Über die Ansteckungsgefahr von Homosexualität

In den derzeitigen Debatten über die homophobe Petition gegen den Bildungsplan in Baden Württemberg wird momentan ein Argument häufig vorgebracht, das mir ein wenig Unbehagen bereitet: Nämlich dass Homosexualität doch schließlich nicht ansteckend sei. Wovor haben denn diese Leute Angst, wird da gefragt, etwa dass die Behandlung verschiedener Lebens- und Begehrensformen im Schulunterricht ihre armen Kinder lesbisch und schwul macht?

Ich weiß nicht, ich finde das Argument zu defensiv. Es erinnert mich ein bisschen an die Argumentation vieler Frauenrechtlerinnen vor hundert Jahren, die auf den Vorwurf, das Frauenstimmrecht würde dazu führen, dass Frauen sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern, beschwichtigend abwiegelten und sagten: Keine Sorge, es wird sich überhaupt nichts ändern. Natürlich hat sich aber doch was geändert, und die Frage, wer genau sich wie um die Kinder kümmert, steht heute ja nicht zufällig ganz oben auf der gleichstellungspolitischen Tagesordnung.

Mit politischen Argumenten ist es meistens so, dass sie einerseits so und andererseits so zu verstehen sind. Natürlich sind emanzipierte Frauen keine Monstermütter, die ihre Kinder verhungern lassen. Aber ebenso selbstverständlich muss sich im Zusammenleben von Familien etwas ändern, wenn die Frauen ihre bisherigen Tätigkeiten neu sortieren.

Und so ist es mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von Homosexualität auch. Natürlich werden Kinder nicht reihenweise homosexuell, nur weil das Thema im Unterricht behandelt wird. Aber ebenso natürlich werden diejenigen Jugendlichen, die anders begehren, als es die heterosexistische Norm vorgibt, durch eine größere gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität dazu ermutigt, diesen Neigungen nachzugehen, sich entsprechend auszuprobieren, ihr Begehren auszuleben. Und das ist doch schließlich auch der Sinn des Ganzen!

Mit diesen Gedanken im Kopf kam ich gestern über einen lesenswerten Blogpost, der über den Zusammenhang von Class, Race und sexuellem Begehren nachdenkt, auf einen anderen queeren Blog, dessen Autor das Mantra der rein biologischen Bedingtheit von sexueller Identität, das „Born this Way“, in Frage stellt. Er schildert, wie sein von der weißen Schönheitsnorm abweichender Körper durch rassistische Diskurse und mediale Repräsentationen auch hinsichtlich des sexuellen Begehrens geformt wurde.

Das sexuelle Begehren ist nicht einfach eine Folge biologischer Prädispositionen, bei denen dann nur die Alternative besteht, ob sie quasi „in natürlicher Reinform“ ausgelebt werden können oder unterdrückt werden müssen. Es ist bei sexuellen Identitäten wie bei allem, dass es sich nämlich um ein Wechselspiel zwischen Gegebenem und Erfahrenem handelt, dass subjektive Wünsche durch äußere Einflüsse geprägt, wenn auch natürlich nicht determiniert werden.

Deshalb wurden so viele Frauen in den 1970er Jahren lesbisch, und nicht nur, weil viele von ihnen endlich ausleben konnten, was immer schon in ihnen steckte, sondern auch, weil sie durch die feministischen Debatten in sich Wünsche entdeckten und formulierten (zum Beispiel den Wunsch, „frauenidentifiziert“ zu leben und den Beziehungen zu Frauen den Vorrang vor denen zu Männern zu geben), für die es vorher keine Sprache und keine (Vor)-Bilder gegeben hatte.

Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, und ich hoffe das auch sehr, dass eine Gesellschaft, in der mehr Lebensformen und Möglichkeiten sexueller Identitäten sichtbar sind, und die das alles auch in ihren Bildungsprogrammen zum Thema macht, auch in der Realität eine größere Vielfalt hervorbringen wird. Auch mehr offen lebende Lesben und Schwule.

Vielleicht bin ich auf das Thema aber auch nur deshalb so angesprungen, weil mir das Bild der Ansteckung in Bezug auf politische Diskurse generell gut gefällt. Auch die Liebe zur Freiheit ist nämlich ansteckend, wie Luisa Muraro einmal sagte. Und dass sich die Liebe zur Freiheit in all ihren Erscheinungsformen wie ein Virus unter uns ausbreiten könnte, das ist doch eine wunderbare Vorstellung!

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

56 Gedanken zu “Über die Ansteckungsgefahr von Homosexualität

  1. Ich fand das Argument „keine Ansteckungsgefahr“ eigentlich immer ganz lustig. „Was, hier soll ein Elefant im Zimmer sein? Also ich seh keinen, und das wäre ja auch ganz unnormal, einen zu sehen!“ – Diskussion beendet. – Aber Sie haben natürlich recht.
    Zum Themenfeld Begehren und Freiheit möchte ich übrigens ganz dringend Carolin Emckes schönes Buch „Wie wir begehren“ empfehlen. Das steckt wirklich an!

