Balken im Auge

Man könnte darüber diskutieren, ob Homosexualität und andere nicht-traditionelle sexuelle Identitäten in der deutschen Schulbildung als „normal“ akzeptiert werden sollten, oder ob man ihr Vorkommen nur unter gewissen Voraussetzungen tolerieren will. Das genau ist nämlich die Frage, um die es im Kern bei der Auseinandersetzung in Baden-Württemberg über den von der grün-roten Landesregierung beschlossenen Bildungsplan 2015 geht.

Der derzeitige Stand des deutschen Mainstream ist wohl der, dass Homosexualität zwar nicht mehr verboten sein soll und dass man Schwule, Lesben, Transsexuelle oder andere „Queers“ auch nicht mehr aktiv diskriminieren will, dass aber gleichzeitig doch große Uneinigkeit darüber besteht, inwiefern diese sexuelle Vielfalt tatsächlich auch als ganz genauso „normal“ angesehen werden soll wie das klassische biologisch definierte Mann-Frau-Paar.

Eher nicht für „normal“ gehalten wird Homosexualität (und Queerness generell) jedenfalls von einer Mehrheit der Christinnen und Christen. Zwar gibt es auch christliche Gruppierungen und Einzelpersonen, die der Auffassung sind (mit guten christlichen Begründungen), dass sexuelle Vielfalt vorbehaltlos akzeptiert und unterstützt werden muss – inklusive der dafür notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen wie etwa modifizierter Bildungspläne. Diese Fraktion ist im Übrigen gar nicht so klein, wie viele glauben, es gehören zahlreiche normale Kirchenmitglieder dazu, kirchliche Angestellte (wie ich), auch viele Pfarrerinnen und Pfarrer, und sogar einige hohe kirchenleitende Amtspersonen.

Aber es wäre doch albern, zu behaupten, dass wir die christliche Mehrheit repräsentieren. Der Mainstream der Kirchennahen sieht es eher so, dass nicht-heteronormkonforme Lebensweisen und Identitäten halt irgendwie Realität, aber trotzdem „nicht ganz normal“ sind. Die Palette reicht dabei von schlichtem Desinteresse über Ignoranz gegenüber Homophobie bis hin zu offenen Vorbehalten. Es gibt im Übrigen leider auch noch christliche Kreise, die Homosexualität am liebsten wieder verbieten würden.

Und natürlich haben die Kirchen wie jeder andere gesellschaftliche Akteur das Recht, ihre Meinung öffentlich zu vertreten und in die allgemeine Debatte einzubringen. Niemand zwingt sie, „dem Zeitgeist hinterherzulaufen“, wie immer unterstellt wird. Was ich mich frage, ist: Warum, um Himmels willen, tun sie das nicht?

Warum vertreten sie nicht offen und argumentativ ihre Ansichten zum Thema sexuelle Vielfalt? Vielleicht, weil sie ahnen, dass sie damit nicht mehr den gesamtgesellschaftlichen Mainstream treffen würden? (Ob das so wäre, weiß ich nicht). Oder weil sie keine wirklich plausiblen und haltbaren Argumente haben, sondern ihre Ansichten darüber eher Gewohnheit, Bequemlichkeit, Weltfremdheit sind? Sicher ist: Sie würden sie sich angreifbar machen. Sie müssten sich für ihre Ansichten zur Verantwortung ziehen lassen. Es würden innerchristliche Konflikte aufpoppen. Und das ist natürlich unbequem.

Stattdessen lenken sie vom Thema ab und reden über „Indoktrination“, die angeblich vom baden-württembergischen Bildungsplan 2015 ausgeht. In einer gemeinsamen Stellungnahme der evangelischen und katholischen Kirche in Baden-Württemberg zum Thema heißt es: „Jeder Form der Funktionalisierung, Ideologisierung und Indoktrination gilt es zu wehren. Dies gilt nicht zuletzt im sensiblen Bereich der sexuellen Identität.“

Hooray, könnte man da aus queerer Sicht eigentlich jubeln. Ist das denn nicht genau das, was wir auch wollen? Dass Kinder nicht mehr vom ersten Tag an in blaue oder rosane Geschlechtsrollen hineinerzogen werden? Dass sie nicht mehr in Büchern und Lehrplänen mit einem einzigen als „normal“ behaupteten Lebensstil namens heterosexuelle Ehe indoktriniert werden? Dass Unterricht nicht mehr ideologisch darauf abzielt, irgendwelche angeblich „natürlichen Geschlechterordnungen“ zu stabilisieren? Ist denn nicht genau das die Absicht, die hinter dem neuen Bildungsplan steht? Zu verhindern, dass weiterhin – wie in den vergangenen Jahrhunderten, auch und gerade seitens der Kirchen – funktionalisierend, ideologisierend und indoktrinierend auf die Herausbildung der sexuellen Identität von Kindern eingewirkt wird?

Aber so, als queeres Manifest, ist die kirchliche Stellungnahme natürlich nicht gemeint. Was schön klingt, wenn man es im Wortlaut zitiert, wurde von den Medien sofort – und zu Recht – als Kritik am Bildungsplan aufgefasst. Denn mit dieser Wortwahl solidarisieren sich die Kirchen mit einer homophoben Petition, die derzeit von der „christlichen Basis“ in Baden Württemberg vorangetrieben wird – mit oberkrassesten Begründungen – und die den Bemühungen des Bildungsplanes – genau – Indoktrination und Ideologie unterstellt.

Und sorry, das ist unverschämt. Das ist eine arrogante Herablassung, die die Argumente der anderen noch nicht einmal wenigstens zur Kenntnis nehmen will. Da hilft es dann auch nicht, wenn sich die Stellungnahme im Schlusssatz von „Hetzportalen und diffamierenden Blogeinträgen“ distanziert. Denn in der Substanz hat sie sich die Sichtweise der Petition zu eigen gemacht.

Die baden-württembergischen Kirchen hätten sich besser an Angela Merkel ein Beispiel genommen und eingestanden, dass sie sich mit der Akzeptanz von Homosexualität „nicht ganz wohl fühlen“. Ich zumindest hätte ihnen das nicht übelgenommen. Aufgrund ihrer Geschichte, und auch angesichts einer weltweiten christlichen Ökumene, in der sogar das Tolerieren von Homosexualität noch weithin abgelehnt wird, wäre das doch durchaus zu verstehen.

Niemand erwartet von den Kirchen, dass sie sich zur Speerspitze der deutschen Queerbewegung machen. Sie repräsentieren nun einmal vorwiegend konservative, bürgerliche Milieus. Sie hätten also sehr gut eine vom derzeitigen „Zeitgeist“ abweichende Positionierung in Sachen Queer einnehmen können und sich damit als genau als das erwiesen, was sie sind: einer von vielen gesellschaftlichen Akteuren, die eine spezielle Sichtweise auf ein Thema haben.

Aber sie diskutieren nicht, und sie argumentieren nicht. Stattdessen spielen sie mit Muskeln, stellen sich über ihre Gegner_innen und behaupten, diese wären nicht satisfaktionsfähig, weil sie ja „Indoktrination und Ideologie“ betreiben würden.

Liebe Kirchen in Baden Württemberg: Lest doch vielleicht nochmal die Stelle mit dem Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen.

PS: Lest auch das Interview mit Nele Tabler im Missy Magazine

Foto: fraencko/Flickr.com

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

121 Gedanken zu “Balken im Auge

  1. Wenn die Kirchen gegen die Indoktrination unserer Kinder sind, dann sollten sie vielleicht als erstes mal auf den Religionsunterricht an staatlichen Schulen verzichten.

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  2. @Eule – Was hat das miteinander zu tun? Unterricht ist doch keine Indoktrination (jedenfalls nicht automatisch), und zwar egal welches Fach. Ganz abgesehen, dass Reliunterricht immer freiwillig ist, niemand muss da hin.

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  3. Also ich bin auch erstaunt über die wieder aufbrandende Homophobie, von wem auch immer! Wahrscheinlich stecken da immer noch diffuse Ängste dahinter, aber vielleicht auch handfeste ökonomische Gründe. Schlimm finde ich, wenn versucht wird eine gesellschaftliche Stimmung zu erzeugen, wo dann aus Gründen: „ich will meinem Kind nicht schaden“ Petitionen unterschrieben werden.
    Hier zeigt sich auch die Gefahr von solchen Begriffen wie „normal“, wenn der erst einmal eingeführt ist, bist du sofort bei „unnormal“ und dann wie Watzlawick schreibt bei mad or bad und dann gehörst Du entweder in die Psychiatrie oder ins Gefängnis.
    Es ist noch ein weiter Weg!

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  4. Ich finde deinen Artikel furchtbar.
    Inhaöltlich kann ich dazu nichts sagen, denn es ist übliches „Ladida- Ich akzeptieren jede/n wie er/sie ist- Wischiwaschi“, wie es halt deine Art ist.

    Aber in meinen Augen greifst du mit der Sprache hier total oft daneben- schon im ersten Satz! (nicht traditionelle sexuelle Identitäten?! Nicht traditionell?! Seit wann richtet sich die Selbstwahrnehmung von Menschen nach der Uhr?!)

    dieser Artikel ist imho ein übel gescheiterter Versuch sich dem Thema zu widmen
    was es dafür gibt ist ein Hetenallykekskrümel fürs Versuchen und einen Rückenpatscher aus der liberalen Kirchengemeinde- aber vielleicht war das ja schon alles was du damit wolltest

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  5. @C. Rosenblatt
    Was ist denn das für Geschreibsel?? Dann schreib doch mal deinen Versuch sich dem Thema zu widmen!

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  6. @C. Rosenblatt – Du scheinst ja auch eine_r von denen zu sein, die in meine innerste Psyche schauen können, viel Spaß noch damit. Dass mir jemand sagt, ich würde alle akzeptieren wie sie sind, fand ich dann andererseits aber auch wieder lustig.

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  7. Nö- ich maße mir nicht an, in deine Psyche zu schauen.
    Aber die Schlüsse, die ich aus dem was ich lese und wahrnehme, hab ich dir vermittelt, nachdem du noch bei Facebook und Twitter herumorakelt hast, wieso denn bloss niemand kommentiert.

    Es ist halt ein (aus meiner Sicht) hochgradig problematisch formulierter Artikel. Kann ja jede/r sehen wie er oder sie will, oder etwa nicht?

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  8. Ich finde, dass @eule recht hat. Was haben die Kirchen in unseren Schulen verloren? Wir leben in einem säkularen Staat und das mit der Freiwilligkeit beim Religionsunterricht ist so eine Sache. Ich bin in Baden-Württemberg zur Schule gegangen und dort ist bis heute eine Nicht-Teilnahme am Religionsunterricht im ländlichen Raum ein No-Go. Und so sind insbesondere die Kinder im Grundschulalter einer massiven Indoktrination ausgesetzt. In meiner Schulzeit war ich konfrontiert mit der ganzen Palette der Heuchelei des Pietismus. Ich finde es unerträglich den Kirchen eine Deutungshoheit darüber zu überlassen, was „normal“ ist. Deinem Beitrag entnehme ich, dass es Dir eher um eine Entwicklung innerhalb der Kirche geht. Die christlichen Kirchen sind aber zu einem sehr großen Teil ein Sammelbecken für Dummheit, Machtgier, Dogmatismus gepaart mit Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit – die werden sich nicht ändern, auch wenn es aufrechte Menschen wie Dich in ihren Reihen gibt. Angesichts dessen, was da an Menschenfeindlichkeit (Homophobie, finde ich greift zu kurz) aus meiner BaWü-Heimat hochschwappt, kann es nur darum gehen, die Kirchen mitsamt ihrer misanthropen Ideologie In ihre Schranken zu weisen.
    Ich jedenfalls bin froh, dass mein Kind in Berlin zur Schule geht.

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  9. Ich nähere mich dem Thema von schräg gegenüber: wir sollten wirklich langsam akzeptieren, dass es so ist, wie es ist und nicht darüber streiten, unter welchen Bedingungen. Unsere Kinder werden sowieso alles mitbekommen. Und ich fände es besser, wenn mein Kind seine mögliche sexuelle Orientierung nicht als Strafe/Krankheit/Störung begreift sondern als gewichtigen Teil der eigenen Persönlichkeit und schlichte Präferenz.
    Je mehr Menschen sich darüber in Ruhe äußern, desto besser. Die umfassende Akzeptanz wird es ohnehin nicht so schnell geben. Aber darüber reden könne wir. Dafür streiten können wir. Und unseren Kindern vorleben, was die Alternative ist können wir.

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  10. @Antje – „Eher nicht für „normal“ gehalten wird Homosexualität (und Queerness generell) jedenfalls von einer Mehrheit der Christinnen und Christen.“
    Was ja nicht wundern braucht, hat sich doch noch der Vorgänger des jetzigen Papstes vor einigen Jahren in
    einer Festtagsansprache gegen Geschlechtsumwandlung und Homo-Ehe ausgesprochen.

    Die Sexualmoral der christlichen Kirchen hat über so viele Jahrhunderte auch die Sexualmoral von Gesellschaften bestimmt, so dass diese bis heute unter der noch recht dünnen Decke von Toleranz und sog. Normalität virulent sein dürfte, speziell wenn es um geschlechtliche Vielfalt geht.
    Das spiegelt sich auch in dieser Petition wider, die eigentlich nicht viel anders agiert als die Kirchen zu
    ihren mächtigsten Zeiten.
    Da heute nicht mehr mit Hölle und Verdammnis gedroht werden kann, schüren bestimmte Gruppierungen Ängste und Unsicherheiten von Menschen ( hier speziell v. Eltern) , indem sie die ‚Keule des Kindeswohles‘
    schwingen. Eine perfide Strategie!

    Ich glaube, dass noch eine gute Weile ins Land gehen wird, bis von Seiten der Kirchen ein Bekenntnis
    für geschlechtliche Vielfalt abgelegt und sich entschuldigt wird für das Leid, welches sie vielen Menschen mit ihrer (oft verlogenen) Moral bereitet hat.

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  11. Auf Facebook hast Du, @Antje, ja Dein Erstaunen darüber geäussert, dass bisher so wenige Kommentare zu diesem Artikel gekommen sind.
    Ich weiss nicht, warum das so ist, ich kann nur aus meiner Perspektive sagen, dass ich einfach zu den Kirchen-Dingen so gut wie nichts sagen/schreiben kann, weil ich einfach keine Ahnung habe, wie „die Kirchen“ oder gar „die Christen“ oder „die Religiösen“ (denn es gibt ja zig verschiedene allein hier in Deutschland, nicht nur christliche, sondern eben auch alle anderen Glaubensgruppen, die hier leben) so drauf sind in Sachen Homosexualität.
    Daher ist es erstmal ein „zur Kenntnis nehmen“ was Du aus Deinem Blickwinkel dazu schreibst und ein konstatieren, dass das ganze sehr komplex ist (ach, was für eine Erkenntnis… ;-)).
    Ich hab dann aber doch irgendwie den ganzen Nachmittag daran herum gedacht und schreibe jetzt doch was.
    Obwohl ich von „der Kirche“ keine Ahnung habe.
    Und sorry, es ist viel mehr geworden als ich eigentlich schreiben wollte.

