollen, dass die Polizei uns gegenüber die gleichen Rechte hat, wie anderen Menschen gegenüber auch – und nicht einfach anlaßlos zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Maschinengewehren in unsere Räume stürmen kann. Wir wollen, dass der Betrieb unserer Arbeitsstätten nach der Gewerbeordnung reguliert wird, nicht nach dem Dortmunder Modell. Wir wollen, dass unsere Kunden unsere Dienstleistungen nach den Regeln des Marktes kaufen können und nicht nach dem Schwedischen Modell kriminalisiert werden.

    Wäre Prostitution als Beruf anerkannt (ob normal oder unnormal), bräuchte es all diese Sonderverfahren und Modelle nicht. Prostitution wäre dann nicht etwa „dereguliert“, wie Alice Schwarzer behauptet, sondern genauso reguliert wie andere Berufe auch – gleichgestellt. Das ist sie trotz Legalität nicht und DAS ist der Kern der Debatte.

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  98. @rivka: natürlich haben/hatten wir schon immer eine sexualität, nur wurden wir oft daran gehindert sie auszuleben und durch positive erfahrungen weiterzuentwickeln. Nur weil frauen früher der mund verboten wurde bedeutet dies schliesslich auch nicht, dass sie keine intelligenten gedanken fassen konnten.

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  99. @Andreas: Das Argument, dass Männer ja schliesslich auch für die Freundin zahlen würden geht glaube ich völlig an der Sache vorbei, denn mit Geschenken, Einladungen usw. bezahlt der Mann ja gerade nicht für den Sex, sondern da geht es darum, die übrige(!) gemeinsame Zeit möglichst schön zu gestalten und der Frau aus Zuneigung eine besondere persönliche Freude zu machen. Also gerade um die Dinge, die bei Prostitution als Dienstleistung gezielt außen vor bleiben.

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  100. @rivka „patriarchal geprägter Sexualität zu tun, also Sex als Penetration plus (männliche) Ejakulation plus Schwangerschaftsrisiko. Weibliche Sexualität hat da noch gar nicht stattgefunden.“ – Interessant – weibliche Sexualität ist also Sexualität ohne Penetration und ohne Schwangerschaftsrisiko??? Sorry, aber ich glaube da lebst Du etwas in einer Fantasiewelt. Wobei mich durchaus interessieren würde was diese weibliche Sexualität wohl sein soll?

    Und was ich beschreibe ist nicht patriarchal geprägt sondern einfach Biologie. Übrigens sind Frauen auch nicht so harmlos, z.B. hat sich der Vorgang der Befruchtung im weiblichen Körper wohl deshalb entwickelt damit die Männer nicht sicher sein können wer der Vater ist. Auch Frauen wollen ungern „alle Eier in einen Korb“ legen, d.h. eigentlich lieber Kinder von verschiedenen Vätern als nur von einem. Die Geschlechter konkurrieren auf biologischer Ebene miteinander. Was das einzelne Individuum daraus macht ist natürlich eine andere Frage.

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  101. @rivka und weiter, Du meinst also wenn Männer von klein auf auf Gefallenmüssen und Begehrtwerden trainiert würden dann würde es bei ihnen auch wie bei den Frauen klappen daß sie nur nett nach Sex fragen müssten um ihn zu bekommen?

    Das bezweifele ich nun sehr – wobei es sicherlich auch sehr erfolgreiche „Maschen“ a la „The Game“ gibt mit denen Männern Frauen relativ zuverlässig herumkriegen können. Wie es wäre wenn jeder diese anwenden würde weiss ich nicht – sie sind aber auch sehr aufwändig umzusetzen so weit ich weiss.w

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  102. @rivka sorry mangels Editierfunktion: es gibt natürlich auch für Männer Wege leicht an Sex zu kommen, eben indem sie Alphamännchen werden (z.B. Rockstar). Nur ist es eben nicht leicht das zu werden, das ist der ganze Sinn. Frauen müssen nicht Alphaweibchen werden um an Sex zu kommen.

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  103. Puh! Diese Diskussion ufert so langsam in ihrer Quantität so aus, dass es unmöglich ist, dem aktuellen Diskussionsstand ohne eine Menge Notizen gerecht zu werden, daher meine Meinung zu dem Thema Begehren:

    Sexualität muss nicht nur aufgrund von gegenseitigem Begehren stattfinden. Begehren ist ein Grund und ich persönlich halte das gegenseitige Begehren in einer Situation und die Befriedigung dieses für die beste Art und Weise, Sex zu haben. Aber es gibt so viele andere Gründe, teilweise absolut profane:
    Trost spenden, Langeweile, Befriedigung des Partners, das Auflösen negativer Stimmungen (nach einem Streit), sich selber das Gefühl geben begehrt zu werden, Philantropie, Lohnarbeit …

    Sowohl Männer* als auch Frauen* können aus solchen und noch endlos vielen anderen Gründen Sex haben, ohne zu dem Zeitpunkt gerade selber zu „begehren“. Wie gut oder schlecht man diese Gründe findet, ist jeder/m selbst überlassen. Als sehr gutes Beispiel empfinde ich hier die Sexualbegleitung von Menschen mit Behinderung, welche sicher nicht unter diesem unsinnigen Generalverdacht der Ausbeutung von Frauen* steht, welcher bei anderen Formen der Sexarbeit immer mitschwingt.

    Ich lehne hier absolut die Thesen ab, dass Prostitution ein Ausdruck von kapitalistischen oder patriarchalen Strukturen ist. Anstattdessen behaupte ich, dass die FORMEN, die Prostitution annimmt, Ausdruck dieser sind. D.h. die Ungleichverteilung von Frauen* und Männern* in diesem Gewerbe, der Anteil der Prostituierten, die aus Not dem Beruf nachgehen oder die Art und Weise, in der Frauen in diesem Gewerbe behandelt werden.

    Prostitution, Porno, Sexualbegleitung, Tantra oder was auch immer noch existiert hat seine Berechtigung. Es gibt so viele Gründe, diesen nachzugehen. Begehren ist einer davon, aber nicht der Einzige. Das ist auch total in Ordnung. Wenn etwas geändert werden muss, dann sind das die Strukturen, durch die Sexarbeiter_innen immer zu Menschen zweiter Klasse abgestempelt werden. Steinzeitfeminist_innen wie Alice Schwarzer leisten einen großen Beitrag dazu, dass diese Strukturen aufrechterhalten werden. Das ist einfach nur traurig.

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  104. @Carmen Amicitiae –

    Ich denke, dass die Gruppe der Sexarbeiter_innen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, die Lust dabei empfinden und darin aufgehen, größer ist, als weithin angenommen. Ja vielleicht, aber es ist sicherlich nur eine winzig kleine Minderheit unter den Frauen, die auf diese Weise Geld verdienen. Damit kann man imho nicht argumentieren, wenn es um eine kulturelle Bewertung von Prostitution generell geht, das Argument „Sexarbeiterinnen haben in der Regel riesigen Spaß an Sex mit ihren Kunden“ ist auf der Pro-Sexarbeit-Seite das Äquivalent zum Argument „Alle Prostituierten sind Opfer und werden zu dieser Tätigkeit von bösen Männern genötigt“ auf der Gegenseite.

    Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung, auch dann, wenn sie sich für etwas entscheiden, was wir uns für uns selbst nicht vorstellen können. Warum sollten Frauen (und Menschen anderen Geschlechts) in der Sexarbeit nicht fähig sein, diese Entscheidung für sich zu treffen? Das bezweifle ich auch nicht, aber es ist genau dieses neoliberale „Freiheits“-Argument, wonach die Freiwilligkeit individueller Entscheidungen gleichgesetzt werden mit „ist doch völlig okay“. Ich verstehe Politik so, dass wir uns – über die Freiwilligkeit hinaus – auch darüber auseinandersetzen, wie wir unsere Welt haben sollen. Und das Thema betrifft nicht nur die Beteiligten, sondern auch mich, zum Beispiel wenn ich mich im öffentlichen Raum mit Bordellwerbung und sexuell-unterwürfiger Darstellung und Anbietung von Frauenkörpern konfrontiert sehe.

    Kapitalismuskritik, der man sich nur im Zusammenhang mit Sexarbeit erinnert, ist eine doppelbödige. Stimmt, aber dieser Vorwurf trifft auf mich nicht zu. Die meisten Posts hier im Blog, die mit dem Thema „Arbeit und Geld“ zu tun haben, sind kapitalismuskritisch, also logischerweise auch die, bei denen es um Prostitution geht.

    Wenn Sex dir nicht heilig ist und du Prostitution nicht aus moralischen Gründen ablehnst, wie du schreibst, was ist dann an Sex dran, das dich glauben macht, du müßtest ihn vor kapitalistischer Vermarktung schützen? Was ist dieses Etwas, wenn es keine Ehrfurcht ist? Die Frage habe ich weiter oben schon beantwortet: Ich will, dass Sex etwas ist, das zwei (oder mehr) Menschen gemeinsam machen und nicht, was die einen für die anderen machen – was aber die Grundlage von Arbeitsteilung und Erwerbsarbeit ist.

    Die Feststellung, das Prostitution kein “normaler” Beruf ist, geht m.E. am Kern der Debatte völlig vorbei. Denn worum es uns Sexarbeiter_innen geht, was uns Prostitutionsgegnerinnen mit der Argumentation “Begleitkriminalität” und “Menschenhandel” vorenthalten möchte, ist Gleichberechtigung!
    Das Argument, Prostitution sei ein „normaler“ Beruf kommt ja nicht von mir, sondern von der Pro-Sexarbeit-Fraktion. Ich finde aber – aus den genannten Gründen – dass das ein schlechtes Argument ist. Ich bin auch für Rechte für Sexarbeiterinnen, aber eben nicht mit der Begründung, dass es eine normale Arbeit ist. Zumal ich dieses Argument für das Ziel auch kontraproduktiv finde.

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  105. @Antje: „Ja, genau, das bedeutet es in letzter Konsequenz, und das finde ich falsch, weil – eben – Sexualität meiner Ansicht nach mit Begehren zu tun haben soll, und damit meine ich, dass alle Beteiligten genau das jetzt unbedingt und aus sich heraus tun wollen.“

    Ok, ich hoffe, ich habe jetzt verstanden, was du mit dem Begriff Begehren sagen willst. Aber warum ist das für dich so wichtig? Und ich glaube, dass es nie ein „aus sich heraus“ ist. Wenn ich mit jemandem Sex haben möchte, dann gibt es da meist bestimmte Beweggründe, die dann zu diesem Begehren führen. Beispielsweise Liebe oder körperliche Attraktivität des Gegenüber. Warum sollte deiner Meinung nach der Grund für mein Begehren nicht darin liegen dürfen, dass mein Gegenüber mir 100€ gibt?
    Eine Zahlung von Geld schließt doch ein Begehren nicht aus.
    Zweite Frage. Warum bist du der Meinung, dass gerade bei Sex im Gegensatz zu anderen Aktivitäen dieses Begehren zwingend notwendig ist?

    Ich habe gemerkt, dass du dich besonders Gegen die Kapitalisierung des Sex aussprichst, was natürlich auch in deiner generellen Art als Kapitalismuskritikerin begründet liegt, aber warum ist Sex für dich etwas so viel besonderes als irgendeine andere Dienstleistung? Ich meine das ganz ernst, ich vestehe das nicht. Alles, was als eventuelle Begründung für eine solche Übehröhung des Sex spricht, schließt du für dich wieder aus (beispielsweise die relligiöse Begründungen wie „Sex ist etwas heiliges“).

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  106. Prostitution und andere Berufe: Bei allen anderen Berufen gibt es die von Antje benannte klare Einseitigkeit durch die Arbeitsteilung. Dass auch die Ausübung anderer Berufe nichts mit dem eigenen »Begehren« im Sinne von eigenen Bedürfnissen (außer Broterwerb) oder Spaß zu zun haben muss, ist klar. Ein Friseur kann Haareschneiden auch ohne Bock darauf zu haben, weil er eben das Geld verdienen muss. Und manche Berufe machen das eigene Begehren insofern zur Ware, als z.B. Künstler und Kulturschaffende ihre »Leidenschaft« immer wieder für Geld funktionalisieren müssen.
    Aber es geht hier speziell um das sexuelle Begehren, und das spielt einzig und allein in der Ausübung von Prostitution eine Rolle. Denn ohne das sexuelle Begehren kann Sex ja nicht stattfinden. Aber bei Prostitution reicht es eben, dass ein Part begehrt, und der andere Part bekommt als Ersatz dafür, dass er ohne eigenes Begehren Sex »gewährt«, Geld. Eine Normalisierung dieses einseitigen und vor dem Hintergrund reaktionärer Vorstellungen von weiblichem/männlichem Rollenverhalten zu sehenden Sexverständnisses empfinde ich als Backlash.

    Der viel zitierte Fußpfleger muss weder seine Sexualität noch seinen Körper in den Ring werfen, um eine fachgerechte Fußpflege zu absolvieren. Auf die Füße des Kunden Lust oder Spaß dran haben muss er auch nicht, auch eine lustlose Fußpflege erfüllt ihren Zeck.

    Auch Gesprächstherapeuten sind nicht vergleichbar. Gespräche sind zwar das Medium Nr. 1 jeder freundschaftlichen und sonstwie zwischenmenschlichen Kommunikation, aber, wie Antje schon sagte, gibt es sehr viele verschiedene Formen von Gesprächen mit eigenen Regeln.
    Für therapeutische Gespräche gelten im Gegensatz zu privaten Gesprächen klare Richtlinien, Indikationen, Kontraindikationen, definierte Ziele, bestimmte Interventionen, ein geregeltes Setting und nicht zuletzt eine explizite Hierarchie – der Patient ist nicht auf (freundschaftlicher) Augenhöhe mit dem Behandler. Diese professionellen Distanz ist Voraussetzung für eine fachgerechte psychotherapeutische Behandlung. Therapeutische Beziehungen sind auch kein Freundschaftssubstitut, sondern eine Arbeitsbeziehung zur Bewältigung bzw. Heilung bestimmter Störungen / Beeinträchtigungen.

    Zwar ist es generell in sozialen Berufen so, dass die Trennung von privatem und professionellem Selbst schwieriger bzw. teilweise nicht möglich ist, aber irgendeine Möglichkeit der Distanzierung gibt es in jedem Beruf, indem angeeignete Kompetenzen von intimeren Sphären getrennt werden. Bei Prostitution besteht das Kerngeschäft aber im sexuellen Begehren und die Kernkompetenz meiner Auffassung nach darin, das eigene sexuelle Wollen bzw. Nichtwollen auszublenden. Professionelle Distanz lässt sich meiner Meinung nach dann nur durch die »Auslagerung« aller anderen Persönlichkeitsanteile herstellen. Also wie eine Umkehrung zu anderen Berufen. Dass Prostitution ein »normaler« Beruf wie andere sein soll, sehe ich somit ganz und gar nicht.

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  107. @Miria – warum ist Sex für dich etwas so viel besonderes als irgendeine andere Dienstleistung? – Ja, weil ich Sex eben nicht als „Dienstleistung“ verstehen möchte. Das hängt natürlich auch mit unserem patriarchalen kulturellen Erbe zusammen, wo wir eine lange Tradition haben, in der das weibliche Begehren für Sex keine Rolle spielen sollte, sondern der weibliche Part in einer solchen Dienstleistung gesehen wurde, also Sex als eheliche Pflicht, das Recht von Herren, mit Dienstmädchen oder Sklavinnen zu schlafen, egal ob die das auch wollten (auch das lief nicht immer ohne „Consent“ oder unter Gewaltanwendung ab), die Mediziner-Phantasie, wonach Frauenkörper ungeeignet sind, um sexuelle Lust zu empfinden usw.usf. Erst die Frauenbewegung hat das weibliche Begehren in diese Gleichung eingeführt und darauf bestanden, dass für Sex die Lust der Frau auf diesen Sex (in dieser Form mit dieser Person zu diesem Zeitpunkt) eine unverzichtbare Voraussetzung sein sollte. Eine Normalisierung von „Sex gegen Geld“ geht wieder hinter diese Idee zurück und aktualisiert die alte „Beim Sex haben Frauen die Wünsche von Männern zu erfüllen“-Vorstellung, nur eben heute nicht mehr in der feudalistischen oder patriarchalen Variante, sondern in der kapitalistisch-neoliberalen.

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  108. @Antje: Habe ich dich richtig verstanden, dass du gegen die Prostitution (also gegen Sex als Dienstleistung) losgeloest aus unserer Gesellschaft eigentlich gar nichts haettest, sondern eben gegen Prostitution in unserer Gesellschaft mit ihrer patriarchalen Vergangenheit?
    Oder gibt es darueber hinaus weitere Gruende?
    Und ist es richtig, das deine Gedanken nicht auf maennliche Prostitution uebertragbar sind, eben wegen der patriarchalen Vergangenheit?

    Vielen Dank falls Du es schaffst zu antworten 🙂

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  109. @Charlotte – Hm, ich habe im Zuge dieser Debatten hier auch schon darüber nachgedacht, ob man vielleicht einen Science Fiction schreiben könnte mit einer völlig anderen Alien-Gesellschaft, in der „Sex als Dienstleistung“ funktionieren könnte ohne die von mir bemängelten negativen Implikationen, das wäre reizvoll. Aber vermutlich würden die dann schon mit dem Begriff „Dienstleistung“ gar nichts anfangen können.