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  2. Einerseits korrespondiert die Wortwahl der „Ansteckung“ mit einer Vorstellung von Homosexualität als Krankheit und ist daher zu konterkarieren. Wenn mensch sich das Wort aber aneignet und umdeutet zur Möglichkeit der Verbreitung von mehr Spielraum in den Geschlechter- und allgemein Sozialbeziehungen, dann hätte es vernünftigen Gehalt. Das muss aber im jeweiligen Kontext rüberkommen, es darf nicht verlorengehen, wie es der Sprechende oder Schreibende meint.
    Unsere Sexualität ist keine Wahl. Aber wie wir damit umgehen können wir (mit unserer anzunehmenden Mischung aus Bedingtheit und Handlungs-Wahl) innerhalb von uns selbst mitbestimmen. Ein politischer Lesbianismus (ein nettes Wort) ist deshalb auch möglich. Als Konterkarierung der patriarchalen Ebene der Gesellschaft – und auch eines nur halb aufgeklärten „sei Frau, sei wie Du „bist“ (aber bitte „sexy“ und „unanstrengend“)“ – ist diese Form der politischen Sozialpositionierung verständlich und gerechtfertigt. Mehr echte Pluralität schafft (kreiert und etabliert öffentlich sichtbar) mehr Vorbilder und daher einen erweiterten Horizont. Das ist aus Vernunftsicht nicht gefährlich, sondern eine individuelle und gesellschaftliche Leistung, an der wir zusammen arbeiten können. Als Abrufung und wechselseitige Erweiterung unseres Potenzials. Gefährlich ist eine Erweiterung der Möglichkeiten (die reflexiv neue Zwänge und Inkorporationen in erstarrte Standards immer wieder konterkarieren muss) nur für Monokulturen.

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  3. Ich bin mir ehrlich nicht sicher, was ich von dem Bildungsplan halten soll. Aber vor allem, weil ich nicht einschätzen kann, in welcher Form, was behandelt wird.
    Und wenn schon Homosexualität und Tragender Thema sein sollten, warum dann nicht auch gleich BDSM? Diese Art der Sexualität erfährt meiner Meinung nach im Alltag weit mehr Repression als homosexuelle Menschen.

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  4. Ich finde es nicht defensiv, wenn im Kontext von Homosexualität das Gespenst der Ansteckungsgefahr ausdrücklich aufgerufen wird. Schließlich wird damit eine historische Tradition der Pathologisierung gleichgeschlechtlichen Begehrens in Erinnerung gerufen und deutlich gemacht, wo die Gegner einer Behandlung real existierender sexueller Diversität im Schulunterricht ideengeschichtlich einzuordnen sind.

    Defensiv erscheint mir vielmehr die Assoziation des Ansteckungsbegriffs mit dem Konzept des Viralen als Taktik politischer Subversion. Denn das nimmt ja vorweg, dass die asymmetrische Verteilung von politischer Macht und symbolischer Repräsentation so bleibt wie sie ist und politische Minderheiten nur die Möglichkeit haben, die so produzierte Ordnung zu unterlaufen. Warum das so sein soll, wenn es die Chance gibt, symbolische Ordnung via Schulunterricht zu verändern, leuchtet mir nicht ein.

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  5. @Susanne – Ich glaube nicht daran, dass symbolische Ordnungen von oben nach unten verändert werden können, jedenfalls nicht in eine freiheitliche Richtung.

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  6. Verlieren Menschen durch konstruierte Regeln Bezüge zu ihrer Natur? Ist ein kleiner Junge anfälliger als ein Mädchen durch seine XY-Position und muss sich deshalb mehr behaupten? Braucht er auch einen guten Vater als Vorbild, oder genügen ihm zwei Mütter um in seine Kraft zu kommen? Haben wir die Diskussion um die vaterlose Gesellschaft gut verdrängt, und meinen wir könnten damit überleben? Gibt es noch die Mütter die Kinder ohne vorgegebne Programme wachsen lassen können? Anders ausgedrückt. Bewegen wir uns immer mehr in Richtung Warenbeziehung, die auf strikten Tausch aufgebaut ist? Oder gibt es auch Ansätze, wo ich mein Geschenk an andere für mich als Geschenk erlebe wo Begehren durch Begeisterung. erlöst wird?

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  7. @Antje – Ich behaupte nicht, dass die Information über schwule und lesbische Beziehungsmodelle im Schulunterricht Macht- und Mehrheitsverhältnisse umkehrt. Aber wenn diese Lebens- und Begehrensmodelle, die vorher nicht mal erwähnt wurden, repräsentiert werden, dann findet etwas Aufnahme in die symbolische Ordnung, das vorher exkludiert war. Und zwar in der Institution die einen wichtigen Anteil an der Reproduktion der symbolischen Ordnung hat.