    @Antje:
    Meintest Du mit „nicht-traditionell“ vielleicht so etwas wie „nicht in der gesellschaftlich akzeptierten Tradition in Bezug auf Familie verankert“?
    Denn „nicht-traditionell“ würde ich „homosexuelle Identitäten“ eher nicht nennen.
    Ist eher ein Problem der (Nicht-) Sichtbarkeit, die natürlich wiederum eine lange Tradition hat…

    Ich habe den Artikel zu Homosexualität der kirchlichen Seite gelesen, die Du verlinkt hast.
    Da zeigt sich eines der Kernprobleme, wenn dort geschrieben wird:
    „Auch die Ansicht, Gott verlange von einer Ehe Kinder, hält einem genaueren Blick nicht stand. Mit den Worten „seid fruchtbar und mehret euch” (1. Mose 1,28) verleiht Gott lediglich die prinzipielle Fähigkeit zur Reproduktion. Auch die Unfruchtbarkeit eines heterosexuellen Ehepartners stellt vor Gott ja keinen Makel und kein Hindernis für eine Trauung dar.“

    Abgesehen davon, dass es meiner unbedeutenden Meinung nach Unsinn ist, von „Makel“ zu sprechen wenn es um Unfruchtbarkeit geht, egal ob vor Gott oder vor wem auch immer…und weiterhin abgesehen davon, dass ich nicht sicher bin, ob es einen Gott, der solche „Zuteilungen“ macht überhaupt gibt…

    Abgesehen davon also geht (mir) das nicht weit genug, denn da wird ja nur die Trauung angesprochen.
    Ein erster Schritt, immerhin. Wobei man ja gleich ein neues Fass zum Thema Ehe und alles was damit einher geht, aufmachen könnte 😉
    Die „bedingungslose Liebe“, auch zwischen gleich-geschlechtlichen Menschen, ja, damit scheint man irgendwie zurande zu kommen. Das kriegt man auch noch mit Jesus überein.
    Aber es bleibt ja nicht bei der „bedingungslosen Liebe“, wenn dann eine Familie entstehen soll.
    Daher trifft der verlinkte Artikel nur einen Teil der Problematik, die aktuell diskutiert wird.
    Die Argumentation hört einfach bei dem Umstand der Unfruchtbarkeit auf, den sich etliche Hetero-Paare zufälligerweise mit homosexuellen Paaren teilen – und die kein Ausschlussgrund für eine Liebesbeziehung sein darf/soll.
    Wenn Hetero-Paare dann aber versuchen, den Labor-Weg zu gehen oder zu adoptieren, dann ist das (mit Ausnahmen, mit diskutierbaren Einschränkungen, ja) „im Mainstream“ akzeptabel.
    Bei den homosexuellen Paaren nicht.
    Und da hilft nur eins:
    Den Begriff „Familie“ und vor allen Dingen „normal“ neu zu denken (im Grunde ist es erstmal eine rein quantitative Beschreibung eines Sachverhaltes, aus dem sich keinerlei Werte oder gar Moral ableiten lassen, wir machen es nur trotzdem dauernd), und da muss auch „die Kirche“ mitmachen und das Thema angehen. Macht sie bestimmt auch, vielleicht hab ich das einfach noch nicht so richtig mitgekriegt.
    Es wird im Zusammenhang von Kirche und Homosexualiät oft mit Barmherzigkeit argumentiert.
    Dass man „Minderheiten“ nicht diskriminieren darf.
    Kann man ja erstmal nix dagegen haben.
    Wie große diese sogenannte „Minderheit“ in Bezug auf Homosexualität tatsächlich ist, weiss ja erstmal gar keiner so genau. Ist es denn überhaupt wirklich eine?
    Und brauchen „sie“ wirklich Barmherzigkeit, oder brauchen sie nicht viel eher handfeste Gesetze, die eine echte Gleichberechtigung regeln, die ihre Beziehungen nicht mehr unter „irgendwie speziell, anders“ eintüten?

    @Antje, Du sagst:
    „Zwar gibt es auch christliche Gruppierungen und Einzelpersonen, die der Auffassung sind (mit guten christlichen Begründungen), dass sexuelle Vielfalt vorbehaltlos akzeptiert und unterstützt werden muss – …
    Aber es wäre doch albern, zu behaupten, dass wir die christliche Mehrheit repräsentieren.“

    Ihr müsst doch gar nicht so etwas behaupten.
    Jeder einzelne Mensch, der sich öffentlich so positioniert, wird irgendwo irgend jemanden beeinflussen, zum nachdenken anregen.
    So wie die „anderen“ es (leider, aus meiner Perspektive…) auch tun.
    Dazu ein Gegengewicht zumindest anzubieten, das halte ich für extrem wichtig.
    Das dauert nur alles immer so ätzend lange…

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  12. Mindestens unserer württ. Kirchenleitung unterstelle ich, dass sie durch gewisse evangelikale Kreise, die in unserem Kirchenparlament sehr stark sind, unter Zugzwang gekommen ist. Und meinte, da durch einen halbherzigen Protest noch Schlimmeres abfangen zu können: Scheinbar vom Kultusministerium verlangen, dass Sexualitätsformen doch offen diskutiert werden müssten; aber da die angestrebten Richtlinien ja sowieso genau das wollen, wird sich die Forderung eher gegen die Evangelikalen richten, die eben nicht offen diskutieren wollen. Die im Ministerium können das lächelnd abhaken. Und wenn die Kirchenleitung sagt, sie sei dazu schon länger im Gespräch mit den staatlichen Stellen, halte ich das auch für ein Signal an die Kritiker: Seid doch nicht sio ungeduldig, wir vertreten doch eure Sache. Schließlich: Jeder darf doch nmitdiskutieren, aber doch bitte nicht durch Hetzartikel in entsprechenden Blogs. Das halte ich für den Versuch einer Distanzierung, und halte das für den eigentlichen Skandal, dass dieser Versuch nicht deutlich ausfallen — durfte, in unserer kirchenpolitischen Situation.
    Was Nele Tabler (badischer Landesteil!) im Interview sagt, verweist allerdings auf weitere Zusammenhänge, die für eine Kirchenleitung auch zu einem Zugzwang werden können. Es ist nicht so eindeutig bloß eine evangelikale Angelegeheit; es werden doch vielfältigere Strömungen sein. In gewissen gutbürgerlichen Kreisen…
    Sehr binnenkirchlich noch argumentiert: Letztes Jahr nach der EKD-Schrift zu Familienformen formierten sich einige Gruppen neu oder verbündeten sich neu. Bei ihren ersten Protesten gegen die EKD waren sie auch noch mit sich selber un ihren Neu-Konstituierungen beschäftigt. Jetzt sind sie kampfbereit, und da kommt dieses Thema natürlich sehr gelegen…

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  13. Für die kirchlich (interessierten) Insider: Hermann Aichele hat auf meinen Blogbeitrag zur Debatte recht ausführlich seine Sicht auf die Vorgänge in Württemberg geschildert, zumindest für mich aufschlussreich, (http://blogmatthiasjung.wordpress.com/2014/01/11/wo-die-geistkraft-gottes-ist-da-ist-freiheit-zur-erneuten-debatte-um-homosexualitat-und-evangelium/#comment-275).
    Im Blick auf deinen Beitrag, Antje, frage ich mich immer noch, ob der Titel wirklich passt. Zeigen die Kirchenleitungen wirklich mit dem Finger auf andere und sehen den eigenen Balken nicht? Es scheint doch eher so zu klingen, als ob sie eine klare Positionierung scheuen. Und jetzt Prügel von ALLEN Seiten bekommen, wenn ich allein so überschriftenmäßig lese, was auf FB gepostet wird…

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  14. @matthias jung – das „Balken im Auge“ bezog sich auf den „Indoktrinationsvorwurf“, also dass sie anderen vorwerfen, ihre eigene Weltsicht mit unangemessenen Mitteln anderen aufzudrücken. Was sie selber aber tun, wenn sie davon ausgehen, dass ihre eigene Weltsicht bevorzugt gelehrt werden muss, ja, dass andere nicht einmal im Unterricht vorkommen darf. Das ist ja der Hauptpunkt, den andere an den Kirchen (oder auch der herrschenden Konstruktion von Normalität) kritisieren, und mich hat am meisten den Kopf schütteln lassen, dass die Kirchen das gar nicht verstehen oder sehen oder sonst irgendwie darauf eingehen.

    Oder anders: dass sie nicht merken, wie sie in der Absicht, keine klare Positionierung abgeben zu wollen, in Wahrheit eben eine sehr klare Positionierung abgegeben haben. Sie nehmen ihre eigenen Positionierungen schon gar nicht mehr wahr, weil sie ihre Augen vor den Positionen anderer schlichtweg verschließen. aber dann von anderen Akzeptanz der Vielfalt fordern, das ist schon ein starkes Stück.

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  15. @ stoerchin
    Deiner Pauschalverurteilung der Kirchen möchte ich nicht zustimmen. Hab jetzt gerade ein Buch von Jesuiten gelesen: „Was uns wichtig ist“, da sind viele Dinge und Handlungen beschrieben, die in meinen Augen hochachtenswert sind.
    Ist es nicht so, dass die von Dir beschriebenen Eigenschaften wie Dummheit, Machtgier und Dogmatismus in allen Instituionen vorkommen?
    @minulinu
    Deine Auffassung teile ich voll und ganz

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  16. @Sternenguckerin – Für Paare, die Kinder wollen, ist „Unfruchtbarkeit“ jedenfalls ein großes Leid. Anders lässt es sich ja nicht erklären, warum so viele die großen Torturen und Kosten und Umstände einer künstlichen Befruchtung über sich ergehen lassen. „Mangel“ ist vielleicht ein schlechtes Wort, aber keine Kinder bekommen zu können, ist jedenfalls nicht schön, wenn man welche haben will. Das ist ein Punkt, von dem ich finde, dass er in Debatten über Familienformen eine wichtigere Rolle spielen müsste, auch auf der „queeren“ Seite, nämlich das Schwangerwerdenkönnen oder nicht. hatte ich hier im Blog ja schon geschrieben.

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  17. Eher nicht für „normal“ gehalten wird Homosexualität (und Queerness generell) jedenfalls von einer Mehrheit der Christinnen und Christen.

    Das hängt wohl davon ab, wie man christlich definiert und in welchem Land und Milieu man sich bewegt. Für den europäisch geprägten Kulturkreis wäre ich da ein bisschen optimistischer. Karte dazu:
    http://www.pewglobal.org/2013/06/04/global-acceptance-of-homosexuality/ (die Philippinen!)

    Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, diesen Bildungsplan wie geplant durchzudrücken. Es braucht dafür ja auch Lehrkräfte, die damit umgehen können, sonst ist es am Ende schlimmer als wenn man es ganz gelassen hätte. Außerdem ist einiges erklärungsbedürftig.

    Im Punkt „Prävention und Gesundheitsförderung“ ist in der rechten Spalte (mögliche Inhalte) genannt:

    Klicke, um auf Arbeitspapier_Leitprinzipien.pdf zuzugreifen

    Erkennen der eigenen sexuellen Identität„. Für mich riecht das zu sehr nach Gruppentherapie. Wie soll das konkret aussehen? Dass verschiedene sexuelle Orientierungen vorgestellt und akzeptiert werden sollen, wurde ja bereits an anderen Stellen deutlich gesagt. Warum reicht das nicht? Sollen Jugendliche zusätzlich ihre eigene Identität definieren und ihren Lehrern ihre sexuelle Orientierung offenlegen? Was ist, wenn jemand noch nicht so weit ist – wird die Person dann bearbeitet, weil wir ja jetzt alle so frei und offen und locker und tolerant sind? Wenn sexuelle Orientierung weniger mit Wertung verbunden ist als früher, hätte das doch eigentlich den großen Vorteil, dass man die Dinge gelassener auf sich zukommen lassen kann und sich die gewohnten Schubladen erst mal schenken kann.

    Andersrum gesagt: Ich erinnere an Oliver Welke von der Heute-Show, als es um die getwitterte Sexualität dieser freizügigen Piratin aus NRW ging: „Nein, wir wollen nichts über die Sexualität von Politikern wissen! Das ist wie bei Eltern – man ahnt, dass sie Sex haben, aber man will es nicht wissen“ Und ich ergänze: Man will auch nichts über die Sexualität von Lehrern wissen und sich schon gar nicht von denen über die eigene Sexualität ausfragen lassen! Könnte ja jeder kommen.

    Ich erinnere mich noch gut, was für ein Stöhnen durch die Reihen ging, als der Englischlehrer in der Zehnten mit dem Thema Dating kam. Mit Recht! Über meine eigene Sexualität und Partnerschaft redet man üblicherweise mit Leuten, zu denen man großes Vertrauen hat. Das kann man doch nicht mit dem Lehrplan erzwingen.

    Die Lehrer sollen erst mal das Gemobbe in den Griff kriegen, möglichst mit besseren Methoden als mit der Frage „was habt ihr gegen X“ / „warum ist X in der Klasse unbeliebt“? Zumal viele scheinbar Unbeliebte nur bei irgendwelchen Anführern und Leitkühen unbeliebt sind, weil sie sich nicht als Getreue eignen.

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  18. Sind die ungeschminkten grauhaarigen bibeltreuen Damen mit der streng gebundenen Glaubenszwiebel am Hinterkopf nicht auch irgendwie queer? Die rot-grüne Großstadt-Hetera trägt ja ab 45 eher eine kastanienrot wallende Männe 😉

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  19. Alles in allem kann ich mich nur Deiner Meinung anschließen, ich war erstaunt darüber, wie viel Presse das Thema bekommen hat. (Es gab auch auch gleichzeitig noch das Coming Out von Hitzelsperger.)

    Allerdings finde ich schon, dass Eule und Stoerchin ins Schwarze getroffen haben: die Kirchen haben bereits Unterrichtszeit, in denen sie ihre Ideen und Ideologien an die Schüler weitergeben zu versuchen. Und genau diese Kirchen kritisieren, dass die Schülerinnen und Schüler mit diesen Ideen, die sie (wenig überraschend) ablehnen, »indoktriniert werden«. Und dieser Punkt gehört zum Thema dazu.

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  20. @minilu
    Ich glaube, dass gerade darin die größte Angst der Gegner liegt, nämlich dass Homosexualität, Bisexualität und andere nichtdurchschnittlichen Formen der Sexualität in der Bevölkerung als normal akzeptiert werden. (Schon aus diesem Grund kann ich rein gefühlsmäßig mit dem Argument »Homosexualität kann doch nicht normal sein« rein gar nichts anfangen, obwohl ich nachvollziehen kann, dass der Gedanke Unbehagen bei anderen Leuten auslöst.)

