Nackte Frauen, zu hunderten!

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Jedesmal, wenn ich an der Konstablerwache in die U4/U5 Richtung Hauptbahnhof einsteige, ärgere ich mich über eine Werbung der Frankfurter Museen, die am Beispiel zweier Teenager den lüsternen männlichen Blick auf den nackten Frauenkörper zeigen, und die schon seit Jahren dort hängt. Nackte geile Frauen gibt es im Museum zu sehen, ist das nicht sowas von geil?

Auf ähnlich „lustige“ Weise wird häufig auch für Ausstellungen geworben, die prähistorische Figurinen zeigen. Zum Beispiel wurde für die Ausstellung der Venus von Willendorf in Österreich mit einem Plakat geworben, das sie als Call-Girl (mit Telefonnummer) zeigt.

Umso wohltuender ist es, in dem 600 großformatige Seiten dicken Band „The Language of MA, the primal mother. The evolution of the female image in 40.000 years of global Venus Art“ der niederländischen Religionshistorikerin Annine van der Meer zu stöbern. In einer unglaublichen Fleißarbeit hat sie hier hunderte von Venus-Darstellungen aus allen Epochen gesammelt (alle mit Abbildungen) und erläutert, in einen historischen Kontext gestellt. Die begleitenden Texte reflektieren die Entwicklung der Darstellung von Frauenkörpern über die Jahrtausende hinweg.

Durchlesen kann man das Buch nicht wirklich, aber darin blättern, sich hier und da festlesen und immer wieder interessante Geschichten entdecken.

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Der mit 29,95 Euro unglaublich günstige, englischsprachige Band ist in Holland erschienen, von Deutschland aus kann es für nur 8 Euro Porto beim Christel-Göttert-Verlag gekauft werden. Eine deutsche Übersetzung ist geplant, die wird allerdings deutlich teurer werden. Subskribentinnen bekommen aber Rabatt. Alle Infos hier.

Es gibt auch eine Facebook-Seite

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

29 Gedanken zu “Nackte Frauen, zu hunderten!

  1. @Gondlir – danke für den Link, in der Tat habe ich noch nie nachgeforscht, was Botticelli da gemalt hat :)) Aber ich denke, das wird wohl den meisten Leuten so gehen, die diese Werbung sehen, dass sie das Bild selber nicht kennen…

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  2. Ebenfalls interessant: Offenbar hat das Städel gar nicht damit gerechnet, dass junge Männer aufgrund dieser Werbung tatsächlich ins Museum gehen, denn vor dem Hintergrund der Erwartungen, die hier aufbaut werden, ist Botticellis Bild enttäuschend, genauso langweilig, wie es junge Leute von dem ganzen olle Kram immer annehmen.

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  3. Ja, auch ich vermute, dass die meisten Menschen das Bild nicht kennen, und daher bei dieser Beschilderung etwas anderes erwarten. Genau deswegen funktioniert ja der Bilderwitz mit den überraschten, jungen Männern so gut. Witze beruhen sehr oft auf der Ent-Täuschung falscher Erwartungen. Und diese falschen Erwartungen hatten im ersten Moment nicht nur die meisten Menschen, sondern sogar Antje Schrupp und Ingo Leschnewsky.

    Denn ich will nicht behaupten, ich sei dermaßen gebildet, dass ich das Bild kannte und mir der Witz sofort auffiel. Aber ich war so neugierig, dass ich gleich mal nach dem Bild googeln musste. Und wenn Werbung derart neugierig macht, dann hat sie erfolgreich ihr Ziel erreicht.

    Diese Werbung spielt sehr geschickt mit den Erwartungen der Betrachter. Man kann sich natürlich darüber ärgern, dass man „dabei erwischt“ wurde. Aber man kann sich auch damit trösten, dass es den meisten Menschen nicht anders ergeht. Staunen oder gar lachen kann man darüber aber nur, wenn man sich mal anschaut, was Botticelli da eigentlich gemalt hat.