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  8. Wollte eigentlich schon gestern antworten, bin aber nicht dazu gekommen und frage mich, ob es sich überhaupt noch lohnt, oder ob alles, was ich sagen wollte, schon gesagt wurde.
    Ich habe am Donnerstag einen Vortrag zum Thema „gegen Rechts argumentieren“ gehört, gehalten von jemandem, der ein Buch von Freerk Huisken auf dem Tisch liegen hatte, und seine wichtigste Aussage war, dass man nicht auf der Ebene der Fakten argumentieren solle, sondern die dahinterstehenden Werte angreifen soll.

    Wenn ich das auf das von dir aufgegriffene Problem anwende, würde es heißen, dass man, wenn man beteuert, dass Homosexualität nicht ansteckend sei, schon verloren hat: Man hat akzeptiert, dass Homosexualität eine Art Krankheit und nicht wünschenswert sei. Vielleicht sollte man lieber antworten: „Was wäre schlimm daran, wenn es ansteckend wäre?“

    Was vielleicht dahintersteckt (wenn man freundlich ist): Die Angst, dass Jugendliche, die sonst nicht homosexuell gewesen wären, nun homosexuell werden. Im Extremfall: dass Jugendliche dazu gebracht werden, etwas zu tun, was ihren eigenen Wünschen oder Bedürfnissen nicht entspricht. (Jetzt bin ich natürlich sehr freundlich.) Aber das ließe sich ja wirklich leicht entkräften (hoffe ich – ich kenne das Konzept nicht im einzelnen.) Es geht ja darum, dass die Jugendlichen in die Lage versetzt werden, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und zu ihnen zu stehen. Und wenn sie hin und wieder etwas ausprobieren und merken: das war jetzt nicht so gut, dann gehört das dazu.

    Ich gehöre auch zu denen, die Zweifel haben an der biologischen Erklärung von Homosexualität. Das Problem besteht darin, dass diese biologische Erklärung sehr hilfreich gegenüber der Forderung zu sein scheint, dass man versuchen solle, Homosexuelle zu „heilen“. Es ist aber nur scheinbar hilfreich: Warum sollte eine angeborene Krankheit nicht geheilt werden? Das einzige Gegenargument ist tatsächlich, dass man immer wieder deutlich macht, dass Homosexualität genauso gut oder schlecht ist wie Heterosexualität, und das auch begründet.

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  9. Wenn Sexualität lediglich in sozialen und kulturellen Prozessen konstruiert wird, wie die queer theory postuliert, dann haben die „Heiler“ doch wissenschaftlich recht mit ihrem Ansatz, oder?

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  10. @Franka – Das Hauptargument gegen „Heiler“ ist das, was Susanna14 sagte: Es gibt nichts zu heilen, weil Homosexualität nichts Schlimmes ist.

    Ansonsten richten sich „Heilungen“ ja an ein Individuum: Ein Mensch soll die Art und Weise, wie er begehrt, ausgetrieben bekommen. „Soziale und kulturelle Prozesse“ betreffen aber immer eine – eben – ganze Kultur und Gesellschaft. Die Individuen sind dem nicht deterministisch ausgeliefert, können sich dem aber auch nicht einfach entziehen.

    So sind Weiblichkeits- und Männlichkeitsmuster ganz sicher sozial konstruiert, aber Männer und Frauen, die in einer entsprechenden Kultur aufgewachsen sind und geprägt worden, sind dann auch „ganz real“ so, wie sie sind. Dass etwas nicht biologisch determiniert ist, sondern in Wechselwirkung zwischen Individuum und gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen entstanden ist, heißt ja nicht, dass es nicht tief ginge oder sehr prägend und eben real sei.

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  11. Ob etwas verändert werden kann oder verändert werden sollte, hängt nicht davon ab, ob es biologische oder gesellschaftlich/psychologische Ursachen hat. Davon hängt nur ab, wie es verändert wird. ADHS und Depression zum Beispiel werden mit Medikamenten behandelt. Vielleicht kommen die „Homoheiler“ eines Tages auf die Idee, Homosexualität auch durch Medikamente oder Gentherapie zu „heilen“. Dass Homosexualität nichts schlimmes ist, ist das entscheidende Argument.

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  12. @Antje Schrubb Aus Sicht anderer Menschen ist Homosexualität eine Sünde und/oder eine Krankheit.
    Wenn man die queer theory akzeptiert, ist die Umgestaltung der Sexualität lediglich eine Frage des Willens und der, nunja, Erziehung. Ganz egal, ob es nun um Homo/Hetero/Bisexuelle etc. geht.
    Da queer auch immer die freie Wahl der eigenen Sexualität fordert, ist doch ein Wechsel-Angebot seitens der Klerikalen eigentlich queer-konform?

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  13. @susanna14 Wie man angesichts der Legalisierung der Genitalverstümmelung an männlichen Kindern aufgrund religiöser Wünsche vom vorletzten Jahr weiss, ein nicht von der Hand zu weisendes Argument.
    😦

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  14. @frankheinze – Sorry, da hast du die Queer Theory nicht verstanden. Sie behauptet nicht, dass man Sexualität mal einfach so umgestalten oder frei wählen kann.