    Die Reaktionen auf Hitzelspergers Outing lassen einen froh stimmen, vor ein paar Jahren jedenfalls war offene Homosexualität in den großen Parteien noch ein großes Tabu (ich kann mich an ein Interview im Stern mit einem homosexuellen CDU-Spitzenpolitiker erinnern, was einige Wellen geschlagen hat), nun ist es im Mainstream nicht mehr als eine Randnotiz.

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  21. @Antje:
    …“Mangel” ist vielleicht ein schlechtes Wort, aber keine Kinder bekommen zu können, ist jedenfalls nicht schön, wenn man welche haben will. Das ist ein Punkt, von dem ich finde, dass er in Debatten über Familienformen eine wichtigere Rolle spielen müsste, auch auf der “queeren” Seite, nämlich das Schwangerwerdenkönnen oder nicht. hatte ich hier im Blog ja schon geschrieben.“

    Mir ging es um den (unglücklich Wortwahl, ja!) „Mangel“ der Fähigkeit, Kinder zu bekommen, als eben gerade *kein* Ausschlusskriterium einer kirchlichen Billigung/Segnung von Paaren – was ich als positiven Schritt verstehe.
    Nur sind Kinder/Nachkommen eben der nächste Schritt, der dann nicht weiter diskutiert wurde.
    Die Tatsache, dass eben das „schwanger werden können“ manchen Menschen (aber eben nicht nur in Hetero-Beziehungen) nicht oder nur mit Technologie möglich ist, habe ich ja auch angesprochen.
    Und natürlich ist es Leid, wenn es nicht klappen will.
    Leid ist es aber auch, wenn man von den Alternativen ausgeschlossen wird, die vorhanden sind.
    Wenn dann noch damit argumentiert wird, dass bei homosexuellen Paaren ja „von Natur aus“ keine Kinder entstehen könnten“ – dann ist das m. Mng. nach doppeltes Leid und höchst unfair.

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  22. Allerdings: Das Frauen-Paar kann natürlich nicht „voneinander“ schwanger werden, dazu braucht es dann schon noch einen Mann oder zumindest seine Spermien. Und da kommen schon die Moralisten (natürlich nicht nur kirchliche) auf den Plan, weil – das ist ja nicht im Sinne der „natürlichen“ Familie.

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  23. (Kommentar von 14:17 – wallende Mähne natürlich, nicht Männe.)

    Ich weiß nicht, wovor die Unterstützer der Petition genau Angst haben. Aber es ist offensichtlich, dass die vorhandenen Informationslücken (was genau soll in der Schule passieren) mit Projektionen und Paranoia ausgefüllt werden. Die Kirchen hätten lieber nachfragen sollen, anstatt irgendwas zu verkünden.

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  24. Allerdings: Das Frauen-Paar kann natürlich nicht “voneinander” schwanger werden, dazu braucht es dann schon noch einen Mann oder zumindest seine Spermien. Und da kommen schon die Moralisten (natürlich nicht nur kirchliche) auf den Plan, weil – das ist ja nicht im Sinne der “natürlichen” Familie.

    Und hier kommt der Rächer – schwuler Ex-Pfarrer hat 22 Kinder mit 17 Lesben
    http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.homosexueller-samenspender-schwuler-vater-markus-hat-22-kinder.bbedb1c1-37be-4967-854f-de133ef789b5.html

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  25. ich empfinde dieses Unbehagen- ganz besonders dieses Unbehagen in einigen „liberalen“ Kreisen dies eben nicht äußern zu können,ohne dass gleich eine Keule geschwungen wird.Manchmal scheinen Menschen auch Mut zu benötigen um dieses Unbehagen offen zu benennen….ich finde das bedenklich.
    Im Bekannten und beruflichem Umfeld kenne ich einige junge Eltern,die für ganz und gar gegen Diskriminierung in jeder Form sind und nun erleben wie sie mit ihren Bedenken in manchen Kreisen und Medien einen Stempel bekommen. Schade… – sie äußern sich nun nicht mehr öffentlich dazu.

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  26. Soweit ich mitbekommen habe, ich bin Gesamtelternsprecherin in B-W, hat sich die ev. Kirche schon vor der Onlinepetition an Herrn Stoch gewandt und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass in dem neuen Lehrplan überhaupt nicht mehr von Familie, Vater und Mutter geredet wird, sondern nur noch von schwammig formuliert von vielfältigen Lebenszeitpartnerschaften in Zeiten der Globalisierung.
    Warum wurde überhaupt nicht mehr auf die Lebenswirklichkeit der Mehrheit, gerade der kleinen Kinder eingegangen ? Darf Familie oder Ehe nicht mehr erwähnt werden ?

    Derzeitspricht Herr Stoch von einem unfertigen Arbeitsentwurf. Ich finde die Diskussion überfällig und habe zwar Bauchschmerzen, wenn ich mir die homophoben Kommentare der Onlinepetition ansehe – bin aber froh, dass der Entwurf in der jetzigen Form nicht verabschiedet wird und Korrekturen erhält.

    Als Mutter eines Grundschülers habe ich etwas gegen Sexualkunde in der Grundschule. Ich finde 5-6jährige sind für solche Themen noch zu klein. Nichts, absolut gar nichts habe ich dagegen wenn um mehr Respekt für unterschiedliche Lebensmodelle geworben wird.

    Was mich und viele Lehrer hier in B-W stört, ist dass die Schule immer mehr zum Sozialbetrieb wird.
    Ich erlebe gerade wie durch Inklusion Unterricht in der Grundshule unmöglich gemacht wird.
    Ich bin auch hier keineswegs gegen Inklusion genauso wenig wie ich mich als homophob bezeichnen würde, aber bitte mit mehr Personal.
    Genauso sieht es mit der Sexualerziehung aus. Beratungsstellen, die (insbesondere für gleichgeschlechtlich veranlagte) Jugendliche da waren, werden geschlossen – dafür soll die Schule diese Aufgabe im Frontalunterrricht übernehmen.
    Es gibt hier in unserer Landesregierung sehr viel Heuchelei. Alles, absolut alles wird unter ökonomischen Gesichtspunkten beschlossen – auch diese Reform.
    Die Regierung trat mit dem Versprechen an G8 abzuschaffen. Heute gibt es G9-Züge vorallem auf Privatschulen. Zwar spart Grün-Rot durch Schließung von Schulen, jahrgangsübergreifenden Unterricht, Abschaffung von G9, geringer werdenden Schülerzahlen und Schulmittelkürzungen viel Geld – fordert aber auf der anderen Seite mehr Steuern für Bildung.

    Ich möchte noch etwas persönliches, was mich sehr wütend gemacht und auch stark verletzt hat, hinzufügen.

    Meine Tochter mußte letzes Jahr für eine Arbeit im Sozialkunde Unterricht folgenden Text lernen :
    Familienform Großfamilie

    Großfamilien sind meist sehr religiös, bildungsfern – Mütter in Großfamilien haben ein antiquiertes, nicht emanzipiertes Frauenbild und kommen auf Grund ihrer mangelnden Bildung keiner sozialpflichtige Beschäftigung nach.

    Es gibt viele Formen von Diskriminierung.
    Familie, Mutter und Vater nicht mehr zu erwähnen – also unsichtbar zu machen, ist für mich auch eine Form von Diskriminierung und es verletzt mich wenn meine Kinder so etwas lernen müssen.

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  27. @13. Januar 2014 um 14:36 – Was genau sind denn die Bedenken der hier erwähnten jungen Eltern?

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  28. Ute Plass- genau die Bedenken ,die von Valerie ausführlicher eben beschrieben wurden .Dazu hat mich besonders die Aussage eines Vaters erschreckt! „wenn ich das in manchen Kreisen-auch Freundeskreisen,die sehr liberal eingestellt sind-so äußere,.dann werde ich bestensfalls belächelt oder als unaufgeklärt,ungebildet und vor allem als Mensch mir großen Vorurteilen abgestempelt.Ganz schlimm wirds wenn erwähne,dass ich unterschiedlicheLlebensentwürfe respektiere ,aber glücklicher wäre ,wenn meine Kinder einmal eben nicht gleichgeschlechtliche Partner wählen“- .Daraufhin zustimmendes Nicken und ähnliches Erleben von etlichen anderen Eltern.(Elternabend in einer Familienbildungsstätte- zu einem ganz anderen Thema) und das erschreckt mich am meisten- das wir offenbar so oft keine Möglichkeit haben in angemessener Weise Elternmeinungen und Gefühle akzeptieren können,die in den Medien als „politisch nicht korrekt“ ausgewiesen werden,bzw.diffamiert werden.Das ist keine Disskussionskultur! .

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  29. Eigentlich wird an diesem Beispiel wieder einmal deutlich, dass religiöser Glaube ausgedient hat, nicht mehr zeitgemäß ist. Worin liegt der Sinn eines Glaubensbekenntnisses, wenn sich darauf alle streitenden Seiten als Quellenmaterial berufen können – man muss halt nur die für sich passenden Stellen kennen.
    Schade, dass so viele daran festhalten. Warum darum kämpfen, dass z.B. Schwule und Lesben in der Kirche aktiv sein dürfen? Wenn Amtskirche sie nicht will, hat sie sie eben auch nicht verdient.

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  30. @Valerie – “ Meine Tochter mußte letztes Jahr für eine Arbeit im Sozialkunde Unterricht folgenden Text lernen : Familienform Großfamilie. Großfamilien sind meist sehr religiös, bildungsfern – Mütter in Großfamilien haben ein antiquiertes, nicht emanzipiertes Frauenbild und kommen auf Grund ihrer mangelnden Bildung keiner sozialpflichtigen Beschäftigung nach.“
    Was für ein hanebüchener Unsinn. Konntest du die Lehrkraft, die so was verzapft, damit konfrontieren?

    „Derzeit spricht Herr Stoch von einem unfertigen Arbeitsentwurf.“ Werden Eltern, Lehrkräfte und auch Schüler_innen-Vertretungen direkt in den Entwicklungsprozess solcher Arbeitsentwürfe einbezogen?

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  31. Vielleicht stand es in einem Buch?

    Ich hab neulich bei Hugendubel im Vorbeigehen ein HSU-Heft für die Grundschule aufgeklappt, da konnte man lernen, dass Eskimos in Iglus leben und irgendwer in Hütten…

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  32. @Valerie
    Ich glaube nicht, dass die Aussagen, die Du über Großfamilien zitiert hast, Teil des Lehrplans sind. In Einzelfällen erfährt man schon extremes: Ich bin unter anderem in Bayern aufs Gymnasium gegangen. Die zwei Biolehrer sind dort so konservativ gewesen, dass der Förderverein der Schule ProFamilia beauftragt hat, Sexualkundeunterricht zu geben.

    Ich wäre aber dennoch vorsichtig, und würde nicht behaupten, dass diese Situation repräsentativ wäre.

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  33. @Ute:
    *Ganz schlimm wirds wenn erwähne,dass ich unterschiedlicheLlebensentwürfe respektiere ,aber glücklicher wäre ,wenn meine Kinder einmal eben nicht gleichgeschlechtliche Partner wählen”-*
    Das habe ich auch schon ganz oft im Bekanntenkreis gehört.
    Wenn ich dann frage, warum man sich das denn so wünscht oder glücklicher wäre, kommen fast immer Antworten, in denen mitschwingt dass man als Eltern für seine Kinder möglichst wenig belastendes, Stress, Diskrimimierung usw. wünscht, und man wisse ja, wie das mit Homosexualität sei und den ganzen Vorbehalten in der Gesellschaft.
    Und dann kommen auch noch eigene Vorbehalte und Bedenken.
    Die hat man uns allen ja auch fein eingetrichtert, die werden wir nicht so schnell los.

    Ich kann nur wärmstens den Film „die Familie Stone “ empfehlen.
    Kommt als romantische Komödie daher, hat es aber in sich.
    Diane Keaton als Mutter eines taubstummen schwulen Sohns, der mit seinem Partner (of colour) ein Kind adoptieren will.
    Sie flippt komplett aus, als Sarah Jessica Parker ganz wohlmeinend und nichts böses ahnend fragt, ob man sich denn ernsthaft homosexuelle Kinder wünschen könne.
    Weil, man wisse doch, der ganze Stress…
    Es fliegen dann Gabeln und Teller, ich habe die Szene als körperlich schmerzhaft empfunden.  

    Daher finde ich die oben zitierte Aussage zwar verständlich und irgendwie nachvollziehbar, aber trotzdem macht es mich auch ein bisschen traurig, weil darin zum Ausdruck kommt, wie wenig breite Akzeptanz (und eben nicht nur dieses *die sind halt irgendwie auch da*) tatsächlich vorhanden ist.
    Aber natürlich muss man auch diese oben zit. Wünsche respektieren und einfach hoffen und weiter aktiv bleiben, damit das Unbehagen weniger wird.

    Ich kenne auch Hetero-Paare, die sich schon wie Exoten vorkommen in ihrem Berliner Viertel wo jede Menge *Regenbogen* ist.
    Die auch von sowas wie „Familiendiskriminierung“ sprechen, wenn in der öffentlichen Diskussion Homosexuelle Familienmodelle besprochen werden.
    Als ob es um die Abschaffung von Familie ginge.
    Und ja, auch das Wort Familie muss nicht ausschlaggebend sein für ein glückliches und erfülltes Zusammenleben von Menschen.

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  34. @japanjedi
    Das Zitat stammte tatsächlich nicht aus einem Schulbuch sondern aus Broschüren, die der Schule für Unterrichtszwecken zur Verfügung gestellt wurden und so in den Unterricht einflossen – so auch in der Arbeit abgefragt wurde.

    Es ist ja schon gerade zu krotesk, wie „brave new world“ hier zu Vorlage eines neuen Gesellschaftsmodell gemacht wird. Frühe Sexualisierung – Huxely beschreibt es – bis hin zum Verbot von Wörtern wie Vater und Mutter und biologischer Elternschaft.
    Dies hat für mich überhaupt nichts mehr mit dem heeren Wunsch mehr Akzeptanz für Homosexualität durchzusetzen zu tun, oder mit gewissen sexuellen Verklemmtheiten von Heteroeltern sondern mit einer staatlichen Deutungshoheit was Elternschaft sein soll – in Zeiten einer globalisierten Welt.

    @Ute Plass
    „Derzeit spricht Herr Stoch von einem unfertigen Arbeitsentwurf.” Werden Eltern, Lehrkräfte und auch Schüler_innen-Vertretungen direkt in den Entwicklungsprozess solcher Arbeitsentwürfe einbezogen?“

    ein ganz klares Nein. Aber gerade die Einmischung der großen Kirchen macht mich optimistisch dass eingesehen wurde, dass dieser Entwurf so nicht konsensfähig ist. Geringe Kosmetik aber der Gundtenor wird wohl erhalten bleiben.

