Von Menschen und Tieren (und Politik)

artgereicht KopieIrgendwann in den 1980er Jahren saßen wir in meiner damaligen WG vor dem Fernseher, und es kam eine Sendung über das Sterben von Robbenbabies. Meine Mitbewohnerin konnte sich gar nicht mehr einkriegen – die armen Robbenbabies! Ich fand das ein bisschen übertrieben und ließ die Bemerkung fallen, dass in Afrika schließlich massenweise Menschen verhungern, warum sie denn darüber nicht weine.

Ihre Antwort war: Ja, aber die armen Robben sind doch unschuldig! Wir Menschen hingegen haben unser Elend selbst verschuldet! Seither habe ich, milde gesagt, ein gespanntes Verhältniss zur Tierethik. Und deshalb ist dieses Buch ist eigentlich gar nichts für mich. Dass ich es trotzdem gelesen habe, liegt daran, dass Hilal Sezgin immer so grandiose Texte schreibt, dass mir das Thema fast egal ist 🙂

Hilal Sezgin zeichnet hier die tierethischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte nach und beschreibt die grausamen Fakten „unseres“ Umgangs mit Tieren, nimmt dabei die philosophischen Klassiker genau an den richtigen Stellen aufs Korn und kommt zu dem Schluss, der so hieb- und stichfest ist, dass ich nicht wüsste, wie irgendjemand dem etwas entgegensetzen könnte.

Sezgins Schluss lautet: Es ist unmoralisch, empfindungsfähige Tiere (sie zieht die Grenze, auch mit überzeugenden Argumenten, bei den Wirbeltieren) zu züchten, zu töten, zu nutzen, ja überhaupt zu halten, geschweige denn sie zu quälen. Die einzig moralische Lebensweise sei es deshalb, vegan zu leben und sich ansonsten für eine Abschaffung jeglicher Tiernutzung einzusetzen.

Eine solche radikale Position wird natürlich, das ist absehbar, viel Gegenwind bekommen. Allerdings engagiert sich Hilal Sezgin schon seit Jahren auf diesem Gebiet. Sie kennt die einschlägigen Gegenargumente und hat sie in ihrem Buch bereits widerlegt.

Trotzdem bleibe ich auch nach der Lektüre „Speziezistin“. Das heißt, ich bin dafür, klar zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden, und ich halte es für falsch, das Verhalten von Menschen gegenüber Tieren mit dem Verhalten von Menschen anderen Menschen gegenüber zu vergleichen.

Nicht dass ich meine, Menschen wären gegenüber Tieren zu nichts verpflichtet. Das sind sie. Aber die Rede von „Speziezismus“ verharmlost diskriminierende Praktiken der Menschen untereinander, weil sie angesichts der offensichtlichen Unterschiede zwischen Menschen und Tieren das Bekenntnis zur prinzipiellen Gleichheit aller Menschen verwässert und relativiert. Wenn eine Kuh nicht in die Schule geschickt werden muss, wieso dann ein Mädchen?

Da braucht jetzt übrigens gar niemand den Kopf zu schütteln, diese Vergleiche sind in Westeuropa bis ins 19. Jahrhundert hinein ganz genauso gemacht worden. Weiße männliche Philosophen siedelten Frauen und Menschen of Color irgendwo zwischen den „richtigen“ Menschen (sich selbst) und Tieren an. Deshalb sehe ich, sobald jemand ernsthaft Speziezismus mit Rassismus und Sexismus gleichsetzt, rot. Denn damit gibt es eben keine klare Grenze, sondern einen fließenden Übergang zwischen Menschen und Tieren. Und warum dann nicht auch zwischen Menschen untereinander, sodass bestimmte Menschen höher und andere tiefer stehen, näher an den Kühen eben?

Denn die Antwort, darauf, warum eine Kuh nicht in die Schule gehen muss, ist ja klar und offensichtlich (Hilal Sezgin gibt sie in ihrem Buch): Sie braucht keine. Und nun dürfen Sie mal raten, wie die weißen männlichen Philosophen es ehedem begründeten, warum Mädchen und Menschen anderer Hautfarben keine Schulen brauchen? Bingo!

Sowieso habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu jeder Philosophie, die universalistisch von „dem Menschen“ spricht. Ich wählte nicht zufällig die Politikwissenschaft, weil es da um die Differenzen unter Menschen geht, und ich finde, alles Weitere – also zum Beispiel das Verhältnis von (diesen oder jenen) Menschen zu Tieren, zur Umwelt, zu Gott und so weiter – muss auf einer Analyse der Beziehungen von Menschen untereinander aufbauen und nicht andersrum.

Sezgin unternimmt aber genau so eine philosophische Analyse, sie fragt, wie ein moralisches Verhältnis zwischen Menschen und Tieren aussehen soll. Theoretisch ist das lesenswert, und wenn man eine moralische Perspektive einnehmen will, habe ich dem auch nichts entgegenzusetzen. Es stimmt ja: Es ist moralisch nicht erlaubt, Tiere zu nutzen. Aber meine nächste Frage wäre: So what?

Die Moral hat es doch längst schon vergeigt. Wir sind keine moralische Gesellschaft (und mit „wir“ meine ich jetzt die westlich-europäischen Gesellschaften und Kulturen). Ich wüsste nicht, wo die kantische Pflichtethik des von der Vernunft aufgenötigten „Du sollst“ ernsthaft noch in Kraft wäre. (Ich habe da vor einigen Jahren schonmal etwas dazu geschrieben.)

Genau das waren auch die Stellen, an denen sich beim Lesen besonders viele Fragezeichen in meinem Kopf formierten, und damit komme ich auf das eingangs Gesagte zurück: Sezgin nämlich stellt gegenüber, was im Umgang zwischen Menschen angeblich „völlig normal“ sei – dass wir andere nicht töten dürfen, das Gewalt schlecht ist, zum Beispiel – während wir bei Tieren da keine Skrupel hätten.

Ich will nicht behaupten, dass die Dimensionen vergleichbar sind, aber ich sehe nicht, dass „wir“ keine moralischen Skrupel hätten, Menschen zu töten, zumindest fahrlässig, zum Beispiel auf Flüchtlingsboten im Mittelmeer oder mit Entscheidungen globaler Unternehmen, die Elend und Tod in anderen Weltregionen zur Folge haben.

„Wir“ opfern nicht nur Tiere „unserer“ Bequemlichkeit, unseren Profitinteressen, dem Erhalt unserer Privilegien, sondern all dem opfern „wir“ selbstverständlich auch Menschen. Die Moral meldet sich erst da zu Wort, wo wir Skrupel haben, anderen Menschen persönlich den Hals umzudrehen, das tun wir natürlich nicht. Aber das tun wir bei Tieren normalerweise auch nicht. Aber es gilt nicht als moralisch verwerflich, Unterschriften unter irgendwelche Verträge zu setzen, die unweigerlich den Tod und das Leiden vieler anderer Menschen zur Folge haben wird.

Das Prinzip, das Sezgin im Umgang mit Tieren kritisiert, gilt ganz genauso auch im Umgang mit anderen Menschen: Die Empathie nimmt mit der Distanz des Verfahrens zu ab, und vor lauter Hantieren mit Bilanzen, Zahlen, Statistiken lösen sich die konkreten Folgen des eigenen Handelns als moralische Fragestellung quasi in Luft auf.

Der spannende Punkt liegt also in der Frage, wie wir es – als politische Wesen – schaffen, das was gut ist, auch zu tun. Denn die Tierethik ist ja bei weitem nicht das einzige Feld, auf dem menschliche Gesellschaften es nicht hinkriegen, das, was (sogar unbestritten) gut und richtig ist, politisch auch umzusetzen, und das, was falsch ist, zu unterlassen.

Man denke nur mal an das Desaster beim Klimaschutz. Oder, kleinere Hausnummer, das unentwirrbare, kontraproduktive und teure Konglomerat an „Familienförderung“ in Deutschland, das dringend mal konsistent gemacht werden müsste. In vielen, ich würde sogar sagen, in den meisten Bereichen wissen „wir“ sehr genau, was richtig und was falsch ist, und sind uns im Großen und Ganzen auch darüber einig. Nur kriegen wir es nicht hin, es dann auch politisch umzusetzen. Das ist ein grundlegendes Defizit der politischen Verfahren, derer wir uns bedienen, auch der demokratischen.

Allerdings hat Hilal Sezgin recht, dass diese Einigkeit darüber, was richtig wäre (die zum Beispiel in Punkto Umweltschutz, Hungerbekämpfung und so weiter gegeben ist) in Punkto Tierethik noch nicht herrscht. Viele sind noch der Meinung, es sei moralisch legitim, Tiere für das Wohlbefinden von Menschen zu nutzen, auch wenn das faktisch heißt, sie zu quälen und zu töten.

Und von daher ist das Buch durchaus empfehlenswert, vielleicht trägt es dazu bei, hier das, was als „normal“ und legitim gilt, etwas zu verschieben.

Hilal Sezgin: Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen. C.H. Beck, 301 Seiten, 16,95 Euro. 

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

52 Gedanken zu “Von Menschen und Tieren (und Politik)

  1. Welchen Wert hat das Leben eines Tieres, das „nur“ zur Nutzung (Essen, Kleidung, Partnerersatz) gezüchtet wird? Und, wenn dieser „Bewertungsansatz“ zu verneinen wäre: wo zieht diese Ethik die Grenze zur Eugenik? Ein ziemlich düsterer Gedanke, der mir da gerade zuflatterte… 😦

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  2. „Die Empathie nimmt mit der Distanz des Verfahrens zu,…“ Ist das wirklich so gemeint, Antje? Oder muss es eher heißen, dass die Empathie abnimmt?

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  3. Liebe Anke,
    es ist richtig, dass [wir Menschen] es nicht einmal schaffen, unserer eigenen Art genügend Respekt entgegenzubringen und Diskriminierung und Benachteiligung abzuschaffen. Deshalb ist es aber nicht falsch, Tiere einzubeziehen. Das Konzept der Totalbefreiung („Total Liberation“), fordert die Befreiung von Mensch und Tier [von Ausbeutung und Unterdrückung]. Hier bleiben kein Menschen und keine anderen Tiere auf der Strecke. Es schließt sich ja nicht aus, sich für alle einzusetzen. Sehr viele Veganer_innen zum Beispiel kaufen nur fair gehandelte Produkte und engagieren sich gegen Rassismus, Sexismus und alle anderen Ismen. Wenn du selbst erkennst, dass es falsch ist, Tiere schlecht zu nutzen, warum ziehst du dann nicht die richtige Konsequenz?
    Dein Beispiel mit der Kuh und der Schule finde ich schief. Eine Kuh könnte, im Gegensatz zu Mädchen, mit dem Unterricht nichts anfangen, allein schon, weil sie die menschliche Sprache nicht beherrscht. Eine Kuh hat deswegen aber dennoch das Anrecht auf ein Leben ohne Ausbeutung und niemand hat (oder sollte) das Recht (haben), ihr die Kinder wegzunehmen und ihre Milch zu stehlen, die wir Menschen nicht brauchen.

    Ich empfehle Dir dieses Buch http://www.theorie.org/titel/670_antispeziesismus.

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  4. @Antje: habe mir gestern den Kopf zerbrochen, um deinen Post zu verstehen, denn ich kannte diese Begrifflichkeiten nicht: „Speziezismus/Antispeziezismus“. Ich verstehe dich so, dass sich für dich Antispeziezismus beißt mit Feminismus. Weil Feminismus die Perspektive ist, aus der du das Thema betrachtest. Verstehe ich das richtig?

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  5. @Antje: Sehr interessantes Thema. Man kann sich fragen, weshalb Menschen überhaupt Fleisch essen. Unsere direkten tierischen Vorfahren waren schliesslich überwiegend Pflanzenfresser. Die gängige Erklärung ist, dass der Mensch Fleisch als Eiweisslieferant „benötigte“, um die Vergrösserung seines Hirnvolumens voranzutreiben, oder dass die Vergrösserung des Hirnvolumens einen erhöhten Bedarf an Protein nach sich zog, der eben am besten durch Fleischkonsum befriedigt werden konnte.

    René Girard hat dagegen die interessante These aufgestellt, dass der Fleischkonsum eher ein Nebenprodukt des kollektiven Versöhnungsopfers ist. In sich zerstrittene Gemeinschaften erneuern ihren Zusammenhalt auf dem Rücken einen unschuldigen Opfers, das kollektiv ermordet oder vertrieben („in die Wüste geschickt“) wird. Diese Praxis wird im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer mehr ritualisiert, um einem möglichen Zerfall der Gemeinschaft auf diese Weise zuvorzukommen. Solche Rituale beinhalten teilweise neben der Tötung auch das Verspeisen des Opfers, was aber zunächst eher „religiöse“ bzw. rituelle Gründe hat und nicht primär der Ernährung dient.

    Weil jedoch das menschliche Opfer immer die Gefahr der Vergeltung in sich birgt, z.B. durch die Angehörigen dieses Opfers, ging man nach und nach zur Opferung von Tieren über, die teilweise dann auch mit deren Verzehr verbunden war. Die Haustierhaltung entstand demnach zunächst nicht primär, um einen Essensvorrat sondern einen „Opfervorrat“ anzulegen, also um immer genügend opferbare Tiere zu haben, wenn der Kult das verlangte. Die Nähe zum Menschen begünstigte die Ersatzfunktion des Tieres. Ein „opferbares“ Tier musste dem Menschen so ähnlich wie möglich – aber nicht ZU ähnlich – sein, um seine Ersatzfunktion zu erfüllen. Noch heute gibt es afrikanische Stämme, deren Kuhherden ein Abbild der menschlichen Gemeinschaft darstellen. Die einzelnen Tiere erhalten Namen, und es werden ihnen bestimmte unverwechselbare Charaktereigenschaften zugeschrieben. Ein weiteres Indiz: Es fällt auf, dass „klassische“ Opfertiere identisch mit den heutigen Haustieren sind (Schafe, Ziegen, Rinder etc.), also dass vieles, was wir essen, nachweislich früher einmal als Opfertier gedient hat oder heute noch dient.