    Das ist auch das Falsche an den hier in den Kommentaren vorgebrachten Vergleichen mit der Tierwelt: Selbst wenn dort so etwas ähnliches wie „Tausch von Geld gegen Nahrung“ vorkommt, ist es unser modern-bürgerlicher Blick, der dabei an Prostitution denkt. Weil die eingebettet ist in ein ganzes Geflecht von kulturellen Ordnungen, aus denen wir sie nicht rauslösen können, die dort aber gar nicht gegeben sind.

    Ich erinnere mich dunkel, dass ich vor ewigen Zeiten mal ein Buch gelesen habe über soziale Geschlechterbeziehungen in Kamerun, wo vor der Kolonialisierung durch Europäer es auch Formen gab, in denen Beziehungen zwischen Frauen und Männern in geregelten Formen des Austausches von Geschenken, Sexualität und allerlei mehr praktiziert worden sind, die nach einer ganz anderen Logik verlaufen, als alles, was wir unter Prostitution verstehen würden. Aber durch den Blick der Europäer wurde das als „Prostitution“ wahrgenommen und entsprechend bewertet und reglementiert usw. wodurch diese Beziehungen dann auch tatsächlich den Charakter von Prositutition (mit den von mir kritisierten negativen Auswirkungen) angenommen hat.

    Jedenfalls sind das alles Spekulationen, weil wir unsere Gesellschaft immer in diesem größeren Kontext unserer Geschichte betrachten müssen, wir können nicht einen Aspekt davon isoliert betrachten. Und, ja, in diesem Kontext ist Prostitution aufs engste mit Sexismus verknüpft. Deshalb finde ich auch, dass männliche und weibliche Prostitution nicht einfach dasselbe sind. Wobei natürlich die beiden sich in ihrer sozialen Bedeutung auch gegenseitig beeinflussen. Aber mich interessiert an dieser Stelle nur die weibliche, das Phänomen von männlicher Prostitution müsste eigenständig betrachtet werden.

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  110. @Antje – “Erst die Frauenbewegung hat das weibliche Begehren in diese Gleichung eingeführt und darauf bestanden, dass für Sex die Lust der Frau auf diesen Sex (in dieser Form mit dieser Person zu diesem Zeitpunkt) eine unverzichtbare Voraussetzung sein sollte. Eine Normalisierung von “Sex gegen Geld” geht wieder hinter diese Idee zurück und aktualisiert die alte “Beim Sex haben Frauen die Wünsche von Männern zu erfüllen”-Vorstellung, nur eben heute nicht mehr in der feudalistischen oder patriarchalen Variante, sondern in der kapitalistisch-neoliberalen.”
    Das, @Antje, macht es mir gut verständlich, nachzuvollziehen, warum du gegen “Prostitution als normale Arbeit” argumentierst.
    Ein anderer Aspekt kommt mir in den Sinn: Wenn Sexarbeit eine Dienstleistung wie jede andere ist, dann brauchte sie von denen, die sie in Anspruch nehmen, auch nicht verschwiegen werden. Der ‘brave Bürger’ berichtet sicherlich nicht morgens am Frühstückstisch Frau und Kindern dass er gerade von einem Bordellbesuch heimkehrt und ob er mit dem Dienstleistungsangebot zufrieden war oder nicht. Diesen Geheimhaltungskontext betrachte ich als eine Art von Machtausübung, die mit dazu beiträgt die Illusion der alten Männer-Ordnung aufrecht zu erhalten, die da wäre: Jederzeit (heute gegen Bezahlung) Zugriff auf den weiblichen Körper zu haben. Und weil eben alles mit allem zusammen hängt: Derart phantasierter Omnipotenz haben wir auch die unseligen Geheimdienste zu verdanken, die mit ihren geheimen Diensten über uns alle herrschen!
    Ich zitiere Harald Oswin Haas, der in Antjes Blog zum Thema “Brauchen wir noch Journalismus” u.a. folgendes provokativ behauptet:
    “ Das Liebesleben in einer Gesellschaft wird dann erst glücklich und authentisch sein, wenn sie keine Prostituierten mehr braucht.”

    Was für mich heißt: Nicht die Frauen, die sich prostituieren sind das Problem, sondern die gesellschaftlichen vorherrschenden Bedingungen, die Prostitution hervorbringt.

    Womit ich als Aktivistin für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens @Carmen Amicitiae und andere hier im Blog fragen möchte:
    “Was würdet ihr tun, wenn für euer Einkommen gesorgt wäre?”:)

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  111. @Andi:

    Ja, das Argument geht gerade nicht am Thema vorbei, aus Sicht einer Prostituierten, nämlich; nur aus Deiner Sicht – es zeigt in meinen Augen auch, dass Prostituierte nun nicht gerade eine Haltung gegenüber Männern an den Tag legen bzw. überhaupt ein Vorstellung von Beziehung zu Männern entwickeln, die Männer dazu verpflichten müßte, nun sich ausgerechnet um das nicht beachtete „weibliche Begehren“ derselben zu sorgen.

    Und mit „Sorge um“ oder gar „Primat des“ „männlichen Begehrens“ hat nun Prostitution nicht das geringste zu tun.

    Es würde schliesslich auch niemand behaupten, die Junk-Food-Industrie würde sich um das leibliche Wohl der Kunden kümmern.

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  112. @Antje: „Eine Normalisierung von “Sex gegen Geld” geht wieder hinter diese Idee zurück und aktualisiert die alte “Beim Sex haben Frauen die Wünsche von Männern zu erfüllen”-Vorstellung…“

    D.h. also, JEDE frau, die sich prostituiert und sex anbietet, auch wenn sie es aus freien stücken tut, zementiert die alte ordnung, oder nicht?

    so gesehen, verstehe ich das jetzt doch noch mal anders und neu…

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  113. @Charlotte @Antje
    Also ich glaub, wenn Prostitution in unserer Gesellschaft losgelöst vom Patriarchat wäre, dann gäb es sie so gar nicht. Prostitution kann nur innerhalb dieses Systems, das eine gezähmte (weil empfängnisgefährdete) weibliche und eine »archaische« ungehemmte männliche Sexualität für naturgegeben oder zumindest unabwendbar und irgendwie richtig hält, funktionieren.

    Prostituierte ohne diesen ganzen Männerherrschafts-Über-/Unterbau sind für mich nicht vorstellbar. Die Ungleichheit im sexuellen Begehren stammt ja auch aus der hochkultivierten ideologischen Ungleichheitsarchitektur zwischen Männern und Frauen.

    Feministisch-erotische Science-Fiction fänd ich sehr cool. Aber nicht so pseudolesbisch à la 2 sexy Schnitten befummeln sich (zur männlichen Erbauung), sondern wirklich neu erfunden und gedacht, ohne dieses ganze evolutionsbiologistische Geschwafel, mit dem wir hinsichtlich Sex indoktriniert sind.

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  114. @rivka Dich langweilt es vermutlich, aber mich würde wirklich die feministische Theorie interessieren, wie „das Patriarchat“ das Risiko von Schwangerschaften erfunden haben soll. Patriarchat = Evolution? Oder wird man nur schwanger wenn man (dank indoktrinierung) dran glaubt?

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  115. @Björn: keine Theorie, einfach patriarchale Gleichung: Sex = immer verfügbare Frau + immer wollender Mann* + Penetration + Ejakulation d.h. männl. Orgasmus + Schwangerschaftsrisiko + weibliche Verantwortung / Unlust

    *Evolutionsgeschwafel-Doktrin = Mann will immer, weil sein Sperma aka sein Genmaterial über die Welt aka die Eizellen unserer Spezies verteilt werden will/muss + Frau will lieber nicht, weil Sex sich für sie nicht lohnt, Schwangerwerden schon in der Urhorde alleine ihr Business aka ihr Pech war und sie halt lieber pinke Beeren im Gebüsch sammeln ging

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  116. Noch eine Frage zu dem seltsamen „Frauen sollen immer verfügbar sein“-Argument: wünschen Frauen sich umgekehrt nicht daß der Sexpartner denn sie haben wollen verfügbar ist? Das ist doch kein Herrschafts- oder Anspruchsdenken sondern ein normaler Wunsch. Ob und wie er erfüllt werden kann oder soll steht auf einem anderen Blatt.

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  117. „Wenn Sexarbeit eine Dienstleistung wie jede andere ist, dann brauchte sie von denen, die sie in Anspruch nehmen, auch nicht verschwiegen werden.“

    Man kann aber auch anders rum argumentieren und darauf hinweisen, dass die Gründe, aus denen der Freier verschweigt, schlicht mit dem Ärger zu Hause zusammenhängen, den er erwartet – und der hängt einfach damit zusammen, dass die werte ( und auch sehr hoch bewertete ) Gattin keine billige Konkurrenz möchte.

    Darauf laufen übrigens oft die Argumente von „bürgerlichen“ Frauen gegen die Prostitution hinaus.

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  118. PS. Und damit natürlich wäre Sex eben doch eine Dienstleistung wie jede andere – es gibt halt Leute, die sie monopolisieren wollen, und es gibt halt Leute, die an möglichst billiger Verfügbarkeit Interesse haben.

    Übrigens fällt mir dazu noch ein, dass in einigen anti-bürgerlichen Künstler- Revoluzzer- Was-auch-immer-Kreisen der Weimarer Republik und früher durchaus der Puffbesuch nicht verschwiegen, sondern gefeiert wurde.

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  119. @björn @rivka das Thema Evolution etc. ufert jetzt hier etwas aus, daher fokussiere ich jetzt in der Moderation wieder eher auf das eigentliche Thema ;))

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  120. @antje ich fand nicht daß es ausufert, es ging doch darum zu klären was die Unterschiede zwischen männlicher/weiblicher Sexualität sind und warum Männer für Sex zahlen und Frauen eher nicht. Und der Punkt „Frauen sollen immer verfügbar sein“ wurde doch vorher auch angesprochen als Argument gegen Prostitution, warum darf dieser nicht diskutiert werden?

    Aber egal – danke für die Erinnerung daß in Blogkommentaren sich nicht lohnt, denn wenn die Argumente zu unbequem sind werden sie halt wegzensiert. Ich weiss schon, viele Feministinnen haben Evolutionstheorie schon unter „Geschwafel“ abgehakt (siehe rivka) und sind nicht mehr bereit sich damit auseinanderzusetzen. Schade, da sie dort ein paar Antworten finden könnten… Stattdessen gibt es dann „Patriarchiegeschwafel“. Da will ich nicht weiter stören, werde mich nun wirklich zurückhalten mit Kommentaren.

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  121. @Andreas – „Darauf laufen übrigens oft die Argumente von “bürgerlichen” Frauen gegen die Prostitution hinaus.“
    Hat vielleicht damit zu tun, das „bürgerliche Frauen“ sich mit ihrer Moral an „bürgerlichen Männern“ orientieren, und es ist ja kein Geheimnis, dass es sich bei dieser oft um eine „Doppelmoral“ handelt. 😉

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  122. @Andreas: „PS. Und damit natürlich wäre Sex eben doch eine Dienstleistung wie jede andere – es gibt halt Leute, die sie monopolisieren wollen, und es gibt halt Leute, die an möglichst billiger Verfügbarkeit Interesse haben.“
    Wenn Sexarbeit eine Dienstleistung wäre wie jede andere, dann könnte diese doch wie andere Dienstleistungen auch von technischen Hilfsmitteln geleistet werden und könnte auf die Dienste von Frauen verzichten! Monopolisierung und billige Verfügbarkeit wären damit doch viel effizienter – oder?
    Denken wir mal an die vielen schönen technischen Errungenschaften, die uns die Sorgearbeit heute erleichtern, wie Waschmaschine, Staubsauger und dergleichen mehr. 🙂

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  123. Ganz ehrlich? Wem genau wird Schaden zugefügt, wenn Mann/Frau sich mit Frau/Mann einigt, gegen Geld Sex zu haben? Den beiden Betroffenen offensichtlich nicht. Sonst würden sie es nicht freiwillig tun. Alle nicht-freiwilligen Tatsachen rund um die Prostitution sind bereits im Strafrecht geregelt.

    Alle Argumente, wie „ist nicht gut“, „Kultur“ verschleiern doch nur den Moral-Begriff desjenigen, der sie äußert. Moral hat aber im modernen Rechtsstaat nichts im Gesetz verloren. Es war auch moralisch mal verwerflich, sich scheiden zu lassen. Fremdgehen ist es immer noch. Verboten ist es deshalb aber nicht!

    Ich muss Prostitution nicht gut finden, sie schadet mir als Dritten aber auch nicht. Ich kann sie ignorieren. Ich werde nirgends in meinen Rechten beschnitten. Als Rechtsstaat kann ich die Ausübung der Prostitution reglementieren wie andere Dienstleistungen auch. Das Bewerben von Tabakprodukten ist ja auch reglementiert, um Dritte vor Schaden zu bewahren. Trotzdem kann sich jeder frei entscheiden, ob er rauchen will oder nicht oder ob er Zigaretten herstellen will oder nicht.

    Also warum genau soll es verboten werden? Weil Antje „Begehren“ nur auf einer Seite sieht (was ich im Übrigen für anmaßend halte, weil es unterstellt, dass kein(e) Sexarbeiter(in) dabei Lust empfindet)? Was berechtigt eigentlich die Befürworter des Verbots, alle Sexarbeiter/innen über einen Kamm zu scheren? Was genau berechtigt sie, bestimmte Aspekte (z.B. die fehlende Lust) als Argumentation und dann auch noch als Verallgemeinerung für alle Sexarbeiter/innen heranzuziehen?

    Die von Antje geforderte „kulturelle Debatte“ sollte sich darauf beschränken zu diskutieren, wie stark man die Prostitution im öffentlichen Leben wahrnehmen möchte, und nicht ob man sie verbietet.

    Schweden? Schlechtes Beispiel! Die öffentliche Meinung über Prostitution ist hier nicht maßgeblich. Na klar finden 80% das gut. Es sind ja nur ein paar Tausend Sexarbeiter direkt betroffen. Entscheidend ist wohl eher, wie sich das Leben der Betroffenen dadurch verändert hat. Und da sieht es doch eher nach einem Fehlgriff der schwedischen Politik aus. De facto hat man nur erreicht, dass Prostitution jetzt illegal stattfindet: unter fragwürdigen Bedingungen, mit mehr Kriminalität und Entrechtung der betroffenen Frauen.

    Und der Debatte täte es gut, den Sexarbeitern zuzuhören (z.B. Carmen Amicitiae weiter oben).

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  124. Ich finde es nicht gut, das Thema Zwangsprostitution abzuspalten. Denn in der Realität ist es ja auch untrennbar miteinander verbunden. Antje, Du schreibst selbst, das Thema wäre 1. eigentlich wichtiger, und 2. wären sich ja alle in der Ablehung der Zwangsprostitution einig. Tatsächlich habe ich den Eindruck, die meisten öffentlichen Diskussionen werden – wie jetzt auch hier – um die „freiwilligen“ Prostituierten geführt, denen man um Himmels Willen nichts wegnehmen darf. Die (mehr-oder-weniger-)Zwangsprostituierten treten regelrecht in den Hintergrund und erscheinen allenfalls als eine Art bedauernswerter Kollateralschaden. Oder sogar als gar nicht existent.
    Die Reform des Prostitutionsgesetztes sollten doch bereits das Gewerbe und die Prostituierten aus der Schmuddelecke holen. Aber statt, dass sich deshalb nun deutlich mehr Frauen gerne diesem Beruf geöffnet haben und damit reich geworden sind, ist die Zwangsprostitution sprunghaft angestiegen und laut Aussagen der Polizei kaum noch zu bekämpfen. Den Kunden ist es anscheinend nicht möglich, das eine vom anderen zu unterscheiden – oder es ist ihnen einfach egal (Aussage eines Bordellbetreibers in einer Talk-Show – ich glaube, es war bei Illner – denn er „hat ja schliesslich für diese Dienstleistung bezahlt“). Das Leid dieser Frauen ist unvorstellbar, und unser aller-aller-größtes Ziel sollte es sein, dies zu beenden. Wenn sich deshalb dann tatsächlich ein paar zufriedene Prostituierte einen anderen Job suchen müssen, finde ich das tatsächlich nicht so schlimm.

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  125. @Ralph – Vielleicht ist dir ja aufgefallen, dass ich nicht für ein Verbot von Prostitution bin. Aber ich vermute mal, du wolltest einfach mal deine Meinung loswerden, ganz egal, worum es hier im Blog überhaupt geht. Normalerweise schalte ich sowas übrigens nicht frei.

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  126. @Ute Pass
    Ja, ich kann das nun schon verstehen. Es gibt ja nun auch Massage-Sessel, deswegen gehe ich aber trotzdem lieber zum Masseur.

    Genauso, kann ich mir vorstellen, besucht so mancher lieber eine Prostituierte, als etwa den Staubsauger seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen.

    Jedenfalls erschließt sich mir Dein Argument nicht.

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  127. Der Zwang in der Prostituion war schon vor der Reform des Gesetzes verboten und ist es immer noch. Die Prostitution zu verbieten würde daran und an der mangelnden Umsetzung des Verbotes zum Zwang zur Prositution nichts ändern. Man würde nur die Nicht-Zwangsprostituierten oder die Freier oder beides kriminalisieren. In jedem Fall würde man den Nicht-Zwangsprostituierten das Leben erheblich schwerer machen.
    Und zu den Zahlen (sprunghafter Anstieg der Zwangsprostituion u.a.): „Opfer von Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung“:
    2000: 926
    2001: 987
    2002: 811
    2003: 1 235

    2010: 610
    2011: 640.
    „Das entspricht einem Rückgang um 31 Prozent im Vergleich
    zum Jahr 2001 und sogar um 48 Prozent im Vergleich zum Höchststand im Jahr 2003.“
    Und zu den vermuteten nicht offiziell entdeckten und gezählten Opfern: „Eine konkrete Dunkelfeldstudie wurde jedoch bis heute nicht erstellt.“
    Antwort der (schwarz-gelben) Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen vom 17.2.2013, Drucksache des Dt. Bundestages 17/12504.