    Ich bin nicht so naiv, dass ich glaube, dass sich an der Sichtweise der Politik was die Verschmelzung von Familienpolitik und Ökonomie angeht, irgend etwas ändern wird. Wenn Frau Schwesig für Frauen, die nicht im ersten Jahr nach der Geburt wieder arbeiten, das Wort „Gebärmaschine“ benutzt und die SPD in allen Sozialvorgaben nur die fleißige sozialpflichtig beschäftigte Armeise belohnt – Mütterbelange aber nur auf eine Vereinbarkeitsproblematik reduziert – die Linke in neuen Grabenkämpfen sich zwischen fortschrittlicher (neoliberaler) Internationale und sozialistischer Internationale zerreißt und Koservative zwischen ökonomischen Lobbyisten und Ultrakonservativen ebenfalls uneins sind – wird sich die Ökonomisierung der Geselschaft weiter zuspitzen.

    Alles wird in schöne Worte verpackt –

    Inklusion (heißt in Wirklichkeit Stellenabbau – Sozialkürzungen – Zerstörung der öffentlichen Schulen um die Privatisierung des Bildungswesens zu fördern )
    Akzeptanz von sexuellen Minderheiten (heißt Bescheidung von Elternrechten und Ökonomisierung der Familien)
    Recht auf einen selbstbestimmten Tod (heißt früheres sozialverträgliches Ableben)

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  35. Niemand zwingt sie – wird gezwungen – , „dem Zeitgeist hinterherzulaufen“, wie immer unterstellt wird. Was ich mich frage, ist: Warum, um Himmels willen, tun sie das nicht?

    Möglicherweise weil es Themen gibt die der Erziehung desder Einzelnen diametral entgegensteht? Dies und gepaart mit Bildern in den Kopfen können durchaus zu solchem Verhalten führen.

    Toleranz und Akzeptanz setzt imo die Reflektion seiner Sozialisation – Erziehung voraus. Das in Frage stellen ob und wie weit man gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster, soziale Normen verinnerlicht und sich angepasst hat ist mitunter ein schmerzhafter Prozeß. Unser eigenes Verhalten wird ja durch bestimmt. Wahrzunehmen – sich bewußt zu werden das man Menschen verletzt hat wenn man in den „Spiegel schaut“ das ist schmerzhaft. Und wer will schon gerne Schmerzen haben.

    Ein anderer Aspekt ist Leugnung. Die Wahrheit zu verdrängen ist ja nicht gerade eine Disziplin derer sich nur Wenige hingeben . . .

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  36. @Sternenguckerin – Du verdeutlichst gut, dass sicherlich nicht wenige Eltern mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Ängsten und Vorbehalten z.B. gegenüber Homosexualität identifiziert sind und sich
    sog. „normale Partnerschaftsbeziehungen“ für ihre Kinder wünschen. Ermutigend allerdings, dass
    „betroffene Eltern“ begonnen haben, sich für ihre Kinder stark zu machen: http://www.befah.de/

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  37. alivenkickin:

    Toleranz und Akzeptanz setzt imo die Reflektion seiner Sozialisation – Erziehung voraus. Das in Frage stellen ob und wie weit man gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster, soziale Normen verinnerlicht und sich angepasst hat ist mitunter ein schmerzhafter Prozeß.

    Das ist mir zu verkopft gedacht und auch zu nahe an den Hardlinern der Psychoanalyse dran (salopp zusammengefasst: Du bist neurotisch und gestört, also zerlegen wir deine Persönlichkeit und bauen sie nachher so wieder auf, wie es dem Analytiker richtig und reif erscheint). Und die Aufgabe von Lehrern ist es nicht, schmerzhafte Gefühlsprozesse auszulösen und dann an den Reaktionen herumzudilettieren – das wäre nämlich übergriffig.

    Wie man mit anderen Menschen umgeht, ist ohnehin zu einem großen Teil eine Lern- und Übungssache. Die Inklusion von Behinderten zielt ja darauf ab, dass Kinder früher lernen, damit umzugehen, also die Befangenheit ablegen und Bedürfnisse anderer Menschen kennen zu lernen und darauf einzugehen. Dafür braucht man keine christlich anmutende Gewissensprüfung über Privilegien absolvieren.

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  38. @Irene:
    Ulkig, ich habe das überhaupt nicht als verkopft gelesen.
    Ich schätze mal, dass @alivenkickn es nicht unbedingt auf die Schulzeit bezogen hat und das Reflektieren der eigenen Sozialisation auch nicht als Aufgabe der Lehrer sieht – sondern als etwas, was man als Erwachsener Mensch oft durchlebt.

    Mal freiwillig und als bewusst gesuchter Prozess, um zu reflektieren „woher man kommt“ oder auch unfreiwillig durch einschneidende Erlebnisse oder Impulse.
    Das kann sehr weh tun, das kann ich nur bestätigen.
    Aber es öffnet dann auch den Horizont und erlaubt neue Wege einzuschlagen.

    Vielleicht kann Schule und eine gute Pädagogik aber jungen Menschen dabei helfen, relativ früh zu begreifen, dass unsere soziale Ordnung kein fest getackertes und steinernes Manifest ist, sondern dass sie sich bewegt, sich verändert, und von uns mit gestaltet werden kann…

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  39. Interessant. Ich finde es schmerzhafter zu erkennen, was mir geschadet hat und wo ich es ungewöhnlich schwer hatte (was nicht immer mit Diskriminierung zu tun hatte, manchmal reichen ja Pech oder einzelne Leute mit miesem Charakter) als zu erkennen, wo ich Vorteile hatte.

    Ich habe das in der letzten Zeit öfter gelesen, dass man sich der eigenen Privilegien bewusst werden soll und dass es dabei irgendwie wichtig ist, dass das möglichst weh tut, sodass ich mich langsam frage, wieso andere so scharf drauf sind, dass ihre Mitmenschen durch „schmerzhafte Prozesse“ gehen, oder auf Deutsch gesagt: Dass sie leiden.

    Da kaum jemand gerne Schmerz empfindet, ist der Kreuz- und Schmerzensweg zur Erkenntnis nicht gut geeignet, viele Leute zu erreichen und zu überzeugen (und dann ggf. „Abwehr“ zu unterstellen, ändert auch nichts).

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  40. @Irene – Wenn auf Privilegien hingewiesen wird, geht es doch nicht darum, dass die Betreffenden leiden sollen, sondern es geht darum, dass sie ihre eigene Situation nicht für selbstverständlich halten sollen und zum Maßstab für andere machen.

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  41. Ja schön, aber warum das vielfache Gerede davon, dass das bitteschön sehr schmerzhaft zu sein hat und man da durch muss? Weil alle Frauen dieselben Gefühle haben müssen? Weil sich die Privilegierten genauso schlecht fühlen sollen wie die Diskriminierten?

    Ich bin in meiner Kindheit und Jugend jeden Sonntag in eine Kirche aus der Zeit des Rokkoko gegangen. Da gab es nicht nur viel rosa Stuck und nackige Engel, sondern auch eine Marienfigur unter dem Gekreuzigten, die sich ein Schwert in die Brust gerammt hatte. Falls der Internet-Feminismus noch eine Schutzpatronin braucht – das wäre mein heißer Tipp 🙂

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  42. @Irene – Wo wird da vielfach von geredet? Ich höre dieses Ding, wonach irgendjemand will, dass Privilegierte sich schlecht fühlen, immer nur von den Privilegierten selber – und habe mir das bisher so erklärt, dass sie nicht verstehen, worum es wirklich geht.

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  43. Ich habe @alivenkickn’s Einlassung ähnlich wie @Sternenguckerin verstanden, nämlich dass ein jedeR
    sich zu fragen und zu hinterfragen hat, ob und wie die eigenen Prägungen und Anschauungen der eigenen
    Persönlichkeitsentwicklung förderlich waren bzw. geschadet haben und wie das in meine Mitwelt ausstrahlt?
    Den eigenen inneren Schweinehund anzuschauen ist tatsächlich nicht unbedingt ein Vergnügen und kann
    Schmerzen verursachen. Nichtsdestotrotz sollte sich niemand vor dieser Art von Konfrontation verschonen.;-)

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  44. Naja, wie ich mich fühle, nachdem ich mich auf irgendwelche Themen einlasse, sehe ich dann schon selbst. Ich brauch keine Triggerwarnung vor meinen eigenen Gefühlen, die womöglich ganz anders ausfallen als bei anderen. Ich drücke ja anderen Leuten auch nicht meine Höhenangst rein, wenn sie in die Berge gehen. Hat mit Abgrenzung zu tun. Wer auf den Berg steigt, sieht dann schon, wie es da oben ist.

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  45. @Ute Plass:
    „…nämlich dass ein jedeR
    sich zu fragen und zu hinterfragen hat, …“
    Das wäre mir fast schon zu imperativ.
    Es ist vielleicht wünschenswert, dass mehr Menschen das tun, aber ob man das „zu tun hat“ …?

    @Irene:
    Natürlich kann man niemandem seine eigenen Gefühle aufzwingen – Dein Beispiel mit der Höhenangst ist da sehr deutlich. Es geht auch m. Mng. nicht über eine Gefühlsübertragung oder um die eigenen Gefühle, die andere Leute bitte besser verstehen sollen.
    So wie ich es verstanden (und auch selbst erlebt habe) war es so gemeint, dass man so fix die eigenen Erfahrungen (incl. Gefühle), die eigene Sozialiation, als „wahr“ erlebt und sich manchmal nur sehr schwer vorstellen kann, dass es auch anders sein könnte.
    Aus dieser Haltung kann dann z.B. so etwas wie Diskriminierung entstehen, oder man „erhebt“ sich vielleicht unbewusst (oder z.B. mit „göttlicher Autorisierung“) über andere, die es – der eigenen Weltsicht nach – irgendwie „falsch“ machen.
    Der Prozess, das zu erkennen, zu merken, dass man arrogant in seiner eigenen kleinen „Wahrheitsblase“ gehockt hat – das kann einem im Rückblick dann schon mal sehr peinlich sein, man versteht dann auf einmal, warum man andere Menschen verletzt hat.

    Aber ich kann nicht für @alivenkickn sprechen, vielleicht war es auch anders gemeint.

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  46. @Antje

    „Und natürlich haben die Kirchen wie jeder andere gesellschaftliche Akteur das Recht, ihre Meinung öffentlich zu vertreten und in die allgemeine Debatte einzubringen. Niemand zwingt sie, „dem Zeitgeist hinterherzulaufen“, wie immer unterstellt wird.“

    Dass die Alternative nicht zwangsläufig Traditionalismus oder „dem Zeitgeist hinterherlaufen“ lautet und sich die traditionelle Botschaft der Evangelien sehr wohl mit der Akzeptanz alternativer Lebensentwürfe verträgt bzw. diese sogar impliziert, beweist meiner Meinung nach der sehr lesenswerte Gastbeitrag des Jesuitenpaters Klaus Mertes in der Badischen Zeitung von gestern. Hier daraus die entscheidende Passage:

    „Die Landesverfassung und das Schulgesetz nehmen Bezug auf das christliche Menschenbild. Der Kern des christlichen Menschenbildes besteht in der Aussage, dass der Mensch als Mann und Frau Gottes Ebenbild ist – also eine Würde hat, die niemand ihm nehmen darf. Jesus berief sich auf dieses Menschenbild, um die Entwürdigung der Frau in der patriarchalischen Ehe zu bekämpfen. Entsprechend liegt der praktische Akzent beim Hinweis auf das christliche Menschenbild, wenn man ihn auf die aktuelle Debatte bezieht, darauf, dass auch homosexuellen Menschen dieselbe Würde der Gottesebenbildlichkeit zugesprochen ist – und zwar nicht nur theoretisch, sondern mit Konsequenzen für die Praxis, vom Schutz vor Diskriminierung bis hin zur Anerkennung von Rechten.“

    http://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/kollegdirektor-mertes-prangert-hetze-gegen-homosexuelle-an–79595986.html

    Vielleicht deshalb – weil nämlich diese Botschaft im Verlauf der letzten 2000 Jahre eine stärkere Wirkung entfalten konnte als wir ihr das gern zugestehen – ist die Gleichstellung Homosexueller nirgends so weit forgeschritten wie in der christlich geprägten westlichen Welt.

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  47. @dasrettende:
    „Dass die Alternative nicht zwangsläufig Traditionalismus oder “dem Zeitgeist hinterherlaufen” lautet und sich die traditionelle Botschaft der Evangelien sehr wohl mit der Akzeptanz alternativer Lebensentwürfe verträgt bzw. diese sogar impliziert…“

    Das kommt eben immer auf den Blickwinkel und auf die persönliche Lesart von christlichen Inhalten an.
    In meiner Familie gibt es jemanden, der sehr findig darin ist, Stellen aus christlicher Literatur (nicht nur der Bibel, sondern auch aus Exegese-Schriften verschiedener Autoren) so zu interpretieren, dass er es mit seiner Vorstellung von Homosexualität als krank, abnorm oder pervers zusammen bringt.
    Dass das für seinen homosexuellen Sohn sehr viel Leid mit sich bringt, ist sicher vorstellbar.
    Und auch er als Vater leidet natürlich, weil er den Sprung nicht schafft, seine Sicht auf dieses Thema zu hinterfragen, und so steht einer Annäherung zum einen die persönliche „Starrsinnigkeit“ plus die Religion im Wege.
    Artikel oder Aussagen wie die oben zitierte würde dieser Mensch tatsächlich als fehlgeleitetes Christentum bezeichnen, welches eben genau dem sogenannten „Zeitgeist“ hinter her läuft und meint, „diese ganzen Abartigkeiten“ tolerieren zu müssen.

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  48. @sternenguckerin – Ich finde nicht, dass die Religion in deinem Beispiel als „Plus“ hinzukommt, sondern es ist einfach die Form, in der die jeweiligen Ansichten begründet werden. In der Diskussion mit „frommen“ Menschen ist es durchaus hilfreich, auf andere Arten der Auslegung hinzuweisen, denn dann fällt es ihnen leichter, die eigene Einstellung zu verändern, weil sie nicht mehr das Gefühl haben, sie müssten sich mit der Abwendung von Homophobie auch gleichzeitig von ihrer Religion abwenden. Dieses Mechanismus ist derzeit auch wichtig im muslimischen Feminismus.

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  49. @Irene – „Ich brauch keine Triggerwarnung vor meinen eigenen Gefühlen, die womöglich ganz anders ausfallen als bei anderen.“ – Tja, ich vielleicht auch nicht, aber wenn mir eine andere Person sagt, SIE brauche die, warum sollte ich das nicht berücksichtigen?

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  50. @Antje:
    Danke für den Hinweis!
    Das habe ich vielleicht ein bisschen unglücklich formuliert.
    Das „plus“ war nicht als Zusatz zum Problem gemeint, sondern um zu verdeutlichen, dass die Religion hier der Rechtfertigungshintergrund ist.
    Für andere ist es eben „die Naturwissenschaft“, oder der „gesunde Menschenverstand“ auf den sich berufen wird um sich Rückendeckung zu holen.
    Mir ging`s eigentlich auch mehr um ein Beispiel für die Schwierigkeit, sich von seinem jeweils als „richtig“ gelernten Bild zu verabschieden oder zumindest den Versuch zu wagen, mal dran zu kratzen.