    Unser Fleischkonsum wäre demnach ein Überbleibsel der archaischen Religiosität, und unser Unbehagen darüber noch ein Indiz für deren allmähliches Verschwinden. Und für Letzteres macht René Girard wie hier schon angesprochen das Christentum massgeblich mitverantwortlich („Barmerzigkeit will ich, nicht Opfer“ zitiert der Evangelist Matthäus aus dem Alten Testament).

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  6. Die Kuh ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, denn für domestizierte Tiere wird das mit dem „Leben in Freiheit“ schwierig.

    Wias sagt die Autorin denn über die heutigen Haus- und Nutztierarten, für die es keine Rückkehr in die „freie Wildbahn“ geben kann? Also langfristig, die heute lebenden Viecher könnte man ja noch bis zum natürlichen Tode durchfüttern.

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  7. @Bellchen – Ja, es spricht überhaupt nichts dagegen, nett zu Tieren zu sein und sie nicht zu nutzen. Mir geht es um die Argumentation, und da gegen bin ich die Parallelisierung von „Tierdiskriminierung“ mit „Diskriminierung bestimmter Menschen“ (Was in dem Begriff „Speziezismsus“ analog zu „Rassismus“ und „Sexismus“ ja angelegt ist). Ich bin der Meinung, es ist richtig, Tiere zu diskriminieren in dem Wortsinn von unterscheiden, also zu betonen, dass Mensch und Tier nicht gleich ist, Mensch und Mensch schon. Es gibt da keine gleitenden Übergänge. Das Konzept der Gleichheit der Menschen bedeutet, dass ich keinem anderen Menschen etwas vorenthalten darf, was ich selbst für mich in Anspruch nehmen will, weil er bzw. sie genau wie ich ein Mensch ist. Das Menschsein der Anderen begründet ihre Gleichheit mit mir, die ich auch ein Mensch bin. Und genau diese Argumentation lässt sich nicht auf Tiere ausdehnen, weil ich ihnen eben durchaus Dinge vorenthalten kann, die ich für mich und meinesgleichen (die Menschen) beanspruche, zum Beispiel Schulbesuche. Das heißt, wenn ich Tiere in diese „Gleichheitsethik“ mit einbeziehe, habe ich auch die Abstufungen mit einbezogen, die meiner Ansicht nach das Potenzial haben, auch den Gleichheitsgedanken der Menschen untereinander auszuhöhlen. Weil: Vielleicht brauchen ja gar nicht alle Menschen eine Schule? Vielleicht können sie ja gar nichts damit anfangen?

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  8. @dasrettende
    eine sehr interessante Theorie. Nur wie erklärt es sich, dass die Menschen quer durch alle Länder, Zeiten und Kulturen Fleisch essen? Dass da überall unabhängig voneinander(?) dieser Prozess stattgefunden haben soll, finde ich nicht so überzeugend. Da klingt es für mich eher plausibel, dass der Mensch sich eben evolutionär zu einem Omnivoren entwickelt hat.

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  9. @Wilhelm Will Helm

    Vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern beantworte: Zum einen ist auch das von Girard beschriebene Szenario „evolutionär“. Girard geht davon aus, dass eine Steigerung der Nachahmungsfähigkeit zur verstärkten Aggression unter den Hominiden führte, die dann nach einem solchen „Ventil“ rief – siehe dazu meinen letzten Blogpost:

    http://dasrettende.wordpress.com/2013/11/15/menschwerdung-lynchmobs-und-universelle-nachahmung/

    Theoretisch könnte sich ein solcher Vorgang durchaus in voneinander getrennten Populationen abgespielt haben. Andererseits wissen wir aber, dass sich der Mensch von Afrika aus über die Welt ausgebreitet hat, und dass unsere Art einen gemeinsamen regionalen Ursprung hat. Es ist denkbar, dass das Versöhnungsopfer am Beginn dieser Ausbreitung steht und auf komplexe Weise deren Katalysator ist.

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  10. Es gibt Menschen, die mit veganer Ernährung gar nicht zurecht kämen, weil sie zu viele Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten und Allergien haben. Als Forderung an alle ist Veganismus chauvinistisch.

    Wenn alle Veganer würden, wäre es übrigens mit dem Bio-Anbau großteils vorbei, weil dabei kein Kunstdünger erlaubt ist, sondern in erster Linie Naturdung vom Vieh verwendet wird. Und der natürliche Dünger aus dem Pferdestall und vom Meerschweinchen würde nur fürs Luxussegment reichen.

    Es gibt zwar Pilotanlagen zum Phosphatrecycling aus Abwasser, aber da geht das wiedergewonnene Phosphat in die industrielle Produktion ein. Aber wer weiß, vielleicht gibt es bald eine feministische Kompostklo-Bewegung, die dagegen hält. Aber Vorsicht – dann ist das Schimpfwort „kackscheiße“ nicht mehr politisch korrekt 😉

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  11. dasrettende: Die Haustierhaltung entstand demnach zunächst nicht primär, um einen Essensvorrat sondern einen „Opfervorrat“ anzulegen, also um immer genügend opferbare Tiere zu haben, wenn der Kult das verlangte.

    Auch künftige weibliche Opfertiere geben Milch und können zugleich Nutztiere sein.

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  12. @Irene

    „Auch künftige weibliche Opfertiere geben Milch und können zugleich Nutztiere sein.“

    Okay, aber was wollen Sie damit sagen? Ist das Zustimmung oder Widerspruch? Tut mir Leid, falls ich etwas begriffsstutzig bin. Wenn Sie Ihre Aussage näher erläutern, äußere ich mich gern dazu.

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  13. Ich verstehe die grundlegende Logik in folgendem Abschnitt nicht.

    „Weiße männliche Philosophen siedelten Frauen und Menschen of Color irgendwo zwischen den „richtigen“ Menschen (sich selbst) und Tieren an. Deshalb sehe ich, sobald jemand ernsthaft Speziezismus mit Rassismus und Sexismus gleichsetzt, rot. Denn damit gibt es eben keine klare Grenze, sondern einen fließenden Übergang zwischen Menschen und Tieren. Und warum dann nicht auch zwischen Menschen untereinander, sodass bestimmte Menschen höher und andere tiefer stehen, näher an den Kühen eben?“

    Inwiefern verhindert denn eine klare Grenze zwischen Tier und Mensch Rassismus und Sexismus? Ganz im Gegenteil, sobald Unterschiede hergestellt werden, können diese auch in anderen Bereichen konstruiert werden.

    Dies fängt ja beispielsweise schon bei der Definition von menschlichem Leben bzw. Ich-Bewußtsein an. Nehmen wir das Beispiel Abtreibung. Wenn man der Meinung wäre, dass auch ein sechs Wochen alter Fötus per Definitionem ein Mensch wie ein 30-jähriger Erwachsener wäre, dann wäre eine Abtreibung tatsächlich Mord bzw. Totschlag, wie es Abtreibungsgegner ansehen und würde in einer Güterabwägung nicht mehr möglich sein (Rechtsgut Leben würde in einer Abwägung ggü. dem Rechtsgut der körperlichen Selbstbestimmung bzw. der temporären Beeinträchtigung der körperlichen Selbstbestimmung höher gewichtet werden).

    Hier unterscheidet man ja auch innerhalb der Spezies Mensch zu Recht aufgrund rationaler Kriterien (Entwicklungsstand, Ich-Bewußtsein, etc..), weswegen eine Abtreibung statthaft und das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Frau höher zu gewichten ist.

    Das man beispielsweise den Zeitpunkt der „vollständigen“ Menschwerdung auf den Zeitpunkt der Geburt legt, ist nach rationalen Kriterien auch willkürlich, weswegen immer mal wieder Forschungsstimmen auftreten auch Neugeborene nicht als vollständig entwickelte (und somit mit weniger Rechten behaftete) Menschen anzusehen.

    http://www.sueddeutsche.de/…/artikel-ueber-kindstoetung…

    Mit anderen Worten. Selbst bei Menschen sehen wir gesellschaftlich legitimierte Unterschiede, welche nicht im Rassismus oder Sexismus begründet sind, sondern rationale Beweggründe haben (eben z.B. bei Föten aufgrund fehlendem Ich-Bewußtseins und unterentwickeltem Nervensystem). Insofern halte ich die Begründung für Unsinn, dass die Öffnung rationaler Kriterien auch auf Tiere nun unstatthaft wäre. Dies hat dann keinen rationalen, sondern eher einen emotionalen Background. Genauer müsste man Tierarten schreiben, da sich die verschiedenen Tierarten in den relevanten Kriterien teilweise stark unterscheiden. Ein Menschenaffe und eine Obstfliege sind zwar beides „Tiere“ (wie der Mensch im übrigen auch biologisch ein Säugetier ist), dennoch unterscheiden sie sich bei den relevanten Kriterien so stark, dass diese aus ethischer sehr unterschiedlich zu bewerten sind.

    Sobald man aber Unterschiede nur aufgrund von Emotionen („rote Linie“) aufstellt und deren Begründungen nur darauf abstellen, was dies für gesellschaftliche Missstände wie Sexismus und Rassismus bedeuten kann (und nicht etwa begründet wird, weshalb Recht xyz für das Tier nicht existieren kann, da diese nur mit den Kriterien xyz einhergehen), dann hat es mehr mit Glauben und Esoterik zu tun als mit Ratio.

    Ich stelle die Behauptung auf, dass solange man irgendwelche Unterschiede aufgrund einer emotionalen Sicht legitimiert (z.B. dass beispielsweise ein Menschenaffe ein grundlegendes Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht erhalten sollte, da ansonsten Tier-Mensch Grenze durchbrochen werden würde), solange werden auch andere irrationale Unterschiede gerechtfertigt werden, z.B. dass Frauen weniger wert, leistungsfähig, etc.. sind als Männer oder Menschen mit dunkler Hautfarbe weniger wert, leistungsfähig, etc.. sind als Weiße. Männer bzw. Weiße sehen da einfach eine „rote Linie“.

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  14. Ist das Ich-Bewusstsein tatsächlich das Kriterium des Mensch-Seins? Der Grund für die Grenze zum Menschsein bei der Geburt hat doch eher damit zu tun, dass es sich ab der Geburt um ein eigenständiges, abgrenzbares Lebewesen handelt. Und da es menschlichen Ursprungs ist, ist es eben ein Mensch und hat damit die Menschenrechte. Das Menschsein hat erst einmal nichts mit Bewusstsein oder Fähigkeiten zu tun. (Ich behaupte mal, dass ich auch dann noch ein Mensch bin, wenn ich gleich schlafen werde, obwohl ich im Schlaf vermutlich kein Ich-Bewusstsein haben werde) Insofern reicht es nicht zu sagen, dass Ich-Bewusstsein keine rationale Grenze sei, denn dieses Argument ist ja nicht das Einzige für eine Unterscheidung bzw. „rote Linie“.

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  15. @Matthias Heppner – Du schreibst „sobald Unterschiede hergestellt werden, können diese auch in anderen Bereichen konstruiert werden.“ Aber Unterschiede muss man auf jeden Fall machen, weil eben nicht alles gleich ist. Ich kann nicht Kühe und Menschen gleich behandeln. Was du „emotionale“ Entscheidung nennst, ist letztlich eine politische Entscheidung, das heißt, du hast recht, dass es sich nicht naturwissenschaftlich „beweisen“ lässt, wo objektiv eine Grenze gezogen werden MUSS, sondern jede_r von uns entscheidet das, und man KANN sich (wie ich) dafür entscheiden, eine Grenze zwischen Menschen und Tieren zu ziehen, oder (wie du), sie nicht zu ziehen. Die Frage ist nicht, wer von uns beiden recht hat, sondern wie wir unseres jeweils begründen. Möglich (und rational) ist jedenfalls beides.

    Mein Argument ist eben, dass man Unterschiede sowieso machen muss, und es deshalb wichtig ist, wo man sie zieht. Deine Behauptung, du würdest keine Unterschiede machen, glaube ich dir nicht, weil du dann schnell an die Grenzen der Realität stoßen würdest. Hilal Sezgin zieht die Grenze in ihrem Buch zwischen Wirbeltieren und anderen Tieren, ihre Begründung kann ich nachvollziehen. Ich ziehe halt eben zusätzlich auch eine zwischen Wirbeltieren und „Tieren die sprechen können“, also politische Wesen sind. Und zwar ziehe ich diese Grenze sozusagen prinzipiell, also gerade unabhängig davon, ob ein konkreter Mensch tatsächlich sprechen kann: Menschenrechte gelten imho für alle Menschen, unabhängig von ihrem individuellen Zustand, einfach aufgrund ihres Menschseins. Und zwar deshalb, weil wir alle, auch solange wir noch sprechen können/politische Wesen sind, potenziell diese Fähigkeit verlieren können, aber eben trotzdem Menschen bleiben.