    Zahl der Prostituierten 2010: genaue Zahl unbekannt. Das BmfSFJ geht in einer Stellungnahme vom 2.1.2012 von 400.000 aus und beruft sich damit auf die Berliner Prostituiertenberatungsstelle Hydra e.V.

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  128. „4. Prostitution gründet auf einer fragwürdigen Vorstellung von Sex“

    es wurde ja vorher auch schon die versorgerehe als alternative zu prostitution erwähnt und dort ist die frau ja auch nicht mit dem mann zusammen weil sie ihre lust befriedigt haben will. teilweise gibt es da ja sogar einen mehr oder weniger explizit ausformulierten deal (im idealfall: die frau kümmert sich um den haushalt, kinder und eben die körperlichen bedürfnisse des mannes und im gegenzug sorgt der mann für die finanzielle absicherung und einen gewissen lebensstandard). und ich muss sagen, dass ich da auch keinen großen unterschied zur prostitution sehe außer, dass die prostituierte verschiedene männer hat und die frau in der versorgerehe nur einen

    aber genauso wie man bei einem restaurant den service durch kellner kauft kauft man bei der prostituierten ihren körper (zu einem bestimmten festgelegten grad), ihr hoffentlich zumindest gut geheucheltes interesse und ihre zeit. der kellner wird KEIN diener und die prostituierte wird NICHT die geliebte oder sexsklavin.

    und die körperlichkeit des berufes prostituierte/r ist nichts besonderes sondern nur in einem anderen ausmaß/einer anderen art. denn bei den meisten arbeiten zahlt man nicht nur mit seiner lebenszeit und bekommt dafür geld sondern man zahlt auch mit seiner psyche und auch seinem körper. bei einigen berufen ist es einem zwar klarer und man ist sich tagtäglich dessen bewusst, dass man seinen körper und seine gesundheit kaputtspielt siehe umzugshelfer, arbeiter auf dem bau, arbeiten mit chemikalien unter kälte/hitze, allgemein im freien etc. man darf aber nicht vergessen dass es auch diverse sachen gibt denen bürohengste ausgesetzt sind wie burnout/boreout/karoshi (japan) und bei körperlichen schäden bspw ganz groß massive rückenprobleme

    „Wenn Sex nichts anderes ist als eine Massage oder eine Fußpflege, gibt es doch eigentlich keinen Grund, warum eine „Sexarbeiterin“ mehr verdienen sollte als ein Masseur oder eine Fußpflegerin, oder? Damit wäre aber Punkt 2 früher oder später obsolet.“

    naja der preis richtet sich sicher mehr oder minder nach angebot (konkurrenz) und nachfrage. und selbst wenn man nicht viel verdient ist prostitution immer noch etwas wo man als durchschnittsanbieter nicht viel können muss und es ist keine körperlich schwere arbeit (bei richtigen prostituierten mehr bei dominas eher weniger schwer dafür ist bei denen dann mehr technik gefragt). und selbst wenn man somit vielleicht nur grade so viel verdient wie eine putzfrau ist es immer noch ein angenehmerer job.

    das problem hier ist glaube das sex sehr romantisiert wird. ich hatte mal einen artikel gelesen über thailand und dort scheint es dies in der art nicht zu geben. sex ist dort einfach was was im idealfall beiden spaß macht und womit man zur not eben auch gut geld verdienen kann.
    vielleicht ist das auch etwas mit der surealität des tötens zu vergleichen. viele können sich nicht vorstellen einen anderen menschen zu töten und wenn dann nur bspw in dem weit entfern scheinenden und unrealen fall um das leben ihrer kinder zu schützen. genauso können sich hier viele nicht vorstellen sex mit jemandem zu haben den sie nicht auf diese und jene (gesellschaftsfähige) art kennen gelernt und wie sie meinen „sich selbst ausgesucht“ haben (bei den ganz extremfällen geht es dann sogar nur wenn sie „sich lieben“).

    “ „Normale Arbeit“, also der Tausch von Arbeit gegen Geld, beruht auf einem System der Arbeitsteilung. Der Käufer von Arbeitsleistungen hat entsprechend auch einen Anspruch auf einen äquivalenten Tausch. Wenn also die erbrachte Dienstleistung oder das bezahlte Produkt Mängel aufweist, kann es zurückgegeben werden. All das ist vertraglich geregelt, und es gibt Dritte, die in Konflikten darüber entscheiden. Sicher ist es prinzipiell möglich, auch Sex in diesem Sinn als Ware oder als Dienstleistung verstehen. Aber ich will das nicht.“

    hatte mal eine doku gesehen über irgendein bordell in den USA. dort war es so, dass wenn ein freier kam ihm erstmal alle frauen vorgeführt wurden und er eine auswählt. wenn diese damit einverstanden ist*, dann gehen beide erstmal in ein abgehörtes besprechungszimmer wo ausgehandelt wird was gemacht wird, wieviel es kostet und wo es zu einer näheren begutachtung kommt und dabei eben auch einer begutachtung von dem was der kunde(!!) mitbringt (wie gesagt hört dort immer ein angestellter mit). erst wenn das dann alles mit beiden klar geht, gehts aufs zimmer kunde duscht etc pp. [bin leider kein freier daher kann ich nix dazu sagen ob sowas standard ist und wie es in Dtl abläuft]

    [*dh bis es aufs zimmer geht hat die frau immer die möglichkeit zum abbrechen. und bei so geschäftsmodellen wo die frauen sich sozusagen in die zimmer des bordells einmieten interessiert das auch den bordellbesitzer weniger hauptsache die frauen können ihre miete zahlen. problematisch wird es wenn es soweit geht, dass der ruf des ladens schaden nimmt, weil zu oft männer abgelehnt werden oder die frau besoffen ist etc pp. aber gibt ja jetzt auch immer mehr privatprostituierte die das von zuhause aus machen und dann nur nen typen zu ihrer sicherheit im vorzimmer sitzen haben oder es ganz allein machen. aber klar wird es da auch druck geben, dass nicht zu viele freier abgelehnt werden, denn prostitution ist eben nicht sex mit leuten zu haben die man mag oder gar liebt sondern mit leuten die man nicht kennt -aber in nem normalen job kann man auch nicht 10% der arbeit ablehnen sofern sie nicht tätigkeitsfremd sind (sonst mus man eben aufhören bzw wird gekündigt)]

    ich hatte mal zu diesem thema einen kommentar einer jüngen frau gelesen (sie erwähnte explizit ihr alter – irgendwas mitte 20), die einfach nur meinte prostitution müsse immer zwang sein, denn keine würde sich freiwillig von hässlichen, ü40jährigen, bierbäuchigen männern anfassen lassen.
    diesen kommentar fand ich so widerlich fixiert auf äußeres. so voller ignoranz und hass (mir fällt kein passendes wort ein). denn was zeichnet das denn für ein bild vom wert den diese frau mit solchen männern verbindet? anfassen will die ja freiwillig keiner von mögen oder gar lieben wollen wir da lieber mal ganz schweigen

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  129. „Dennoch: Das Phänomen „Prostitution“ ist nur denkbar in einer Kultur, in der Sex nicht die beiderseitige Lust aufeinander zur Voraussetzung hat, sondern einseitig denkbar ist…. Ich bin aber damit nicht einverstanden, weil ich hier zahlreiche Verwobenheiten mit patriarchalen Strukturen sehe, vor allem mit der Vorstellung, dass es beim Sex auf das Begehren der Frau nicht ankomme, sondern nur auf ihre formale Einwilligung “

    hier werden 2verschiedene sachen vermischt

    sex mit partner = der partner ist (mit) zuständig dafür dass es seinem gegenpart spaß macht =>beide haben was sie wollen: ihren spaß
    prostitution = der/die Prostituierte/r ist zuständig dafür dass der kunde seinen spaß hat, als gegenleistung bekommt er/sie dafür geld oä =>auch hier: beide haben was sie wollen

    dh es gibt einmal eine partnerbeziehung und auf der anderen seite eine dienstleister-kunden beziehung. bei der dienstleister-kunden beziehung ist eben der fokus ein anderer. 2verschiedene arten – aber in der diskussion wird von dem einen als normalstandard darauf geschlossen, dass das andere nicht gut ist.
    aber ich schließe doch auch nicht von meinem verhalten in meiner paarbeziehung darauf, dass mein rollenverhalten im beruf widernatürlich ist und nicht sein soll

    & ob meinem friseur sein job spaß macht ist mir auch wurst – hauptsache ist, dass er gut ist bei dem was er macht. wenn es ihm dann auch noch spaß macht ist das um so besser und toll für ihn. aber ich bezahle ihn ja nicht für seinen spaß an der arbeit sondern für gute ergebnisse… genauso arbeitet er ja nicht für den spaß und ich muss nix zahlen wenn er es auch toll fand – nein er schneidet mir für geld die haare

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  130. @koko – ja, genau das finde ich halt falsch. Ich finde, Sex sollte immer in einer „Partnerbeziehung“ stattfinden, auch wenn die vielleicht nur für diesen Anlass und dessen Dauer besteht. Diese Gleichsetzung von Sex und Haareschneiden finde ich nicht gut, also die Vorstellung zum Beispiel, es gehe beim Sex darum „gute Ergebnisse“ zu erzielen. Man kann es so sehen wie du, aber mir gefällt das nicht – aus den beschriebenen Gründen.

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  131. @Stefanie M.
    Danke für diesen Beitrag, ich hatte so was ähnliches auch im Kopf: Wie will man in der Praxis sichergehen, Zwangsprostitution von freiwilliger zu trennen? Das kommt mir auch etwas weltfremd vor.

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  132. @AntjeSchrupp:

    „Man kann es so sehen wie du, aber mir gefällt das nicht – aus den beschriebenen Gründen.“

    Interessanterweise würde Deine Argumentation aber nicht funktionieren, wenn Männer von heute auf morgen auf das Freien verzichten würden.

    Dass Männer sozusagen als Junk-Food-Konsumenten weiterhin und dauerhaft zur Verfügung stehen, ist bei all Deiner Ablehnung von „Sex gegen Geld“ dann doch eine klammheimliche Voraussetzung.

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  133. Auch wenn die “Dienstleistung einer Sexarbeiterin” wie andere Dienstleistungen als Tauschgeschäft , praktiziert wird, unterscheidet sich dieses, meines Erachtens, trotzdem von anderen Dienstleistungen , weil es auch um Macht in den Interaktionen von Sexarbeiterinnen und Freiern geht. Das, so mein Eindruck, wird von einer kapitalistischen Tauschlogik verschleiert. Diese Logik als Rechtfertigungsargument zu benutzen um Sexarbeit als Dienstleistung wie jede andere zu verkaufen dient sicherlich nicht der Emanzipation der Sexarbeiterinnen, sondern mehr der Herrschaft des Kapitals.

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  134. @Andreas – Wieso das denn? Wenn Männer nicht mehr Sex kaufen wollen würden (oder was meinst du mit „freien“?), könnten wir die ganze Debatte hier doch einstellen.

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  135. Ute Plass schreibt:
    4. November 2013 um 23:12

    „Auch wenn die “Dienstleistung einer Sexarbeiterin” wie andere Dienstleistungen als Tauschgeschäft , praktiziert wird, unterscheidet sich dieses, meines Erachtens, trotzdem von anderen Dienstleistungen , weil es auch um Macht in den Interaktionen von Sexarbeiterinnen und Freiern geht. “

    heißt das es gäbe in anderen dienstleistungen keine machtbeziehungen oder dass sich die machbeziehungen bei prostituierten und freiern nur grundlegend von denen bei anderen dienstleistungen unterscheidet (falls 2.es wäre meine frage inwieweit dies denn so ist)

    ich erinnere daran: bei freiwilliger prostitution ist es letztendlich die prostituierte selbst die bestimmt was geht und was nicht geht

    Antje Schrupp schreibt:
    4. November 2013 um 21:44

    „ja, genau das finde ich halt falsch. Ich finde, Sex sollte immer in einer “Partnerbeziehung” stattfinden, auch wenn die vielleicht nur für diesen Anlass und dessen Dauer besteht.“

    naja wenn das so ist, dann wäre ja für dich ein one-night stand auch ok (dh monogam muss es nicht sein)
    was ist dann der unterschied zur prostitution?
    prostitution ist sozusagen wie eine zweckgemeinschaft/zweck- bzw vernunftehe für eine sehr kurze zeit (er braucht nähe und/oder einfach nur sex – sie braucht geld) ohne dass die frau abhängig ist von einem einzigen mann da sie eben mehr als einen freier hat

    und prostitution ist eben kein liebesbeziehungssex sondern einfach nur sex sex (den es ja auch außerhalb von prostitution gibt), wobei das ziel ist dass der freier das bekommt, wofür er zahlt und was die prostituierte für diesen preis bereit ist zu geben [=konsens].

    ___
    * und die schnellste und einfachst zu gebende nähe ist eben körperliche nähe kombiniert mit der zeit die man kauft und in der man der prostituierten wenn man will auch einfach nur irgendwelche sachen erzählen kann

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  136. rivka schreibt:
    3. November 2013 um 20:57
    „Feministisch-erotische Science-Fiction fänd ich sehr cool. Aber nicht so pseudolesbisch à la 2 sexy Schnitten befummeln sich (zur männlichen Erbauung), sondern wirklich neu erfunden und gedacht, ohne dieses ganze evolutionsbiologistische Geschwafel, mit dem wir hinsichtlich Sex indoktriniert sind.“

    haha das erinnerte mich grade an dies hier

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  137. Zitat von Björn:
    „die Konkurrenz um die attraktivsten Männer.“
    ……schon mal nachgelesen oder nachgehört, welche (Charakter)Eigenschaften Frauen am meisten bei einem Partner am allermeisten schätzen? Na dann, bitte im Internet mal googeln. Lohnt sich allemal. Attraktivität steht nicht an erster Stelle auf dem Wunschzettel von Frauen.
    Gut, bin ja kein Unmensch. Hier die Antwort einer sehr neuen Studie: „Gutes Aussehen kommt erst an zwölfter Stelle, Reichtum erst an fünfzehnter.“

    Nächstes Zitat von Björn:
    „So direkt denkt natürlich kaum einer (nehme ich an), aber es steckt eben noch in den Genen.“
    …..Aha. Ein Gengläubiger. Lieber Björn, es gibt aber Männer, die es als Beleidigung empfinden, wenn sie permanent auf ein mickriges, triebgesteuertes Lebewesen reduziert werden, das einer „durch Evolution und Gene bedingtem Sexualtrieb“ unterliegt und Frauen nur als (Sex)Objekte betrachtet. Ich jedenfalls möchte als Mensch nicht auf so etwas reduziert werden. Wäre ja noch schöner.
    Nimm dir ruhig mal die Zeit folgendes Buch zu lesen: „Die Geschlechterlüge – Die Macht der Vorurteile über Frau und Mann“ von Cordelia Fine.

    Zitat von tom174
    Kulturen, in denen es keine Prostitution gibt? Spontan fallen mir da die Hippies ein. Unsere Gesellschaft pleut unseren Frauen ein, dass Sex etwas ist, mit dem man sparsam umgehen muss. Weibliche Sexualität wird verknappt. Das mag sowohl evolutionäre als auch soziologische Gründe haben, aber es gibt hier ein ziemlich deutliches Ungleichgewicht.

    Tja. Unwissenheit schützt vor Wissen. Aber nicht auf Dauer. Es gibt tatsächlich heute noch Kulturen, wo es nicht einmal Wörter für Prostitution gibt, geschweige den Prostituierte. Ein Albtraum für jeden westlichen Freier, egal ob „der“ Freier männlichen oder weiblichen Geschlechts ist.

    @autor: ich konnte mich bisher nicht dazu überwinden eine weibliche paysex-kundin anzunehmen (solche anfragen kommen so gut wie immer von paaren), so wie viele andere sexarbeiterinnem nicht die option ‘bi’ anbieten. Was wollen sie denn damit aussagen?

    Hallo tom174, die Aussage lautet schlicht und einfach: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinen andrem zu, aber vor allem: Oftmals haben wir eine „liberale“ Einstellung zu allen möglichen Themen, solange wir nicht selbst davon betroffen sind.
    Mit anderen Worten: Wenn ein heterosexueller Mann sich vorstellen soll, sich Geld geben zu lassen, damit ein schwuler Mann sich einer seiner Körperöffnungen zwecks sexueller Befriedigung kauft, dann wird das von dem heterosexuellem Mann abgelehnt. Der gleiche Mann lehnt aber nicht ab, dass andere Menschen ihren Körper für sexuelle Zwecke verkaufen. Das nennt sich dann Scheinheiligkeit oder Doppelmoral oder neuzeitlich: Ambivalenz.