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  15. Nicht? In wikipedia steht doch: „Die Queer-Theorie geht davon aus, dass die geschlechtliche und die sexuelle Identität nicht „naturgegeben“ sind, sondern erst in sozialen und kulturellen Prozessen konstruiert werden.“

    Ich sage doch nicht, dass es einfach wäre, es ist aber offenbar möglich, wenn man die richtigen Mittel wählt.
    Zb. Psychotherapien zur Klarierung der eigenen Sexualität gibt es doch bei Transgender anerkannt. Jeder Mensch ist doch in der Lage, Konditionierungen zu bearbeiten und ggf. auch zu lösen. Ein Standart in antidepressiver Arbeit oder auch in der Traumatologie.

    Wo siehst du den Widerspruch? Was habe ich nicht verstanden?

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  16. “Die Queer-Theorie geht davon aus, dass die geschlechtliche und die sexuelle Identität nicht „naturgegeben“ sind, sondern erst in sozialen und kulturellen Prozessen konstruiert werden.”
    Diese Theorie glaubt an den Konstruktivismus, alles ist machbar Herr Nachbar. Nur das dadurch nur die intellektuell konstruierten Therapien helfen. Wenn diese den Kern des Menschen nicht erreichen, ist das Leben beschwerlich, weil nach Konstrukten zu leben ist nicht erfüllend.

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  17. @fankheinze – „In sozialen und kulturellen Prozessen konstruiert“ ist nicht dasselbe wie „freie Wahl der eigenen Sexualität“. Das eine spielt auf der gesellschaftlichen Ebene, das andere auf der individuellen Ebene. Im Fall psychotherapeutischer Begleitung von Transgender geht es, wie du ja selbst sagst, darum, die eigene Sexualität zu „klären“, das heißt, die eigene Position im Rahmen einer (gegebenen, nicht vom Individuum abhängigen) symbolischen Ordnung bewusst zu machen und sich dazu den eigenen Wünschen entsprechend zu verhalten. Das ist aber nicht „frei wählen“, denn auch wenn man sich nicht konform zur herrschenden symbolischen Ordnung verhält, bleibt man zwangsläufig auf eben diese bezogen, man kann eben nicht außerhalb der Gesellschaft leben, es sei denn, man würde auf den Mars auswandern oder so.

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  18. @ Antje Schrupp Sexualität ist kein gesellschaftlicher Prozess, sondern individuelles Erleben. Selbstverständlich wählt ein/e Transgender das zukünftige Geschlecht nach Klärung frei. Und dass man sich zwangsläufig auf die herrschende Ordnung bezieht, ist ein Allgemeinplatz. Menschen sind soziale Wesen, niemand ist eine Insel. Auf dem Mars würde eine Person ganz schnell sozial dekompensieren.

    Daher sehe ich keinen Widerspruch darin wenn klerikale Kreise Homosexuelle zu Heterosexuellen „umerziehen“ wollen. Sie arbeiten auf den Axiomen der queer theory.

    Würden sie sexuelle Präferenzen als angeboren akzeptieren, gäbe es derlei Kurse gar nicht.
    Aber auch keine queer theory 😉

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  19. @fankheinze – Nunja, der Queer-Theorie zufolge ist Sexualität halt eben sehr wohl ein gesellschaftlicher Prozess und nicht einfach nur ein individuelles Erleben. Du musst die Analyse ja nicht teilen, aber wenn du gegen eine Theorie argumentierst, ist es wie Schattenboxen, wenn du ihr Dinge vorwirfst, die darin gar nicht behauptet werden. Dann redest du halt bloß mit dir selbst.

    Wobei das Hauptargument gegen die „Umerzieher“ ja auch nicht wäre, dass das nicht geht, sondern dass es gesellschaftlich nicht wünschenswert ist. Weil sie die Leute ja nicht dazu bringen wollen, zu ihren sexuellen Wünsche und Vorlieben zu stehen, sondern dazu, diese zu unterdrücken und sich einer von anderen willkürlich gesetzten (historischen) Norm zu unterwerfen. Damit schaden sie der allgemeinen Freiheit.

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  20. @Antje Schrupp

    Gut, Sexualität ist sowohl ein gesell. Prozess wie auch individuelles Erleben. Da gebe ich dir recht. Die Prämisse der queer theory „Geschlecht als Konstrukt“ ist davon aber unangekränkelt. Wäre Sexualität genetisch determiniert, gäbe es keinerlei Änderungsmöglichkeit, oder?

    „Sie schaden der allgemeinen Freiheit“, wenn sie Menschen ansprechen, die aus ihrer Sicht heraus krank sind? Trifft das nicht auch auf die Religionen zu? Aus religiöser Sicht ist doch nur der jeweils *richtig* konfessionelle Mensch vollständig. Alle anderen sind Ketzer oder Heiden. Das Ziel von Mission ist, es doch diesen Zustand zu beenden, zum Wohle des Menschen.