    Zum Thema Abtreibung: Da ist der Unterschied eben, wie Wilhelm schon schrieb, ob es sich um ein geborenes Kind handelt (also ein eigenständiges Individuum) oder um ein ungeborenes, das noch Teil des Körpers der Mutter ist. Das „Rechtsgut“ ist hier die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Deshalb ist es ein Unterschied, ob eine Frau sich zu einer Abtreibung entschließt, oder ob jemand ein bereits geborenes Kind – ein Individuum also – tötet, selbst wenn es sich um eine Frühgeburt handelt.

    Eine Grenze zwischen Menschen und Affen zu ziehen, heißt im übrigen nicht, dass man dann der Meinung sein muss mit Affen alles tun zu können, was man will. Es bedeutet nur, dass man eventuelle moralische Verpflichtungen von Menschen anderen Menschen gegenüber anders begründet als moralische Verpflichtungen von Menschen gegenüber Tieren.

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  16. @Reineke – In Bezug auf Haustiere meint Hilal Sezgin, dass wir eine neue Form des Zusammenlebens mit Tieren finden muss. Das bedeutet, die bereits geborenen Tiere gut zu behandeln und ihnen Freiheit im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verschaffen, insofern wir eine Verantwortung ihnen gegenüber haben, weil wir sie ja gezüchtet haben. Neue „nutzenorientierte“ Tiere, etwa Hühner, die nicht mehr auf ihren eigenen Beinen stehen können, würden dann eben nicht mehr „hergestellt“.

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  17. Die Unterscheidung zwischen Tieren und Menschen im Sinne von „erstere sind anders als ich, deshalb darf ich ihnen Leid antun, und letztere sind gleich wie ich, deshalb muss ich gut zu ihnen sein“ finde ich willkürlich und künstlich, ähnlich wie Konzepte à la „Blut ist dicker als Wasser“. Ich sehe durchaus Parallelen zwischen Speziesmus und Rassismus/Sexismus, weil ihnen allen derselbe Gedanke zugrundeliegt, nämlich dass ich mir selbst am nächsten bin bzw. ich und die Personen, die mir aufgrund dieses oder jenes willkürlich gewählten Merkmals ähnlich sind. Allen anderen brauche ich nicht auf Augenhöhe zu begegen und darf sie ausbeuten.
    M.E. geht es beim Nachdenken über Tierethik nicht um die Frage nach der Moral und wem ich sie schuldig bin, sondern um die Frage, wie ich mich gegenüber der Welt und dem Leben als solchem verhalte: Will ich respektvoll mit anderen Lebenwesen, Ressourcen und mir selbst umgehen oder halte ich Ausbeutung (von Lebewesen, Ressourcen und mir selbst) grundsätzlich für eine angemessene Beziehungsform?

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  18. @kaktee – Natürlich ist die Unterscheidung „willkürlich und künstlich“, weil es eine politische Entscheidung ist. Die Sache ist eben, wie ich oben schon schrieb, dass du sowieso unterscheiden musst irgendwo. Die politische Frage ist nicht: Willst du Unterscheidungen treffen oder nicht? Sondern: Wo willst du sie treffen, hier oder da. Ich bin der Meinung, dass es gute Gründe dafür gibt, respektvoll mit anderen Lebewesen umzugehen, auch ohne dass man aufhört, zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden.

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  19. In Bezug auf Haustiere meint Hilal Sezgin, dass wir eine neue Form des Zusammenlebens mit Tieren finden muss.

    Wer ist denn „wir“? Diese Alles-oder-Nichts-Haltung klingt nicht so, als ob die Bauern da mitgemeint wären. Zwischen dem Tier, das nicht mehr auf seinen Beinen stehen kann, und der Abschaffung der Tierhaltung gibt es ja doch allerhand.

    Kaktee: Welche Tiere zählen denn überhaupt in dieser Ethik? Wie vegan ist die Ölförderung, der die Veganer ihre moralisch korrekten Ersatzprodukte verdanken? Das vom Öl verseuchte Gewürm am Meeresgrund ist leider nicht so niedlich wie ein Schaf, und damit zusammenleben und ein Buch drüber schreiben geht auch schlecht…

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  20. @Irene – Ja, Sezgin braucht die auch aus meiner Sicht (wie ich ja schrieb) problematische Konstruktion von „wir Menschen“. Sie zieht die Grenze bei den Wirbeltieren, aber ich kann jetzt nicht die gesamte Argumentation des Buches hier im Blog wiedergeben. Jedenfalls sind ihre Argumente unterm Strich besser als du es mit deinen Kommentaren anzunehmen scheinst. Soll ich dir das Buch mal ausleihen ? 🙂

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  21. Antje, es geht nicht darum, alle gleich zu behandeln, das wäre unsinnig. Es geht darum, dass alle Lebewesen, zumindest die Wirbeltiere, das gleiche Recht auf Leben und Unversehrtheit haben. Und Speziesismus bezieht sich darauf, dass Menschen eben meinen, dass sie dass sie Tiere diskriminieren und unterdrücken dürfen, weil sie nicht zur menschlichen Rasse gehören, so wie manche eben meinen, sie dürften Frauen diskriminieren, weil sie keine Männer sind etc.

    Ein Schulbesuch für eine Kuh macht keinen Sinn, weil Kühe unsere Sprache nicht sprechen. Kühe brauchen auch kein Wahlrecht, genauso wie es keinen Sinn machen würde, würde das Wahlrecht schon für Säuglinge gelten. Auch Säuglinge könnten mit einem allgemeinen Wahlrecht nichts anfangen. Man muss eben sehen, was Sinn macht und was nicht. Es geht nicht um Gleichmacherei.

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  22. @Bellchen – Ja, bei Menschen untereinander geht es aber halt schon darum, alle gleich zu behandeln. Das ist es ja, was ich meine.

    Das schließt nicht aus, dass auch Wirbeltiere ein Recht auf Leben und Unversehrt haben. Aber der Gleichheitsgrundsatz im Bezug auf Menschen bedeutet: Jedes Recht und jedes Privileg, das ich für mich selbst beanspruche, muss ich auch allen anderen Menschen zugestehen, und zwar allen, ohne Ausnahme, einfach weil sie Menschen sind. Dann kommt man nämlich gar nicht auf die Idee, zu sagen, irgend ein anderer Mensch könne mit irgendwas nichts anfangen, was ich für mich selber haben will (so wie das Rassisten oder Sexisten tun und es gang und gäbe war, bevor die Idee der Gleichheit der Menschen aufkam).

    Natürlich sind Menschen faktisch nicht gleich. Aber die Pluralität der Menschen entsteht eben nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu irgendeiner „Sorte“ Lebewesen, sondern sie entsteht allein aufgrund ihrer selbst gemachten Unterschiedlichkeit, also durch unterschiedliche Traditionen, Ansichten, Meinungen, die auf einer politischen Ebene verhandelt werden. Diese politische Ebene des Verhandelns gibt es zwischen Menschen und Tieren nicht. Dass Menschen dieses Verhandeln erst lernen müssen, was mit dem Erwerb der Sprache zusammenhängt, und dass sie diese Fähigkeit durch Krankheit auch verlieren können, ändert an diesem Prinzip nichts.

    (Dass die Proklamation der Gleichheit nicht das Ende, sondern der Anfang der Politik ist, steht auf einem anderen Blatt).

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  23. Ich meinte was anderes. Ich bin Bauernenkelin (den Hof hat mein Cousin) und beargwöhne den Umstand, dass diese Agrar-Utopistinnen immer aus besseren Kreisen zu stammen scheinen und der bäuerlich-praktische Zugang zum Thema kaum was gilt. (Allerdings macht man das in den Sozialwissenschaften schon lange so: Man spekuliert über Konstrukte der Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen, redet aber nicht direkt mit ihnen.) Wenn ich drüber weg bin, lese ich mal rein 😀 Außerdem habe ich selbst etwas Potenzial zum Streichelzoo a la Sezgin, weil ich einen Ratgeber über artgerechte Kaninchenhaltung geschrieben habe.

    Wenn nur Wirbeltiere tabu sind, muss man nicht gleich vegan leben 😀
    http://www.br.de/nachrichten/schwaben/insektenpizza-100.html

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  24. @Antje:
    Das Buch werde ich auf jeden Fall lesen!
    Du schreibst:
    „Trotzdem bleibe ich auch nach der Lektüre „Speziezistin“. Das heißt, ich bin dafür, klar zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden, und ich halte es für falsch, das Verhalten von Menschen gegenüber Tieren mit dem Verhalten von Menschen anderen Menschen gegenüber zu vergleichen.“

    Ich habe auch Deine nachfolgenden Begründungen gelesen und kann sie für mich so gar nicht nachvollziehen. Ist aber interessant, das mal so klar zu lesen.
    Der Begriff „Speziezistin“ war mir bisher fremd, habe also wieder was gelernt 😉

    Ich sehe Menschen ganz schlicht und einfach als Teil der Säugetiere.
    Und nein, das heisst eben auch nicht sofort „alle sind gleich“ – genauso wie ich das nicht für Männer und Frauen sehe, obwohl sie einer Art angehören und ganz viele Gemeinsamkeiten haben, die man erst nach und nach zu entdecken beginnt und die wir unter Kultur,- und Moral verbuddelt haben.
    Dass wir unser eigenes Verhalten mit dem von anderen Spezies vergleichen, finde ich logisch und sehr nachvollziehbar, da wir ja in permanenter wechselseitigier Beziehung mit anderen Lebewesen stehen und eben viele Ähnlichkeiten sehen können, die auch faktisch vorhanden sind.
    Ebenso wie Unterschiede.
    Und es heisst auch nicht, dass man mit Analogien eigene Grausamkeiten rechtfertigen kann oder sollte (was leider immer wieder passiert) – aber man kann sie als Teil eines sehr viel grösseren Komplexes von Verhalten betrachten, welches sich nicht allein auf eine Spezies beschränkt.
    Zu versuchen, diese Verhaltensweisen besser zu verstehen, kann mit Hilfe eines weiter gefassteren Blickes (eben nicht nur auf Homo Sapiens beschränkt) durchaus Sinn machen, finde ich.

    Prinzipiell ist es doch eigentlich vollkommen egal ob man Raupen, Käfer, Frösche, Fische, Kühe oder Affen tötet um sie zu essen. Immer tötet man dabei. Das Töten ist eine sehr große Gemeinsamkeit aller Lebewesen, die andere Lebewesen essen.
    Sozusagen Art-übergreifend.
    Da wir soziale Beziehungen brauchen, und diese auch mit anderen Spezies eingehen (und diese mit uns!), fällt uns logischerweise das Töten der Spezies schwerer, zu denen wir Beziehungen pflegen.
    Die Spezies, die dann aus diesem moralisch-ethisch-beziehungstechnischen Geflecht rausfallen:
    Pech gehabt, die dürfen dann in den Topf oder auf den Opferalltar…ob sie nun Wirbel haben oder keine.
    Wir unterscheiden uns (jedenfalls soweit wir das wissen können) teilweise insofern von anderen Spezies, indem wir offensichtlich darüber nachdenken können, indem wir entscheiden können, ob wir andere Lebewesen töten wollen um sie zu essen oder nicht.
    Dass wir bei dem Versuch, diese Entscheidungen zu rechtfertigen, nach Vergleichsmöglichkeiten in der Natur suchen, finde ich logisch und nachvollziehbar, siehe oben.
    Und jede „Partei“ findet auch ihre Analogien 😉
    Manche, die Menschen als „anders“ einstufen als Tiere, argumentieren damit, dass Menschen ja reflektieren könnten was sie tun und somit über ihrem Instinkt stehen, sich davon quasi befreien könnten.
    Ich bin mir nicht so sicher, ob das wirklich stimmt.
    Wenn Heuschrecken ohne „Skrupel“ und Rücksicht auf andere Lebewesen und deren Bedürfnisse (z.B. Menschen) ganze Landstriche kahlfressen, dann verurteilen wir das natürlich nicht mit ethisch-moralischen Argumenten, nein, wir sagen „das ist eben die Natur“ – und bringen sie dann mit massenweise Chemie um, weil wir eben „unser“ Revier verteidigen – und folgen damit schlicht und einfach dem Überlebensinstinkt, ohne nach Rechtfertigung zu fragen.

    In Bezug auf die massenhafte Fleischproduktion stelle ich mir vor, dass diese, was Effizienz und maximale Ausbeute betriff, momentan ihren Peak erreicht hat, und die (manche jedenfalls) Menschen emotional und auch rein körperlich „satt“ davon sind und beginnen, eine Aversion dagegen zu entwickeln.
    Das Bedürfnis, Fleisch zu essen, ist bei vielen noch vorhanden, aber sie stellen immer öfter ethische Werte über ihre eigenen Bedürfnisse und verzichten.
    Vielleicht wachsen so langsam die ersten, durch ethisch-moralische kulturelle Evolution enstandene fleischlosen Generationen heran…wer weiss?

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  25. Hallo Antje,

    vielen Dank, dass Du Dich des Themas annimmst.