    Volle Zustimmung zu nachfolgendem Zitat
    von rivka
    „Zwar ist es generell in sozialen Berufen so, dass die Trennung von privatem und professionellem Selbst schwieriger bzw. teilweise nicht möglich ist, aber irgendeine Möglichkeit der Distanzierung gibt es in jedem Beruf, indem angeeignete Kompetenzen von intimeren Sphären getrennt werden. Bei Prostitution besteht das Kerngeschäft aber im sexuellen Begehren und die Kernkompetenz meiner Auffassung nach darin, das eigene sexuelle Wollen bzw. Nichtwollen auszublenden. Professionelle Distanz lässt sich meiner Meinung nach dann nur durch die »Auslagerung« aller anderen Persönlichkeitsanteile herstellen. Also wie eine Umkehrung zu anderen Berufen. Dass Prostitution ein »normaler« Beruf wie andere sein soll, sehe ich somit ganz und gar nicht.
    ……
    …… ohne dieses ganze evolutionsbiologistische Geschwafel, mit dem wir hinsichtlich Sex indoktriniert sind.“ Zitatende

    Absolut korrekt! Wie in meinem Artikel schrieb, haben pseudowissenschaftliche Aussagen quasi die Religion(en) abgelöst. In meinem Artikel geht es unter anderem um Folgendes: Wenn Menschen in der Lage sind Raumfahrzeuge zu bauen (eine enorme Geistesleistung) kann man nicht ungestraft beim Thema Männer und Frauen, Sexualität, Pornografie oder Prostitution von „Gen- oder Triebsteuerung“ sprechen ohne sich des Verdachts schuldig zu machen, dass es sich hier in Wahrheit um eine fortlaufende Legitimation für selbstsüchtiges, menschenverachtendes Verhalten handelt. Anders formuliert: Wer einerseits betont, dass nur Menschen fähig sind Raumschiffe zu bauen (Affen sind dazu nicht in der Lage – oder will das hier jemand abstreiten?) und gleichzeitig beim Thema Männer, Frauen, Sexualität immer wieder auf „die Evolution“, „die Gene“, „die Triebe“, etc., etc. herumreitet, hat nicht begriffen, dass diese Doppelmoral (heute nennt sich das Ambivalenz) gerade dabei ist diesen Planeten restlos kaputt zu machen. Es geht eben nicht nur um Prostitution, es geht um weitaus mehr.

    Es geht aber auch darum, dass Menschen es satt sind, sich von Pseudowissenschaftlern für dumm verkaufen zu lassen.
    Frauen sind im Neosexismus nach wie vor „Objekte“ (die pornografische Industrie und Werbung spricht Bände. Beispiel einer Werbung in Norddeutschland, wo ein Bordell mit folgendem Slogan warb: „Ein Bier, ein Würstchen, eine Frau – für 8,99 Euro“.

    Und zum Schluss:

    Wer einen zehnminütigen Beitrag sehen möchte, was an dem neuzeitlichen Neosexismus dran ist und warum zunehmend mehr Männer gegen „die Liberalisierung von Pornografie inklusive Prostitution“ sind, klicke bitte hier – dauert nur ein paar Minuten.
    http://www.wdr.de/tv/frautv/sendungsbeitraege/2013/1031/sexismus_in_werbung.jsp
    Hier geht es vor allem darum, dass in der Werbung die Frau mittlerweile auch als „Hure“ dargestellt wird. Und das stört – erstaunlicherweise – weniger die Frauen (die schon derart ihren Status als Sexobjekt verinnerlicht haben, dass sie blind dafür geworden sind) sondern es stört zunehmend mehr Männer!

    „Unser Zuschauer Karl Gloswky empfindet die Pornographisierung des Alltags als echte Zumutung. Und was ihn mindestens genauso stört: Keiner regt sich so richtig drüber auf… Es gibt genug Spots in denen der Mann der Schusselige, der Unreine oder Dümmliche ist. Und dann kommt die rettende Frau und zeigt dem Mann wie es geht. Das ist nicht so wild, wenn gleich ich es als Mann auch leid bin mir anzuhören, dass ich nicht zwei Dinge gleichzeitig kann, nicht zuhören kann, nicht waschen kann und nicht meine Triebe unter Kontrolle halten kann und nicht gefühlvoll sein kann.“

    Mann o Mann. Wie lange muss ich mir noch diesen Unsinn anhören wie „wir sind Sklaven unserer Triebe“ und deswegen „wird es immer Prostitution“ geben??? Und wie lange muss ich mir anhören, dass „Konkurrenz völlig natürlich ist“??? Wer mag, lese hierzu meinen Artikel „Thesen zur Manipulation“ – den Link habe ich ja schon angegeben.

    (So. Und jetzt setze schalte ich meine „Kiste“ = Computer aus und setze mich in meinen „Schlitten“ = Auto. Erfindungen von uns Menschen, die nie und nimmer zustande gekommen wäre, wenn wir „evolutionsbedingt“ immer nur triebgesteuert durch die Gegend rennen…da säßen wir vermutlich noch in unseren Höhlen oder wahlweise auf Bäumen………….)

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  138. Thesen 1 bis 3 finden meine Zustimmung.

    These 4 (Fragwürdige Vorstellung von Sex) widerspreche ich mit dem Argument: nach welchen Kriterien unterscheidest du zwischen „fragwürdig“ und „seriös“? Es gibt bindungsschwache Männer mit normal entwickeltem Sexualtrieb. Mach es wie mit sexuellen Vorlieben — red ihnen nicht dazwischen (pardon).

    These 5 (Prostitution keine „normale“ Arbeit) widerspreche ich ebenfalls. Ohne selbst in der Branche tätig zu sein: Geschlechtsverkehr kann bezahlte Dienstleistung sein. Was spricht dagegen?

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  139. Nachtrag zu meinem Kommentar (Zustimmung zu Thesen 1-3): deinen Zweifel, Zweigeschlechtlichkeit auf Naturerscheinung zurückzuführen, nehme ich von meiner Zustimmung ausdrücklich aus 😉

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  140. Als Nicht-Sexarbeiterin, die sich ebenfalls für die Rechte von Sexarbeiter_innen einsetzt, hat mich dieser Satz in der Antwort auf die Courtisane etwas irritiert:

    „Ich bin auch für Rechte für Sexarbeiterinnen, aber eben nicht mit der Begründung, dass es eine normale Arbeit ist. Zumal ich dieses Argument für das Ziel auch kontraproduktiv finde.“

    Die Sexarbeiter_innen, die ich bisher kennengelernt habe, sehen das für sich als Arbeit, aber kaum eine würde sagen, dass es ein normaler Beruf ist, den jeder Mensch machen kann (oder gar sollte), wie man kellnern kann. Wenn das jemand als „Arbeit“ sieht, dann muss ich das akzeptieren und ich finde auch, dass in der Sexarbeit arbeitsrechtliche Gesetze greifen sollten. Und dann muss man schauen, dass man nicht Leute über die Arbeitsagentur in Jobs zwingt, die in diesem Bereich sind. Aber auch da kann man grundsätzlich die Frage stellen: Soll die Bundesagentur für Arbeit überhaupt Leute zu einer Arbeit zwingen dürfen (z.B: in der Pflege..).

    Ich finde, dass ich es respektieren muss, dass Sexarbeiter_innen Prostitution als Arbeit verstehen. Zum „normalen Beruf“ machen sie das damit noch nicht, denn sie wissen meist gut genug, dass es kein „normaler Beruf“ ist. Der Vorwurf kommt ja auch eher von den Prostitutionsgegnern und eher in der negativen Formulierung „Das ist kein normaler Beruf“ und ist eigentlich kein besonders verbreitetes Argument unter Sexarbeiter_innen. Sexarbeit als Arbeit anzuerkennen impliziert nicht, sie als „normale Arbeit“ zu sehen.

    Die ganze Diskussion um Rechte geht übrigens auch ohne diese Formulierung, weshalb ich es auch ein bißchen als Ausrede empfinde, sich daran festzuhalten. Es gibt Unmengen an Argumenten (ich spamme Dich lieber nicht voll) und ich halte es für kontraproduktiv sich mit Argumenten zu beschäftigen, die die Begründung und die Diskussion eher nicht weiterbringen. Wir können uns ewig über die „normale Arbeit“ Frage unterhalten, aber es gibt andere, bessere Argumente und ich finde denen kann man sich auch zuwenden.

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  141. @Sonja D. – Danke. Ich habe auch den Eindruck, dass das „ist ein normaler Beruf“-Argument weniger von den Sexarbeiterinnen selbst kommt, als von denen, die aus einer bürgerlichen Perspektive heraus für eine Normalisierung von Prostitution argumentieren. Alison Wolf hat in ihrem Buch „XX-Faktor“ auch dazu einen Abschnitt (auf den ich in meiner Rezension nicht eingegangen bin), wo sie u.a. aus einer ökonomischen Perspektive heraus beschreibt, dass es angesichts der objektiven Einkommensmöglichkeiten es verwunderlich ist, warum nicht mehr bürgerliche Frauen als Prostituierte arbeiten und sie beobachtet, dass für fast alle von denen, die für „Prostitution ist normal“ argumentieren, gleichzeitig selbst ÜBERHAUPT nicht in Frage kommt, das zu tun. Und zwar auf eine andere Art „nicht in Frage kommt“, als zum Beispiel zu Kellnern. Ich glaube, es würde uns tatsächlich weiterbringen, wenn wir – jenseits von Gesetzgebungs- und Regulierungsfragen – an diesem Punkt weiter nachdenken.

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  142. @kokko – Der unterscheid zum One-Night-Stand (der für mich „Partnerbeziehung“ ist), wäre eben, dass nicht Sex gegen Geld getauscht wird, sondern Sex gegen Sex. Und ich bezweifle, dass jede Prositutierte-Kunden-Beziehung „Sex-Sex“ ist, sondern sehr oft wird sie selbst keinen Spaß an dem Sex haben sondern es nur wegen des Geldes professionell über die Bühne bringen, ohne es selbst zu genießen. Dieses „Sex ohne weibliches Begehren“ gibt es natürlich nicht nur in der Prositution, sondern auch sonst (früher war es als „eheliche Pflichten“ sogar institutionalisiert), aber genau das kritisieren ich ja. Prostitution institutionalisiert es schon wieder.

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  143. Nachdem ich einige Tage über deinen Blog nachgedacht habe und deine Argumente (wie immer) sehr gut durchdacht finde, möchte ich zur 3. These noch etwas schreiben. Es ist richtig, dass bei einem Verbot, Prostituierte als Lebensmodell nur die zweitbeste Wahl haben. Ein einfaches Verbot als solches ist wohl auch nicht sinnvoll, das muss schon mehr durchdacht werden, eben damit Prostituierte andere Handlungsoptionen bekommen. Aber wenn wir beispielsweise Atomkraftwerke nicht abschalten wollen, weil die dort arbeitenden Atomphysiker dann nur noch ihr zweitbestes Lebensmodell verfolgen können, dann ist das ein Argument, das die Auswirkung von Atomkraftwerken auf die Gesamtgesellschaft unberücksichtigt lässt. Insofern wird für viele Frauen vielleicht nur noch der zweitbeste Lebensentwurf zur Verfügung stehen, wenn wir um der Gesellschaft willen, Prostitution langfristig abschaffen wollen.

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  144. @feminheart – Ja, vom Prinzip her genauso, nur dass Atomkraft für die Gesellschaft wesentlich gefährlicher ist als Prostitution und die zweitbeste Option für Atomphysiker absolut gesehen sehr viel komfortabler als die zweitbeste für die meisten Frauen in der Prostitution 🙂

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  145. @AntjeSchrupp:

    „Wieso das denn? Wenn Männer nicht mehr Sex kaufen wollen würden (oder was meinst du mit “freien”?), könnten wir die ganze Debatte hier doch einstellen.“

    Nein, denn damit würden ja nicht Frauen aufhören, Sex für Geld anzubieten.

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  146. @Antje Schrupp — mein „Was spricht dagegen?“ war keine echte, sondern eine rhetorische Frage. — Aus deinen Antworten lese ich den Grundtenor des Primats der Paarbeziehung. Hab ich vestanden.

    Ok, also etwas tiefgründiger: nicht nur die Prostitution ist ein gesellschaftliches Produkt, sondern auch die Paarbeziehung, entstanden (nach aktueller Gesellschafstheorie) mit der Entwicklung des Privateigentums. Und zwar zeitgleich.

    Das Primat der Paarbeziehung mag dem bürgerlichen Kontext entsprechen; der Logik entspricht es nicht.

    Widersprich mir, wenn ich irre.

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  147. @Autor zu Thesen….

    Du hast meinen Kommentar mit dem von tom174 verwechselt. Ich bin eine weibliche Sexarbeiterin. Mein Kommentar bedeutete: Viele Menschen haben nunmal eine mehr oder weniger bestimmte sexuelle Orientierung. Ich möchte nicht mit Frauen Sex haben, auch nicht gegen Geld (zumindest bisher nicht), deshalb habe ich vollstes Verständnis dafür, wenn heterosexuelle Männer keine homosexuelle Sexarbeit ausüben wollen. Du scheinst davon auszugehen, dass Penetration im Gegensatz zum Penetrieren entwürdigend ist, eine sehr traurige und sexistische Sicht.

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  148. Ich sehe es auch so wie @Stefanie M. dass freiwillige Prostitution sich nicht wirklich ohne Zwangsprostitution betrachten lässt, weil in der Praxis beide miteinander einher gehen und demselbem System von frauenverachtender Sexualität und Herrschaft entstammen.

    Warum nicht ein Prostitutionsverbot nach schwedischem Modell? Da werden, soviel ich weiß, nicht die Sexarbeiterinnen, sondern die Freier bestraft. So wird nichts »auf dem Rücken der Prostitierten ausgetragen«, und die Kriminalisierung trifft die Konsumenten von Frauen, nicht die Frauen selber, die vielleicht keine bessere Option haben.

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  149. @rivka – Es gibt viele Dinge, die man in der Realität nicht hundertprozentig trennen kann, in der argumentativen und politischen Erörterung aber meiner Ansicht nach unbedingt trennen muss, wenn man sie verstehen will (Macht und Politik ist auch so ein Fall). Die Argumente, die gegen Zwangsprostitution gelten, sind eben für freiwillige Prostitution nicht zutreffend und werden da auch logischerweise niemanden überzeugen. Und in den Realitäten, wo es sich vermischt, gibt es eben immer „freiwillige“ und „unfreiwillige“ Aspekte, ebenso wie es in einer konkreten Situation sowohl Anteile von Macht als auch von Politik gibt usw.

    Das Prostitutionsverbot nach schwedischem Modell befürworte ich nicht, weil Prostitution eben eine Einkommensquelle für viele Frauen ist, und denen nützt es ja nichts, wenn man ihre Kunden bestraft. Es wird also natürlich doch „auf dem Rücken der Prostituierten“ ausgetragen, übrigens auch konkret, weil ihre Arbeitsbedingungen dann unsicherer uns schlechter werden.

    Ich fand in dem Zusammenhang auch die Argumentation bei kleinerdrei interessant.

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  150. Nun ja, diese Passage auf Kleinerdrei scheint mir ein wichtiges Argument: »Langfristig führt auch dieses {schwedische} Modell nicht zu einer Abschaffung der Prostitution sondern nur zur Entrechtung der Prostituierten, die nun – weil sie ja nicht mehr legal anschaffen dürfen – den korrupten und sexuelle gewalttätigen Polizisten, zahlungsunwilligen Freiern und der Ächtung der Gesellschaft ausgesetzt sind. Solche Zustände sollte man wohl kaum als Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit bewerten.«

    Aber irgendwie beißt sich da die Katze in den Schwanz: denn wenn Prostitution einerseits ein reaktionäres Frauen- und Sexverständnis tradiert und fördert und somit der ganzen Gesellschaft schadet (also z.B. auch mir) und andererseits nicht verboten werden darf, weil es dann ganz konkret den Prostituierten schadet – was dann?

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  151. @rikva… das ist aber nicht dein Ernst… wie in Schweden? Wir machen alle Restaurants zu, weil ein paar Restaurantbetreiber Ratten an die Kunden verfüttern? Bzw. noch besser, wir bestrafen die, die in Restaurants gehen deswegen? Was für Argumente… und wenn wir das jetzt auf alle Dienstleistungen übertragen, haben wir’s: verbieten wir doch am besten gleich alles. Das dürfte dann zumindest einigen wenigen gefallen. Spielen wir doch ein bisschen Mittelalter – Hexenverbrennung und so… geht’s noch, Leute?

    @ute… cool, daß du das gepostet hast… hab’s auch grad unterschrieben und wollt’s hier zur Info mal posten *smile*

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  152. @Wolfgang – Mittelalter, Hexenverbrennung – jetzt fehlt nur noch ein Hitlervergleich, und die Liste ist komplett. Das sollen Argumente sein?

    BTW: Wenn in einer Mehrzahl der Restaurants Ratten verfüttert würden und es aufgrund der Gesetzeslage keine Möglichkeit gäbe, das effektiv zu kontrollieren, fände ich ein generelles Restaurantverbot durchaus erwägenswert.

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  153. Liebe Antje!

    […] es ist sicherlich nur eine winzig kleine Minderheit unter den Frauen, die auf diese Weise Geld verdienen. Damit kann man imho nicht argumentieren, wenn es um eine kulturelle Bewertung von Prostitution generell geht, das Argument “Sexarbeiterinnen haben in der Regel riesigen Spaß an Sex mit ihren Kunden” ist auf der Pro-Sexarbeit-Seite das Äquivalent zum Argument “Alle Prostituierten sind Opfer und werden zu dieser Tätigkeit von bösen Männern genötigt” auf der Gegenseite.