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  51. Tja, ich vielleicht auch nicht, aber wenn mir eine andere Person sagt, SIE brauche die, warum sollte ich das nicht berücksichtigen?

    Darum geht es ja hier nicht, dass das wirklich jemand gewünscht hätte und ich mich darüber hinwegsetzen würde. Sondern darum, dass es öfter so dargestellt wird, als sei es moralisch geboten, auf *schmerzhafte* Weise die eigenen Privilegien zu erkennen und sich keinesfalls vor diesem Kreuzweg zu drücken. Und wenn doch, schlägt womöglich die schwarze Pädagogik in Form von „Bashing“ zu. Mit sowas erreicht man aber nur die eigene Szene bzw. Leute, die noch eine Peergroup mit klaren Regeln suchen, für andere klingt sowas einfach zu unerfreulich und rigoros.

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  52. @Irene – du bist mir immer noch den Beleg dafür schuldig, dass es irgendwem dabei darum geht, Schmerzen zu erzeugen. Oder hab ich was übersehen? Mir ist dieses Argument bisher nur immer als Behauptung der anderen Seite begegnet.

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  53. @Antje

    „In der Diskussion mit “frommen” Menschen ist es durchaus hilfreich, auf andere Arten der Auslegung hinzuweisen, denn dann fällt es ihnen leichter, die eigene Einstellung zu verändern, weil sie nicht mehr das Gefühl haben, sie müssten sich mit der Abwendung von Homophobie auch gleichzeitig von ihrer Religion abwenden.“

    Absolut, vielen Dank. Der schwule Christ Matthew Vines macht sich diese Mühe in bemerkenswerter Weise:

    („The Gay Debate: The Bible and Homosexuality“)

    Er wendet sich mit einem einstündigen Vortrag in seiner Kirche direkt an seine Gemeinde und setzt sich mit den sechs (!) Stellen der Tausende von Seiten umfassenden biblischen Schrift auseinander, die als Beweis der Sündhaftigkeit von Homosexualität herhalten müssen. Zum Vergleich: Allein im Alten Testament gibt es dem Theologen Raymund Schwager zufolge über 600 Stellen, die sich mit dem Problem der zwischenmenschlichen Gewalt befassen, welchem demnach eine unvergleichlich grössere Bedeutung zukäme. Vines seziert und widerlegt dann meiner Meinung nach sehr überzeugend die herkömmliche Interpretation jeder einzelnen der wenigen fraglichen Stellen.

    @Sternenguckerin

    Gegen diese Art von „Findigkeit“ kann man tatsächlich nicht viel machen, vor allem, wenn sie einem solchen „persönlichen Starrsinn“ geschuldet ist. Ihre Formulierung legt nahe, dass hier die Interpretation durch eine bestimmte Absicht gesteuert wird, dass also genaugenommen die Ablehnung der Homosexualität der Interpretation der biblischen Schrift vorausgeht, und dass Letztere zur Rechtfertigung der Ersteren missbraucht wird. Es ist z.B. schwer vorstellbar, dass jemand nach unvoreingenommener Lektüre aus dem Neuen Testament, das ja nicht sehr lang ist, die Quintessenz „Du sollst nicht schwul sein“ extrahiert.

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  54. @dasrettende
    Nein, das liegt nicht an der christlichen Prägung der westlichen Gesellschaft, sondern an deren fortschreitenden Säkularisierung. Das kannst Du Dir auch anhand der USA verdeutlichen: in religiöseren Gebieten sind Vorurteile gegen Homosexuelle stärker als in säkulareren Gebieten. (Ich war erschrocken, wie steinzeitlich meine damaligen Mitschüler in meiner High School drauf waren.)

    Versuche, Homosexualität mit den Katechismen zu vereinbaren, sind lediglich die Reaktion der Kirchen auf den Zeitgeist und die Durchschnittsmeinung der Gesellschaft, der sie sich nicht entziehen können. In Deutschland zumindest sind die von den (insbesondere von den katholischen und evangelikalen) Kirchen vertretenen Positionen immer mehr Randpositionen. Ich finde es echt traurig, wenn Menschen Mentalgymnastik machen müssen um sich mit Ihrer Religion zu vereinbaren zu versuchen.

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  55. Das brauche ich nicht belegen, weil ich es zuletzt als Frage formuliert hatte, siehe
    https://antjeschrupp.com/2014/01/10/balken-im-auge/#comment-88914

    Ich wundere mich halt, wenn nicht nur gefordert wird, womit ich mich beschäftigen soll, sondern ich auch noch darauf eingeschworen werde, welche Gefühle dabei herauskommen (sollen?). Als ginge es darum, einem Schema zu folgen (wozu auch immer), anstatt sich darauf einzulassen.

    Um nochmal auf die katholische Läuterung für Privilegierte durch Schmerzen zurückzukommen (nur so, nicht um drauf zu beharren): Fändest du diese Interpretation wirklich sooo abwegig? Empfindet z.B. eine Buddhistin in China großen Schmerz, wenn sie sich eines Privilegs bewusst wird? Ergäbe das überhaupt einen Sinn, wenn man an Karma glaubt?

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  56. @Irene – Du fragtest „Warum das viele Gerede…?“ was zwar formal eine Frage ist, aber nur die Frage nach dem Warum. DASS es das viele Gerede gibt, ist als Behauptung in die Frage mit eingebaut 🙂

    Aber die ideengeschichtliche Verknüpfung mit dem „Schmerzensmann“ am Kreuz ist sicherlich da, die durchzieht aber unsere gesamte Kultur und nicht nur diese Debatten. Sie findet sich auch bei der Opferbereitschaft des Revolutionärs, bei einer Definition von Stärke, die in der Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen gesehen wird, usw. Das könnte man auch diskutieren, führte jetzt aber doch arg weg vom Thema. Ich habe an anderer Stelle mal was dazu gebloggt: http://www.bzw-weiterdenken.de/2012/10/die-vertreibung-aus-dem-paradies/

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  57. @ Irene

    Das hat mit verkopft nichts zu tun. In der Erzieherausbildung nehmen die Verinnerlichung „gesellschaftlicher Normen und deren in Frage stellung“ einen großen Block ein. Zum anderen halte ich es generell so das ich idr von mir spreche ohne den Anspruch der Allgemeingültigkeit damit zum Ausdruck zu bringen.

    Ich habe weder etwas mit Psychoanalyse am Hut geschweige mit irgendwelchen christlich geprägten Gewissensprüfungen.

    Du schreibst ja selbst:
    Wie man mit anderen Menschen umgeht, ist ohnehin zu einem großen Teil eine Lern- und Übungssache. Die Inklusion von Behinderten zielt ja darauf ab, dass Kinder früher lernen, damit umzugehen, also die Befangenheit ablegen und Bedürfnisse anderer Menschen kennen zu lernen und darauf einzugehen.

    Der „rechte“ (um mich mal dieses Audruckes zu bedienen) Umgang mit Menschen – die Inklusion mit Behinderung fällt nicht von den Bäumen.

    Ich lege Dir nahe mal eine Art test zu machen. Setz Dich mal in einen Rollsthl und kurve durch den Kaufhof, die Strassen etc. Du würdest Dich wundern wie groß die Unsicherheit unter Menschen die Dir begegnet. Das fängt schon damit an das man dich zwar wahrnimmt wenn Du Dich im Eingangsbereich schwer tust beim weiterrollen auf den groblöchrigen Gummiabtretern tust und man mit gesenktem Blick an Dir vorbeihastet . . . .

    Im übrigen kommentiere ich bewußt unter meinem Blognamen . . . .

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  58. @Sternenguckerin /15. Januar 2014 um 11:22
    Nein, dachte dabei nicht an einen Imperativ im Sinne von Befehl, was ja unsinnig wäre, da das ‚eigene Fragen und Hinterfragen‘ nicht etwas ist, worüber andere verfügen und befehligen könnten.
    Dass Mensch selber die Pflicht dazu in sich verspüren kann, ja, das ist mein frommer Wunsch 🙂

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  59. @Sternenguckerin – mir gefällt deine Sorgfalt und Klarheit bezüglich Sprache. Sehr hilfreich im Umgang mit dem Balken im eigenen Auge.:-)

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  60. @japanjedi

    „Nein, das liegt nicht an der christlichen Prägung der westlichen Gesellschaft, sondern an deren fortschreitenden Säkularisierung.“

    Folgt man dem Anthropologen Rene Girard, so ist das Christentum selbst für diese fortschreitende Säkularisierung verantwortlich. Die biblischen Schriften dekonstruieren die archaische Religiosität, indem sie die Opferung eines Unschuldigen auf dem Höhepunkt einer gesellschaftlichen Krise als den Dreh- und Angelpunkt jeder menschlichen Kultur enthüllen. Die Befreiung von religiösen Zwängen zieht sich wie ein roter Faden durch das Neue Testament und gipfelt nach dem Kreuzestod Jesu im Zerreissen des Tempelvorhangs. Nun ist offenbar, was sich im Innersten des Tempels abspielt, und von nun an schwindet die Macht der Priester. Dass sich diese Offenbarung lange Zeit weiterhin im Gewand des Religiösen ereignet, ist wiederum ein Beleg dafür, wie tief verwurzelt der Mensch im Religiösen ist.

    „Ich finde es echt traurig, wenn Menschen Mentalgymnastik machen müssen um sich mit Ihrer Religion zu vereinbaren zu versuchen.“

    Nach meiner Auffassung ist Mentalgymnastik im Gegenteil notwendig, um aus der Bibel ein schwu-lenfeindliches Pamphlet zu machen.

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  61. @ alivenkickn: Ich lege Dir nahe mal eine Art test zu machen. Setz Dich mal in einen Rollsthl und kurve durch den Kaufhof, die Strassen etc. Du würdest Dich wundern wie groß die Unsicherheit unter Menschen die Dir begegnet. Das fängt schon damit an das man dich zwar wahrnimmt wenn Du Dich im Eingangsbereich schwer tust beim weiterrollen auf den groblöchrigen Gummiabtretern tust und man mit gesenktem Blick an Dir vorbeihastet . . . .

    Glaub ich dir alles, aber man kann doch davon ausgehen, dass das Leute sind, die ohne Rollstuhlfahrer in der Klasse oder auch nur auf dem Schulgelände aufgewachsen sind? Darum stellen sie sich ja so an… Wird das besser, wenn sie im stillen Kämmerlein über Privilegien nachdenken? Und warum sollten das ausgerechnet Leute tun, die Behinderten aus dem Weg gehen oder diverse Krankheiten ihrer Mitmenschen mit „was du immer hast, ich kenn das nicht“ kommentieren? Die Schule ist ja für Erwachsene nicht mehr zuständig.

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  62. Nachtrag: Die Generation 50 plus erreicht man sehr gut übers öffentlich-rechtliche Fernsehen.

    Ich bin dafür, dass Verkehrslektionen so ähnlich wie damals in „Der 7. Sinn“ wieder eingeführt werden, damit die Leute lernen, woran man einen benutzungspflichtigen Radweg erkennt (blaues Schild), wie man mit dem Auto ein Fahrrad korrekt überholt (mit 1,50 bis 2 Meter Abstand, wofür normalerweise die Gegenfahrbahn frei sein muss) und so weiter.

    Vielleicht wären solche Lektionen auch für ein paar Basics im Umgang mit Menschen / Behinderungen / Krankheiten sinnvoll? Muss ich Blinden über die Straße helfen? Die Erste-Hilfe-Kenntnisse könnte man auch gleich zwischen Wetterbericht und Fußballtabelle auffrischen.

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  63. @Irene – Ja, warum nicht Bewusstseinsbildung auf diese Weise versuchen! Das mediale Zeitalter bietet
    dazu viele Möglichkeiten.:-)

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  64. @dasrettende
    »Die Befreiung von religiösen Zwängen zieht sich wie ein roter Faden durch das Neue Testament und gipfelt nach dem Kreuzestod Jesu im Zerreissen des Tempelvorhangs. Nun ist offenbar, was sich im Innersten des Tempels abspielt, und von nun an schwindet die Macht der Priester. Dass sich diese Offenbarung lange Zeit weiterhin im Gewand des Religiösen ereignet, ist wiederum ein Beleg dafür, wie tief verwurzelt der Mensch im Religiösen ist.«
    Das ist eine sehr merkwürdige Interpretation. Ich glaube nicht, dass Religiösität tief im menschlichen Wesen verankert ist, sondern das Bedürfnis der eigenen Existenz einen Sinn zu geben. Dazu braucht man Religion definitiv nicht.

    »Nach meiner Auffassung ist Mentalgymnastik im Gegenteil notwendig, um aus der Bibel ein schwulenfeindliches Pamphlet zu machen.«
    Diese Behauptung ist doch überhaupt nicht haltbar, Homosexualität wird explizit in der Bibel als sündhaftes Verhalten genannt. Die Interpretation, dass ausgelebte Homosexualität keine Sünde ist, wird auch nicht von den meisten christlichen Strömungen geteilt (insbesondere von der katholischen Kirche).

    Verstehe mich nicht falsch, ich finde es gut, wenn die Akzeptanz von Errungenschaften der modernen Gesellschaft auch unter religiösen Menschen steigt (wie beispielsweise die der Homosexualität). Aber dann muss man auch ehrlich sein und sagen, dass man sich von der gängigen Interpretation des Textes schrittweise entfernt (bis diese Interpretation Mainstream wird) statt zu behaupten, dass die christliche Glaubenslehre von vornherein (ausgelebte) Homosexualität als normal akzeptiert.

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  65. @ japanjedi

    „Ich glaube nicht, dass Religiösität tief im menschlichen Wesen verankert ist“

    Die Aussage, dass der Mensch im Religiösen verwurzelt ist, bezieht sich auf die anthropologische Bedeutung des Religiösen, wie sie von der mimetischen Theorie René Girards postuliert wird. Ausführlicheres dazu in meinem Blog http://www.dasrettende.de.

    „Homosexualität wird explizit in der Bibel als sündhaftes Verhalten genannt.“

    Erstens konnte die Bibel von Homosexualität im heutigen Sinne einer ja nicht nur sexuellen sondern auch sozialen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Menschen gar nichts wissen. Ein Bewusstsein für diese Möglichkeit ist erst in den letzten vielleicht 150 Jahren entstanden, wie auch ein Bewusstsein für die Möglichkeit einer angeborenen oder zumindest von Kinheit an fest im Individuum verankerten sexuellen Orientierung. Für unsere Vorfahren gab es keine „schwulen Menschen“, sondern nur heterosexuelle Menschen, von denen einige eben Perversionen begingen. Zweitens lohnt es sich, auch die anderen Argumente von Matthew Vines zu hören (siehe die Verlinkung oben). Einfach nur zu sagen „Das ist so, und das weiss jeder“ ist letztlich nicht differenzierter als der religiöse Eifer bestimmter christlicher Fundamentalisten.