    „Ich bin der Meinung, es ist richtig, Tiere zu diskriminieren in dem Wortsinn von unterscheiden, also zu betonen, dass Mensch und Tier nicht gleich ist, Mensch und Mensch schon. Es gibt da keine gleitenden Übergänge.“
    Ich bin nicht der Meinung, dass Mensch gleich Mensch ist und dem schließt sich an, dass es richtig ist zu unterscheiden, also zu betonen, dass Mensch nicht gleich Mensch ist. Soweit ich weiß, strengt Hilal nicht die simple Gleichung Mensch = Tier an [die von einem verkürzten biologischen Standpunkt richtig ist & uns damit aber auch die Wahrnehmung des Menschen als Naturwesen ermöglicht], sondern sie vertieft eine Analyse mit der Suche nach Motivationen und Argumenten für und wider Tierausbeutung. Sie setzt außerdem nicht Sexismus mit Rassismus mit Klassismus mit Speziesismus gleich, sondern weist auf Gleich- & Ähnlichkeiten in diesen Strukturen & Systemen hin, die Formen der Ausbeutung & Unterdrückung ermöglichen, vervielfältigen, verinnerlichen & stärken. Mir fallen dabei z. B. die [aus]nutzbaren Reproduktionsfähigkeiten weiblicher Körper sowie die strukturell notwendige Anwendung von Gewalt zur Erhaltung und/oder Festigung eines ausbeuterischen & unterdrückerischen Status Quo, aber auch die dem Zweck dienliche Zweigliedrigkeit von „wir“ [1 Spezies, ca. 7 Mrd. Individuen] & „die“ [geschätzt 7,8 Millionen Spezies, keine verläßliche Angaben über Individuen] ein. Eine Angela Davis kann das in zusammenhängendere schlauere Worte fassen als ich: http://www.radioproject.org/2012/02/grace-lee-boggs-berkeley/

    Ein Rechtekonstrukt heranzuziehen & es als quasi naturgegebenes, unveränderbares zu sehen, welches in der jetzigen Form schon immer da gewesen zu sein & immer weiter in dieser Form zu bestehen scheint, entspringt sicherlich dem [nachvollziehbaren] Gedanken, dass es doch bestimmte Unterscheidungsmerkmale geben muss, uns Menschen [in unserer Gesamtheit & jedem Individuum] eine mehr zu berücksichtigende Stellung einzuräumen, also einer Wertehierarchie den Vorrang zu geben, die nur eine Position oben & ganz viele untendrunter sieht. Dieses von uns errichtete Konstrukt ist ein kulturelles [mit der Verschränkung geschichtlicher, soziologischer & vieler weiterer Ebenen], also über Jahrhunderte hinweg entwickeltes und getragenes, aber eben kein „natürliches“ & demzufolge auch nicht aus irgendwelchen natürlichen Zwängen/Gegebenheiten ableitbares. Selbst dieses ausschließlich uns Menschen betreffende Konstrukt ist weder vom theoretischen Gerüst noch von der praktischen Umsetzung als irgendwie ausreichend, fertig, gut/gerecht umgesetzt zu bezeichnen. Insofern: Ja, unbedingt muss das Streiten für Menschen & die Menschheit weitergehen. Aus welchen Gründen dabei die Berücksichtigung gleicher oder ähnlicher Merkmale anderer Spezies nicht erfolgen bzw. es kein Neben- & Miteinander der Kämpfe geben soll, entzieht sich meiner Perspektive. Ich kann nur mutmaßen, dass sich Menschen durch Befreiungsbestrebungen für Tiere in ihrer Wertehierarchie herabgewürdigt fühlen, obwohl keine Abwertung menschlicher Interessen & Bedürfnisse postuliert, sondern die Anerkennung der Bedürfnisse anderer Spezies & die Überwindung der Verhältnisse, die ihre Unterdrückung ermöglichen, gefordert wird.

    Der Verweis auf nicht gelöste Problemfelder der Menschen bringt an dieser Stelle kein inhaltliches Weiterkommen, weder für die Anforderungen an die Mensch-Mensch-Beziehung noch für das [in dem Fall freiwillig von Dir gewählte] Thema Mensch-Tier-Beziehung. Ein Beispiel, was eventuell verdeutlicht, was ich meine: Menschen, die sich hier für die Abschaffung von HartzIV einsetzen, zu entgegnen, dass es im Land XY Menschen gibt, die im Fall von Arbeitslosigkeit gar keine staatliche Unterstützung erhalten, relativiert die Probleme der einen & instrumentalisiert die Probleme der anderen. Beidem eine angemessene Berücksichtigung & ggfs. Unterstützung zu ermöglichen, kann z. B. durch Sichtbarmachung komplexer Zusammenhänge [wirtschaftliche, historische, soziale] & Strukturen erfolgen. Was an der Grundsätzlichkeit des Themas anstrengt, ist die Anwendung von Relativierungsversuchen: Indem die Mißachtung von Grundrechten & -bedürfnissen unter/zwischen Menschen als „Gegenargument“ herangezogen wird, verschiebt sich die Relevanz der Beachtung gleicher oder ähnlicher Bedürfnisse von Tieren, bis hin zur Nicht-Anerkennung der vorhandenen gewalttätigen & moralisch zu prüfenden Zustände. Das ist kein Vorwurf an Dich oder andere, nur eine subjektive Wahrnehmung von Reaktionen, die auf ethische und/oder systemkritische Herangehensweisen folgen. Daraus resultiert möglicherweise Deine Frage, weshalb es kein Schulrecht für Kühe gibt [bzw. dieses nicht gefordert wird], ohne dass auf grundlegende Bedürfnisse wie Freiheit & Unversehrtheit eingegangen oder eine Tieren gegenüber gewaltfreie Utopie gedacht werden kann. Die Forderungen einer mitgedachten Moral für eine zukünftige friedliche Ko-Existenz mit Tieren bzw. die Beschreibung derzeitiger Situationen dieser anderen Spezies bedarf verschiedener Ansätze, wofür solche Bücher wichtige Grundpfeiler sind oder sein können.

    Das andere mitdenken [was sie, wie Du beschreibst, für Säugetiere übernimmt] bedeutet, auch das mitzudenken, was durch Systeme & Mechanismen [Tradition, Machtsymbol, verschleierte und/oder institutionelle und/oder internalisierte Gewaltanwendung, Sprache, Wirtschaftsform, Gesellschaft, Status, Klasse] als gegeben & unhinterfragt übernommen wird. Das funktioniert in viele Richtungen & der Verweis auf die Arbeit, die für die Ermöglichung einer friedlichen Ko-Existenz zwischen Menschen & Menschen noch unerledigt vor uns liegt, ist ein wichtiger & berechtigter Einwurf, wenn er sich nicht als Ausschließlichkeitscharakter [erst & ausschließlich die Menschen, dann – vielleicht – die Tiere] definiert. Wie Bellchen weiter oben schreibt, widmet sich das Buch „Antispeziesmus“ von Matthias Rude der historischen Betrachtung emanzipatorischer Bewegungen, die die Forderung nach der Befreiung der Tiere einbezogen haben & wie Bellchen ebenfalls schreibt, ist das Engagement vieler Tierbefreier*innen nicht auf das Ein-Themenfeld Tiere beschränkt, sondern bewegt sich innerhalb emanzipatorischer Ansprüche zur Überwindung von Unfreiheiten, Ungerechtigkeiten & Unterdrückungen.

    „Weil: Vielleicht brauchen ja gar nicht alle Menschen eine Schule? Vielleicht können sie ja gar nichts damit anfangen?“
    Auch richtig [auch wenn Deine eher rethorisch formulierten Fragen in eine andere Richtung führen sollten]. Vielleicht braucht kein Mensch Schule wie wir sie kennen? Vielleicht brauchen Menschen wirklich keine Form- & Füllanstalten, die sie zu funktionierenden & verwertbaren Einheiten eines neoliberalen Marktes erziehen? Wie schön wäre es, Schulen zu haben, die etwas von Bedürfnissen junger Menschen verstehen & die Freiräume des Kennenlernens, Forschens, Entdeckens, Mitfühlens, Infragestellens & gemeinsamen Entscheidens sind, anstatt leistungsorientierte & aussortierende, auf Klassismus basierende Institutionen sind? Was für die Frage der Tiere nicht unerheblich sein könnte, da wir sie mittels warenförmig gemachter Reproduzier- & Verwertbarkeit ebenfalls zu funktionierenden Einheiten degradieren.

    „Aber es gilt nicht als moralisch verwerflich, Unterschriften unter irgendwelche Verträge zu setzen, die unweigerlich den Tod und das Leiden vieler anderer Menschen zur Folge haben wird.“
    Die Kassenzettel dieser Welt sind ein gewichtiger Gegenbeweis meine ich, sie tragen unweigerlich den Charakter, für uns nicht sichtbar Tod & Leiden vieler anderer Menschen zur Folge zu haben. An dieser Stelle kann eine [Individual]Ethik nicht mehr alleine streiten oder moralische Forderungen alleine an Individuen stellen, denn diese verlangt vom Individuum, die Verantwortung für Verhalten & Entscheidungen zu übernehmen, dem es sich aus Gründen [Bildung, Finanzen, Sozialisation, Komplexität, Wissen, Information, Ressourcen, …] alleine nicht stellen & erst recht nicht alleine erfüllen kann. Ab da/hier/diesem Punkt wird’s politisch;-) Dazu eine, wie ich finde, plastisch & inhaltlich treffend ausgearbeitete Betrachtung zu Max Horkheimers Wolkenkratzer-Metapher: http://www.linmay.de/gesellschaftskritikundkunst.html

    „Jedes Recht und jedes Privileg, das ich für mich selbst beanspruche, muss ich auch allen anderen Menschen zugestehen, und zwar allen, ohne Ausnahme, einfach weil sie Menschen sind.“
    Warum? Das nenne ich einen Zirkelschluss, der sich im Kreis bewegende Schluss, dass alle Menschen Menschen sind, weil alle Menschen Menschen sind. Was damit bewiesen oder wiederlegt werden soll bzw. auf welchen Vorannahmen das beruht, wird nicht formuliert. Was ist mit Rechten & Privilegien, die Du nicht für Dich selbst beanspruchst, die andere jedoch benötigen? Gibt es in dieser Aufzählung tatsächlich nur den Katalog der Rechte & Privilegien, oder fehlt möglicherweise ein weiterer der Pflichten & Verantwortungen [nämlich Grenzen der Rechte & Privilegien, da wo Freiheits- & Unversehrtheitsansprüche Dritter beeinträchtigt werden]? Sind beide tatsächlich 1:1 von einem Individuum auf alle anderen Individuen der Spezies Mensch übertragbar sowie sinnvoll & notwendig bzw. welche Rechte & Privilegien sind das konkret? Dieser allgemeine Überbau ist recht vage & diffus bzw. wie weiter oben beschrieben, keine natürliche & statische Zwangsläufigkeit, sondern eine fortlaufende & sich weiterentwickelnde [bzw. fortlaufend & weiterentwickelbar zu machende] Konstruiertheit.

    GeRECHTigkeit ist nicht alleine das Vorhandene, was [durch uns] konstruiert als Recht [oder Privileg] festgeschrieben ist oder von einer Mehrheit als Gewohnheitsrecht [oder Privileg] wahr- bzw. in Anspruch genommen wird. Gerechtigkeit ist, Ungerechtigkeit & Unrecht zu erkennen, zu benennen, sichtbar zu machen & zu dekonstruieren bzw. abzuschaffen.

    Viele Grüße
    mizz

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  26. Hallo Antje,

    Du erwähnst wiederholt, dass mensch ja zwangsläufig Unterschiede (zwischen Menschen und Tieren) machen müsse. Du schreibst u.a.:

    „Ich bin der Meinung, es ist richtig, Tiere zu diskriminieren in dem Wortsinn von unterscheiden, also zu betonen, dass Mensch und Tier nicht gleich ist, Mensch und Mensch schon. Es gibt da keine gleitenden Übergänge. Das Konzept der Gleichheit der Menschen bedeutet, dass ich keinem anderen Menschen etwas vorenthalten darf, was ich selbst für mich in Anspruch nehmen will, weil er bzw. sie genau wie ich ein Mensch ist. “
    und
    „Aber Unterschiede muss man auf jeden Fall machen, weil eben nicht alles gleich ist. Ich kann nicht Kühe und Menschen gleich behandeln.“
    -> Ich gehe nicht mehr auf den Schulbesuch-Vergleich ein, der wurde hier ja schon mehrmals aufgegriffen und es wurde gezeigt, dass dieser Vergleich sehr hinkt. Tierbefreier_innen würden wohl auch nicht auf die Idee kommen, mit einer Kuh oder einem Schwein ins Kino und anschließend noch in einer Bar ein Biierchen trunken zu gehen. Selbstverständlich gibt es Unterschiede, die auch gemacht werden können und müssen. Was mich an deiner Argumentation etwas irritiert ist dieses „Alles oder Nichts“ Denken: Es gibt Unterschiede zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren, deshalb darf mensch sie de facto nicht gleich behandeln, und Gemeinsamkeiten scheinen dabei ausgeblendet zu werden. Außerdem ausgeblendet werden grundlegende Bedürfnisse – wie hier ja auch bereits mehrmals erwähnt wurde – wie bspw. das Recht auf ein Leben in Freiheit und Unversehrtheit. Auf diesen Punkt bist Du bisher kaum eingegangen: Du erwähnst so oft die Unterschiede, aber was ist mit den Gemeinamkeiten von Menschen und nichtmenschlichen Tieren? Überwiegen diese nicht sogar (nicht in ihrer Masse, sondern in ihrer Relevanz)?

    Außerdem schreibst Du „Ja, es spricht überhaupt nichts dagegen, nett zu Tieren zu sein und sie nicht zu nutzen.“
    -> Wenn Du das so siehst, wieso tust Du es dann weiterhin? Speziesismus ist letztendlich nur ein Begriff, der u.a. für die Herrschaft des Menschen über (nichtmenschliche) Tiere steht, und durch das „Mensch sein“ legitimiert wird. Wenn Du den Begriff nicht magst, weil du dadurch Rassismus und Sexismus relativiert siehst, dann verwende ihn nicht. Aber das sollte Dich nicht davon abhalten, keine Tiere mehr zu nutzen, denn – wie Du selbst schon richtig erkannt hast: Es spricht nichts dagegen.