    Man kann imho auch nicht damit argumentieren, dass es gerechtfertigt sei die Prostitution zu verbieten, weil so viele Sexarbeiter_innen in ihrem Job nicht so aufgehen wie ich. Wir verbieten auch nicht die Arbeit an der Kasse im Supermarkt oder auf dem Bau oder an der Plastesortiermaschine, nur weil ein Großteil der Menschen dort „nur wegen des Geldes“ arbeitet und nicht etwa aus Erfüllung eines persönlichen Lebenstraums. Und was heißt überhaupt „Mehrheit“? Generell ist es problematisch, in der Prostitutionsdebatte mit Zahlen zu argumentieren. Denn es gibt keine empirischen Studien dazu. Wir wissen überhaupt nicht, wieviele Menschen dauerhaft oder kurzzeitig in der Prostitution arbeiten.

    90% Zwangsprostituierte? Es gibt dafür keine Belege! Du glaubst mir nicht, wenn ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und Kontakte innerhalb der Prostitution sage, die Mehrheit arbeite freiwillig. Okay. Aber auf welcher Grundlage glaubst du dir selbst, wenn du behauptest, dass die Minderheit Spaß an dem Job hat? Wieviele Huren kennst du denn persönlich? Fakt ist, alle Sexarbeiter_innen, die ich kenne, wollen einfach in Ruhe, legal und ohne Schikane arbeiten, freiwillig – Spaß hin oder her!

    Ich behaupte nämlich gar nicht, dass Sexdienstleister_innen in der Regel riesigen Spaß an ihrem Job haben. Sondern ich spreche mich dafür aus, dass auch die, die nicht unbedingt Spaß an ihrem Job haben, ihn aber für sich als okay empfinden, ein Recht auf Rechte, auf saubere und sichere Arbeitsbedingungen, ein Recht auf gerechten Lohn, ein Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft, ein Recht auf Akzeptanz und Respekt, ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, ein Recht auf legalen Status haben. Man erweist uns Sexworkern – egal ob wir auf der Straße arbeiten, im Bordell, im Studio, im Sternehotel, im Club oder vor der Kamera – keinen Dienst, wenn man Prostitution oder den Kauf sexueller Dienstleistungen verbietet. Es geht uns als gesellschaftlich Geächtete in der Illegalität ohne Verdienstmöglichkeiten nicht besser, im Gegenteil.

    Das Argument, Prostitution sei ein “normaler” Beruf kommt ja nicht von mir, sondern von der Pro-Sexarbeit-Fraktion.

    Nein, nein, das siehst du ganz falsch. Das Argument kommt nicht von uns Sexworkern. Es ist vielmehr so, dass Prostitutionsgegner_innen uns unstellen, wir würden behaupten, Prostitution sei ein „normaler“ Beruf. Das tun sie, um unsere Position zu delegitimieren, weil ja wohl jeder „normale“ Mensch sofort sehen könne, dass das kein „normaler“ Beruf sei. Unsere Position zur Frage der „Normalität“ ist Enthaltsamkeit. Wir fragen nicht danach wie „normal“ ein Beruf ist, wenn wir für unsere Existenzrechte kämpfen. Wir fragen ja auch nicht nach der „Normalität“ von Homosexualität, wenn es um die Frage geht, ob das verboten sein sollte oder nicht.

    Unser Argument geht so: Dass Prostitution von der Mehrheit der Gesellschaft nicht als „normaler“ Beruf anerkannt wird, hat historisch-kulturelle Gründe und hängt in erster Linie mit der Jahrhunderte alten Tabuisierung der Sexualität und der traditionellen Entrechtung Prostituierter zusammen. Aber selbst wenn Prostitution noch nicht als „normaler“ Beruf anerkannt ist, ist das kein Grund dafür, dass er anderen Berufen rechtlich nicht gleichgestellt ist. Denn erst durch eine rechtliche Gleichstellung mit anderen Berufen (die noch immer unerreicht ist und die es nie gab) könnte sich zeigen, ob Prostitution nicht irgendwann ein als „normal“ betrachteter Beruf werden könnte. Diejenigen, die uns gleiche Rechte verwehren, tun das nicht, weil Prostitution kein „normaler“ Beruf ist, sondern weil sie möchten, dass es kein „normaler“ Beruf bleibt. Logisch, alles was rechtlich sonderbehandelt wird, gilt als nicht „normal“. Auch Schwul-Sein gilt heute noch nicht überall als „normal“. Und es gab Zeiten, da galt es als nicht „normal“, dass Frauen wählen durften.

    Ich will, dass Sex etwas ist, das zwei (oder mehr) Menschen gemeinsam machen und nicht, was die einen für die anderen machen – was aber die Grundlage von Arbeitsteilung und Erwerbsarbeit ist.

    Auch du willst nicht, dass sexuelle Dienstleistungen als eine von vielen „normalen“ Formen der sexuellen und/oder beruflichen Betätigung anerkannt wird. Du möchtest nicht, dass wir gleiche Rechte genießen. Aber ist „ich will das nicht“ ein legitime Begründung dafür, Menschen in ihrer sexuellen und sonstigen Selbstbestimmung einzuschränken? Es gibt auch Menschen, die wollen nicht, dass Schwule Kinder adoptieren dürfen und trotzdem ist es richtig, dafür zu kämpfen, dass das generell erlaubt sei.

    Warum darf Fensterputzen, Massieren, Burgerbraten, Zehnägellackieren, Musizieren, Opperieren oder Ghostwriten Grundlage von Arbeitsteilung sein, aber nicht sexuelle Befriedigung? Warum nicht Sex? „Ich will das nicht“ ist doch keine Begründung! Es muß doch einen rationalen Grund dafür geben oder treibt dich nur eine irrationale Angst vor der sexuellen Enthemmtheit unserer Gesellschaft? Was ist schlimm am Angebot sexueller Dienstleistungen? Solange niemand dich zwingt, das zu tun oder in Anspruch zu nehmen, solange niemand deine sexuelle Selbstbestimmung einschränkt – was kümmert es dich!?

    Das bezweifle ich auch nicht, aber es ist genau dieses neoliberale “Freiheits”-Argument, wonach die Freiwilligkeit individueller Entscheidungen gleichgesetzt werden mit “ist doch völlig okay”. […] Und das Thema betrifft nicht nur die Beteiligten, sondern auch mich, zum Beispiel wenn ich mich im öffentlichen Raum mit Bordellwerbung […] konfrontiert sehe.

    Ich halte die individuelle Freiheit jedes Einzelnen für ein sehr hohes Gut und sehe keinen Grund sie unnötig einzuschränken, solange die individuelle Freiheit anderer dadurch nicht ernsthaft bedroht ist. Was ist denn nicht okay daran, dass ich für mich entscheide, das mit der Prostitution tun zu wollen? Der einzige Punkt, an dem du deine persönliche Betroffenheit als Argument ausspielen kannst, ist der der öffentlichen Werbung. Ich verstehe, dass dir obszöne Bordellwerbung oder sexualisierte Darstellungen von Frauen unangenehm aufstoßen. Das geht mir auch häufig so.

    Aber, nach §119 OWiG ist es bereits jetzt ordnungswidrig, öffentlich für sexuelle Dienstleistungen zu werben, wenn dies a) „geeignet ist, andere zu belästigen“ oder b) „in grob anstößiger Weise“ geschieht. Selbst wenn du diese Ordnungswidrigkeit in ein Verbot umwandelst und niemand mehr für Sexdienstleistungen wirbt, wirst du dich immer noch von Axe-Werbung oder Passionata-Werbung oder ähnlicher, maskuline Phantasien spiegelnder Plakatierung im öffentlichen Raum belästigt fühlen.

    Dass die Stadt derart mit „Idealfrauen“ gepflastert ist und wir Feministinnen uns durch eine Flut sexistischer Darstellungen zu Recht oft angegriffen fühlen, kann man also schwerlich allein der Existenz legaler Prostitution anlasten. Es macht demzufolge aber auch keinen Sinn, dieses Phänomen allein in Bezug auf Prostitution zu bekämpfen. Klüger erscheint es mir, der Werbebranche ins Gewissen zu reden und für einen nicht-diskriminierenden Umgang mit menschlicher Sexualität im öffentlichen Raum einzutreten.

    Aber die rechtliche Diskriminierung von Prostituierten zu akzeptieren oder sogar gutzuheißen, weil nicht alle in ihrem Job aufgehen, weil du das eben nicht willst, dass Sex Gegenstand von Arbeitsteilung ist und weil du dich von Bordellwerbung persönlich belästigt fühlst. Das ist dein Grund dafür, unsere Freiheit einzuschränken!?

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  154. @Carmen – Ich betrachte die Frage aber doch gar nicht als eine von Rechten. Ich bin nicht gegen gleiche Rechte für Sexworker. Was ich will, ist eine kulturelle Debatte über das Thema Prostitution losgelöst von Gesetzen. Ich finde es generell falsch, dass jedes x-beliebige Thema immer nur unter der rechtlichen Perspektive diskutiert wird, als eine von „soll man es verbieten oder nicht“. Es gibt viele Dinge, die ich falsch finde, bei denen ich aber nicht der Meinung bin, dass man sie verbieten sollte. Und das ist auch hier der Fall.

    Deshalb sehe ich mein „Ich will das nicht“ eben gerade doch NICHT als Argument für Verbote, sondern es ist der Grund dafür, warum ich hier solche Sachen blogge, zum Beispiel. Oder eben über dieses Thema diskuiere.

    An dem Punkt sind wir dann übrigens zusammen, ich denke auch, dass in dem Moment, wo es gleiche Rechte gäbe, diese Debatte erst wirklich geführt werden kann, weil nicht jeder Einwand gegen Prostitution gleich als Verbietenwollenunterstellung pariert wird. Mein „Ich will das nicht“ ist halt doch eine legitime Motivation für mich, öffentlich zu sagen, dass ich das nicht will (und ein paar Gründe habe ich ja auch schon angeführt).

    Interessant finde ich deinen Hinweis darauf, dass Sexworker selbst nicht sagen, Prostitution sei eine „normale Arbeit“. Ich schrieb ja auch, das Argument komme von der „Pro-Sexwork-Fraktion“, vermutlich kommt es von denen, die sich zu dem Thema eher eine theoretische Meinung bilden, aber selber nicht betroffen sind, vielleicht in dem Wunsch, besonders liberal oder fortschrittlich zu sein. Aber dass es nur eine Unterstellung wäre, kannst man eher wohl nicht sagen, wenn man anschaut, wie oft das Argument auch hier in den Kommentaren schon vorgebracht wurde. Allerdings nicht von denen, die in der Prostitution arbeiten, da hast du recht.

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  155. „Wie will man in der Praxis sichergehen, Zwangsprostitution von freiwilliger zu trennen?“

    Verrückterweise könnte man das am Besten durch deutlich mehr Verregelung der Sex-Arbeit erreichen!

    Die hier geforderte „Gleichstellung“ in diversen arbeitsrechtlichen und freiberuflich-gewerblichen Kontexten wäre dafür allerdings nicht hinreichend! Es müsste darüber hinaus einen AUSBILDUNGSWEG geben, der zu einer qualifizierten Sex-Arbeits-Lizenz führt, ohne die Sex-Arbeit illegal wäre. Dazu gehört dann auch Weiterbildung in gewissen Abständen, vielleicht könnte man auch Strukturen erdenken, in denen eine Art Supervision angeboten wird. (Genau so wie mittels Vernetzung auch mehr SICHERHEIT ohne Zuhälter machbar wäre.)

    Sinnvolle Ausbildungsinhalte gäbe es genug: Rechtliches, Medizinisches, Psychologisch-Therapeutisches, ein Kurs in Selbstverteidigung, sowie alles rund um Selbständigkeit und andere Formen der Arbeit, inkl. der Vermittlung legaler Werbeformen und und und…

    Ich sehe nicht, wie kriminellen Banden es unter solchen Bedingungen noch schaffen könnten, ihre Opfer durch solche Ausbildungen zu zwingen, ohne dass auffällt. dass diese den Beruf nicht freiwillig anstreben!

    Die Prostitution OHNE SCHEIN könnte dann konsequent mit den Mitteln des Rechtsstaats verfolgt werden. Klappt ja auch in anderen Wirtschaftsbereichen, wo bestimmte Erlaubnisse und Ausbildungsvoraussetzungen durchgesetzt wurden.

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  156. @ClaudiaBerlin: Da kann ich mich Antje nur anschliessen. Das wuerde, nehme ich zumindest an, gleichzeitig direkt auch das Ansehen der Sexarbeiter_Innen staerken..

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  157. @ClaudiaBerlin, @Charlotte, @Antje Schrupp — Prostitution als Ausbildungsberuf …

    … saftig. Darauf hat die Welt gewartet. Was eventuell noch fehlt, wäre das Pflichtjahr auf der Walz

    (Bitte keine Missverständnisse, ich verabscheue Zwangsprostitution ebenso wie sonstige Sklaverei … aber das da ist heftig!)

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  158. @Wolf-Dieter:

    „… saftig. Darauf hat die Welt gewartet. Was eventuell noch fehlt, wäre das Pflichtjahr auf der Walz …“

    hast du auch ein sachliches Argument? Allein schon, dass du auf dem Begriff „Prostitution“ bleibst, empfinde ich als Diskriminierung der Menschen, die das freiwillig und wie man liest zum Teil auch gerne machen. Die von mir skizzierten Inhalte sind genau das, was in diesem Sektor zur Bildung und Stärkung der Sex-Arbeiter_innen beiträgt. Es könnte sogar Weiterbildung zur Sex-Therapeutin geben, wofür es ja durchaus Bedarf gibt…

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  159. „Ich sehe nicht, wie kriminellen Banden es unter solchen Bedingungen noch schaffen könnten, ihre Opfer durch solche Ausbildungen zu zwingen, ohne dass auffällt. dass diese dliesen Beruf nicht freiwillig anstreben!“

    Oh – kriminelle Banden wird das wohl sicher nicht abhalten, eher befeuern, weil mit einem Ausbildungberuf eine gesellschaftliche Anerkennung verbunden ist. Schliesslich werden auch auf dem Bau oder sonst so begeistert Schwarzarbeiter in Ausbildungsberufen eingesetzt und der Gesetzgeber bekommt das nicht in den Griff.

    Die werden wohl kaum ihre Opfer durch Ausbildungen zwingen, sondern einfach ohne Ausbildung „arbeiten“ lassen – größere Ansprüche an die Ausbildung werden in dem Beruf schliesslich ja nicht inhärent gestellt, aber Kostenreduktion scheint ein Prinzip zu sein.

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  160. In einem Land, in dem ernsthaft darüber diskutiert wird, Prostitution (oh Verzeihung, Sexarbeit, das andere Wort darf man hier ja nicht mehr äußern, es diskriminiert die Sexarbeiter_innen) zu einem anerkannten Ausbildungsberuf zu machen, und Leuten, denen das mehr als komisch vorkommt, mangelnde Sachlichkeit vorgeworfen wird, möchte ich nicht mehr leben.

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  161. @Luzie: auch du hast offenbar kein ernsthaftes ARGUMENT dagegen, sondern nur irgendwelche moralischen Gefühle, keine Ahnung!

    @Andreas: das Argument, mit dem jene, die eine erneute Kriminalisierung der Sex-Arbeit anstreben, ist doch, dass sich nur so der Menschenhandel und die Zwangsprostitution erfolgreich bekämpfen lasse. Weil ansonsten ein klares Unterscheidungsmerkmal fehle, da jede und jeder immer BEHAUPTEN könne, es freiwillig zu tun. Eine Ausbildung mit einem Abschluss / Zertifikat etc. wäre ein solches Unterscheidungsmerkmal, das eben NICHT mit irgendwelchen Opfern mal eben schnell zu bekommen wäre. Eine Ausbildung verschafft viele soziale Kontakte, vermittelt juristisches und anderes nützliches Wissen – eben die Kompetenz, sich auch zu wehren, bzw. ein normales Freiberufler/Dienstleister-Standing zu bekommen.

    Dass kriminelle Banden DENNOCH versuchen würden, illegal arbeiten zu lassen, wie es auch auf dem Bau geschieht, ist insofern kein Gegenargument gegen die Ausbildung. Denn die Lage bzgl. dieser „Schwarzarbeit“ ist dann auch nicht anders als bei komplett verbotener Sexarbeit: die würde ja auch dann nicht wirklich verschwinden, sondern illegal weiter gehen. Sehr wohl würden aber alle in Frieden ihrer Tätigkeit nachgehen können, die die Ausbildung gemacht haben.

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  162. @Claudia, ne, habe ich auch nicht. Weil es sich von selbst versteht. Aber diese Einstellung kann ja nicht ernthaft sein, man muss alles belegen und beweisen.

    Ihr habt sie ja wohl nicht mehr alle.

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  163. @ClaudiaBerlin:

    Nein, es ist kein Argument gegen eine Ausbildung – nur dafür, dass man nicht gerade Wunder erwarten sollte, wenn Prostitution eine Ausbildung verlangt.

    Abgesehen davon kommt mir die Sache ein wenig theoretisch vor – kann ja sein, dass es ein paar Frauen gerne machen und einige sogar sehr hohe Einkommen für ein gewisse Zeit ihres Lebens erzielen können.

    Beim Gedanken, dass etwa Eltern mit ihrer Tochter beim Besprechen der Berufschancen dann „Werde doch Prostituierte, da verdienst Du gut, hast keinen allzuanstrengenden Job, kommst mit vielen Leuten in Kontakt *g*…“ äussern – also, da sträuben sich mir dann doch irgendwie die Haare.