    Anders herum: Wenn man Mission für die Weltanschauung nicht nur erlaubt, sondern auch noch fördert (Reli, Kindergärten, Schulen ect.), dann ist die Mission zur Sexualität doch lediglich ein Teilaspekt?

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  21. Das Umerziehen ist das Gefährliche. Wenn ich in mein Umfeld nicht integriert bin, sind da ja noch mehr Faktoren verantwortlich als nur die Sexualität. Das Umerziehen geht von einer Wahrheit aus, die ich haben könnte, oder die „Experten“, und damit verleiht sie mir als Umerzieher oder „Experte“ Macht auch zur Unterdrückung von Homosexualität oder wie heute mehr sichtbar zur Unterdrückung von Hetrosexualität. Wir beobachten, dass Beziehungen mehr zu Warenbeziehungen geworden sind, reine Nützlichkeits- oder Zweckbünde, und das da die Bedingungslosigkeit erst wieder möglich ist, wenn eine bedingungslose Absicherung möglich ist, wie z.B. ein BGE. Weil die Anforderung der Warengesellschaft uns zu diesen „Warenmonstern“ umerzieht. „Der Beruf ist wichtiger als Kinder z.B. wird propagiert. Das Sozialamt kann mir Kinder wegnehmen, wenn ihre „Experten“ der Meinung sind, dass diese bei mir nicht so wachsen können, wie sie das wünschen“. Wer die sonstige Natur betrachtet, sieht das Ungesunde daran. Eine schenkende Natur zeigt Hingabe, doch nicht aus einem Nützlichkeitsdenken heraus.Sondern aus dem Gemeinschafts-sinn und der ist nur ohne Belohnung und Bestrafung ohne Umerziehung. Und hier kommt die Glücksforschung zur Hilfe, die mit anderen „Experten“ nachweist, glücklich ist der, der von seinem Tun begeistert ist. Das widerspricht dem Warencharakter, dessen Antrieb der Mangel ist, also Belohnung oder Bestrafung um den Menschen zu manipulieren, für die Zwecke des Warencharakters. Deshalb meinte wahrscheinlich Franziskus I. Die Wirtschaft tötet. Denn wer geht in seiner Verantwortung so weit, dass er sagt, wenn täglich 50.000 Menschen verhungern mit steigendem Anteil, und täglich die Schere zwischen arm und reich exponential sich verschiebt, was bleibt dann nur für alle? Der totale Mangel= Ausrottung der Menschheit.

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  22. @susanna14
    Was ist denn an einer biologischen Argumentation so schlimm? Ich finde, dass man hier sehr, sehr starke Argumente hat, dass Homosexualität eine Normvariante ist. Homosexuelle vermehren sich sehr viel schwächer als Heterosexuelle, und wenn es keinen anderen Nutzen für die Menschheit gäbe, dann würden sie, evolutionstheoretisch argumentiert, schnell aussterben. Tun sie aber nicht. (Nur um das klar zu stellen: das biologische Argument ist für mich nicht das Einzige.)

    Die Behauptung, dass Homosexualität eine Krankheit sei, ist so, als würde man Rothaarigkeit als Krankheit sehen. Leute, die Homosexualität ablehnen, machen sich doch jede Begründung zu eigen. Sollte Homosexualität angeboren sein, wird mit Krankheit argumentiert. Behauptet man, es sei anerzogen, wird mit Werteverfall etc. gekontert. Das wird auch für die Gegner zu einem zweischneidigen Schwert: wenn Gegner beispielsweise fragen, ob Homosexualität etwas Natürliches sei, dann beantwortet das ein wachsender Teil der Bevölkerung mit »Ja« — und das Argument kehr sich um. Ich glaube nicht, dass es klug ist, eine Argumentationsschiene auszulassen, nur weil sie von Gegnern teilweise erfolgreich benutzt wird. Antjes Post beschreibt das in einem der Aspekte sehr schön.

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  23. Ich finde die Diskussion ziemlich verkopft. Homosexualität ist da, ist nichts krankhaftes oder sonst wie schlechtes und muss vor jeder Diskriminierung geschützt werden. Punkt.
    Ich stimme kosinsky zu, dass natürlich aber auch aufgepasst werden muss, dass die Muster nicht umschlagen und dann seinerseits jeder diskriminiert wird, der keine homosexuellen Erfahrungen gesammelt hat,aber ich glaube, bis dahin ist noch ein weiter Weg!

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  24. @japanjedi Homosexualität ist eine Normvariante. Völlig richtig. Wie Rothaarigkeit unter mitteleuropäischen Völkern. Das Erbe der Kelten… Allerdings sind Homosexuelle tatsächlich bis in die jüngste Vergangenheit bei uns diskriminiert worden und werden es teilweise heute noch. In anderen Ländern, insbesondere den islamischen und manchen afrikanischen Ländern ist Homosexualität ein der Todesstrafe verhaftetes Verbrechen.