    @irene: „Es gibt Menschen, die mit veganer Ernährung gar nicht zurecht kämen, weil sie zu viele Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten und Allergien haben. Als Forderung an alle ist Veganismus chauvinistisch.“
    -> Ist das tatsächlich so? Ich denke eher, dass das Angebot an Obst, Gemüse und Nüssen etc. derart vielfältig ist, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, vegan zu leben. Zugegeben, für viele wäre es sicherlich schwieriger als für andere, aber auch das Angebot an veganen Lebensmitteln steigt stetig und mittlerweile gibt es auch Fleischersatz oder Eis aus Lupinen, für alle, die gegen Soja und/oder GLuten allergisch sind.

    „Wenn alle Veganer würden, wäre es übrigens mit dem Bio-Anbau großteils vorbei, weil dabei kein Kunstdünger erlaubt ist, sondern in erster Linie Naturdung vom Vieh verwendet wird.“
    -> Stimmt so nicht ganz. Es gibt Projekte, die komplett ohne den Einsatz (tierischer) Dünger auskommen und natürliche Prozesse als Grundlage der Pflanzenernährung und Bodenfruchtbarkeit dienen. Leider kann ich dir dazu keine Quelle nennen, allerdings habe ich dazu mal einen Vortrag gehört. Zwar dauert es etwas länger, bis ein landwirtschaftlicher Boden soweit ist, ohne Dünger auszukommen (i.d.R. 5-10 Jahre), aber Fakt ist: Es ist möglich und es wird stetig daran gearbeitet, diesen prozess zu beschleunigen.

    “ Und der natürliche Dünger aus dem Pferdestall und vom Meerschweinchen würde nur fürs Luxussegment reichen. “
    -> Würde ohnehin wegfallen, wenn alle Veganer würden.

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  27. Zitat colorful: „Du erwähnst so oft die Unterschiede, aber was ist mit den Gemeinamkeiten von Menschen und nichtmenschlichen Tieren? Überwiegen diese nicht sogar (nicht in ihrer Masse, sondern in ihrer Relevanz)?“

    Wenn ich das wüsste… Was auch schon den mE ausschlaggebenden Unterschied zeigt: Menschen können mit Menschen auf sehr komplexe Weise kommunizieren, zB darüber, welche Gemeinsamkeiten sie haben oder wie sich das Zusammenleben gestalten soll. Zwischen Menschen und anderen Tieren ist das nur auf eine sehr rudimentäre Art möglich. Das gibt der „menschlichen Seite“ ethisch nicht das Recht, alles zu machen, was die intelektuelle Überlegenheit ermöglicht. Aber die Verantwortung, die Regeln für das Zusammenleben zu setzen, liegt damit weitestgehend bei den Menschen. Dieser Unterschied begründet für mich den Humanismus bzw den ihm eigenen Anthropozentrismus.

    Zitat wikipedia: „Als verbindendes Element alter und neuer [humanistischer] Ansätze kann der Anthropozentrismus gelten, die Konzentration des Interesses und der Bemühungen auf den Menschen und seine Einzigartigkeit, im Gegensatz etwa zu Weltanschauungen, die Gott oder das Naturganze in den Mittelpunkt stellen oder die menschliche Lebensform nur als eine unter vielen auffassen.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Humanismus

    Solange ich mich nur mit Menschen über „das Leben, das Universum und den ganzen Rest“ sinnvoll austauschen kann, macht es für mich Sinn, mich va an den Wünschen, Vorstellungen und Ängsten von Menschen zu orientieren. Eröffnet ja auch schon ein weites Feld…

    Das zeigt sich bspw an einem Punkt entsprechender emanzipatorischer Bewegungen: Eine Bewegung, die sich für die Rechte einer bestimmte Gruppe einsetzt, ohne Mitglieder dieser Gruppe in ihren Reihen zu haben, ist unglaubwürdig. Für die Tierrechtsbewegung gilt dies aus naheliegenden Gründen nicht. Die diskrimierte „Gruppe“ kann schlicht nicht für sich selbst sprechen und handeln, zumindest nicht in komplexen politischen Zusammenhängen. Tieren je nach Art Rechte zu geben finde ich eine tolle Sache. Aber „Rechte“ sind ein Konstrukt menschlichen Zusammenlebens, ohne Menschen (so total „natürlich“) gäbe es so was nicht; das sollte nicht vergessen werden. Menschen können sich Rechte nehmen (oder dafür kömpfen), Tieren müssen Rechte von Menschen gegeben werden.

    P.S.: Sobald die ersten Aliens auftauchen, mit denen wir kommunizieren können, oder wir KI’s bauen können, oder sobald Planet der Affen Wirklichkeit wird, muss das Konzept des Humanismus wohl überarbeitet werden.

    P.P.S.: Danke für die Antwort oben. Ich weiß nicht, ob eine Welt oder domestizierte Tiere wirklich eine bessere ist. Industrielle Extremzüchtungen mögen tatsächlich „besser dran“ sein, wenn sie in Zukunft gar nicht erst geboren werden, aber es gab und gibt ja auch andere Haus- und Nutztiere. Hab ich vielleicht auch falsch verstanden.

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  28. @Antje:

    Die Kühe in der Schule….
    Das Beispiel mit den Kühen kann doch zu etwas ganz anderem gut sein:
    Es zeigt, dass wir lernen können und unsere Annahmen immer wieder auf den Prüfstand gehören.
    Dein Satz hier belegt das sehr schön, wie ich finde:
    „Da braucht jetzt übrigens gar niemand den Kopf zu schütteln, diese Vergleiche sind in Westeuropa bis ins 19. Jahrhundert hinein ganz genauso gemacht worden. Weiße männliche Philosophen siedelten Frauen und Menschen of Color irgendwo zwischen den „richtigen“ Menschen (sich selbst) und Tieren an.“

    Diese ehemals als „Tatsache“ betrachtete Annahme:
    ….“Frau = Tierstufe = weniger wert = braucht auch keine Schule“ ….
    hat sich aber als nicht mehr haltbar erwiesen, so wie zig andere sogenannte „Tatsachen“ auch.

    Genauso kann es auch mit dem Fleischkonsum bzw. der massenweisen Ausbeutung von Tieren sein:
    Wir stellen fest, dass die Annahme, die wir lange zur Regel erhoben haben: „ohne Fleisch = keine Gesundheit“ nicht mehr haltbar ist – jedenfalls nicht uneingeschränkt, wenn genügend Alternativen vorhanden sind.
    Diejenigen, die gesund vegetarisch leben (der Veganismus ist m. Mng. noch zu jung um wasserdichte Aussagen über mehrere Generationen machen zu können) sind eben keine Ausnahmen, die „die Regel“ – die, wie so oft, auf falschen Annahmen beruht – bestätigen, sondern sie stellen eindeutig diese Regel in Frage.
    Das ist erstmal ganz unabhängig von Ethik und Moral.
    Wie die Gesellschaften und die Politik diese neuen Erkenntnisse dann adaptieren, wie stark oder schwach sie moralisch-ethische Beweggründe einbezieht oder nicht…großes Fragezeichen.

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  29. @Reineke: Ich möchte gern Antjes Antwort zu deiner Frage ergänzen, in der es um die Auswilderung heutiger „Nutz“- und „Haus“tierrassen geht. Viele Beispiele zeigen, dass diese gezüchteten Arten tatsächlich in freier Wildbahn prächtig überleben können.

    Hausschweine zum Beispiel, die heute auf dem Teller landen, werden relativ schnell in der Natur wieder borstig und entwickeln „Fell“ und verändern ihre Verhaltensweise, d.h. werden scheuer aber auch aggressiver. Ein Beispiel hierzu sind die Razorbacks in den USA (http://de.wikipedia.org/wiki/Razorback). Auch Dingos können hier als Beispiel herangezogen werden: Waren es ehemals domestizierte Haushunde, so ist es eine heute verwilderte Rasse, die völlig frei vom Menschen überleben kann (http://de.wikipedia.org/wiki/Dingo). Und anhand dieser Beispiele vermute ich, dass Gleiches auch mit heutigen Hausrindern möglich wäre und diese – wie Wisents – in der Natur überleben können, ohne den Menschen.

    Zuletzt hast du folgendes geschrieben:
    „Tieren je nach Art Rechte zu geben finde ich eine tolle Sache. Aber “Rechte” sind ein Konstrukt menschlichen Zusammenlebens, ohne Menschen (so total “natürlich”) gäbe es so was nicht; das sollte nicht vergessen werden. Menschen können sich Rechte nehmen (oder dafür kömpfen), Tieren müssen Rechte von Menschen gegeben werden.“

    -> Ich sehe das etwas anders und denke, dass mindestens die Rechte auf das Leben als solches und das Recht auf Unversehrtheit und Freiheit nicht von Menschen gegeben werden (wie es leider der Fall ist), sondern tatsächlich „natürlich“ sind. Das gilt sowohl für Menschen als auch für nichtmenschliche Tiere.

    Zwar war es schon immer so gewesen und ist es noch heute, dass Menschen anderen Menschen und nichtmenschlichen Tieren das Recht auf ein Leben in Freiheit und Unversehrheit nicht gewähren, aber wir können das ja nur anprangern und kritisieren, weil diese Rechte nunmal natürlich sind und für jedes Lebewesen gültig. Nur weil wir nicht mit anderen Tieren kommunizieren können, bedeutet das noch lange nicht, dass wir – so wie es tagtäglich zu tausenden geschieht – über Leben und Tod entscheiden dürfen.

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  30. „Ein Gespenst geht um: Das Gespenst des Antispeziesismus“ –
    http://asatue.blogsport.de/2010/07/27/ein-gespenst-geht-um-das-gespenst-des-antispeziesismus/

    Zitiere aus diesem lesenswerten Beitrag:

    „………Auch wenn der Be­griff der Spe­zi­es wie jener der Rasse of­fen­sicht­lich von so­zia­len Kon­struk­tio­nen ab­hängt,²so er­scheint uns die Ver­wen­dung des Spe­zi­es-​Be­grif­fes, im Ge­gen­satz zur An­wen­dung des Ras­sen­be­grif­fes auf den Men­schen, als sinn­voll, weil er trotz allem in den meis­ten Fäl­len ein­deu­ti­ge Ei­gen­schaf­ten zu­wei­sen kann. Denn im Un­ter­schied zu mensch­li­chen „Ras­sen“ un­ter­schei­den die Tier­ar­ten sich bio­lo­gisch in vie­ler­lei Hin­sicht. Un­ter­schied­li­che Tiere aber haben auch ganz un­ter­schied­li­che In­ter­es­sen und Fä­hig­kei­ten. Es würde also kei­ner­lei Sinn ma­chen, eine Gleich­stel­lung oder Gleich­be­hand­lung aller Tiere zu for­dern. Es müss­te sich ei­gent­lich von selbst ver­ste­hen, dass dies eine ge­ra­de­zu ab­sur­de For­de­rung wäre: Die kon­stru­ier­te Ka­te­go­rie „Tiere“ fasst ja sich gänz­lich un­ter­schei­den­de Arten und In­di­vi­du­en in Eins. Wir wol­len au­ßer­dem ja ge­ra­de den Mensch-​Tier-​Dua­lis­mus, der alle an­de­ren Tiere dem Men­schen als des­sen Ge­gen­teil ge­gen­über­stellt und so die Ar­ten­viel­falt und die Un­ter­schie­de zwi­schen den ver­schie­de­nen Spe­zi­es ver­schlei­ert und die Aus­beu­tung be­stimm­ter Spe­zi­es le­gi­ti­miert, als Ideo­lo­gie ent­lar­ven. – Eine sol­che Sim­pli­fi­zie­rung des Spe­zie­sis­mus-​Be­grif­fes re­sul­tiert wohl aus einem Miss­ver­ständ­nis: Die manch­mal zur Er­klä­rung des Be­grif­fes „An­ti­spe­zie­sis­mus“ an­ge­führ­te Ana­lo­gie zum An­ti­ras­sis­mus oder An­tis­e­xis­mus wird über­be­tont. Sol­che Kon­zep­te aber eins zu eins auf das des An­ti­spe­zie­sis­mus zu über­tra­gen, ist schlicht sinn­los, da ein grund­le­gen­der Un­ter­schied be­steht: Ras­sis­mus und Se­xis­mus funk­tio­nie­ren durch die ideo­lo­gi­sche Un­gleich­ma­chung von Glei­chem. Spe­zie­sis­ti­sche Ideo­lo­gie funk­tio­niert, zu­min­dest dann, wenn sie die große Va­ri­anz in­ner­halb der Tier­welt ver­kennt und alle Tiere – den Men­schen aus­ge­schlos­sen – gleich­macht, genau an­ders­her­um: Alle an­de­ren Tiere wer­den vom Men­schen ab­ge­grenzt und als „Das Tier“ ho­mo­gen ka­te­go­ri­siert. Diese Ideo­lo­gie er­laubt es, hoch­ent­wi­ckel­te, kom­ple­xe Säu­ge­tie­re als prin­zi­pi­ell „gleich“ an­zu­se­hen wie Frucht­flie­gen oder Spul­wür­mer. Da­durch kann eine Si­tua­ti­on der Ge­fan­gen­schaft und Aus­beu­tung, die of­fen­sicht­lich im „Nutz“-Tier Leid er­zeugt, ent­schul­digt wer­den: „Es ist ja nur ein Tier…“. Dass ei­ni­ge davon uns sehr äh­neln und somit ähn­lich Lei­den emp­fin­den wie wir, wird da­durch aus­ge­blen­det.