    Klar, selbst bei Primaten gibt es schon Prostitution – dass etwa Schimpansen-Männchen sich einen Fick kaufen können, indem sie dem Weibchen eine Banane schenken etc. ist bekannt.

    Aber das und die Freude einzelner Frauen an dem Beruf ist ja nicht das einzige Argument – ich würde mal eine Analogie zur Pädophilie oder zur Kindererziehung durch Schlagen ziehen. Beides waren einmal gesellschaftlich anerkannte Umgangsformen – die Tatsache, dass dem heute nicht mehr so ist und beides sogar unter Strafe steht, hat nicht nur mit christlichem Moralgesabbel zu tun, sondern auch damit, dass Kinder als Individueen entdeckt worden sind, die ein eigenes Erleben und eine eigene Welt haben.

    Deswegen kann man noch lange nicht behaupten, dass Kinder unter der Pädophilie früherer Erwachsenen ( Antike ) gelitten hätten oder Schläge durch ihre Eltern immer schlimme Folgen gezeitigt hätten.

    Man kann aber davon ausgehen, dass heutige Kinder – die in einer Gesellschaft aufwachsen, die eben einen anderen Blick auf sie hat – solche Erlebnisse als starke Ein- und Angriffe auffassen würden. Und das liegt eben daran, dass sich der gesellschaftliche Blick auf Kinder und damit auch ihr Eigenverständnis geändert hat.

    Entsprechend ist für mich auch nicht unbedingt „Das macht doch Frau x-y gerne“ ein Argument – das ist so, wie wenn heutige Erwachsene davon faseln, dass ihnen die Schläge, die sie als Kinder bekommen haben, auch nicht geschadet haben.

    Ich halte das in der Mehrzahl der Fälle für eine Verweigerung zur Weiterentwicklung, zynisch oder verzweifelt.

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  164. @Andreas: Dass ein Affe seiner Erwählten eine Banane schenkt, halte ich nicht für Prostitution. Dass man das so interpretiert, mutet mich schon seltsam an! Demnach wäre auch das Mitbringen eines Blumenstrausses oder die Einladung zum Essen schon „Bezahlung“ – absurd!

    Was den „gesellschaftlichen Blick“ auf Sex-Artbeit angeht, so hat der sich m.E. in Deutschland genau in die andere Richtung entwickelt: weniger grundsätzlich DAGEGEN, mehr hin zu einem Verständnis als Dienstleistung. Dem tragen denn auch die bisherigen gesetzlichen Veränderungen Rechnung, wenn auch der Ansatz bisher nicht ausreichte, um Ausbeutung und Menschenhandel erfolgreich zu bekämpfen (Geissler meint z.B., das Gesetz würde nur nicht richtig durchgesetzt). Wie man liest, ist ein Update in den Koalitionsgesprächen Thema – es wird da wohl einige Änderungen geben bis hin zur Strafbarkeit für Kunden in Fällen, wo der menschunwürdige Rahmen erkennbar war.

    Dass Eltern ihren Töchtern (oder Söhnen) zur Prostitution raten, halte ich für eine SEHR hypothetische Annahme!

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  165. @ClaudiaBerlin:

    „Demnach wäre auch das Mitbringen eines Blumenstrausses oder die Einladung zum Essen schon “Bezahlung” – absurd!“

    Die Sache ist ziemlich eindeutig, wenn man nämlich weiss, dass das Weibchen ohne Bezahlung den Sex verweigert und das Männchen für das „Geschenk“ den Sex erwartet.

    Übrigens ist es doch eigentlich auch gar nicht verwunderlich, dass man „Prostitution“ bei Affen findet.

    „…mehr hin zu einem Verständnis als Dienstleistung.“
    „Dass Eltern ihren Töchtern (oder Söhnen) zur Prostitution raten, halte ich für eine SEHR hypothetische Annahme!“

    Ja, nun, diese Pseudo-Liberalität ( sollen andere das doch ruhig machen, aber um Gottes willen ich will damit nichts zu tun haben, dann kann ich mich auch so schön überlegen fühlen ), die sich in diesen beiden Aussagen wiederfindet, braucht die Welt nicht, denke ich, auch wenn Du Recht haben magst, dass sie sich gerade in Deutschland häufig – vor allem unter Grünen – findet.

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  166. @ClaudiaBerlin:

    Ich bin natürlich für Weiterbildungsangebote. Das Problem bei einer Ausbildungspflicht ist aber, dass Sexarbeit nunmal im informellen Sektor ist und oftmals eine Survival-Strategie darstellt, und nicht ein Traumberuf. Es gibt unzählige Gelegenheitssexworker und sogar Personen die transaktionellen Sex praktizieren, aber sich nie und nimmer als Sexarbeiter sehen würden. Meiner Einschätzung nach arbeiten die meisten nur ein paar Jahre oder gar Monate, wenn sie gerade Geld brauchen und dies die beste Option erscheint. In dieser Hinsicht ist es sehr vergleichbar mit Kellnern. Auch dort gibt es gleichzeitig richtige Profis und temporär arbeitende Aushilfen.

    Zertifizierungspflichten dienen normalerweise dem Konsumentenschutz, und nicht dem Schutz der Anbieter. Daher nimmt man in Kauf, die Anbieter bei Verstössen zu bestrafen. Wenn aber Ausbeutung eingedämmt werden soll, schafft eine Ausbildungspflicht nur neue Opfer. Was ist mit allen Frauen, die nur für ein paar Monate hier arbeiten und kaum Deutsch können? Soll man die alle kriminalisieren und somit noch verletzlicher machen? Opfer von Ausbeutung und Gewalt, welche gleichzeitig aber auf ihr Einkommen aus der Sexarbeit angewiesen sind, befinden sich dann in derselben Lage wie illegal anwesende Migrantinnen- sie können sich erst recht keine Hilfe holen, weil sie Sanktionen befürchten müssen. Man schafft neue Erpressbarkeit für Personen, für welche Sexarbeit kurzfristig die beste Option darstellt und welche folglich nicht auf ein Diplom warten können/wollen, evtl. gar nicht die Ressourcen für eine Ausbildung haben. Man schafft neue Gesetze, mit welchen Polizisten Sexarbeiterinnen verfolgen können, wodurch das Misstrauen gegenüber der Polizei steigt bzw. sich nicht verbessert. Diejenigen, welche die Ausbildung durchführen würden, wären voraussichtlich einheimische Frauen, welche ohnehin schon eine Ausbildung haben, Sexarbeit als langfristige Karriere aus Leidenschaft ansehen und es sich leisten können, trotz Stigmatisierung offen zu ihrem Beruf zu stehen. So lange „Hure“ immer noch als die schlimmste Beleidigung für Frauen gilt, werden das sehr wenige sein. Sexarbeit kann immer noch ein Karrierekiller sein, und zwar unabhängig davon ob man auf einem anderen Beruf hohe Qualifikationen aufweist. Dies dürfte eine Ausbildungspflicht weiter erschweren.

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  167. @Sina – Dein Beitrag verdeutlicht, wie sehr wir uns alle in den vorherrschenden Strukturen mehr oder weniger ‚prostituieren müssen‘ um ein Einkommen zu generieren. Antjes Blog trägt ja die schöne Überschrift:
    „Aus Liebe zur Freiheit“, und in diesem Sinne gilt es auch Macht/Herrschaftsstrukturen zu verändern, damit wir alle frei werden können, hin zu sinnvollem Tun und Tätigsein. Ich gehe davon aus, dass auch Sexarbeiter_innen mit einer repressionsfreien Grundsicherung (z.B. mit einem bedingungslosen Grundeinkommen) ähnliche Antworten geben würden wie andere Erwerbsarbeiter_innen auf die Frage „Was würdet ihr tun, wenn für euer Einkommen gesorgt wäre?“ Die Frage habe ich in einem der Kommentare zwar schon mal formuliert, aber eine meiner guten Eigenschaften ist halt Hartnäckigkeit.:)
    Zwar betrachte ich die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommen nicht als der Weisheit letzter Schluss
    aber als „Teil der Lösung“ allemal. https://antjeschrupp.com/2013/09/17/erkennen-was-notwendig-ist/

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  168. Würde ich, wenn ich EU-Bürgerin wäre. Ich habe die Schweizer Volksinitiative unterschrieben, welche gültig zustande gekommen ist (d.h., das Volk wird über ein bedingungsloses Grundeinkommen abstimmen).

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  169. Bzgl. “Spaß am Sex bzw. an der Arbeit”:

    Jedesmal wenn ich beim Zahnarzt bin wundere ich mich wie der gute Mann Freude daran haben kann tagein tagaus in irgendwelchen (womöglich überlriechenden) Mündern herumzufummeln. Die Tätigkeit an sich stell ich mir wenig erbaulich und recht öde vor.

    Nun ist es aber so daß der Beruf Zahnarzt (bzw. dessen Attraktivitär) aus mehr und wohl auch relevanteren Dingen besteht als aus der eigentlichen Kernaktivität: Selbständigkeit, gute Bezahlung und Ansehen würde ich da mal als Beispiele nennen.

    Ich vermute mal daß es bei Prostitution ähnlich ist: Vom gesellschaftlichen Ansehen abgesehen würde würde ich da noch freie und relativ spontane(?) Zeiteinteilung dazunehmen. Auch die nicht vorhandenen Anforderungen bzgl. Ausbildung sind für viele da Tätige sicher ein Plus.

    Also, Spaß am Sex: Nein (was wie beim Zahnarzt nicht tägliche Überwindung heißen muß)
    Spaß am Beruf: Ja.

    PS: Typisch Mann, kaum gehts um ein schlüpfriges Thema, schon muß ich meinen Senf dazugeben 😉

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  170. Zahnarzt / Zahnärztin: Er/sie hat die Berufung, Zahnkrankheiten zu heilen und Menschen, die darunter leiden, von ihrem Leiden zu befreien oder es zumindest zu lindern (Hinweis: Eid des Hippokrates, auch wenn nicht mehr bindend, enthält u.a. Schweigepflicht und Ausschließung sexueller Handlungen am Patienten).

    Prostituierte: Er/Sie hat die Berufung, Menschen, die unter… Sexsucht leiden, diese… […enter your option…]

    Was für Vergleiche hier gezogen werden, ist einfach unglaublich. Verkäuflichen Sex mit Beruf gleich zu setzen ist der falsche Weg. Komplett falsch in Bezug auf Menschlichkeit.

    Aber in dieser kaltschnäuzigen Gesellschaft kommt das Gefühl dafür anscheinend immer mehr Menschen abhanden, weil es nur noch um Geld geht. Darum ist die Prostitutionslobby auch so lautstark. Ausgerechnet Menschen, die für die Rechte von Frauen kämpfen, werden davon unterwandert und verblendet. So auch hier. Es ist bedauerlich und traurig und beschämend.

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  171. @Luzie
    Ich teile Dein Unbehagen, wenn auch nicht alle Deine Argumente. Ich wundere mich nur noch, wie stark das Pro-Prostitutions-Denken ist, gerade auch in feministischen Kreisen. Es ist seltsam. Mehr fällt mir dazu auch in diesem Forum nicht mehr ein.

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  172. @Luzie
    Vielen Dank für den Link. Eine seltene Position im linken Lager. Lauter kluge Sätze, die ich gern als Flugblätter herabregnen lassen würde: »Die Abschaffung des Opfers ist ein interessantes zeitgenössisches Phänomen. Alle Menschen werden für ihr Schicksal verantwortlich gemacht, damit auch für alles, was daneben geht. Menschen dürfen keine »Opfer« sein. Sie sind »Subjekte«. Aber der Gegensatz von »Opfer« ist nicht »Subjekt«, sondern »Täter« – und es ist diese Kategorie, die eigentlich abgeschafft werden soll: ohne Opfer keine Täter.«
    »… ein kapitalistisches System zu stützen, in dem menschliche Körper zu Waren gemacht werden und der Staat zu einem Zuhälter, der daran Steuergelder verdient«
    »Gesetze können jedoch Zeichen setzen und somit zu der kulturellen Veränderung beitragen, auf die es letztlich ankommt.«
    »Wenn das Beste und Radikalste, das wir anzubieten haben, eingezäunte Parkplätze mit »Verrichtungsboxen« sind, dann sieht die Zukunft düster aus. Ich träume von der Befreiung der Sexualität vom Kommerz; von einer Sexualität, bei der alle Beteiligten Lust verspüren.«
    WORD!
    Mir ist in diesem Thread weiter oben etwas die Luft ausgegangen, aber jetzt ist wieder welche da:-)

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  173. @Luzi: Dieser Link enthält das Beste, was ich je zu diesem Thema gelesen habe! Mit meinen eigenen Worten sage ich: Prostitution ist unmenschlich. Weil es dem/der Zahlenden „erlaubt“, ein „Recht“ auf die Verwirklichung der eigenen Sex-Wünsche auszuleben, OHNE dabei die Gefühle und Wünsche der/des „Dienstleistende(n) “ in sexueller Hinsicht berücksichtigen zu müssen. Ja, er/sie befreit sich mit Geld davon, sie überhaupt wahrnehmen zu „müssen“. So degradiert man Menschen zur Sache. Egal, ob sie das „freiwillig“ und „mit Spaß“ tun, wie Protagonisten der „Sexworker“-Community vorgeben oder wie sich viele Männer auch hier im Forum das (leider) wünschen.

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  174. Mir ist sie schon lange weit oben ausgegangen, d. h. mir wurde sie regelrecht abgewürgt. Deshalb poste ich hier auch nicht mehr unter meiner Webidentität. Rate mal, wer Luzie ist!

    Meine Großmutter 🙂

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  175. @antjeschrupp:
    Du schreibst weiter oben:
    „Beim Sex hingegen sollte es meiner Ansicht nach so sein, dass das Begehren von allen Beteiligten gleichermaßen involviert ist, wie gesagt, nicht in Bezug auf irgendeine “Heilige romantische Liebe” sondern allein in Bezug auf das, was sexuell in dieser Situation passiert.

    Deshalb bin ich der Meinung, dass Sex nicht “konsumiert” werden sollte, dass er nicht gegen andere Dinge eingetauscht werden sollte, denn zum Tausch gehört gerade das Loslösen von der Gegenseitigkeit und die Übertragung des Wertes auf ein neutrales Äquivalent wie Geld.

    In dem Vokabular unseres ABCs gehört Sex daher für mich ins Feld der Gabe und nicht ins Feld des Tauschs.“

    Mh, aber ist „Ich stille jetzt nur dein sexuelles Begehren, wenn du auch meines stillst und sonst nicht.“ nicht auch eher eine Form des Tausches, wenn auch ohne die ganzen juristischen Überbau?
    Wäre eine Gabe nicht eher etwas in dieser Art: „Ja, ich stille jetzt gerne dein sexuelles Begehren, denn ich habe dich gern und möchte dir das zum Geschenk machen.“?
    Das kann dann in dem Moment auch gleichermaßen erwidert werden, muss es aber nicht.

    Kann also „guter“ Sex, auch ohne kapitalistischen Überbau, nicht beide Formen annehmen? Der Tausch (Sex gegen Sex), zum Beispiel im sog. „One-Night-Stand“ und die Gabe zum Beispiel in romantischen Beziehungen?

    ***

    Um zum eigentlichen Thema des Artikels zurück zu kommen:
    @Luzie, Spitze_FederWarum, rivka: Und warum können wir nicht Frauen(Menschen), die sich für Sex Work entschieden haben, Ausstiegsmöglichkeiten bieten, z. B. durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen und/oder bessere Jobs/Weiterbildungsmöglichkeiten, usw., ohne sie zu stigmatisieren und ihre Arbeit faktisch zu verbieten?
    Warum können wir nicht für die Frauen(Menschen), die trotzdem sich entschieden haben als Sexworker_in zu arbeiten, bessere Rahmenbedingungen schaffen, die ihre Arbeit für sie sicherer machen? Warum sollte es richtig/besser sein, deren Arbeit gefährlicher zu machen und sie den Menschen, die sie bezahlen noch mehr auszuliefern?

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  176. „Um die einseitige Interpretation der Prostitution auflösen zu können, ist es erforderlich, Prostitution als ein soziales und kulturelles Phänomen zu erfassen. Obwohl der materielle Austausch das allgemeine Merkmal dieses Phänomens ist, übernimmt dieses, je nach Akteuren und kulturellen Kontexten, bestimmte Verständnisse und spezifische Ausgestaltungen. Das bedeutet, dass es nicht nur ein einziges Verständnis von Prostitution gibt, so wie auch kein allgemeingültiges Muster eines konkreten menschlichen Verhaltens besteht, welches Prostituierten zugeschrieben werden könnte.

    Darüber hinaus ist es in der Forschung und in der Interpretation über Prostitution grundlegend, diese aus der Sicht der beteiligten Akteure und der damit einhergehenden Beziehungen zu betrachten. Damit werden die Einführung und die Verbreitung fremder kultureller Verständnisse, beispielsweise über eine „legitime“ und eine „illegitime“ Sexualität, verhindert. Dies eröffnet wiederum die Möglichkeit, neue Perspektiven, Zugangsweisen und Themen in die Auseinandersetzung mit Prostitution einzubeziehen.“ Zitiert aus:
    http://www.bpb.de/apuz/155373/westliche-konzepte-von-prostitution-in-afrika?p=1

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  177. Und wer redet mit den Freiern, wer zeigt sie, macht sie öffentlich? Das wäre wirklich mal interessant. Schließlich sind sie die maßgeblicheren Akteure als die Prostituierten. Über die Freier wird aber geschwiegen – und mit ihnen.