    Und warum?
    Weil es in den bestimmenden monotheistischen Religionen Judentum und deren Sekten Christentum und Islam theologisch tradiert wurde. Man bedenke, dass im „heidnischen“ Griechenland zB. die Homosexualität als die Spitze der Kultur betrachtet wurde. Ebenso im frühislamischen Persien. Oder bei den mittelalterlichen sufistisch-nordafrikanischen Mystikern des osmanischen Reiches.

    Nur ist halt der queer-Ansatz der völlig falsche, da er eben sehr leicht rumgedreht werden kann.

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  25. Die Tatsache, dass Homosexualität natürlich ist, hat nichts damit zu tun, ob sie gut oder schlecht ist oder eben ob man sie heilen sollte. Es gibt auch angeborene Krankheiten, die man zu heilen versucht. Diese Krankheiten sind ebenfalls natürlich, und trotzdem versucht man, sie loszuwerden.

    Das Argument mit der Natürlichkeit von Homosexualität zieht nur bei Menschen, die davon ausgehen, dass die Welt und die Menschen von Gott geschaffen und als solche gut sind. Wenn jemand von Natur aus homosexuell ist, dann ist das als gut anzuerkennen, weil Gott ihn eben so geschaffen hat.

    Leider ist das nicht immer so einfach. Auch Menschen, die im Prinzip die Schöpfung für gut und gottgewollt halten, sind nämlich dafür, angeborene Krankheiten zu heilen. Und jemand, der seine eigene Homosexualität als angeboren betrachtet, kann sich in Verzweiflung stürzen und fragen: Warum hat Gott gerade mich so geschaffen.

    Anfang und Ende ist also, dass man begründen muss, dass Homosexualität nicht schlimm ist, und zwar nicht, weil sie natürlich ist, sondern weil nichts Schlimmes daran ist, wenn zwei erwachsene Menschen sich lieben und miteinander Sex haben.

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  26. Wenn rote Haare mir gewachsen sind ist das natürlich, wenn ich meine Haare färbe nehme ich Einfluss auf die natürliche Haarfarbe.
    So bin ich mir nicht sicher, was angeboren ist oder nicht. Wenn Blindheit angeboren ist, sehe ich trotzdem anders als der nicht Blinde. Hatte ich einen Unfall, ist das Blindsein möglicherweise anders, So erginge mir das mit Taubheit auch, Doch ich bin weder taub noch blind und auch nicht homosexuell. und wenn dem Blinden nichts fehlt, warum sollte er unglücklich sein, und wenn dem Homosexuellen das sogar ein glückliches Leben liefert, warum sollte er es nicht tun? Es geht hier um gegenseitigen Respekt. wenn ich nun als Homosexueller den Heterosexuellen provoziere, wie auch umgekehrt, so fehlt da einfach Respekt und die Freundlichkeit! Und die fehlt mir, wenn ich mir selbst kein Freund bin. Somit kommt „nicht verstehen“ nicht durch WORTE, sondern durch die Melodie und den Rhythmus der uns jenseits von Worten begegnet, ohne besitzen oder nicht besitzen zu WOLLEN!

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  27. Es gibt doch einen einfachen Gerund sich zu wünschen dass die eigenen Kinder nicht homosexuell werden: weil man sich Enkelkinder wünscht. Das bedeutet nicht dass man seine Kinder ablehnen würde oder weniger lieben würde wenn sie eben doch homosexuell sind.
    Sicher, es gibt Adoption, aber das ist nicht ganz dasselbe und erscheint mir als Massenlösung auch untauglich. Schliesslich setzt Adoption immer voraus dass andere Menschen eine Tragödie erfahren haben.
    Ich sage dies ohne eine Behauptung über die Ursachen von Homosexualität zu machen. Aber die Sorgen sind doch wohl verständlich, denn auch die Betroffenen wissen nicht wirklich wie Homosexualität entsteht.

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  28. @susanna14
    Ich glaube, dass wir eine unterschiedliche Definition von »Natürlichkeit« haben: für mich hat das nichts mit gut oder Gott zu tun. Für mich bedeutet Natürlich bloß etwas, was in der Natur genügend oft auftritt (z. B. ist eine Maus, die im Dunkeln leuchtet, weil man ein Quallengen in ihr Erbgut eingebaut hat, für mich nicht natürlich). Im Prinzip gehören da Erbkrankheiten zu tun, die manchmal für die Population unerwartete positive Nebenwirkungen haben (z. B. verringert das Gen, das für Tay-Sachs-Syndrom verantwortlich ist, das Choleraansteckungsrisiko). Aber anders als das Herr Tigges schreibt halte ich selbstverständlich Homosexualität nicht für einen Defekt.