    Ähn­li­ches wie mit dem Spe­zie­sis­mus-​Be­griff pas­siert üb­ri­gens auch mit dem Se­xis­mus-​Be­griff, der aus der Frau­en­be­we­gung stammt, aber, häu­fig von (vor­wie­gend männ­li­chen) Men­schen, an­ders in­ter­pre­tiert gegen Teile der Frau­en­be­we­gung ver­wen­det wird. Dies ge­schieht zum Bei­spiel, wenn Mäd­chen­kaf­fees und Frau­en­buch­lä­den platt als „ge­nau­so se­xis­tisch wie der ge­sell­schaft­li­che Main­stream“ an­ge­grif­fen wer­den (was nicht be­deu­tet, dass es keine Kri­tik an die­sen In­sti­tu­tio­nen geben kann). Ein ge­naue­rer Blick auf den Be­griff Se­xis­mus zeigt, dass auch die­ser etwas an­de­res als eine 1:1-​Über­tra­gung von Ras­sis­mus auf eine an­de­re Ebene dar­stellt. Eben­so kann der Spe­zie­sis­mus nicht als eine sol­che sim­ple Über­tra­gung wahr­ge­nom­men wer­den.
    Es gibt nur we­ni­ge Ras­sis­mus-​De­fi­ni­tio­nen, die auf alle drei bis­her ge­nann­ten -​Is­men pas­sen; dazu zählt al­ler­dings die ver­brei­tets­te und wich­tigs­te, die von Al­bert Memmi. Ras­sis­mus – oder all­ge­mei­ner „He­tero­pho­bie“, unter deren Op­fern ex­pli­zit auch die Tiere er­wähnt wer­den³ – ist nach Memmi die ver­all­ge­mei­ner­te und ver­ab­so­lu­tier­te Wer­tung tat­säch­li­cher oder fik­ti­ver Un­ter­schie­de zum Nut­zen des An­klä­gers und zum Scha­den sei­nes Op­fers, mit der seine Pri­vi­le­gi­en oder Ag­gres­sio­nen ge­recht­fer­tigt wer­den sol­len…………………“

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  31. @Reineke

    „Was auch schon den mE ausschlaggebenden Unterschied zeigt: Menschen können mit Menschen auf sehr komplexe Weise kommunizieren, zB darüber, welche Gemeinsamkeiten sie haben oder wie sich das Zusammenleben gestalten soll.“
    Unsere Unfähigkeit, mit anderen Spezies zu kommunizieren, begründet die mit ihnen vorhandenen Gemeinsamkeiten zu ignorieren? Obwohl wir z. B. erst dafür sorgen, daß sie absichtlich und zweckdienlich in dieses „Schicksal“ hereinproduziert werden? Aus der Fähigkeit, mit Individuen unserer Spezies auf komplexe Weise zu kommunizieren, leitest Du das Recht ab, andere Spezies produzieren, einsperren, aus- & benutzen sowie töten zu lassen?

    „Tieren je nach Art Rechte zu geben finde ich eine tolle Sache. Aber “Rechte” sind ein Konstrukt menschlichen Zusammenlebens, ohne Menschen (so total “natürlich”) gäbe es so was nicht; das sollte nicht vergessen werden.“
    Weiterführung Deines Gedankens: Ohne Menschen gäbe es keine Ausbeutung [von Mensch, Tier & Natur] durch den Menschen. Ich finde es gut, ausdrücklich darauf hinzuweisen, also nicht zu vergessen, daß wir Verursachende sind [bzw. würden wir uns nicht unterhalten, wenn es uns nicht geben würde. In diesen Konjunktiven zu denken ist hilfreich, um auf den Punkt zurückzukommen, daß wir nun aber da sind & als kulturelle Wesen die Leben & Lebensräume anderer Spezies maßgeblich beeinflussen & die Fähigkeit haben, das zu erkennen & diese Beeinflussung zu verändern]. Ja, ohne uns kein Rechtekonstrukt, aber ohne uns auch keine Notwendigkeit eines Rechtekonstrukts nach menschlichen Maßstäben.
    Dieses alleine auf Menschen bezogene Konstrukt [oder alleine auf die Menschheit bezogene Befreiungsbestrebungen] sind sinnvoll, solange es sich tatsächlich nur um menschliches Zusammenleben handelt. Dem ist jedoch nicht so, wir zwingen anderen Spezies ein Leben nach menschlichen Bewertungsmaßstäben auf. Kommen wir vielleicht mal etwas von der abstrakten auf die konkrete Ebene: Im letzten Jahr wurden alleine in Deutschland mehr als 58.000.000 Schweine getötet. Die Herstellung dieser Schweine, das, was den meisten als ihr Leben zugemutet wurde sowie ihre Tötung soll quasi aus dem Rechtekonstrukt menschlichen Zusammenlebens sowie aus der Fähigkeit menschlicher Kommunikation begründet sein? Es gibt praktisch keine Ideologien [z. B. wirtschaftliche, gesellschaftliche, religiöse], die eine Anerkennung des Individuums mit Bedürfnissen aus dieser Zahl tilgen & es als objektifizierte Ware & Ressource erscheinen lassen? Einem Schweineindividuum sind Anerkennung & Berücksichtigung von Bedürfnissen [z. B. körperliche & psychische Unversehrtheit, soziale & emotionale Bindungen] also stets verwehrt, wenn es durch oder für den Menschen nutzbar ist?

    „Menschen können sich Rechte nehmen (oder dafür kömpfen), Tieren müssen Rechte von Menschen gegeben werden.“
    Nein, nicht alle Menschen können sich Rechte nehmen oder dafür kämpfen, es gibt in einer einfach linear angenommenen Lebensspanne zwischen Geburt & Tod mindestens zwei Phasen, in denen sich Rechte weder selbst verliehen, noch genommen oder erkämpft werden können [Kindheit & „Alter“]. Obwohl der gleichen Spezies zugehörig, gibt es bis zu einem bestimmten Alter besondere Schutzrechte, die für die Betroffenen festgelegt werden. Wenn wir von Rechten sprechen vergessen wir häufig zu erwähnen, daß diese beispielsweise ein- oder beschränkende Gültigkeit haben [können], wir sie anhand weiterer durch den Menschen festgelegten Abgrenzungsmerkmalen festmachen [z. B. Geburtsort, Alter], sie sogar außer Kraft oder uns über sie hinwegsetzen, sie manipulier- & instrumentalisierbar sind, das Individuum der bestehenden Rechtsauffassung qua Geburt erstmal ausgeliefert ist, unterschiedliche Rechte in Konkurrenz stehen können und letztlich, es kein abgeschlossenes, unveränderliches, undynamisches, immerdagewesenes Konstrukt ist.

    „Das gibt der “menschlichen Seite” ethisch nicht das Recht, alles zu machen, was die intelektuelle Überlegenheit ermöglicht. Aber die Verantwortung, die Regeln für das Zusammenleben zu setzen, liegt damit weitestgehend bei den Menschen.“
    Wer verleiht dem Menschen „das Recht“? Ist es eine übergeordnete, nicht feststellbare Instanz? Oder ist es ein Naturgesetz, daß einer Spezies besondere oder alleinige Rechte zuschreibt?
    Welche Regeln sind das? Wen schließen die Regeln ein und wen schließen sie aus? Wir zwingen bestimmten Spezies ein Leben unserer Herrschaft auf [was Du recht verschleiernd als „die Verantwortung, die Regeln für das Zusammenleben zu setzen“ bezeichnest], um ihnen auf diesem Herrschaftsverhältnis basierenden Machtverhältnis Lebensumstände zu bereiten, denen sie sich nicht entziehen oder derer sie sich nicht erwehren können & die abwertende Denk- & gewalttätige Handlungsweisen.benötigen.

    „Solange ich mich nur mit Menschen über “das Leben, das Universum und den ganzen Rest” sinnvoll austauschen kann, macht es für mich Sinn, mich va an den Wünschen, Vorstellungen und Ängsten von Menschen zu orientieren. Eröffnet ja auch schon ein weites Feld…“
    Jepp, eben, stimmt. Dazu würde die Parole „Leave the animals alone.“ ganz gut passen. Machst Du/machen wir aber nicht. Wir machen sie zu Betroffenen unserer Geschichte, zu Unterdrückten unseres Geschmacks, zur Reproduktionsware unserer Wirtschaftsordnung.
    „P.S.: Sobald die ersten Aliens auftauchen, mit denen wir kommunizieren können, oder wir KI’s bauen können, oder sobald Planet der Affen Wirklichkeit wird, muss das Konzept des Humanismus wohl überarbeitet werden.“
    Weshalb erst dann? Erst wenn sich ein Bedrohungsszenario abzeichnet, daß unseren „Nahrungskettensiegerplatz“ oder „Schöpfungskronenzustand“ infrage stellen oder nicht anerkennen würde, ist ein Tiere ausschließender Humanismus überdenkenswert?

    „P.P.S.: Danke für die Antwort oben. Ich weiß nicht, ob eine Welt oder domestizierte Tiere wirklich eine bessere ist. Industrielle Extremzüchtungen mögen tatsächlich “besser dran” sein, wenn sie in Zukunft gar nicht erst geboren werden, aber es gab und gibt ja auch andere Haus- und Nutztiere. Hab ich vielleicht auch falsch verstanden“
    Was ist dieses „eine Welt“? Was ist dieses „besser“? Es wäre anders für die Menschen, die dann leben & es gäbe keine zwangsläufig in absichtlich & bewußt herbeigeführte Abhängigkeits- & Gewaltverhältnisse hineingeborenen Tiere. In den letzten 10 Jahren sind meines Wissens 3 Nashorn-Arten ausgestorben resp. wurden sie ausgerottet. Ich mag nicht näher auf die komplexen Ursachen eingehen, allerdings vermisse ich bei solchen Meldungen zumindest eine wahrnehmbare Empörung über diese Tatsache, wohingegen die täglich tausend- & jährlich millionenfachen, ausschließlich für Nutzung [& Tötung] produzierten domestizierten Tierindividuen nicht mal gedanklich aus diesem Zyklus befreit werden können.

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  32. Wenn wir die Haltung einnähmen, wie sie in folgendem Link beschrieben wird, dann würde es keine Konzentrationslager für Tiere geben: http://www.kamchatka.cc/die-menschen.html:

    „Beim Alchalalalaj, dem itelmenischen Erntedankfest, bitten die Itelmenen in ihren von der Trommel begleiteten Tänzen die Tiere und Pflanzen um Verzeihung, dass sie töten müssen, um zu überleben.“

    Ein solche bewusste Lebenspraxis wäre das Ende des ‚Raubtier-Kapitalismus‘.

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  33. @ClaudiaBerlin:
    Das sehe ich genauso. Wir lernen immer mehr über alle möglichen Lebewesen (uns eingeschlossen) und was man lange als „exklusiv“ menschlich betrachtet hat, erscheint immer weniger exklusiv.
    Ich weiss überhaupt nicht, ob irgendeine „Grenze“, die dann für alle oder einen großen Teil der Menschen Gültigkeit haben sollte, überhaupt gefunden werden kann, oder ob so etwas Sinn macht.
    Unsere Verhältnisse und Beziehungen zu anderen Lebewesen sind global so verschieden und auch kulturell/religiös geprägt, was hier ein Tabu ist, ist anderswo gesellschaftlich etabliert und akzeptiert.

    @Ute Plass:
    “Beim Alchalalalaj, dem itelmenischen Erntedankfest, bitten die Itelmenen in ihren von der Trommel begleiteten Tänzen die Tiere und Pflanzen um Verzeihung, dass sie töten müssen, um zu überleben.
    Ein solche bewusste Lebenspraxis wäre das Ende des ‘Raubtier-Kapitalismus’.”

    Sowas funktioniert m. Mng. nach nur in kleinem Maßstab, wenn man die Dinge, die man isst und zum Leben verwendet, selbst herstellt, und die Tiere selbst hält und dann tötet und/oder ihre Produkte nutzt.
    Die Grundvoraussetzung dafür ist ja in den Industrienationen durch die Massenzucht überhaupt nicht mehr gegeben – und wenn, dann nur noch als Relikt vergangener Zeiten zu finden, oder, vielleicht hier und da wiederbelebt für die „LOHA`s“ die sich ohne schlechtes Gewissen *einen* Liter Milch (kein Witz!) von happy cows vom Bio-Lieferanten in ihr Neubau-Reihenhäuschen liefern lassen.

    Ich kenne z.B. Vegetarierer, die es „ok“ finden, wenn andere Menschen Tiere halten und essen, aber nur, wenn diese keine Alternativen haben.
    Dann kommen oft auch so Beispiele wie „die leben ja dann auch viel naturverbundener und bewusster“ – man „erlaubt“ es diesen Menschen dann quasi, Fleisch zu konsumieren oder „billigt“ es irgendwie.
    Als müssten „wir hier“ irgendwie um Erlaubnis gefragt werden.
    Auch „Die können ja nicht anders, die wollen ja auch überleben. Aber immerhin sind sie noch dankbar“ wird auch gern genommen.
    Nur:
    Ob ich jetzt meinen Überlebensinstinkt, und damit verbunden das Töten von Tieren (und manchmal das töten-müssen von Tieren, wenn ich keine Alternative habe) mit „um-Verzeihung-Bitten“ oder Dankbarkeits-Ritualen untermale oder nicht – das kann ja dem getöteten Tier vollkommen egal sein, das ändert nichts an dem Umstand, dass ich mein Überleben über das anderer Lebewesen stelle – egal ob es in einer „bewussten“ Weise und ohne Alternative passiert, oder in der Massenindustrie.
    Womit ich letzteres keineswegs rechtfertigen oder verharmlosen will.
    Sie ist einfach ein Auswuchs unserer Fähigkeiten, super-effizient zu sein, so wie vieles andere auch.