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  178. @ ClaudiaBerlin — du fragst nach einem sachlichen Argument? Ich hab nicht dagegen oder dafür argumentiert, sondern auf schriftlichem Weg gegrinst. Daran ist nichts Ehrloses.

    Ober ok, sachlich: Prostitution als Ausbildungsberuf wirft die Frage nach der Durchsetzbarkeit auf. Eine mögliche Antwort wäre ein gesetzliches Verbot, ohne Lehrabschluss auf den Strich zu gehen; aber wenn dir was gescheiteres einfällt, bittesehr. — Mich betrifft es nicht (zu alt, habe außerdem anderen Berufsweg gewählt), aber frag halt mal die Freiberuflerinnen in der Elbestraße am Frankfurter Bahnhof, was die davon halten.

    Dein Vorschlag mit der Weiterbildung zur Sextherapeutin ist übrigens kreativ und verdient genauere Betrachtung. Gestehe ich dir neidlos zu.

    Nachsatz, das Wort „Prostitutierte“ ist nicht ehrverletzend, sondern war nur in puritanischer Vergangenheit negativ konnotiert (heute nicht mehr). Ähnlich wie die Bezeichnung „Hure“, (Wortstamm „heuern“), mit dem sich die Schwestern von Hydra voller Selbstbewusstsein selbst bezeichnen. Ich bitte um Ernsthaftigkeit bei Kritik an der Begrifflichkeit.

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  179. Einen Aspekt, den ich vermisse, ist die Frage der Freiwilligkeit. Diese stellt sich vor allem bei ausländischen und illegalen Prostituierten.
    Überdies spricht niemand von der Anatomie – hier der Frau -, die ein Eindringen erfordert, etwas sehr intimes, wie ich finde. Es kann doch nicht dasselbe sein, ob ich in der Fabrik arbeite oder Friseuse bin oder was auch immer und mich dabei entfremdet fühle, als wenn jemand in mich eindringt und in gewisser Weise Besitz von meinem Körper nimmt. Warum müssen so viele Prostituierte sich betäuben und trinken, um ihren Beruf ausüben zu können? Das kann nicht alleine damit zu tun haben, dass es immer noch als „Schande“ gilt.
    Zwischen einer Edelnutte im Luxushotel und der armen Mieze auf der Strasse gibt es enorme Unterschiede, abgesehene davon, dass sich die Frauen in den grossen Hotels auch einiges gefallen lassen müssen für ihr Geld und höhere Berufsauslagen haben.
    Bestimmt gibt es Frauen, die damit wenig bis keine Mühe haben, dass ein Unbekannter eine intime Handlung von ihnen einfordert, weil er dafür zahlt, aber von dem, was ich beobachte (bei einer Anlaufstelle für Prostituiert und in meinem Viertel, wo Prostitution an der Tagesordnung ist), müssen die meisten dissoziieren, um die Leistung erbringen zu können. Und das ist nicht dasselbe, als wenn ich bei meiner Stelle ein bisschen vor mich in träume, weil mich die Arbeit langweilt.

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  180. @Susanne G. Seiler
    Wichtiger Punkt: ja, das sehe ich ganz genau so. Wie sehr dieser Aspekt in der aktuellen Debatte ignoriert / negiert wird, macht mich ratlos und bestürzt: Kapiert denn keine_r, dass es ein gravierender Unterschied ist, ob etwas in den eigenen Körper eindringt und die Integrität (schon allein rein physisch) beeinträchtigt wird, oder ob einen eine irgendwie geartete Tätigkeit anödet, entfremdet, einem zu nahe geht usw.? Diesen Moment des physischen Eindringens gibt es in keiner anderen »Dienstleistung«.

    (Allerdings frag ich mich manchmal, ob dieses »Gestörtwerden« durch Penetration nicht auch was mit der kulturellen Bewertung von Sex zu tun hat. Wäre der Akt des vaginalen Verschlingens und Kontrahierens schon immer so aktiv und positiv aggressiv konnotiert, wie es mit der Aktivität des Penis‘ seit anno dunnemal tradiert ist, würden wir das vielleicht auch alles anders empfinden – nur eine Spekulation)

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  181. Ich habe gestern beim Lesen dieses Artikels Schnappatmung bekommen, in dem die Autorin offensichtlich unter anderem Autonomie in der Berufswahl mit sexueller Autonomie verwechselt. http://www.sueddeutsche.de/leben/alice-schwarzer-in-der-prostitutionsdebatte-kaeufliche-seelen-1.1834875

    Deswegen bin ich insbesondere dankbar für die Thesen 4. und 5. dieses Blogartikels und den Kommentar von Susanne G. Seiler. Ich bin ein bisschen erschreckt, wieviele Frauen um die dreissig, die sich als Feministinnen sehen und häufig selbstbewusst und erfolgreich im Leben zu stehen scheinen, Alice Schwarzer komplett ablehnen (bei aller Kritik- und Diskussionswürdigkeit) und vor allem, mit welcher Leichtigkeit eine Art „Alles soll erlaubt sein also auch Prostitution“ eingefordert wird (wie auch rivka schon schrieb). Daher nochmal ein Danke für diesen sachlichen Artikel.

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  182. Ich finde es ja lustig, wie Männer immer glauben wollen, dass Prostituierte Spaß haben. Klar, bei 10 Freiern lachen die sich den ganzen Tag kaputt. Auf der Emma-Seite kommen übrigens ein paar Ex-Prostituierte und Pornodarstellerinnen zu Wort. Ich würde lieber mit einem Handschuh in Scheiße fassen oder jemanden die Fußnägel schneiden, als x-beliebige Kerle über mich drüber rutschen zu lassen, mich überall befingern zu lassen und sonstewas in den Mund zu nehmen. Und auch wenn es die Pornofilme immer vermitteln -wie ja auch Männer immer meinen, Prostitution müsste es geben- nein, es kommt eben keine Sahne raus. MANN kann sich ja viel einreden, aber deswegen wird es noch lange nicht wahr.
    Und es sollte keinesfalls als normaler Beruf angesehen werden, sonst wäre die Konsequenz, dass si h jede Tussi damit ihr Gehalt aufbessert. Ich möchte nicht auf Elternabenden Horen: Morgens kümmere ich mich um ihre Kinder und Abends um ihren Männer. Nicht, dass ich denen noch für ihren Großmut Engelsflügel verteilen muss oder den Bundesverdienstorden.

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  183. @Antje – „4. Prostitution gründet auf einer fragwürdigen Vorstellung von Sex – ….
    „Über diese Abkopplung von Sex und (weiblichem) Begehren möchte ich eine politische und kulturelle Debatte führen.“
    Woran liegt es , dass Alice Schwarzers Appell gegen Prostitution eine solche notwendige Debatte eher zu verhindern scheint, statt zu fördern?

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  184. @ute – Das liegt imho daran, dass sie ein gesetzliches Verbot will. Gesetze haben leicht die Tendenz, Diskussionen abzuwürgen, weil ja die Sache entschieden ist. Macht statt Politik eben. (Allerdings ist es ein Irrtum zu glauben, was gesetzlich geregelt ist, müsse nicht mehr diskutiert werden. Wenn ein Gesetz keine Autorität mehr genießt, ist es schnell weg vom Fenster. Das wird aber von Leuten, die die Bedeutung von Macht überschätzen, gern übersehen.)
    Meiner Ansicht nach ist (nicht nur) Schwarzers größter Fehler genau der, dass sie die Bedeutung der Macht über- und den der Politik unterschätzt.

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  185. Ich finde nicht, dass Schwarzers Appell die Diskussion abwürgt. Eher setzt er ein Zeichen gegen falsch verstandenen Liberalismus und Wurschtigkeit. Manches an ihr mag fundihaft wirken, aber ich verstehe nicht, warum derart gegen Alice Schwarzer argumentiert wird, und mit einer Vehemenz, die eigentlich dem Kampf gegen Sexismus und Geschlechterhierarchie gelten sollte, dessen krasser Ausdruck Prostitution nun mal ist. Was machen wir denn ohne neue Gesetze? Den kulturellen Wandel bis zum Sanktnimmerleinstag in Blogs diskutieren, von denen ein Großteil der Leute gar nichts mitbekommt? Wäre es so auch zum Frauenwahlrecht gekommen, via Wandel von innen heraus? Ich glaub nicht.
    Das weibliche Begehren wird, so denke ich, viel eher zum Thema, wenn das männliche Privileg auf sexuelle »Erhältlichkeit« von Frauen nicht mehr als das normalste der Welt und allgegenwärtig in bequemster Befriedigung-to-go-Form zelebriert wird. Wie bei Verhaltensänderung durch vorangehende Abstinenz sozusagen.

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  186. @rivka – Schwarzers Appell sorgt zwar für erregte Diskussionen, doch mehr in dem Sinne, was ist gesetzlich erlaubt und was nicht. Dass Zwangsprostitution/Menschenhandel strafrechtlich verfolgt werden muss, darüber besteht Konsens. Dazu hätte es nicht dieses Appells bedurft.
    Für mich wäre Schwarzer glaubwürdiger, wenn dieser Aufruf die Abschaffung von Armutsverhältnissen, die bekanntlich Gewalt, Ausbeutung und Abhängigkeit fördern, mit zum Thema gemacht hätte.
    Über die ökonomische Gewalt, die von einem vorherrschenden kriegerischen Wirtschaftssystem ausgeht,
    welches Frauen, Kinder, Männer in verschiedenster Hinsicht zu Opfern degradiert, darüber verliert die EMMA-Herausgeberin leider kein Wort.

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  187. „Das weibliche Begehren wird, so denke ich, viel eher zum Thema, wenn das männliche Privileg auf sexuelle »Erhältlichkeit« von Frauen nicht mehr als das normalste der Welt und allgegenwärtig in bequemster Befriedigung-to-go-Form zelebriert wird.“
    Die Frage ist aber doch auch: Welche Macht/Ohnmachtverhältnisse fördern dieses vermeintliche ‘männliche Privileg’ auf sexuelle Erhältlichkeit von Frauen?
    Armut /Ausbeutung / Lohnsklaverei dürften sehr wesentlich dazu beitragen, dass nicht wenige Männer meinen, durch Gewalt gegenüber Frauen und Kindern ihr ‘Mannsein’ bestätigen zu müssen. Die Zusammenhänge von Armut/Verelendung und steigender (innerfamiliärer) Gewalt ist uns doch allen hinlänglich bekannt. Dass darüber unentwegt weiter aufgeklärt werden muss ist natürlich klar, aber genau so klar ist doch, dass die weltweit Gewalt fördernden Verhältnisse sich zu ändern haben.
    All das verschweigt Alice Schwarzer in ihrem Appell, in dem sie pauschal Männer und Frauen
    in ein Täter/Opfer-Muster zwängt. Das hinterlässt bei mir einen schalen Beigeschmack!

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  188. @rivka – Das Frauenwahlrecht IST so gekommen. Wenn sich eine Überzeugung erst mal gesellschaftlich durchsetzt, gibt es irgendwann dazu auch das entsprechende Gesetz. Ohne diesen Rückhalt sind Gesetze und Gesetzesvorhaben aber kontraproduktiv – eben weil sie Fronten verhärten, wie man am Thema Prostitution derzeit ja glasklar sieht.

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  189. @ Ute Plass @ Antje
    Nun ja, trotzdem gab es ja auch beim Frauenwahlrecht genügend Menschen, Frauen und Männer, die gegen dessen Einführung waren – der gesellschaftliche Wandel kam also auch MIT dem Gesetz, nicht nur davor.
    Ich sehe auch im aktuellen Diskurs keine außergewöhnlich starke Frontenverhärtung, wie sie nicht durch mediale Steuerung auch bei vielen anderen Thema betrieben und zugespitzt würde.
    Es werden ja – angestoßen vom Appell – viele verschiedene Stimmen rund um Männlichkeit, Freiertum, Berichte von Prostituierten usw. laut.
    Dass weibliches Begehren und weibliche Subjektivität in der Debatte zu kurz kommen, hat, wie ich finde, nichts mit Schwarzers Appell zu tun, sondern ist Normalität in fast allen deutschen Medien und Diskursen, an fast allen Aufmerksamkeitsschauplätzen.
    Und ich glaube, dass wir weiblicher Subjektivität näher kommen, wenn das Abfeiern von Verdinglichung und kapitalistischer Verwertung weiblicher Körper und Sexualität aufhört und öffentlich geächtet wird. Es ist nicht das Ziel, aber meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt zur stärkeren Wahrnehmung und Durchsetzung weiblichen Begehrens.

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  190. > Es kann doch nicht dasselbe sein, ob ich in der Fabrik arbeite oder Friseuse bin
    > oder was auch immer und mich dabei entfremdet fühle, als wenn jemand in
    > mich eindringt und in gewisser Weise Besitz von meinem Körper nimmt.

    Stimme zu, das ist sicher nicht dasselbe.

    Aber sind nicht die diesen oder jenen Beruf ausübenden Frauen nicht auch recht unterschiedlich was Empfindungen und (Körper)grenzen angeht? Analog die sonstigen Rahmenbedingungen der jeweiligen Tätigkeit? Und sollte deshalb nicht jede/r selbst entscheiden können was er/sie zu geben oder leisten gewillt ist, eben weil er/sie am besten weiß was ihr/ihm gut tut und was nicht?

    Ich kann zB überhaupt nicht nachvollziehen wie der unterlegene Part einer SM-Sitzung nicht auf der Stelle reißaus nimmt (ich hasse Schmerz jeglicher Art), habe aber gleichwohl zu akzeptieren daß nicht wenige Leute damit offenbar kein Problem haben.

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  191. @rivka – sehe das nicht sehr viel anders als du. Trotzdem bleibt die Enttäuschung über Schwarzers Appell aus den bereits erwähnten Gründen. Du verweist ja auch auf den Zusammenhang von Prostitution und der Verwertung des weiblichen Körpers im globalisierten Kapitalismus. Wer über Prostitution spricht, darf darüber
    nicht schweigen. Ansonsten scheint mir, dient ein solcher Appell lediglich dem moralisch-guten Gewissen
    von Alice Schwarzer und verfestigt Geschlechter-Klischees wie z.B. das von der bösen männlichen Sexualität denen Frauen zum Opfer fallen.

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  192. Sehr geehrte Frau Schupp,
    zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre sachlichen und überlegten Ausführungen zur emotionell aufgepeitschten Prostitutionsdebatte in Deutschland. Ich lebe seit langem in Frankreich, bin kurz nach dem 2. Weltkrieg geboren, habe mich seit etlichen Jahren aus dem Arbeitsleben zurückgezogen.

    Meine erste Erfahrung mit bezahltem Sex hatte ich in einem Hotel in Moskau zu Breschnews Zeiten, saß in einem Sessel in der Hotelbar, fühlte mich alleingelassen und frustriert von den unendlich langen Diskussionen mit den potentiellen russischen Kunden. Es setze sich eine sympathische junge Frau zu mir und begann ein lockeres Gespräch, wir tanzten miteinander. Dabei lud sie mich ein, die Nacht mit ihr in ihrer Wohnung zu verbringen. Was ich tat. Es blieb nicht bei der einen Nacht. Ich hatte sehr wohl verstanden, dass Tamara mich nicht wegen „Liebe auf den ersten Blick“ ausgewählt hatte. Sie erwartete eine Gegenleistung, nicht in Geld, doch in Parfüm, Chanel no. 5, und anderen Luxusartikeln und wußte mir unmissverständlich klar zu machen, wieviel.

    Warum ich dies schreibe? Um Ihnen und anderen Frauen, ein ganz konkretes Beispiel dafür zu geben, wie sich Prostitution in unserer Gesellschaft auch außerhalb von Rotlichtmilieu, von Bordellen und Straßenstrich abspielt.

    Ich bin seit Jahren keine feste Beziehung mit einer Frau eingegangen. Warum? Weil es mir vorher mehrmals passierte, dass mir eine neue Freundin schon nach wenigen Wochen nach dem ersten Kennenlernen klar machte, dass ich zu ihr ziehen möge, da ich doch handwerklich begabt sei, so manches in ihrem Haus im argen liege, es auch gut für mich sei, im Garten zu arbeiten.
    Da zog ich es jedesmal vor, die Beziehung einschlafen zu lassen. Natürlich habe ich auch in meinem Alter noch Begehren auf sexuelles Wohlbefinden, Alle zwei Wochen fahre ich zu einer Tantra-Masseurin, welche mir jedesmal zwei wunderschöne Stunden und tiefe sexuelle Erfüllung gibt. Verkauft sie bei ihrer Sexarbeit ihre Seele, ihren Körper, übe ich Macht über sie aus? Nebenbei gesagt ist sie einige Jahre älter als ich und bessert sich ihre karge Rente mit ihrer Sexarbeit auf.

    Demnächst werde ich in meiner Wahlheimat ein Bußgeld von 1500 € zahlen müssen, sollte mich die Polizei beim ersten Mal bei der Geldübergabe für eine sexuelle Dienstleistung erwischen, beim zweiten Mal wären es schon 3.750 €, beim dritten Mal könnte ich theoretisch ins Gefängnis gesteckt werden.