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  4. Hallo!
    Also, unabhaengig ob man das Bild jetzt kennt oder nicht, gilt aber: die Werbung spielt damit, das es „geile Frauen“ im Museum zu sehen gibt – zumindest ist es bei mir und wohl auch bei vielen anderen die erste Interpretation, die einem bei dem Gesichtausdruck zusammen mit dem Titel des Bildes einfaellt.
    Ich finde diese Werbung auch eher aergerlich – wenn das der Grund sein soll, warum Menschen ins Museum gehen, warum dann nicht gleich eine Erotik-Ausstellung? Und den ganzen Quatsch mit „Kunst“ und so koennte man ja dann auch gleich weglassen 😉
    Naja, danke fuer den Buchtipp Antje! Und an dieser Stelle mal ein frohes neues Jahr & vielen Dank fuer die vielen interessanten Blogeintraege.

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  5. @Gondlir – Naja, der Anteil derjenigen, die das Bild googlen, dürfte sich im Promillebereich bewegen. Und das wirkliche Bild würde wohl bei den wenigsten Jugendlichen so einen Gesichtsausdruck erzeugen. Die Werbung setzt darauf, dass der Titel „weibliches Idealbild“ entsprechende Phantasien auslöst.

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  6. Die Werbung setzt darauf, dass der Titel “weibliches Idealbild” entsprechende Phantasien auslöst.

    Was ist jetzt das Problem? Daß es ein Idealbild gab und gibt? Daß das Idealbild unterstellterweise mit Nacktheit und Geilheit zu tun hat? Welchen Gesichtsausdruck das wirkliche Bild auslösen würde, weiß ich nicht. Ich find die Dame durchaus nicht unansehnlich, aber ich bin auch nicht mehr der Jüngste…
    Der Ausdruck der Jungs hat also irgendwas mit Sexualität zu tun. Der Titel der Ausstellung kann durchaus auch in die Richtung interpretiert werden, zumindest wenn „Idealbild“ auch irgendwie das Aussehen mit einbezieht. Ich frag mich so langsam, ob Botticelli beim Malen des Bildes nur keusche Gedanken hatte, oder ob die Sexualität nicht auch in der Schaffensphase schon eine Rolle gespielt hat? Insofern wären die Gesichtsausdrücke (die ich trotzdem nicht als „lüstern“ bezeichnen würde, aber lassen wir das) ne zutreffende moderne Darstellung des Ausstellungsinhaltes. Natürlich kann man bei so einer Ausstellung auch die Eleganz, mit der der Meister den Pinsel führte, bewundern, aber es gibt doch immer noch auch einen Inhalt zur Form. Man geht ja auch nicht auf ein Konzert, um die Virtuosität eines Musikers zu bewundern, wenn einem der Musikstil, der zur Darbringung gebracht wird, nicht zusagt.

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  7. Antje, warum beschwerst du dich nicht bei den Frankfurter Museen?
    Meinst du, die lesen dein Blog?

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  8. Genau, nicht in der Werbung, sondern in der Fantasie finden sich die „nackten Frauen“ – offensichtlich sogar in Deiner! Anders gesagt: Diese Werbung ist so geschickt, nur mittels Andeutungen diese Vorstellung sogar bei Dir hervorzurufen. Faszinierend…

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  9. Aber was ist so schlimm daran, mit Stereotypen zu spielen? Ein Plakat wie dieses macht doch überhaupt erst einmal deutlich, was in den Köpfen der Betrachter abgeht. Oder findest Du es peinlich, dass dadurch dieselben Stereotypen auch bei Dir aufgezeigt werden?

    Davon abgesehen spielen die meisten Witze (gute wie schlechte) mit Stereotypen. Nur deswegen funktionieren sie, weil sie die daraus folgenden Erwartungen ad absurdum führen…

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  10. @gondlir – das stereotyp wird hier aber nicht ironisch gebrochen, sondern ganz direkt eingesetzt, und der lüsterne Blick ist keine Phantasie von mir, sondern ganz direkt auf dem Plakat da. Hier wird also nicht mit stereotypen „gespielt“, sondern sie werden ohne sie zu hinterfragen eingesetzt. Dass das dahinter stehende Bild „eigentlich“ gar nicht zu lüsternen Blicken einlädt, ist völlig unerheblich, weil das der Betrachter / die Betrachterin ja in den allermeisten Fällen nicht weiß.