    Ich kann zu dem Thema noch eine Episode vom Soziopod empfehlen:
    http://soziopod.de/2013/01/soziopod-024-fleischeslust-ist-fleisch-essen-heute-noch-moralisch-vertretbar/

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  34. Muss mich kurz mal selbst zitieren, weil es am Ende vielleicht missverständlich sein könnte:

    „Ob ich jetzt meinen Überlebensinstinkt, und damit verbunden das Töten von Tieren…“

    Damit meinte ich nicht, dass das menschliches Überleben (schon gar nicht mein eigenes) immer automatisch an das Tiere-töten und Fleisch-Essen gekoppelt ist.
    Manchmal bzw. in einigen Teilen der Welt ist es das allerdings schon, und in diesen Fällen wird dann die (also unsere) Moral und die Ethik ein bisschen verkaugummisiert, finde ich.
    Bzw. zeigt sich, dass sie einfach nicht übertragbar sind.

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  35. @Sternenguckerin –
    „……….– das kann ja dem getöteten Tier vollkommen egal sein, das ändert nichts an dem Umstand, dass ich mein Überleben über das anderer Lebewesen stelle – egal ob es in einer “bewussten” Weise und ohne Alternative passiert, oder in der Massenindustrie.“
    Ich meine immer noch, dass es nicht egal ist aus welchen Motiven, in welcher Haltung/Verhältnissen und in welchem Bewusstsein Menschen Tiere töten. Dem toten Tier mag das egal sein, doch für Menschen kann es nicht egal sein, ob sie aus Profitgier, Großmannsjagdsucht, Fleischeslust, Hunger …… Tiere töten.
    Die Gründe und Einstellungen des Menschen zum Tiere töten dürften mit darüber entscheiden ob Mensch
    dabei menschlich bleiben kann.
    Ich frage mich, was die Massentierhaltung mit den Menschen macht, die tagtäglich einem Massentod
    ausgesetzt sind, aber auch welchen Preis wir als Konsument_innen zahlen (im doppelten Wortsinn) für die Verdrängungsleistung einer solchen barbarischen Praxis?

    Mir ist natürlich klar, dass ich alleine nicht viel ausrichten kann was die vorherrschende Art und Weise technisch/industrieller Fertigung von (Fleisch)Lebensmitteln betrifft und dass es alleine mit dem Verneigen
    vor dem Schnitzel auf dem Teller nicht getan ist.
    Ich betrachte den Umgang mit Fleischkonsum allerdings nicht isoliert im Sinne von ‚ach die armen Tiere….‘, sondern sehe diesen im Zusammenhang mit der Frage von Abhängigkeit/Angewiesenheit auf Natur/Tiere/Pflanzen… und unsere Verantwortung für das große Ganze.
    Die ökonomische Vernutzung von Tieren verweist insgesamt auf die Ausbeutung und Ausplünderung der Natur (Mensch inclusive) und entsprechend ist die Frage zu erweitern wem das alles dienlich ist?
    Sich vegetarisch/veganisch zu ernähren heißt nicht automatisch ein Bewusstsein für gesellschaftliche/politische Herrschaftsverhältnisse zu haben, und ich kenne einige Leute, denen vernebelt die ‚Liebe zur Natur‘ die Blickrichtung.

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  36. @Ute Plass:

    Du schreibst:
    „…Die Gründe und Einstellungen des Menschen zum Tiere töten dürften mit darüber entscheiden ob Mensch
    dabei menschlich bleiben kann.“

    Was ist denn menschlich genau?
    Etwas, was man wie so eine Art Kompass betrachten kann der anzeigt, wie weit man gehen darf, bevor man die Grenze zur „Unmenschlichkeit“ überschreitet?
    Und wer zieht diese Grenze und bestimmt, wo „Schluss“ ist?
    Ich sehe Ausbeutung und das Streben nach maximaler Effizienz als eine der vielen Anlagen unseres „menschlichen“ Verhaltensrepertoires, das teilen wir mit vielen anderen Arten.
    Und wir werden selbst natürlich auch permanent ausgebeutet und sind Nahrungsquelle für andere Lebewesen. Wir haben auch richtige „Fressfeinde“, wenn man so etwas wie Krebs auch als etwas lebendiges sieht, was um jeden Preis überleben will, auch wenn „es“ dabei seinen Nährboden tötet.
    Nur so als kleine Analogie.
    Wir (und auch andere Spezies) haben jedoch gleichzeitig auch noch die Fähigkeit zu Mitgefühl, Empathie und Beziehungen (weit über das Mensch-zu-Mensch-Ding hinaus) – und diese lassen uns dann Grenzen ziehen und so etwas wie Moral oder Ethik oder Recht entwickeln.
    Diese Konstrukte lassen es ja überhaupt nur zu, dass wir in sehr großen Gruppen zusammen leben können.

    „Ich frage mich, was die Massentierhaltung mit den Menschen macht, die tagtäglich einem Massentod
    ausgesetzt sind, aber auch welchen Preis wir als Konsument_innen zahlen (im doppelten Wortsinn) für die Verdrängungsleistung einer solchen barbarischen Praxis?“

    Naja, es gibt ja genug Berichte und Studien, die klar belegen, dass es für die Menschen in der Massenzucht auch sehr übel zugeht und sie krank werden können, psychisch und körperlich.
    Da zahlen zunächst mal diejenigen einen hohen Preis, die ausgebeutet werden, Mensch und Tier.
    Welchen Preis der/die verdrängende Verbraucher/in zahlt, ist sicher sehr verschieden, je nachdem wie gut die Verdrängung funktioniert und wie lange sie aufrecht erhalten werden kann.
    Die Sache mit dem Preis im Sinne von Geld-Gegenwert müssen wir wohl nicht diskutieren, sie zeigt ja sehr deutlich, welchen „Wa(h)ren Wert“ wir Mensch und Tier zumessen.
    Auch in anderen Arbeitsfeldern werden Menschen unterdrückt, „wie Vieh“ gehalten und nur minimalst versorgt um sie funktionsfähig zu erhalten, auch wenn der Tötungsakt da nicht Bestandteil der Abläufe ist.
    Das finden wir auch „barbarisch“ und „unmenschlich“, dennoch lassen wir es geschehen.
    Warum? Weil es eine Entkopplung von Beziehungen, auch innerartlich, gibt.
    Es wird ein „Schutzschild“ im Kopf aufgebaut, um Zustände erträglich zu machen, die normalerweise zerstörerisch wären (und es trotz Schutzschild = Verdrängung oft genug auch sind).
    Manche Menschen können das mit dem Entkoppeln aber nicht so gut, das Mitgefühl überwiegt, und es kann nicht immer rational erklärt werden, warum man jetzt heulen muss beim gerissenen Zebra oder beim verhungernden Somali-Kind.

    „Die ökonomische Vernutzung von Tieren verweist insgesamt auf die Ausbeutung und Ausplünderung der Natur (Mensch inclusive) und entsprechend ist die Frage zu erweitern wem das alles dienlich ist?“

    Ganz schlicht und einfach:
    Ausbeutung ist Teil des (Über-)Lebens-Programmes, siehe oben.
    Dem gegenüber steht aber (zusätzlich zu Mitgefühl oder Empathie) so etwas wie das scheinbare Gegenteil, nämlich die aktive Selbst-Beschränkung innerhalb einer Art.
    Daran forscht man gerade ziemlich intensiv herum, was ich hochspannend finde.
    Sie wird oft gerade dann beobachtet, wenn auf Grund von großzügigem Nahrungsangebot eine Population theoretisch wachsen könnte, es aber praktisch nicht tut.

    Ich weiss, @Antje mag diese Vergleiche ausserhalb der Menschen-Welt nicht so gerne.
    Mir gefallen sie hingegen ausserordentlich gut, weil sie einem dabei helfen können, das Verhalten unserer Art im Verhältnis zu anderen Arten zu sehen, mit denen wir ja nun auch gewissermaßen verwandt sind und mit denen wir gemeinsame Vorfahren haben.
    Viele Leute propagieren ja gerade massiv die Selbst-Beschränkung, den Verzicht, das Maß-Halten, das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse zu Gunsten anderer und/oder der Umwelt.
    Manche verzichten sogar explizit auf eigene Nachkommen, weil sie finden, es gibt schon zu viele von uns.
    Der Verzicht auf Fleisch ist da vielleicht einfach ein kleines Bauteilchen…?

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  37. @Sternenguckerin
    “…Die Gründe und Einstellungen des Menschen zum Tiere töten dürften mit darüber entscheiden ob Mensch
    dabei menschlich bleiben kann.”

    “Was ist denn menschlich genau”.

    Du kennst ja sicherlich die allgemeine Definition dazu: “zum Menschen gehörend” , was ja noch nichts darüber aussagt, ob gut oder schlecht. 😉

    Ich meine, dass diese Frage nicht losgelöst von der konkreten Situation/Lebenslage zu beantworten ist.

    Mensch kann z.B. in einem Schlachtbetrieb aus Gründen der Lust am Quälen und des Beherrschenwollens Tiere töten oder weil er auf den Erwerbsjob angewiesen ist und selber darunter leidet oder weil er aus Gründen der Profitsteigerung/Konkurrenzdruck eine Massentierproduktion betreibt.

    Menschlich finde ich das alles.
    Die Gefahr zur Unmenschlichkeit sehe ich, wenn Mensch sein Tun nicht reflektiert, sich nicht mit verantwortlich sieht, sich von seinen Empfindungen abschneidet und dann wie das berühmte Rädchen im Getriebe funktioniert.

    “Die ökonomische Vernutzung von Tieren verweist insgesamt auf die Ausbeutung und Ausplünderung der Natur (Mensch inclusive) und entsprechend ist die Frage zu erweitern wem das alles dienlich ist?”

    Ganz schlicht und einfach:
    Ausbeutung ist Teil des (Über-)Lebens-Programmes, siehe oben.

    Nein, weil es heute nicht mehr allein um Fressen und Gefressenwerden geht, sondern darum, dass Mensch , obwohl er (jedenfalls hier in unseren Breitengraden) satt ist, und trotzdem weiter plündert, womit unnötigerweise vielen anderen Lebewesen die Lebensgrundlagen entzogen werden.

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  38. @Sternenguckerin – ganz wesentlich finde ich deine Aussage:
    „Auch in anderen Arbeitsfeldern werden Menschen unterdrückt, “wie Vieh” gehalten und nur minimalst versorgt um sie funktionsfähig zu erhalten, auch wenn der Tötungsakt da nicht Bestandteil der Abläufe ist.
    Das finden wir auch “barbarisch” und “unmenschlich”, dennoch lassen wir es geschehen.
    Warum? Weil es eine Entkopplung von Beziehungen, auch innerartlich, gibt.“

    Ja, du legst den Finger auf den neuralgischen Punkt,und die Frage die mich dabei immer wieder
    umtreibt ist: Welche gesellschaftlichen Verhältnisse müssen wir schaffen, damit Herrschaftsverhältnisse
    zu einem Ende kommen?

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  39. @Ute Plass:

    „Die Gefahr zur Unmenschlichkeit sehe ich, wenn Mensch sein Tun nicht reflektiert, sich nicht mit verantwortlich sieht, sich von seinen Empfindungen abschneidet und dann wie das berühmte Rädchen im Getriebe funktioniert“
    Dieses „abschneiden von den Empfindungen“ habe ich ja als Abkopplung beschrieben.
    Das ist einfach ein psychologisches Phänomen, was auch beim Überleben eine Rolle spielt.
    Eine Eigenschaft, eine Fähigkeit, die wir haben, mal stärker, mal schwächer ausgeprägt.
    Sie kann dabei helfen, Zustände zu ertragen, die wir ohne die Entkopplung nicht aushalten würden.
    Dass andere daraus wiederum Kapital schlagen und das ausnutzen, ist wiederum Teil des „Fressen und gefressen werdens“.

    „Welche gesellschaftlichen Verhältnisse müssen wir schaffen, damit Herrschaftsverhältnisse
    zu einem Ende kommen?“
    Keine Ahnung.
    Da Hierarchien ein Teil der natürlichen Abläufe sind, finde ich es schwer vorstellbar, sie gänzlich los zu werden.
    Menschen suchten und fanden (oder konstruierten!) schon immer Unterschiede (und tun es weiterhin), aus denen sie dann Vorrechte, Privilegien usw. gegenüber anderen Menschen ableiten und Herrschaftsverhältnisse aufbauen.
    Aber diese Hierarchien verändern sich permanent und sind nicht in Stein gemeisselt, also können sie auch umgeworfen und angepasst werden.
    Aber ob sie je ganz verschwinden…? Weiss nicht.