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  193. @Ute Plass
    Ich sehe keine sich verfestigenden »Geschlechter-Klischees wie z.B. das von der bösen männlichen Sexualität denen Frauen zum Opfer fallen«, welche insbesondere durch Alice Schwarzer heraufbeschworen würden. Diese Klischees existieren, und sie existieren auch nicht von ungefähr. Aber darum geht es, wie ich finde, in ihrem Appell nicht vordergründig (in einigen Medien allerdings schon). Sondern um Macht und Privilegien, welche es Männern gestatten, sich bei dem »Lebensmittel und Allgemeingut weiblicher Körper« bei Bedarf zu bedienen. Defizitäre Männer klagen ihr Recht auf sexuelle Dienstleistung ein, defizitäre Frauen tun das nicht, es herrscht krasse Ungleichheit mit all ihren Folgen.
    Warum muss sich immer wieder derart an Schwarzer abgearbeitet werden? Welcher Schreiber, welche Schreiberin schreibt denn nicht auch für sich selbst, meinetwegen auch fürs eigene »Gewissen« (kann mit dem Begriff in diesem Zusammenhang nicht viel anfangen)? Solche Moral-Unterstellungen finde ich hier seltsam.

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  194. Endlich mal ein Betrag ohne unüberprüfbare Zahlen.
    Ich stimme zu: Sexarbeit ist keine Arbeit wie jede andere – sexuelle Selbstbestimmung ist ein höheres Rechtsgut.

    @Anne
    Es soll auch Menschen geben, die für nichts auf der Welt als Schlachter arbeiten würden oder alte Menschen den Hintern putzen. Es geht bei dieser Diskussion nicht darum, was Sie sich zumuten können oder nicht. Und was wäre verwerflich an der Lehrerin, die sich abends um Männer kümmert?

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  195. @Frank – “Ich bin seit Jahren keine feste Beziehung mit einer Frau eingegangen. Warum? Weil es mir vorher mehrmals passierte, dass mir eine neue Freundin schon nach wenigen Wochen nach dem ersten Kennenlernen klar machte, dass ich zu ihr ziehen möge, da ich doch handwerklich begabt sei, so manches in ihrem Haus im argen liege, es auch gut für mich sei, im Garten zu arbeiten.”

    Ich höre daraus: ‘Ich will um meiner selbst willen begehrt(geliebt?) werden. Nur, was genau ist damit gemeint?

    Ist es nicht auch so, dass bestimmte Fähigkeiten, Eigenschaften, Verhaltensweisen, körperliche Attribute…. am anderen Menschen begehrt, bewundert, geliebt…. werden und darüber auch sexuelles Begehren ausgelöst wird?

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  196. „Benbassa ist als Feministin und Migrantin empört. Das Ganze sei eine Klassenangelegenheit. Statt Elend zu bekämpfen – „ich wäre als Erste dabei“ – bekämpfe man dessen Symptome wie im 19. Jahrhundert mit Moralgesetzen.“ –
    Ja, sehe ich auch so. (habe ich ja bereits mehrmals in Bezug auf Alice Schwarzers Appell erläutert). Solche Moralgesetze verschleiern die dahinter liegende „Unmoral“ von ökonomischer Gewalt und ändern nichts an den weltweiten Ausbeutungsverhältnissen.
    Vollständiger Artikel dazu hier:
    http://www.tagesspiegel.de/kultur/prostitutionsdebatte-glanz-und-elend-der-kurtisanen/9186120.html

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  197. Ich glaube, es ist letztlich notwendig und wichtig, dass die »Fronten« zum Thema Prostitution, welche latent ja eh schon da waren, jetzt sichtbar und ausgesprochen werden. All die kruden oder auch guten Argumente sind doch schon lange Zeit Bestandteile des Meinungsinventars vieler Menschen, nur hatte das Thema nicht soviel mediale Aufmerksamkeit.
    Auch unter intellektuellen Freundinnen von mir hörte ich einst den grauslichen Klassiker: »Aber ohne Prostituierte hätten wir viel mehr Vergewaltigungen«.
    Also – auch wenn die Debatte an vielen Punkten sehr zu wünschen übrig lässt – ist es nicht gut, dass überhaupt (wieder) darüber berichtet, geschrieben, diskutiert wird?

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  198. An Ute Plass:

    Ich war schockiert, dass mehrere Frauen eine Liebesbeziehung mit mir eingegangen waren und nach kurzer Zeit klarstellten, eine materielle Gegenleistung dafür von mir erhalten zu wollen. Deswegen beendete ich diese Beziehungen . Ich bin nicht der einzige „Junggeselle“ in meiner Altersgruppe (66 Jahre), der diese Situation erlebt und wie ich handelt. Andere handeln anders.

    Mir ging es in meinem Kommentar darum, von meiner persönlichen Reaktion auf eine erlebte Lebenssituation zu berichten. Meinem Empfinden nach fehlt es der Prostitutionsdebatte fast gänzlich an Erlebtem. In vielleicht einem Jahr kann ich, wenn das französische Gesetz des „Verbots von bezahlten sexuellen Dienstleistungen“ in Kraft treten sollte, selbst für eine bezahlte Tantramassage empfindlich bestraft werden. Ich erhoffe mir, dass jede Feministin sich die Konsequenzen eines Prostitutionsverbots auf ihre persönliche Freiheit klarmacht, darüber nachdenkt, inwieweit es staatlichen Organen Tür und Tor öffnet über die Kontrolle des eigenen Intimlebens.

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  199. @Frank – hm ja, ein weites Feld: die Motive, die Frauen und Männer drängen, eine (Liebes)-Beziehung einzugehen 😉 –

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  200. Ich bin strikt gegen Sklaverei“, höre ich dich sagen. Bist du schon einmal in einer Bar gewesen und hast die Mädchen lüstern angesehen, die für dich nackt an einer Stange oder in einem Käfig tanzen? Und wenn du dir das nicht leisten kannst oder wenn du das moralisch ablehnst, hast du deinen Chef oder deinen Geschäftspartner dafür kritisiert, dass er in solche Bars geht? Und wer bezahlt die vielen Sexsklavinnen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in Bordells arbeiten? Du bist es, kleiner Mann. Und wer meint, sich unter solch unwürdigen Bedingungen verkaufen zu müssen? Das bist du, kleine Frau.

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  201. 1. Prostitution ist kein „gesellschaftliches Konstrukt“, sondern eine vom männlichen Teil der Gesellschaft beständig eingeforderte Tatsache (bzw. eine einfache Tatsache, die vor allem auf männlichen Bedürfnissen basiert) und so alt ist wie das Privateigentum an Produktionsmitteln.
    2. Prostitution ist zwar eine Möglichkeit, Einkommen zu erzielen, aber eine unsaubere, prekäre, denn die Frauen stellen ihren Körper zwar zur Verfügung, aber nicht vollständig, sonst würden sie schnell körperlich zugrunde gehen. Dies ist auch oft die Ursache für Gewalt gegen Prostituierte. Richtig: „Alle Maßnahmen, die rund um das Thema Prostitution vorgeschlagen und diskutiert werden, müssen deshalb die Frage nach realistischen Einkommensmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen, sozialer Absicherung etc. ins Zentrum stellen.“
    3. Richtig, Verbote bedeuten gar nichts.
    4. Siehe 2. Männer haben keinerlei Ahnung, d.h. sind buchstäblich unaufgeklärt über die weibliche Sexualität. Sie wissen nichts von der Klitoris als dem Lustorgan der Frau und befriedigen sich am weiblichen Körper buchstäblich selbst, ohne dass die Frau irgendein positives sexuelles Empfinden dabei hat, die ihrerseits heuchelt dem Mann mit Gestöhne und Gekeuche wie der Nachahmung seiner Bewegungen einen Orgasmus vor …

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  202. „Je länger man darüber nachdenkt, desto seltsamer wird die Prostitution, desto verzweifelter kommt sie einem vor. In früheren Zeiten war es üblich und kulturell gelernt, andere Menschen zum Objekt zu machen, man hatte schwarze Sklaven und Leibeigene. Da ließ man sich den Spaß nicht dadurch verderben, dass der andere keinen hatte. Da war das Bordell noch Austragungsort männlicher Überlegenheit, heute ist es Schauplatz der Dürftigkeit. Da geht dann der Mann aus seiner quotierten Firma, steigt in sein emissionsarmes Auto, fährt durch verkehrsberuhigte Straßen, um schließlich in einem Bordell eine Frau dafür zu bezahlen, dass sie verschwindet, während er sie penetriert, um eine Sau rauszulassen, die wahrscheinlich schon lange nicht mehr in ihm ist? Er will ganz Mann sein, wo er behandelt wird wie ein kleiner Junge, der auf Bestellung jeden Tag Kindergeburtstag feiern will.“

    http://www.zeit.de/2013/46/prostitution-gesetzesaenderung-moral

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  203. @rivka – „Also – auch wenn die Debatte an vielen Punkten sehr zu wünschen übrig lässt – ist es nicht gut, dass überhaupt (wieder) darüber berichtet, geschrieben, diskutiert wird?“
    Ja, stimme dir zu. Habe inzwischen sehr viele gute Beiträge in verschiedenen Medien lesen können. Hoffe sehr, dass über die Prostitutions-Debatte hinaus „Frauenarmut“ verstärkt in den Blick kommt und auch darüber eine solch engagierte Diskussion geführt wird.

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  204. 4. Prostitution gründet auf einer fragwürdigen Vorstellung von Sex

    (…)denn eine Frau, die Sex gegen Geld eintauscht, hat ja selbst auf diesen Sex keine Lust, sondern tut es, um Geld zu verdienen

    Gegenthese: Sie haben eine äußerst fragwürdige Vorstellung von Arbeit.

    Was sich übrigens auch in Punkt 5 widerspiegelt.

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  205. Ob das Verschweigen eines Schwarzgeldkontos in der Schweiz mit eine Erklärung dafür sein könnte, dass Alice Schwarzer bei in ihrem Appell gegen Prostitution die Problematik der Frauenarmut aussparte?
    Vielleicht holt sie das jetzt nach bereinigtem Finanzgewissen noch nach? 😉

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  206. „Flucht aus dem Alltag war schon immer ein Motiv für den Seitensprung mit gezückter Geldbörse.

    Wenn Entscheidungsträger wie der Kriminologe Pfeiffer sagen, ihn störe das Grundprinzip zutiefst, dass sich Frauen als Ware anbieten dürfen oder die ehemalige Vizechefin des DGB, Ursula Engelen-Kefer, äußert: „Ich finde den Verkauf von Sex und den Verdienst daran schäbig und dreckig“ – dann offenbart sich hier zuvörderst eine persönliche Moralvorstellung, die jedoch als Grundlage für die allgemein gültige Gesetzgebung fungieren soll.

    Alice Schwarzer wiederum kämpft nicht gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel, sondern für die Abschaffung der Prostitution an sich. Mit einem deutlich moralisierenden Unterton wird hier ein „besserer“ Mensch, vor allem ein besserer Mann, eingefordert. Dieses Ziel ist in jedem Fall unrealistisch. Vielleicht lässt sich wie in Schweden ein Teil der sichtbaren Prostitution abschaffen, nicht aber die Prostitution an sich.“

    http://www.deutschlandfunk.de/prostitution-jedes-verbot-ist-ein-heimliches-gebot.1184.de.html?dram:article_id=279118

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  207. Also ich würde gerne mal den Punkt aufgreifen warum Prostitutierte mehr verdienen als eine Masseurin etc. und dass man ja die Dienstleistungen nicht zurück geben kann. Eine Massage kannst du auch nicht zurück geben aber das wäre ein anderes Thema. Ich möchte das gerne mit der Leistung eines Popstars vergleichen. Es ist die Nachfrage die das ganze so preislich attraktiv macht. Und wenn man auf einem Konzert war kann man auch nicht sagen: „War schlecht, nochmal“. Nein man kann höchstens sein Geld zurück verlangen aber auch das wird man wahrscheinlich nicht bekommen. Ob sich jemand prostituieren möchte oder nicht muss jeder selbst entscheiden. Mir tun die Frauen leid, die es aus Zwang oder Not tun müssen, obwohl sie es nicht wollen. Es gibt weit aus unmoralischere Berufe.

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  208. Die Summen, die die Prostitution in Deutschland aufzeigt, zeigt für mich leider, dass wir es mit einer kranken Gesellschaft in Deutschland zu tun haben. Es gibt über 400.000 Prostituierte, ungefähr 2 Millionen Freier, die täglich diese Prostituierten aufsuchen. Seien wir mal ehrlich: bei diesen Freiern handelt es sich meistens um Männer, die sonstwo keinen Sex erleben könnten, als in diesem „Gewerbe“. Ich frage mich, was eine Frau, die täglich mit mindestens 5 solchen Freiern intensive körperliche Nähe erlebt, für Männer noch fühlen kann? Von den Makeln dieser Freier abgesehen: Sex ist etwas Emotionales. Doch Emotionen sind beim Sex-Work für beide Seiten Tabu. Das führt dazu, daß Sex im Sex-Work außerhalb des Natürlichen stattfindet: es wird so schnell wie möglich abgewickelt, wobei keiner vom anderen noch nicht einmal den namen weiß. Es sieht von außen wie eine Toilettentür aus, vor der irgendwelche ältere und ungepflegte Männer Schlange stehen, bis sie drankommen. Dass viele Prostituierte Opfer von Zwangsprostitution sind, ist nachgewiesen. Aber dass der Staat dann auch noch von der Prostitution Steuern verdient (Milliarden), obwohl dieser Staat es ganz klar und deutlich weiß, dass viele Prostituierte dazu sogar physikalisch gezwungen wird, indiziert, wie sehr man sich auf diesen Staat verlassen kann. Man stelle mal sich vor, dass die eigene Schwester oder Tochter prostituiert oder sogar dazu gezwungen wird, und der Staat verlangt und verdient daran durch Vergnügungssteuern: das ist Zuhälterei. Und das Prostitution dem gesetz des freien marktes bzgl. Angebot und Nachfrage folgt, ist das größte Anzeichen dafür, dass dieses Marktdenken, oder beser gesagt der Kapitalismus der Grund für Prostituion ist.

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  209. Hallo Antje, ich habe gerade diesen Zeitungsartikel gelesen, vielleicht ist er von Interesse? Es wird folgendermassen argumentiert: „Je liberaler die Prostitutionsgesetzgebung, desto mehr Menschen werden von kriminellen Banden ins Land geschmuggelt.“ Der effektivste Weg, Menschenhandel zu bekämpfen, sei die Prostitution zu verbieten.
    http://www.zeit.de/2017/10/prostitution-zwang-freier-gesetze
    LG!

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  210. @Charlotte – Das ist ein imho nicht gut belegter Zusammenhang, da man es nicht isoliert auf ein Land betrachten kann. Das Anwachsen des Prostitutionsgewerbes in Deutschland ist ja auch eine direkte Folge der Verbotspraktiken in den Nachbarländern – die Leute kommen halt zum Sexkauf hierher, wo sie es in Schweden nicht mehr können. Oder von Frankreich aus über die Grenze nach Deutschland. Das Problem ist, dass alle diese Studien in der Regel interessegeleitet sind, und beide „Seiten“ haben welche, die ihre Meinung bestätigen.

    Prinzipiell finde ich es – als Politikwissenschaftlerin – auch immer schwierig, mit der „Nützlichkeit“ von Gesetzen zu argumentieren. Eine freiheitliche Gesellschaft kann imho nicht einfach Sachen verbieten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Also das Argument: „Wir verbieten sexuelle Dienstleistungen generell, um Menschenhandel einzudämmen“ ist imho nicht legitim, selbst wenn dieser Zusammenhang nachweisbwar wäre. Denn warum soll die Sexarbeiterin mit ihrer Freiheit dafür bezahlen, dass die Polizei nicht in der Lage ist, ihre Arbeit zu machen? Das wäre von der Logik her so ähnlich problematisch wie zu sagen: „Wir verbieten allen, nachts auf die Straße zu gehen, weil das die Überfälle reduziert“. Geht nicht.

    Zumal die Hauptursache von Zwangsprostitution imho die Armut und die fehlenden Lebensoptionen der betreffenden Frauen sind. Es gibt viele Möglichkeiten, Menschenhandel zu bekämpfen: Leichtere Möglichkeiten der legalen Immigration, Beratung und Hilfen für die betroffenen Frauen, bessere und mehr Polizeiarbeit in Bezug auf organisiertes Verbrechen, andere Einkommensmöglichkeiten für die Frauen usw usw. Die kann man ja erstmal ausschöpfen.

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  211. @Charlotte – wenn schon gesetzliche Maßnahmen, dann ein
    Gesetz zur Abschaffung der ‚Zwangs-Armut‘.

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  212. Bei der Einschätzung von freiwilliger Prostitution fehlt besonders bei den Punkten 4 und 5 eine tiefere Differenzierung. Prostitution ist ein sehr weites, facettenreichen Gebiet und deshalb keineswegs mit „Sex“ gleich zu setzen. Prostitution ist der Verkauf von sexuellen Handlungen. die erstrecken sich von Zwangsprostitution über BDSM und Domina-Studios bis hin zur Tanta-Massage. Es gibt zahlreiche Salons für erotische Massagen, wo Sex tabu ist. Erotische Massagen unterscheiden sich von Wellness-Massagen allein dadurch, dass der Intimbereich mit einbezogen wird. Der Aspekt „Begehren der Frau“ ist bei solchen Dienstleistungen völlig irrelevant. Aus diesem Grund ist es auch falsch, den Satz „Prostitution ist keine normale Arbeit“ so allgemein zu formuieren. Es stimmt zwar, dass es rein logisch betrachtet keinen Grund gibt, warum eine Sexarbeiter*in mehr verdient als eine Fußpfleger*in – aber der Preis ergibt sich aus Angebot und Nachfrage. Wenn die Kund*innen schon bereit sind, so viel zu bezahlen – warum sollten die Sexarbeiter*innen so blöd sein und darauf verzichten?

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