    „wenn die Akzeptanz von Errungenschaften der modernen Gesellschaft auch unter religiösen Menschen steigt“

    Ihre Ansicht, das religiöse Menschen irgendwie zurückgeblieben sind (wenn es mir erlaubt ist, Ihre Aussage so zuzuspitzen), entspricht auf jeden Fall dem Geist der Zeit. Aber wie gesagt: Dieses Bild verschiebt sich, wenn man das Religiöse weiter fasst und aus der anthropologischen Perspektive betrachtet. Zum Beispiel lebt die Verehrung der archaischen Götter fort in unserem Starkult, in der Anbetung der selbstgemachten Idole, denen auch selbsternannte Atheisten bereitwillig einen Heilgenschein verpassen, in der Verklärung, die der Tod eines zu Lebzeiten verachteten Menschen bewirkt etc. Das Christentum ist eine mächtige Transformation dieser archaischen Religiosität, und entgegen dem Zeitgeist setzt sich diese Erkenntnis im gleichen Masse durch, in dem das Christentum zum Sündenbock für alles und zur letzten Bastion der Unvernunft gemacht wird.

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  66. @japanjedi
    Ich finde, wie du „religiöse Menschen“ betrachtest, ist ähnlich vorurteilsbehaftet und stereotyp, wie die von dir Postulierten deiner Meinung nach auf sexuelle Vielfalt gucken.

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  67. @onlinemeier
    Deinen Beitrag kann ich nicht nachvollziehen, ich habe religiösen Menschen keine Worte in den Mund gelegt. Die Ablehnung der ausgelebten Homosexualität in der katholischen Kirche beispielsweise ist in der offiziellen Glaubenslehre dargelegt. Das bedeutet natürlich nicht, dass Kirchenmitglieder daran glauben.

    @dasrettende
    Es scheint mir, als würden Sie die aus dem Christentum erwachsene philosophischen Strömungen und Kultur als Weiterentwicklung des Christentums (bzw. des Religiösen) identifizieren und bestimmte Aspekte des Glaubens auf weltliche Dinge übertragen wollen (»Anbetung von Stars statt von Göttern«). Ich würde das nicht Religion nennen, sondern umkehren und sagen, dass Religion auch dieses menschliche Grundbedürfnis ausfüllen kann. Aber vielleicht verlieren wir uns da nur in Semantik.

    Alles, was Sie danach über Homosexualität schreiben (im Wesentlichen, dass wir es heute besser wissen als zu den Zeiten zu denen die Bibel und die anderen heiligen Schriften verfasst worden sind), dem kann ich im Wesentlichen nur zustimmen.

    Nur in dem Punkt, wo Sie sagen, dass meine Aussage »letztlich nicht differenzierter als der religiöse Eifer bestimmter christlicher Fundamentalisten« sei, bei dem Punkt möchte ich noch Mal nachhaken. Wenn man das religiöse Fundament ernst nimmt (z. B. die Bibel, den Koran oder eine andere heilige Schrift), dann bleibt nur eine fundamentalistische Interpretation übrig. Wird man moderater, weil erworbenes Wissen in den persönlichen Glauben eingebunden wird (z. B. die Beobachtung, dass homosexuelle Partnerschaften und Liebe existieren statt sich nur auf den sexuellen Akt zu konzentrieren), dann entfernt man sich notwendigerweise von dem Fundament.

    Dieses weg- oder uminterpretieren bestimmter Stellen in den heiligen Schriften ist notwendigerweise weniger konsequent als entweder die fundamentalistische, wortwörtliche Auslegung oder die Ablehnung der heiligen Schrift als Quelle absoluter Wahrheit. Leute, die moderat religiös sind, sind also weder Fisch noch Fleisch. Aber anders als Sam Harris (von dem dieses Argument stammt) finde ich es gut, weil sich religiös moderate in die (aus meiner Sicht) richtige Richtung bewegen.

    Ihre Zuspitzung (»Ihre Ansicht, das religiöse Menschen irgendwie zurückgeblieben sind«) trifft den Kern, wenn auch pointiert: ich würde nicht sagen, dass Menschen zurückgeblieben sind, sondern Religionen. Die Basis der meisten Religionen bilden vor Jahrhunderten verfasste Büchern und Traditionen basieren, an denen so lange wie möglich (und meist noch sehr viel länger) festgehalten wird. Der Menschheit würde man einen großen Gefallen tun, wenn man die Lehren der Religionen als philosophisches Fundament verstehen würde, was die Menschen aus eigener Kraft verändern können. Bislang ist der Fortschritt eine Gefahr für die Kirchen, weil sie sich zu langsam an die veränderten Umstände der Welt anpasst (z. B. Demokratisierung und Gleichberechtigung von Mann und Frau). Deshalb treten in Deutschland auch seit Jahren mehr Leute aus den Kirchen aus als ein.

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  68. @japanjedi – Du schreibst „Wenn man das religiöse Fundament ernst nimmt (z. B. die Bibel, den Koran oder eine andere heilige Schrift), dann bleibt nur eine fundamentalistische Interpretation übrig.“ – und das (ebenso wie die folgenden zwei Absätze von dir) ist genau das, was die Fundamentalisten mir auch immer erklären: Ich würde die Bibel und die religiösen Quellen nicht ernst nehmen. Aber, sorry, das ist Quatsch mit Soße. Ich finde es wirklich erstaunlich, wie sehr angeblich religionskritische Leute und Fundamentalisten in dasselbe Horn stoßen. Am besten, ihr macht einen Club auf.

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  69. Antje, warum so biestig? Ich erlebe es immer wieder, sobald man Christenmenschen mit einigen atheistischen Ansichten konfrontiert, wird nur noch zurückgekeult. Nennt man die christliche Erzählung ein Märchen, ist Christenmensch beleidigt. Welchen Brauch- oder Leitwert hat ein Buch, in dem man alles – aber stets auch das Gegenteil finden kann?

    Zu einem Gedanken von Antje (ganz weit oben):
    Wenn evangelischer und katholischer Religionsunterricht, eventuell neuerdings ergänzt um irgend etwas islamisches, die einzigen Weltanschauungen sind, die als solche Unterrichtsfächer bekommen, dann ist das sehr wohl Indoktrination, zumindest aber Ungerechtigkeit.

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  70. @Antje
    Der entscheidende Unterschied ist aber, dass ich nicht behaupte, die Fundamentalisten hätten recht! Ich sage ja lediglich: Wenn Du etwas in der Bibel (oder einer anderen heiligen Schrift) zur Interpretation freigibst, dann steht das gesamte Dokument zur Disposition.

    Letzteres ist genau das, wofür ich plädiere und nur die konsequente Fortsetzung von dem, was tröpfchenweise sowieso passiert. Die Leute passen die Interpretation ihren wahren Überzeugungen an um den Konflikt zwischen »alter« Auslegung und inner Überzeugung zu überwinden (Beispielvideo vom homosexuellen Christen). Man könnte auch sagen, dass solche Leute sich eine dem Christentum entwachsene Philosophie konstruieren.

    PS Ich glaube nicht, dass ein religiöser Fundamentalist, der einer abrahamitischen Religion angehört, mit mir einen Club aufmachen möchte.

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  71. @japanjedi – Doch, du behauptest, die Fundamentalisten haben recht, die behaupten, die Bibel könne/müsse nicht interpretiert werden, sondern spräche für sich selbst. Nur dass Ihr unterschiedliche Schlussfolgerungen daraus zieht: Die Fundamentalisten sagen: Nicht interpretieren, du sagst: Bibel wegschmeißen. Aber euer zugrundeliegendes Argument ist genau dasselbe. Im übrigen ist die liberale Auslegung nicht „neu“ und die fundamentalistische „alt“, sondern es gab die gesamte Christenheitsgeschichte über immer beides: Menschen, die (so wie ich), sich ernsthaft bemühen, die Bibel zu verstehen (bzw. das, was die Menschen, die sie schrieben, damit sagen wollten bzw. die Erfahrungen, die sie auf diese Weise vermitteln wollten), und Menschen, die sich darum nicht bemühen, weil sie meinen, schon alles zu wissen (und zufälligerweise ist die „richtige“ Interpretation der Bibel dann genau das, was ihre Macht stützt oder ihre persönliche Meinung ist).

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  72. @Antje
    Nein, ich habe nie gesagt, man solle die Bibel wegschmeißen oder dass man sie nicht interpretieren könne. Ich habe explizit geschrieben, dass Fundamentalisten meiner Meinung nach falsch handeln, wenn sie ihre heilige Schrift wörtlich nehmen wollen. Fundamentalisten sind zwar in dem Aspekt konsequenter als Moderate, entscheiden sich aber meiner Ansicht nach für die falsche Option.

    Gläubige Christen jeder Façon leiten zumindest einige für sie unverrückbare Wahrheiten aus der Bibel ab (z. B. dass Jesus der Sohn Gottes gewesen sei und für die Menschen am Kreuze hingerichtet worden sei). Wenn man den Text zur Interpretation frei gibt, gibt es aber keine unverrückbare Wahrheiten mehr, auf die man sich berufen könnte. Das ist für mich nichts schlimmes und bedeutet auch nicht, dass ich die Bibel wegwerfe.

    Es bleibt nur noch übrig, dass man etwas glaubt, weil man es glauben möchte. Wenn man sich dieses eingesteht, ist man intellektuell ehrlicher zu sich selbst. Für mich ist dieses eine sehr befreiende Einsicht gewesen, die einen ja auch zum Glauben führen kann. Ein sehr enger Freund von mir ist sehr gläubiger Katholik und wenn wir über Glaubensfragen diskutieren, dann sagt er genau das auch ganz offen: er glaubt, weil er glauben will.

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  73. @japanjedi – mag sein, dass das bei dir und deinem Freund so ist, aber ich persönlich „glaube“ nicht, weil ich das so will, sondern weil ich das am für vernünftigsten halte. Und ich bin ehrlich gesagt genervt, wenn Leuten wie du mir deshalb dauernd erzählen wollen, ich sei geistig minderbemittelt oder intellektuell unredlich oder sonstwas. Wieso kannst du nicht einfach zugestehen, dass wir unterschiedliche Meinungen haben bzw. unterschiedliche Entscheidungen treffen? Und dass du meine vielleicht einfach nicht verstehst bzw. nachvollziehen kannst?

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  74. @japanjedi

    „Wenn man das religiöse Fundament ernst nimmt … dann bleibt nur eine fundamentalistische Interpretation übrig.”

    Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich warte allerdings immer noch auf ein einziges Argument von Ihnen, das sich auf den Text bezieht, von dem wir hier reden. Stattdessen wiederholen Sie unablässig, die fundamentalistische Interpretation der Bibel sei die einzig wahre, als ob Ihr Leben davon abhinge. Fragt sich also, wer hier etwas glaubt, nur weil er es glauben möchte (was Sie gläubigen Christen unterstellen). Wie „religiös“ ist ein solcher Starrsinn eigentlich? Mit anderen Worten: Ist nicht auch Ihr Atheismus eine Art Ersatzreligion, wenn er seine vermeintliche Aufgeklärtheit nur mithilfe einer solchen Projektion aufrecht erhalten kann? Kann es sein, dass Sie in Wirklichkeit mehr Angst vor liberalen Christen haben als vor Fundamentalisten, weil Erstere Ihr rationalistisches Weltbild durcheinander bringen, während Letztere zu dessen Bestätigung beitragen?

    Die Bibel ernst zu nehmen heisst, sich zum Beispiel mit den Textstellen auseinanderzusetzen, die angeblich die Sündhaftigkeit der Homosexualität belegen, wie Matthew Vines dies tut. Da Sie dazu keine Lust zu haben scheinen, gern noch ein weiteres Beispiel von meiner Seite: Der Begriff „Sodomie“, der jahrhundertelang als Synonym für die als krankhaft oder verbrecherisch verstandene Homosexualität verwendet wurde, ist abgeleitet aus der alttestamentarischen Erzählung von Sodom und Gomorrah. In dieser Erzählung geht es primär um den Bruch des Gebots der Gastfreundschaft (und in diesem Sinne wird sie auch im Matthäus-Evangelium wieder aufgenommen), der je nach Interpretation auch mit einer mann-männlichen Vergewaltigung einhergeht, die jedoch eher an die sexuelle Gewalt in heutigen Gefängnissen erinnert hat als an die Zärtlichkeit zweier sich liebender Menschen. Anders gesagt: Wenn man aus der Geschichte von Sodom und Gomorrah eine Moral ableiten will, dann diese: Man soll stets Gastfreundschaft üben, und Vergewaltigung ist ein schlimmes Verbrechen, egal ob gleich- oder gegengeschlechtlich. Diese biblische Geschichte wurde, vermutlich vom Mittelalter an, interpretatorisch hingebogen, um die nicht (nur) religiöse sondern gesamtgesellschaftliche Ächtung der Homosexualität zu rechtfertigen.

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  75. Mich wundert die Vehemenz und Vorwurfshaltung mit der hier auf @japanjedi reagiert wird.
    Für theologisch gebildete Gläubige ist es doch ein leichtes @japanjedi über mögliche irrtümliche Annahmen
    aufzuklären ohne ihm so etwas wie „religiösen Starrsinn“ oder „atheistische Projektion“zu unterstellen!

    Ein informativer Linkverweis zum Thema: Homosexualität in der Bibel:
    http://www.lsbk.ch/religion/bibel_themen.asp

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  76. Ich habe, weil ich Lust hatte, mal die Kommentare von japanjedi auseinandergenommen und hatte den Eindruck, hier weiß jemand eigentlich nicht so genau, was tatsächlich seine eigene Haltung ist. Da dachte ich dann bei mir: ja und was ist MEINE Meinung zu Religionsunterricht und zu Bestrebungen, in der Schule den Blick für sexuelle Vielfalt und Toleranz zu schärfen?

    Als erstes würde ich sagen: grundsätzlich bin ich dafür. Ich für meinen Teil hätte gern Religionsunterricht gehabt. Soll heißen, ich hätte gern etwas über die vielen verschiedenen Religionen gelernt und ich hätte gern Geschichten aus der Bibel gehört. Vielleicht im direkten Vergleich zu sozialistischer Literatur, wie bspw. „Wie der Stahl gehärtet wurde“ oder „Die Mutter“.

    Ich bin auch grundsätzlich dafür, über die Vielfalt der Lebensformen in der Schule zu sprechen – eben, weil sie in der Gesellschaft praktiziert werden. Und wenn es um die Vielfalt der Lebensformen geht, dann geht es wohl auch um die Vielfalt der Sexualität.

    Wofür ich nicht wäre, generell, ist einseitige Darstellungen. Oder Lehrkräfte, die das vermitteln sollen, jedoch selbst Probleme damit haben, insofern, als dass sie das eigentlich ablehnen. Wenn sich jemand damit unwohl fühlt, so könnte ich das durchaus nachvollziehen, aber dann sollen diejenigen das auch sagen und nicht denken, sie müssten es ja machen (aus welchen Gründen auch immer). Und noch problematischer als Mutter fände ich es, wenn mein Kind inkompetenten und rechthaberischen Menschen ausgesetzt wäre – aber das gilt in allen Bereichen.