    Ich schrieb:
    „Ausbeutung ist Teil des (Über-)Lebens-Programmes, siehe oben.“
    Du:
    „Nein, weil es heute nicht mehr allein um Fressen und Gefressenwerden geht, sondern darum, dass Mensch , obwohl er (jedenfalls hier in unseren Breitengraden) satt ist, und trotzdem weiter plündert, womit unnötigerweise vielen anderen Lebewesen die Lebensgrundlagen entzogen werden.“

    Ich sage:
    Doch. Siehe oben 😉
    Wir sind eben diejenigen, die „fressen“, seit einiger Zeit weit mehr als wir brauchen, und zwar nicht nur bezogen auf Lebensmittel. Wir beginnen aber immerhin teilweise, das als ein Problem zu erkennen, das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer Anpassung.
    Wie die aussehen kann und wohin wir uns entwickeln…keine Ahnung.
    Unser Überlebensbegriff ist doch schon längst weit jenseits der Grundbedürfnisse angekommen.
    Um hier zu überleben, „brauchen“ wir einfach viel mehr. Dinge. Häuser, Straßen, Kleider, Technologie. Fortbewegungsmittel, tonnenweise Energie.
    Und das muss alles irgendwo her kommen, dafür geht`s der Natur und den Mit-Lebewesen an den Kragen.
    Weil wir unsere Bedürfnisse über die anderer stellen = das betrachte ich als „fressen“.
    Dass wir durch Reflektion allerdings diese Bedürfnisse hinterfragen, zügeln und anpassen können, stimmt mich dennoch etwas versöhnlich, und ich hege die leise Hoffnung, dass wir es nicht komplett versemmeln 😉

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  40. @Sternenguckerin – kann dem gut folgen was du zum Fressen/Gefressenwerden/Überfressen… sagst und meine Erwiderung sollte das eher bestätigen (sehe allerdings, dass diese missverständlich rüber kommen mußte, weil vor meinem „Nein“ noch ein „Ja und…“ hätte stehen sollen – sorry ).

    „Menschen suchten und fanden (oder konstruierten!) schon immer Unterschiede (und tun es weiterhin), aus denen sie dann Vorrechte, Privilegien usw. gegenüber anderen Menschen ableiten und Herrschaftsverhältnisse aufbauen.
    Aber diese Hierarchien verändern sich permanent und sind nicht in Stein gemeisselt, also können sie auch umgeworfen und angepasst werden.
    Aber ob sie je ganz verschwinden…? Weiss nicht.“

    Ich auch nicht.
    Stimme aber gerne in die von dir gehegte ‚leise Hoffnung‘ ein, dass die vorherrschenden (Produktionsverhältnisse)Verhältnisse, die immer noch unendliches Wachstum vorgaukeln und als oberste Prämisse Profitmaximierung zum Ziel haben, umgeworfen werden können zugunsten einer Form von kooperativer, solidarischer Ökonomie oder wie es in der bzw-weiterdenken- Beitragsreihe heißt:
    Einer Wirtschaft der Fürsorge http://www.bzw-weiterdenken.de/2014/02/von-bewusstheit-zur-aktion/

    Abschließende Aufforderung darin: „Es ist nun an uns diese Vision zu verwirklichen“! 🙂

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  41. „Trotzdem bleibe ich auch nach der Lektüre „Speziezistin“. Das heißt, ich bin dafür, klar zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden, und ich halte es für falsch, das Verhalten von Menschen gegenüber Tieren mit dem Verhalten von Menschen anderen Menschen gegenüber zu vergleichen.“

    Ich finde es ist völlig gleich, ob sich mensch „Speziesistin“ nennt oder nicht. Fakt ist :Tiere werden ausgebeutet und diese Ausbeutung geht mit einer bewußten und unbewußten (bin heute milde gestimmt) Tierquälerei einher. Was möchte mensch da noch diskutieren? Wer damit klarkommt, das die eigene Ernährung auf Leid und Quälerei basiert, muss das halt morgens mit seinem Spiegel ausmachen. So einfach ist das.
    Diese hier sehr interessante Diskussion (und auch der nette Umgang der Diskutantinnen untereinander) sollte neben dem Erkenntnisgewinn doch nicht vom Kern der Sache ablenken. Nämlich die Konsequenzen für das eigene Leben zu tragen oder in alter autonomer Politik-Sprache eine „Politik in erster Person“ zu praktizieren. Es kommt halt nicht nur darauf an die Welt verschieden zu interpretieren, sondern sie auch zu verändern. So ähnlich hat das mal irgend ein alter Sack formuliert.

    Und noch am Rande: Antispeziesistinnen setzen nicht Tier und Mensch gleich. Das macht eine eher vulgäre Spielart des Antispeziesismus und wird gern vom Mainstream dankbar aufgenommen und gegen die „Tierrechtsbewegung“ argumentativ benutzt (Habe ich selber auch jahrelang gemacht, grins)
    Liebe Grüße
    Hen

    Hier noch ein kleines Zitat der Antispe-Tübingen zu der Begrifflichkeit (wer weiter lesen möchte siehe auch http://asatue.blogsport.de, Ein Gespenst geht um…):

    I. Der sim­pli­fi­zier­te Spe­zie­sis­mus-​Be­griff
    „Ei­ni­ge Kri­ti­ke­rIn­nen wer­fen der an­ti­spe­zie­sis­ti­schen Be­we­gung vor, diese wolle „Mensch und Tier gleich­set­zen“. Diese An­sicht re­sul­tiert dar­aus, dass sie von einem vul­gä­ren Spe­zie­sis­mus-​Be­griff – der sich lei­der auch in Tei­len der Tier­rechts­be­we­gung fin­det – aus­ge­hen, wobei sie die Par­al­le­li­tät zum Ras­sis­mus-​Be­griff über­be­to­nen, so dass sie den An­ti­spe­zie­sis­mus fälsch­li­cher­wei­se als eine genau dem An­ti­ras­sis­mus ent­spre­chen­de Idee wahr­neh­men.
    Das würde be­deu­ten, Spe­zi­es seien in genau glei­chem Maße ein Kon­strukt, wie es „Ras­sen“ beim Men­schen sind – jede in­di­vi­du­el­le Un­gleich­be­hand­lung wie auch grund­sätz­li­che An­ders­be­hand­lung müss­te dann als spe­zie­sis­tisch be­zeich­net wer­den.
    Das Wort „Rasse“ stammt ur­sprüng­lich aus dem Be­reich der Zucht­wahl an vom Men­schen als „Nutz­tie­re“ de­fi­nier­ten Tie­ren – „Zucht“ meint die Zu­rich­tung ihrer Kör­per, vor­ge­nom­men, um ihre Nutz­bar­keit für den Men­schen zu ver­bes­sern –, und macht, auf den Men­schen an­ge­wen­det, schlicht kei­nen Sinn. Die Ras­sen­klas­si­fi­ka­tio­nen der west­li­chen Wis­sen­schaf­ten hat­ten ein­zig und al­lei­ne zum Ziel, die ei­ge­ne Su­pe­rio­ri­tät ge­gen­über den Ver­sklav­ten und Ko­lo­ni­sier­ten dar­zu­stel­len und fin­den keine Ent­spre­chung in der Rea­li­tät….“ weiter geht es aus Platzgründen auf dem oben erwähnten Blog.

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  42. „Seither habe ich, milde gesagt, ein gespanntes Verhältniss[!] zur Tierethik. „
    Wegen einem ungeschickten Kommentar einer deiner Mitbewohnerinnen hast du ein gespanntes Verhältnis zur Ethik.
    Demnach müsste ich auch wegen ein paar Feministen, die Kastration von Männern empfehlen oder die Abtreibung bis ins Grundschulalter erlauben wollen, ein gespanntes Verhältnis zu Menschenrechten haben. Das wäre absurd.

    „Trotzdem bleibe ich auch nach der Lektüre „Speziezistin“[sic]“
    Man schreibt Speziesistin mit „s“.

    „ich bin dafür, klar zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden“
    Das ist willkürlich den Menschen sind nun mal Tiere ein Blick ins Biologiebuch genügt.
    Zwischen Menschen und Tieren zu unterscheiden ist so absurd wie zwischen Birken und Bäumen, Hühnern und Vögeln, Frauen und Menschen, Stühlen und Objekten, Käse und Tierausbeutungsprodukten zu unterscheiden.

    „Aber die Rede von „Speziezismus“[sic] verharmlost diskriminierende Praktiken der Menschen untereinander, „
    Noch einmal es heißt Speziesismus. Und nein, genauswenig wie der Begriff „Ableismus“ die diskriminierenden Praktiken zwischen nicht-behinderten Menschen verharmlost.

    „weil sie angesichts der offensichtlichen Unterschiede zwischen Menschen und Tieren das Bekenntnis zur prinzipiellen Gleichheit aller Menschen verwässert und relativiert.“
    Nein genausowenig wie die Rede von „Ableismus“ angesichts der offensichtlichen Unterschiede zwischen nicht-behinderten Menschen und z.B geistig behinderten Menschen das Bekenntnis zur prinzipiellen Gleichheit aller Menschen verwässert und relativiert.

    „Wenn eine Kuh nicht in die Schule geschickt werden muss, wieso dann ein Mädchen?“
    Das weißt du doch ganz genau. Kühe sind Rinder, Mädchen sind Menschen.
    Kühe können unter anderem nicht sprechen und auch nicht die in einer Menschenschule vermittelten Inhalte verstehen. Es entstehen ihnen keine Nachteile wenn sie nicht zur Schule gehen. Eine besondere Fähigkeit ist aber z.B, dass sie sich von Gras ernähren können.
    Mädchen können ab einem gewissen Alter sprechen und auch die in einer Menschenschule vermittelten Inhalte verstehen. Wenn sie nicht zur Schule gehen dürfen, werden sie benachteiligt, da die vermittelten Inhalte in der Leistungsgesellschaft mit Lohnarbeitszwang zu einem Wettbewerbsvorteil führen können. Dafür können Mädchen sich nicht von Gras ernähren.

    “ diese Vergleiche sind in Westeuropa bis ins 19. Jahrhundert hinein ganz genauso gemacht worden.“
    Genau weil einige Menschen damals eben Speziesisten, Rassisten und Sexisten waren. Du bist offenbar nur noch Speziesistin. Ist ja schon mal ein Fortschritt. In 50 Jahren berichtet dann eine vegane feministische anarchistische Bloggerin (Falls Blogs dann noch nicht out sind) über deine Haarsträubende Denke in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts.

    „Deshalb sehe ich, sobald jemand ernsthaft Speziezismus[sic] mit Rassismus und Sexismus gleichsetzt, rot“
    Speziesismus heißts. Etwas gleiches kann man nicht gleichsetzen. „Menschen sind Tiere“ ist genausowenig eine Gleichsetzung wie „zwei und zwei sind vier“.
    Speziesismus ist die Diskriminierung aufgrund der Spezieszugehörigkeit.
    Rassismus ist die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft bzw. des Phänotyps z.B Hautfarbe.
    Sexismus ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
    Alle drei gleich, alle drei falsch.

    „Denn damit gibt es eben keine klare Grenze, sondern einen fließenden Übergang zwischen Menschen und Tieren“
    Es gibt auch keine klare Grenze. Ein Mensch ist mit einem Schnabeltier näher verwandt als ein Elefant mit einer Laus.
    Wegen diesen offensichtlichen Unterschieden könnte man also auch zwischen Elefanten und Tieren unterscheiden, was genauso wie die klassische Mensch/Tier-Dichotomie Unsinn ist.

    „Und warum dann nicht auch zwischen Menschen untereinander, sodass bestimmte Menschen höher und andere tiefer stehen, näher an den Kühen eben?“
    Menschen sind eine Tierart. Tiere sind keine Tierart.
    Menschen sind innerhalb ihrer Art physiologisch recht gleich, es gibt jedoch Unterschiede im Aussehen sowie je nach Geburtsort unterschiedliche Bräuche. Der ungleich verteilte Wohlstand führt auch zu unfreiwilligen Unterschieden.
    Tiere sind keine Art und deswegen unterscheiden sie sich untereinander erheblich. Trockennasenaffen wie du unterscheiden sich zum Beispiel von Wildschweinen. Du und andere deiner Art haben zum Beispiel nicht so einen guten Geruchssinn wie Wildschweine. Das ein Wildschwein besser riechen kann, ist aber kein Grund es aufzufressen.

    „„Wir“ opfern nicht nur Tiere „unserer“ Bequemlichkeit, unseren Profitinteressen, dem Erhalt unserer Privilegien, sondern all dem opfern „wir“ selbstverständlich auch Menschen. „
    Mit Tiere meinst du wohl nichtmenschliche Tiere. Genau, lass uns alle Ungerechtigkeiten aus der Welt schaffen. Durch nicht-vegan-werden wird die Welt auch nicht besser..

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  43. Lesens – bzw. hörenswert: „Der Aufstand der Satten“
    Zitat:
    „Die neue soziale Bewegung, die da entsteht, so vielfältig und ideologisch differenziert sie ist, wird, so glaube ich, in den nächsten Jahren eine Dynamik entwickeln, von deren Heftigkeit die Regierenden überrascht werden dürften. Diese Bewegung wird es einerseits leichter haben als die gegen die Energiekonzerne, weil sie an ein von vielen geteiltes latentes Unbehagen anknüpft, und weil die Gegner diesmal, sagen wir mal der Kürze halber, hässlicher sind: Massentierhalter, Landgrabber, Spekulanten, Lebensmittelfälscher, Bodenvergifter.

    Und diese Bewegung wird es schwerer haben, denn hier geht es nicht nur um die relativ einleuchtende Ersetzung von fossilen durch erneuerbare Energien (was schon schwer genug fällt und immer, wie wir gerade erleben, gefährdet ist von Rückfällen auf Kohle, Atom und Schiefergas), sondern hier handelt es sich um einen Angriff auf Millionen von Grundeigentümern, auf Ernährungs- und Agrarchemie-Multis – und am Ende auf uns selbst, auf unser täglich Fleisch, auf unsere Gewohnheiten. Es geht um sehr viel: um Geschmack und Gerechtigkeit, um Landwirtschaft und Landschaft, um Fleisch und um den Frieden.“

    http://www.deutschlandfunk.de/konsum-der-aufstand-der-satten.1184.de.html?dram:article_id=284119

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