    Mir kommt es so vor, als wäre Dir diese biologische Argumentationslinie unangenehm, weil einige der Implikationen unangenehm erscheinen. Habe ich da recht oder missverstehe ich Dich da? Beispielsweise kann ich mir schon gut vorstellen, dass es jemanden, der seine homosexuellen Neigungen ablehnt, in die Verzweiflung stürzt, weil er/sie weiß, dass er/sie nichts daran ändern kann.

    Aber wenn es nun mal der Wahrheit entspricht, soll man dann so tun, als wäre es nicht so? Selbst wenn man nichts gegen Homosexualität hat, kann ja die Erkenntnis darum einen in einen Umbruch stürzen. (Beispielsweise hatte eine gute Freundin erst mit 27 gemerkt, dass sie lieber mit Frauen in einer Beziehung sein möchte. Das hat ihre ganze Zukunftsplanung durcheinandergewirbelt, weil es ja sehr viel schwieriger ist als Lesbe ein leibliches Kind zu bekommen.) Für mich ist dieses Argument ähnlich zu dem, dass bei Homosexuellen statistisch gesehen Depressions- und Selbstmordraten höher sind (u. a. weil sie wegen ihrer sexuellen Identität Ablehnung erfahren).

    Wie gesagt, das biologische Argument ist für mich eins von vielen, eins, was ich benutzte, wenn Leute behaupten, Homosexualität sei unnatürlich. Wenn die Gegner eingestehen würden, dass Homosexualität natürlich ist, weil es ja beispielsweise im Tierreich auch auftritt, dann hat man in der Diskussion ja schon an Boden gewonnen.

    @frankheinze
    Im Endeffekt sind wir uns ja hier (fast) alle einer Meinung. Im Prinzip stört Dich an der queeren Argumentation genau dasselbe, woran sich @susanna14 auch stößt: ein Pro kann durch Verdrehen bestimmter in ein Gegenargument gewandelt werden. Ich finde nicht, dass ein Ansatz falsch sein muss, nur weil Gegner Ideensplitter nehmen und ins Gegenteil kehren können. Ich halte das in beiden Fällen für zwar nicht richtig, aber selbst wenn das so sein sollte, muss man seinen Gegner in Diskussionen doch damit auf Augenhöhe begegnen können. Wenn Leute behaupten, Homosexualität sei ein mit Blindheit gleichzusetzendem Gendefekt, sollte man besser ein Gegenargument parat haben.

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  29. @japanjedi
    Das Argument wird nicht „verdreht“, sondern das Axiom „erzogener“ Sexualität wird nur konsequent genutzt. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Daher ist die queere Empörung sowohl scheinheilig wie auch bar des Eingeständnisses, die „Gesundbeter“ hätten zumindest auf queer“wissenschaftlicher“ Ebene Recht.

    Die Gegner argumentieren eben nicht (!) mit genetischer Veranlagung, sonst würde ja ihr Umerziehungsansatz nicht funktionieren.

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  30. @frankheinze – Nein, das stimmt zumindest für diese Debatte nicht, denn die betroffenen Menschen sind ja faktisch NICHT in Richtung Homosexualität erzogen worden, im Gegenteil: Sie stammen doch zumeist selbst aus fundamentalistisch-christlichem Umfeld (sonst würden sie gar nicht zu so merkwürdigen „Heilern“ gehen), das heißt, sie sind in einer Umgebung aufgewachsen, in der alles sie darauf hin beeinflusst hat, eine normale, heteronormative Beziehung einzugehen. Und TROTZDEM begehren sie homosexuell, gegen ihren Willen, obwohl es allem, was sie gelernt haben und in ihrem Umfeld als normal gilt, widerspricht.

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  31. @Antje Schrupp Ein hervorragendes Argument!

    Allerdings gegen die queer theory. Die Homosexuellen in einem heterosexuellem Umfeld werden sich früher oder später ihrer gleichgeschlechtlichen Neigung bewusst. Warum wohl? Weil die Gene eben sagen: „Das gleiche Geschlecht ist sexy!“ Das kann mna nunmal nicht beeinflussen, ebensowenig wie eine Wespengift-Allergie. Man hats oder man hats nicht.

    Man könnte also sagen, würden die „Homo-Heiler“ auf die queer theory verzichten, müssten sie auch ihren Gesundbetungsanspruch aufgeben.

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  32. @frankheinze – Ich werde mit dir nicht über Queer Theory diskutieren, weil du nicht verstanden hast, was die überhaupt sagen will, und offensichtlich auch keinerlei Interesse daran hast, dich diesbezüglich zu informieren. Stattdessen phantasierst du dir lieber etwas zusammen, was angeblich „die Queer Theory“ sein soll und widerlegst dann deine eigene Phantasie. Aus irgendeinem Grund scheint dir das Spaß zu machen, ich finde es sinnlos.

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  33. @Antje Schrupp Ich habe queer theory nicht verstanden? Das ist möglich. Erkläre es mir bitte in einfachen Worten.