    Es geht also, wie ich finde, generell um Haltung und Souveränität. Grundsätzlich ist es hilfreich, sich selbst einzugestehen, wo man wirklich steht, wenn es um solche gesamtgesellschaftlichen Themen geht. Ob es nun sexuelle Vielfalt und Toleranz ist, Inklusion, Migration und Integration, Flüchtlingspolitik, Kriegseinsätze u.a. Ich denke, es könnte hilfreich sein, wenn man sich seine eigenen Haltungen verschriftlicht. So kann man sie mit anderen Sichtweisen abgleichen und schauen, wo man sich näherkommen kann und wo nicht.

    Wenn man sich jedoch nicht traut, seine eigene Haltung und Meinung eindeutig zu benennen, dann kann man mit allen möglichen Argumenten sich lauter Mäntelchen umhängen, unter denen man sich verstecken kann und mit denen man die eigene Haltung – bewusst oder unbewusst – untermauern, zementieren und rechtfertigen bzw. zur Wahrheit erklären kann. Umgekehrt ist es mehr als unfair, wenn jemand seine Haltung offenbart und dafür nichts als Ärger oder Beurteilung erfährt – ganz wie bei der Sache mit dem rechten Glauben…

    @ Ute Plass: Ich finde, deine Anmerkung hat selbst leicht den Geschmack eines Vorwurfs. Denn es gibt ja hier bereits viele Querverweise, die wiederum Querverweise haben. Aber wenn jemand alles nur so liest, wie er/sie es lesen will, um die eigene Meinung untermauern zu können, dann kann man auch noch dreißig weitere Links hinzufügen. Es ist vergebliche Liebesmüh, denke ich.

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  77. @onlinemeier – „Es ist vergebliche Liebesmüh, denke ich.“ Ich denke das nicht.;-)

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  78. @C. Rosenblatt: über die stelle mit der traditionellen sexuellen identität bin ich auch gestolpert, aber aus einem anderen grund (obwohl Sie recht haben: diese unterteilung in modern und traditionell wird oft als pseudoargument gerade von homophoben benutzt, damit mein ich jetzt nicht die verfasserin des artikels): Was gilt als Tradition? „Feministische“ Fragen spielten auch in der frühen neuzeit eine Rolle, bei einigen wenigen frauen, trotzdem wird behauptet der blick auf diese Zeit aus sicht der gleichberechtigung der frau sei ein anachronismus. Genauso sieht es mit traditionen aus. was allgemein als tradition bezeichnet wird, ist das, was der „legale“ Verhaltensbereich in aufeinanderfolgenden zeiten ist. „legal“ im weitesten Sinne ohne eine form der bestrafung wie dauerverarschung bis hin zu ertränken im moor. ähnliches gilt für bestimmte körper, die aufgrund ihrer existenz bestraft werden und deren akzeptanz mit ähnlichen begriffen diskutiert wird. (groß- und kleinschreibung ist bei mir nebensache)

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  79. @Irene (@irene_muc): ja, ich denke auch, dass dieser lehrplan mehr schaden anrichtet als nutzen bringt, aber nicht, weil die idee an sich schlecht ist, sondern weil er den lehrkräften eine große plattform der abwertung bietet. ansonsten zu öffentlichen outings von promis und politik*: aus welchem grund geschehen sie? Vielleicht nehmen sich diese menschen nur als beispiele um oft gehörte falsch annahmen zu widerlegen?

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  80. „Ich habe das in der letzten Zeit öfter gelesen, dass man sich der eigenen Privilegien bewusst werden soll und dass es dabei irgendwie wichtig ist, dass das möglichst weh tut, sodass ich mich langsam frage, wieso andere so scharf drauf sind, dass ihre Mitmenschen durch “schmerzhafte Prozesse” gehen, oder auf Deutsch gesagt: Dass sie leiden.“
    Niemand sagt, dass es weh tun soll, aber das bewusst werden der eigenen privilegien hat m.M.n mit Respekt vor anderen zu tun. sonst ergeben sich schnell sekundärprivilegien, die übelst diskriminierend sind, wie absprechen von erkenntnisfähigkeit usw. das mit den schmerzhaften prozessen, wenn darüber geschrieben wird, ist eine beschreibung und ein „kann sein“. Diskriminiert werden dagegen ist oft schmerzhaft (wenn man die abwertung und ausloeschung in die definition legt). des weiteren glaube ich, dass der schmerz als grund vermutet wird, warum leute sich nicht mit privilegien auseinandersetzen. das klingt aber nach spiegel und taz journalismus. bevor ich je von privilegien gelesen habe, habe ich mich nur gewundert, warum diesselben handlungen von unterschiedlichen k;rpern ausgef[hrt, so verschieden ausgelegt werden.

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  81. @dasrettende
    »Ist nicht auch Ihr Atheismus eine Art Ersatzreligion, wenn er seine vermeintliche Aufgeklärtheit nur mithilfe einer solchen Projektion aufrecht erhalten kann?«
    Nein. Das ist eine gängige Unterstellung von unter Gläubigen, Atheismus sei ja »auch nur« eine Ersatzreligion. Nicht-Glaube ist eine Religion wie »nicht Tennis spielen« ein Hobby ist.

    »Kann es sein, dass Sie in Wirklichkeit mehr Angst vor liberalen Christen haben als vor Fundamentalisten, weil Erstere Ihr rationalistisches Weltbild durcheinander bringen, während Letztere zu dessen Bestätigung beitragen?«
    Wieso und wovor sollte ich Angst vor liberalen Christen haben? Ich halte viele liberalen Christen für verkappte Atheisten und ich kritisiere, dass diese den letzten Schritt nicht gehen. Ich spreche vor allem von denjenigen, die die Bibel nicht lesen und höchstens zwei Mal im Jahr zum Gottesdienst gehen.

    Mir ist schon klar, dass ich mit meinen Argumenten Leuten auf die Füße trete, dessen Meinungen bei vielen Themen sehr nah an meinen sind. Aber ich mache das nicht aus Angst vor ihnen, sondern um sie zum kritischen Nachdenken dazu anzuregen. Fundamental-Christen (und andere Radikale) stellen sich ja meist gar nicht erst einer ernsthaften Diskussion. Das ist auch der Grund, weshalb ich mit Leuten wie Ihnen diskutiere statt mit Fundis.

    »Die Bibel ernst zu nehmen heisst, sich zum Beispiel mit den Textstellen auseinanderzusetzen, die angeblich die Sündhaftigkeit der Homosexualität belegen, wie Matthew Vines dies tut.«
    Matthew Vines Meinung in allen Ehren, aber sie müssen mich nicht überzeugen, dass man durch geeignete Interpretation der relevanten Bibelstellen zu dem Schluss gelangen kann, dass Homosexualität und die Bibel miteinander kompatibel sind. Ich brauche diese Interpretation nicht, um zu dem Schluss zu gelangen, dass Dinge wie beispielsweise die Akzeptanz von Homosexualität und Gleichstellung von Mann und Frau etwas Normales und moralisch Erstrebenswertes sind. Was Herr Vines macht, ist meiner Ansicht nach einfach vergebliche Liebesmüh.

    Ich habe selbst in meinem Bekanntenkreis einen ähnlichen Fall gehabt und diese Person hat lange, lange Zeit unter seiner Homosexualität gelitten und sie sich nicht eingestanden, weil er nicht geglaubt hat, sie sei kompatibel mit seinem christlichen Glauben. Solange bis er eine Möglichkeit gefunden hat, seinen Glauben mit seiner Homosexualität zu vereinbaren.

    Ich glaube auch nicht, dass sie die Bibel dadurch ernster oder weniger ernst nehmen, indem sie eine Interpretation finden, die ihre Grundeinstellung zu dem Thema untermauert. Das machen homophobe Christen ja genauso, die kommen nur auf der Basis desselben Textes zum entgegengesetzten Schluss. Wenn man sich vom Text trennt, eröffnet sich ja eine ganz andere Dimension von Argumenten: der Autor des Textes liegt falsch.

    @Ute Plass
    Besten Dank für Deinen sachlichen Beitrag und Deinen Link.

    @onlinemeier
    Sorry, wenn meine eigene Meinung hier in einer Nebendiskussion untergegangen ist. Ich bin selbstverständlich dafür, dass Homosexualität als eine normale, der Heterosexualität gleichwertigen Lebensform angesehen wird. Das sollte natürlich auch in der Schule so unterrichtet werden. Insbesondere fände ich es gut, wenn homosexuelle Liebe behandelt wird statt nur der sexuellen Komponente. Man kann und sollte natürlich anderen Menschen keine Meinung aufprägen, aber zumindest eine Diskussion der Themen anstreben.

    Man hat natürlich immer ein Problem, wenn einige Lehrkräfte bestimmte Lehrinhalte ablehnen und dann dementsprechend unterrichten. Deshalb hat beispielsweise an meinem letzten Gymnasium immer Pro Familia den Sexualkundeunterricht gegeben (bezahlt vom Förderverein der Schule), weil wir zwei extrem konservative Biologielehrer gehabt haben. Mit Sicherheit gibt es auch Fälle am anderen Ende der Skala.

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  82. @japanjedi: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es vergebliche Liebesmüh ist, mit dir zu diskutieren, denn, ver e i n f a c h t auf den Punkt gebracht, ist deine Grundhaltung folgende: die säkulare, nicht-gläubige Welt ist modern und aufgeklärt. Gläubig zu sein, das ist was von früher. „Heute wissen wir es besser als früher.“ Mir scheint, dass du dich für jemanden hältst, der ganz genau zu meinen scheint, wie der Hase läuft und der gern die Regeln vorgeben möchte, wie andere zu sein haben. Erst recht, wenn andere von sich sagen, dass sie bspw. Christen sind.

    Hier habe ich einen schönen Absatz gefunden, der, wie ich finde, ganz gut passt, insbesondere der Passus mit dem unaufgeklärten Glauben:

    „Das religiöse Zutrauen hat sich durch die Jahrhunderte in der biblisch begründeten Vorstellung ausgedrückt, dass unser Leben in Gottes Hand liegt, ja dass Gott den ganzen Kosmos in Händen hält – und dass eben deshalb alles gut werden wird. Das Bild von der Hand, durch die alles gut wird, ist inzwischen vom Gottesglauben getrennt. So glauben die einen an die Macht der öffentlichen Hand, die anderen an die unsichtbare Hand des Marktes, und die dritten an die Macht, das Leben ganz in die eigenen Hände nehmen zu können. Die damit verbundene Annahme, dass dadurch alles gut wird, weist darauf hin, dass es sich hier um Glauben handelt…
    Allerdings ist nicht jedem Zeitgenossen klar, dass es sich dabei um eine Form des Glaubens handelt. Und wie immer in der Geschichte der Menschheit ist ein unaufgeklärter Glaube gefährlich, der meint, in der eigenen Denkform oder der eigenen sozialen Praxis wäre die Wahrheit Fleisch geworden.“
    http://evangelischesfrankfurt.de/2013/10/es-wird-eher-zu-viel-geglaubt/

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  83. @onlinemeier
    » ver e i n f a c h t auf den Punkt gebracht, ist deine Grundhaltung folgende: die säkulare, nicht-gläubige Welt ist modern und aufgeklärt. Gläubig zu sein, das ist was von früher.«
    Nein, das ist mir zu vereinfacht ausgedrückt. Ich bin der Meinung, dass die Menschheit ohne Religion besser dran wäre (z. B. ist im Durchschnitt der Lebensstandard in säkulareren Ländern höher). Aber dennoch gibt es ein menschliches Bedürfnis, seiner Existenz einen Sinn zu geben. Nur muss man dazu keine Religion bemühen.

    »Mir scheint, dass du dich für jemanden hältst, der ganz genau zu meinen scheint, wie der Hase läuft und der gern die Regeln vorgeben möchte, wie andere zu sein haben. Erst recht, wenn andere von sich sagen, dass sie bspw. Christen sind.«
    Ich finde, dass es im Rahmen einer offenen Diskussion wichtig ist, direkt und so klar wie möglich seine eigene Meinung darzustellen. So ecke ich vielleicht bei einigen (wie Dir) an, aber Du kannst Dir sicher sein, dass das was ich sage auch das ist, was ich meine. (Das heißt nicht, dass ich im analogen Leben meinen Mitmenschen eine Diskussion aufzwinge, ganz im Gegenteil.)

    Allerdings habe ich aber nie behauptet, ich möchte anderen Menschen Regeln vorgeben, nur weil ich behaupte »Dein Verhalten ist inkonsequent.« Man kann doch etwas für falsch halten, ohne die anderen dazu zu zwingen, so zu handeln, wie man es für besser hält. Du brauchst mir ja gar keine Worte in den Mund zu legen um mit mir unterschiedlicher Meinung zu sein, ich glaube, dass das, was ich schreibe, mehr als ausreicht.

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  84. „Ich bin der Meinung, dass die Menschheit ohne Religion besser dran wäre (z. B. ist im Durchschnitt der Lebensstandard in säkulareren Ländern höher). “
    naja. Man muss nun wirklich nicht religiös sein, um diese Argumentation anzuzweifeln. Ich musste gerade schmunzeln und an diesen islamischen Geistlichen denken, der sagt, dass Frauen vom Autofahren unfruchtbar würden. In Ländern, in denen Frauen fahren, ist die Geburtenrate schließlich erheblich niedriger als in den anderen Ländern. Über das Verhältnis von Korrelation und Kausalität musst du glaube ich noch mal nachdenken 😉

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  85. @Wilhelm Will Helm
    Behauptest Du, dass es zwischen Lebenstandard und Säkularisationsgrad keinen kausalen Zusammenhang gibt? Welche Ursache siehst Du stattdessen?

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  86. @Wilhelm Will Helm – Habe sehr gelacht über die Aussage des islamischen Geistlichen, der mit seiner abstrusen Behauptung, dass Frauen vom Autofahren unfruchtbar würden lediglich die Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit, die Frau auch durch Autofahren gewinnen kann, ausbremsen will. 😀

    @japanjedi – “Ich bin der Meinung, dass die Menschheit ohne Religion besser dran wäre (z. B. ist im Durchschnitt der Lebensstandard in säkulareren Ländern höher”.
    Religion kann wie jede andere Ideen-Konstruktion als “Opium für das Volk” zur Wirkung kommen, wenn es darum geht Armuts- und Elendsverhältnisse mit höheren Mächten und Gewalten zu erklären und zu recht-
    fertigen.
    So wie Ideologien auch in der Umkehrung funktionieren, siehe vorherrschender Umgang mit Geld und Kapital. Der Kapitalismus als eine Art von Religion vernebelt doch sehr das klare Denken, weil er, bzw. seine Anhänger_innen Wohlstand für alle suggerieren.
    Es ist somit nicht „die Religion“, die höheren oder niederen Lebensstandard fördert, sondern es sind die real vorherrschenden ökonomischen Abhängigkeits/Besitz/Eigentums/Produktionsverhältnisse.
    ‘Reichtumsgläubige’ bedienen sich gerne religiös gefärbter Ideen, wie das z.B. die Tea-Party-Bewegung in den USA zeigt, die von der religiösen Rechten und den Neokonservativen unterstützt wird.
    Nach Auffassung des Soziologen Max Weber besteht zwischen der sog. protestantischen Ethik und dem Beginn der Industrialisierung bzw. des Kapitalismus in Westeuropa sogar ein enger Zusammenhang.