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  11. In diesem Punkt bin ich halt anderer Ansicht als Du. Aber solange wir nicht die Werbeagentur selbst fragen, bleibt es reine Spekulation, ob der Blick auf dem Foto nun ironisch gemeint war oder nicht. Und da ich niemandem Dummheit unterstellen möchte, gilt für mich in diesem Fall: in dubio pro reo.

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  12. Und man kann den Blick mit etwas gutem Willen durchaus auch als “erstaunt“ deuten. Die Interpretation “lüstern“ entstammt Deinem Hirn. (Und selbst wenn alle Frankfurter genauso denken wie Du, muss diese Deutung noch lange nicht stimmen.)

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  13. @Gondlir
    naja…da braucht man aber doch schon ziemlich viel guten Willen, um den Blick nicht als lüstern zu deuten 😉
    Ich meine, dass ich eindeutig verzogene Mundwinkel sehe, die ich als Grinsen interpretieren würde. Das passt für mich zu lüstern viel mehr als zu erstaunt.

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  14. Was ich uebrigens das unangenehmste an dieser Werbung finde: Ich bin im Leben auch schon hin und wieder so angeguckt worden. Meistens folgen als naechstes dann irgendwelche Sprueche. Und diese Werbung stellt es als einen akzeptablen Normalzustand da, dass man auf Frauen so gucken darf.

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  15. @Gondlir: Ich finde es eigentlich relativ egal wie das Foto gemeint war. Das Wichtige ist, wie es denn tatsaechlich ankommt.

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  16. Um deine Abneigung voll zu würdigen, müsste ich das Plakat betrachten (ein Link wäre hilfreich) …

    … anderseits. Deine Meinung über Menschen in Ehren – die Gedanken sind immer noch frei in dem Sinne, das es keinen zu scheren hat, aus welchen Motiven ich die Venus von Milo betrachte. Sind meine Gedanken womöglich lüstern? Kann gut sein. Meine Sache!

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  17. @wolf-dieter

    Es ist doch aber wohl ein Unterschied, ob mensch ein Kunstwerk (welcher Art auch immer) mit Gedanken welcher Art auch immer betrachtet, da hast du sicherlich Recht, dass die Gedanken frei sind.
    Allerdings finde ich persönlich es sehr sexistisch, auf diese Art und Weise Werbung für eine Ausstellung zu machen…warum sind es nicht zwei Frauen, die abgebildet sind? Wäre wenigstens mal eine Abweichung der heteronormativen Welt, die uns umgibt…
    Ganz anderer Aspekt, der mir gerade beim Nachdenken in den Sinn gekommen ist: ist es nicht komisch, dass uns der Sexismus einer Werbung für eine Ausstellung so auffällt, während wir tagtäglich mit Werbung konfrontiert sind, die sehr viel mehr mit Sexismen „spielt“? Sind wir schon so abgestumpft? Oder fällt es uns auf, weil wir Ausstellungen, Kunst, etc als etwas „besseres“ sehen?

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  18. @ wolfdieter

    (ich bin norge)
    Wie definierst du „schlechte sexuell motovierte Werbung“?
    Mich stört daran einiges:
    zum einen bin ich der Meinung, dass „sexuell motivierte Werbung“, wie du es so schön nennst (für mich ist es sexistische Werbung) zu einem sehr großen Teil Frauen* betrifft, Frauen* als Dinge darstellt, Frauen* auf ihren Körper und ihre Sexualität reduziert.
    Zum anderen würde ich es schön finden, wenn in FreundInnen*kreisen mehr und ehrlicher über Sex und Sexualität geredet wird, aber ich denke, das dies immer schwieriger wird, wenn eine_r 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche mit halbnackte Frauen* und Männer* in der Werbung konfrontiert wird.

    Ein Beispiel. welches mir spontan einfällt:

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  19. @muckiee

    1) Gemeint war schlechte Werbung, die mich stört, nicht sexuell motivierte; hab mich offensichtlich nicht klar genug ausgedrückt. Ich hoffe, bei schlecht gibts Konsens im Werbebereich.

    2) Zu sexistisch — wenn es dir aus dem Bauch heraus nicht gut gefällt, verstanden, geht mir bei einigen (anderen als sexuellen) Sachen auch so. Insofern gönne ich dir deine Abneigung. Erwarte von mir aber bitte keinen Konsens zum Gummibegriff sexistisch. Er müsste mir erst schlüssig dargelegt werden.

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