    @Antje – vielleicht gibt es von dir zu diesem Themenkomplex demnächst auch einen eigenen Beitrag- oder existiert schon was dazu?

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  87. @japanjedi – Eine Korrelation festzustellen bedeutet noch nicht, dass da ein kausaler Zusammenhang besteht. Von daher war deine Beobachtung noch kein Argument. Zum Beispiel gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Bewegen des Zeigers einer Uhr und dem Verlauf des Tages, aber weder bewegt sich der Zeiger, weil sich die Erde um sich selbst dreht, noch dreht sich die Erde, weil sich der Zeiger bewegt. Es ist einfach eine Analogie, aber eben keine Kausalität.

    In dem Fall glaube ich allerdings auch, dass es einen gewissen kausalen Zusammenhang zwischen Lebensstandard und Säkularisationsgrad gibt, aber er ist imho genau andersrum als von dir vermutet. Die Säkularisation schreitet nicht voran, WEIL die Religion an Einfluss verliert, sondern es ist andersrum: In Gesellschaften mit hohem Lebensstandard gibt es keinen so großen (unmittelbaren) Bedarf mehr an Religion, weil Religion unter anderem eine Weise ist, sich mit dem Unverfügbaren und Transzendenten in Beziehung zu setzen, aber das Unverfügbare kann von Menschen, die einen hohen Lebensstandard haben, leichter verdrängt werden. Sie haben mehr Kontrolle über ihr Leben, sind zum Beispiel seltener plötzlichem Tod ausgesetzt oder Gewalten, gegen die sie nichts tun können. Solange aber im Leben nichts Unvorhersehbares geschieht (oder man das Unvorhersehbare leichter ignorieren kann), kann man sich leichter vorstellen, man hätte alles unter Kontrolle. Wo Menschen täglich damit rechnen müssen, zu sterben oder ihre Kinder nicht ernähren zu können usw. usw. stellt sich für sie die Frage, ob es Gott eventuell nicht geben könnte, gar nicht. Sie brauchen Gott (oder irgend eine Art von Spiritualität) unmittelbar, um überhaupt leben zu können.

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  88. Was soll aber schlecht sein daran an Gott, oder irgendeine andere spirituelle Quelle zu denken. Man kann ähnlich wie in einem Gebet etwas in Gang setzen das einen längeren Prozess in sich selbst auslöst. Ein Umdenken vielleicht. Einen Fingerzeig, den man bisher übersehen hat. Den eigenen sprichwörtlichen Balken im Auge. Auch wenn das eher an starwarsgläubige gerichtete Aussagen sind. Auch Technologie kann man als eine Form der Religion der Moderne sehen. Was eine schöne Geschichte nicht schlechter macht.

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  89. Es gibt keine Situation, keine Frage und keine Konstellation im Leben, die nicht auch ohne Gottesglauben und/oder Religion bewältigbar ist.
    Die Abwendung von Gott und Religion hat nichts mit Lebensstandard, aber viel mit Bildung zu tun.
    Es soll glauben, wer glauben möchte. Aber bitte sagt ehrlich das es „Glauben“, kein „Wissen“ ist.

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  90. @Antje
    Ich bin des Unterschiedes zwischen Korrelation und Kausalzusammenhang bewusst (ich komme aus der naturwissenschaftlichen Ecke). Zwar ist es richtig, dass ich meine Behauptung nicht begründet habe. Allerdings hat @Wilhelm ja nur auf den Unterschied hingewiesen, aber eben auch kein Argument geliefert, wieso Säkularisationsgrad und Lebensstandard bloß korreliert, aber nicht Ersteres zu Letzterem ursächlich beiträgt. (Du hast das nachgeschoben.)

    Deine These, Religion sei »Opium fürs (arme) Volk«, hat natürlich etwas für sich: Menschen haben das Bedürfnis, sich an etwas zu klammern, insbesondere wenn große Aspekte ihres Lebens außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Selbst wenn ich Deiner Argumentation zustimme, folgert man aus Deiner Argumentationskette erst mal nur, dass Religion ein (schlechter) Ersatz für materiellen Wohlstand ist, weil sie armen Menschen Sinn in ihrer Existenz gibt.

    Natürlich ist die Sache mit dem Lebensstandard komplizierter, die Säkularisation ist ja nur ein Faktor von vielen (unabhängig davon ob sie ursächlich ist oder nicht). Aber für mich sind die zwei Faktoren, die in den letzten 150 Jahren am meisten zum Wohlstandswachstum beigetragen haben, die Demokratisierung der Gesellschaft und die Emanzipation der Frauen. Beides sind Faktoren, die sich gegen religiös untermauerte Traditionen und Strukturen haben erst durchsetzen müssen. Ohne den Reichsdeputationshauptschluß, der kirchliche und weltliche Macht in Deutschland getrennt hat, gäbe es wohl keinen modernen deutschen Staat. Und die ohne die Überwindung der patriarchalischen Strukturen der abrahamitischen Religionen gäbe es keine Emanzipation.

    Ich setze zwar nicht Religion mit religiösen Institutionen gleich – vor allem wenn Kirchen im politischen Bereich handeln –, aber für mich wird dennoch klar, dass erst eine Erstarkung der Säkularisation das rasante kulturelle, technische und wirtschaftliche Wachstum erst ermöglicht hat. Auch alte Großreiche, z. B. das Reich der Mongolen oder das Römische Reich zur Blütezeit, hatten eine primitive Form der Säkularisation: die herrschende Macht hat dem multiethnischen Reich keine Staatsreligion aufoktroyiert. (Als das Römische Reich Ende des 4. Jahrhunderts das Christentum zur Staatsreligion erhoben hat, ging die Blütezeit zu Ende.) Atheismus und Säkularisierung sind ja nicht ein und dasselbe (z. B. sind die Vereinigten Staaten säkular, aber die Bevölkerung im Schnitt religiöser als in Deutschland), Säkularisierung ermöglicht ja auch Glaubensfreiheit.

    @Ute Plass
    Ich gebe Dir völlig recht, wenn Du sagst, dass der Kapitalismus, Kommunismus und andere Gedankenströmungen wie Religionen behandelt werden. Ich finde es beispielsweise aberwitzig, dass es kaum Stimmen im Mainstream gibt, die den Glauben an das ewige Wirtschaftswachstum kritisieren – und dadurch niemand ernsthaft über eine Wirtschaftsordnung nach dem Wachstum nachdenkt. (Aber das ist eine andere Debatte.)

    In den Vereinigten Staaten besteht ein enger Zusammenhang zwischen Staatsraison und protestantischem christlichen Glauben (vor allem dem Kalvinismus). Deshalb würde ich sagen, dass die Ideen mehr als religiös gefärbt sind, sie sind aus einer in Amerika sehr langlebigen Strömung, dem Libertarismus entsprungen. Und der Libertarismus ist wiederum von kalvinistischen Ideen geprägt (Autarkie, etc.).

    Ich würde nicht sagen, dass »Religionen einen niedrigeren Lebensstandard fördern« (um ein Zitat von Dir zu verkürzen), sondern dass Säkularisierung wie Dünger wirkt, der Wachstum fördert und umgekehrt eine zu starke Verwurzelung der Gesellschaft in der Religion hemmend auf Wohlstand wirkt.

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  91. Als ich zur Schule ging war „normale Familie“ nicht teil des Lehrplanes, ich vermute bislang war es das auch nicht. Von daher verstehe ich schon dass hinterfragt wird was denn nun plötzlich zu dem Thema gelehrt werden soll. Real wird der Anteil von Homosexuellen auf 1% geschätzt, da erscheint es schwer sie nicht überproportional in Schulbüchern zu repräsentieren wenn die Darstellung Pflicht wird.
    Mir scheint es wäre mindestens ein neues Schulfach nötig, oder wo passt das rein (ausser Ethik und Reli)? Und da würde ich mir eher wünschen Respekt vor allen Menschen zu lehren anstatt willkürliche Gruppierungen hervorzuheben.
    Was ist zb mit „Normalfamilienkindern“ deren Eltern geschieden sind? Die gibt es sicher wesentlich öfter als Homoehen.

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  92. @B. – Naja, „normale Familie“ war vielleicht nicht Teil des Lehrplans, aber in der Schule doch sehr präsent, wenn im Englischbuch Mutti, Vati, zwei Kinder abgebildet waren und so weiter. Und im Sexualkundeunterricht (den ich früher hatte) wurde so getan, als könnte Sex ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau stattfinden. Das nur so zwei kleine Beispiele für die ständige Präsenz von „normaler Familie“ im Schulunterricht. Wie genau das der neue Bildungsplan in BaWü ändern will, weiß ich nicht, aber das wäre ja Aufgabe für die Leute, die das umsetzen sollen, sich da die besten Weg auszudenken. Und es ist ja von Vielfalt die Rede, von daher gehe ich mal davon aus, dass nicht nur Homo- Trans- Intersexualität, sondern auch Patchworkfamilien und vieles mehr entsprechend im Blick sein sollten.

    Das mit den Enkelkindern ist vielleicht ein Faktor, aber natürlich kein besonders ehrenwerter. Was sind das für Eltern, die ihren Kindern aus so egoistischen Gründen ein glückliches Liebesleben vorenthalten wollen? Abgesehen davon, dass wenn die Tochter lesbisch ist, das Problem nicht besteht, weil sie natürlich eigene leibliche Kinder haben kann.

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  93. @ Valerie schreibt: 13. Januar 2014 um 18:18
    „Als Mutter eines Grundschülers habe ich etwas gegen Sexualkunde in der Grundschule. Ich finde 5-6jährige sind für solche Themen noch zu klein. Nichts, absolut gar nichts habe ich dagegen wenn um mehr Respekt für unterschiedliche Lebensmodelle geworben wird.“
    Antwort:
    Zu Besuch in einer Nachbarsfamilie nach dem Mittagessen die Mutter zu einem 5-jährigen Zwillig: “ Du mußt nicht laufend mit deinem Schwiedelbutz spielen, das riecht dann auch“
    Zwilling 1 fragt „Und wieso riecht das dann, auch wenn man pullert?“
    Ruft Zwilling 2 (5 Jahre) von weiter weg rein:“ Das kommt von dem Ammoniak, und dann kommt da noch Magnesium dazu, und deshalb riecht das“ …
    (offensichtlich eine Erkenntnis aus einer Bildungssendung im Fernsehen, die zum regelmäßigen Waschen anhalten will und erklärt warum, zusammen mit den Eltern geschaut und besprochen)
    Und
    Noch Fragen?
    Sicher ist es dir, Valerie, unbenommen, etwas gegen Sexualkunde in der Schule „zu haben“, solange es bei „etwas“ bleibt, denn als Gesamtelternsprecherin erhebt sich schnell die Frage, bitte was du DA eigentlich willst, wenn du „etwas gegen Sexualkundeunterricht“ hast?
    Das Beispiel mit den Zwillingen zeigte mir, daß, Kinder sehr wohl in diesem Alter nicht nur normal wißbegierig sondern auch verständig genug für die NATÜRLICHEN Prozesse in unserer Welt sind.
    Ach ja: Da wir – aus der Sicht eines jeweils anderen – alle irgendwie „queer“ sind, sind wir auch alle „etwas“ natürlich, folgedessen geeignet, das unseren Kindern zu vermitteln – das eine wie das andere, dann kann es (falls rechtzeitig erfolgt) zu keinen Verwerfungen in diesem Bereich bei den Kindern kommen, da sie gerüstet sind.
    Setzt allerdings etwas Kenntnis über den Weg, die Bedingungen und die „Klippen“ voraus, was unbedingt für eine fachklich geschulte Vermittlung der ersten Sozial-, Hygiene- und Sexualkunde und dsamit frühzeitig in der Schule voraus.
    Soweit die Logik und ein praktisches Beispiel,.
    Was bleibt, ist die eigene Prüderie aus der Zeit unserer Kindheit, die weniger etwas mit Religiosität sondern deutlich mit der tradierten Prüderie unserer Eltern und deren Unkenntnis zu dieser Problematik zu tun hat.
    Aus welchem Grunde sollten nun deren Unkenntnis und Beengtheit auf unsere Kinder fortgepflanzt werden? Zur fortgesetzten Pflege der damals schon unbegründbaren Vorurteile?
    Als Gesamtelternsprecherin bist du leider nicht die Sprecherin von Mutti Valerie, sondern von der GESAMTEN Elternschaft für die Gesamtheit der Kinder dieser Schule – und da spielt deine Sicht zur Sexualkunde nur marginal eine Rolle, da möchtest du doch auch im Wort ALLE vertreten, und das geht halt schlecht, wenn man da einen (bestimmten) Balken im Auge hat.

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  94. @ Antje Schrupp schreibt: 21. Januar 2014 um 18:17
    „Aber, sorry, das ist Quatsch mit Soße. Ich finde es wirklich erstaunlich, wie sehr angeblich religionskritische Leute und Fundamentalisten in dasselbe Horn stoßen.“
    Diese Haltung ist nur als kurzschluß-Trotz zu verstehen, mangels ziehender Argumente.
    Du vergißt, daß die Intensionen der von dir genannten Gruppierungen völlig gegensätzlicher Art sind, und dennoch zur „dritten“ Gruppierung „ähnliche Sichtweisen“ zu bieten, sollte normalerweise nicht den eigenzentristischen Trotz sondern den Alarmglocken Raum geben: Es könnte doch sein, daß der „zentrale“ Betrachtungsstandpunkt mal nicht der deinige ist, was dann? Dann Verbohrt man sich lediglich gegen durchaus nachdenkenswerte (und hier auch rational voll nachziehbare) Ansichten.
    Und das, was da sich für einen „gemeinsamen Club“ eignen würde, wär – na? Die Rationalität des (wohl) beíderseits in DIESEM Falle Gesagten – nur ob das über die Clubgründung hinaus reichen würde, wage ich zu bezweifeln.
    Wer sich vom „Wort“ des „Buches“ entfernt, relativiert selbstverständlich in die Gegenwart, wohin denn sonst?
    Die Frage (der Einen) ist nicht, „ob“ Entfernung vom „Wort“ erfolgt, sondern ob eine vom Geist dieses Wortes erfolgt, oder ob der „Balken im Wort“ zum „Balken im Auge“ auf Dauer „veredelt“ wird, jedenfalls wäre das die Frage aus atheistischer Sicht, da man sich dort mehr für diese Seite interessiert.

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