    Ich habe es so verstanden, dass queer theory “ posits an understanding of sexuality that emphasizes shifting boundaries, ambivalences, and cultural constructions that change depending on historical and cultural context.“ http://faculty.washington.edu/mlg/courses/definitions/queer.htm

    Ist Homosexualität/Heterosexualität/Bisexualität etc. nun genetisch bedingt oder eine kulturelle Angewohnheit?

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  34. @Antje Schrupp Nicht sehr erhellend ^^

    Ich habe kein Abitur, daher muss ich halt einfacher fragen.
    Habe ich richtig verstanden: Sexualität ist nicht unbedingt festgelegt wie die Haarfarbe sondern kann als
    Neigung manchmal auch schwanken. Wie zB. gewisse Lieblingsspeisen.?
    Das würde die historischen Gegebenheiten erklären, dass es in homosexuell positiv aufgeladenen Gesellschaften auch mehr Homosexuelle gibt.

    Andersrum auch noch eine Frage: Wie erklärst du dir, dass antisoziale Sexualität wie die Fixierung auf Kinder, Tote oder, Folter oder Tiere nicht therapiert werden kann?

    Man kann die Betroffenen lediglich dazu bringen, ihre Sexualität irgendwie zu unterdrücken. Man kann ihnen nur chemisch helfen, indem man Medikamente gibt, die den Sexualdrang unterdrücken.

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  35. @frankheinze – Queer Theory ist eine feministische Theorie-Strömung, zu der seit ungefähr 25 Jahren sehr viele Menschen forschen, diskutieren, sich streiten etc. Nicht alle, die sich dieser Strömung zuordnen, haben in allen Punkten dieselben Ansichten. Aber genau die Fragen, die du hier stellst, werden in der Queer-Theorie diskutiert, argumentiert, behandelt. Eine so komplexe Materie kann ich dir aber nicht hier im Blog mal eben „erklären“. Ich kann nur soviel sagen, dass das, was du bisher – laut deinen Kommentaren hier – über „die Queer Theory“ zu wissen meinst, stimmt so nicht. Wenn du’s genauer wissen willst, musst du dich halt genauer in die Materie einarbeiten, oder du hältst dich einfach mit pauschalen Behauptungen ein wenig zurück. Wäre mein Rat.

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  36. Ich informiere mich ja hier.
    Und möchte lediglich die Antje-Schrupp-Version der queer theory in Bezug auf meine Fragen hören.
    Sicherlich haben andere Theoretiker/innen andere Meinungen, aber die kann ich ja auch fragen.
    Auf deren Blogs 😉

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  37. @frankheinze

    Die Queer Theory schliesst an den Poststrukturalismus an. Dieser lehrt unter anderem, dass die Differenzen, welche kulturelle Ordnungen strukturieren, nicht naturgegeben sind, auch wenn sie auf biologischen Tatsachen beruhen. Die sexuelle Orientierung mag biologische Ursachen haben. Die Menschheit anhand der sexuellen Orientierung in Gruppen einzuteilen, ist dagegen eher willkürlich. So wirkt, was für die Kultur gilt, sogar zurück auf die „reine“ Biologie. Denn auch die wissenschaftliche Erforschung des Wesens und der Herkunft der Homosexualität beruht auf der willkürlichen Annahme, dass es sich hierbei um eine bedeutungsvolle Abweichung handelt.

    In einer Gesellschaft, in der die sexuelle Orientierung einen geringeren Stellenwert hätte, bräuchte man sich gar nicht mehr der einen oder der anderen Gruppe zuzuordnen. Das ist die Offenheit, welche die Queer Theory anstrebt. Deshalb arbeiten „klerikale Kreise“, die Homosexuelle zu Heterosexuellen umerziehen wollen, ganz und gar nicht „auf den Axiomen der queer theory“, wie Sie schreiben. Denn diese klerikalen Kreise sind völlig besessen von dem vermeintlich so bedeutsamen Unterschied. Schliesslich kann das aus der Sicht der Schwulen gut gemeinte Argument der biologischen Bedingtheit der Homosexualität am Ende auch dadurch kontraproduktiv werden, als die Suche nach dem „Schwulen-Gen“ schon längst begonnen hat. Irgendwann kann man dann beweisen, dass die Homosexualität in den Genen steckt, und lässt diese genetische Abweichung rechtzeitig beheben oder die betroffenen Kinder einfach nicht zur Welt kommen.

    Auf Ihre Frage, ob Homosexualität „nun genetisch bedingt oder eine kulturelle Angewohnheit“ ist, die Antje mit „sowohl als auch“ beantwortet hat, würde ich erwidern: Ist doch wurscht.

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  38. @frankheinze
    Die Frage, ob sexuelle Orientierung »anerzogen« oder biologisch festgelegt ist (beispielsweise genetisch oder aber auch durch Hormonspiegel während der Schwangerschaft), ist eine sehr alte Frage, die meines Wissens nach nicht eindeutig geklärt ist. (Wenn es jemand besser wissen sollte als ich, ich würde mich über Quellen freuen.) Es gibt Hinweise in beide Richtungen, und persönlich glaube ich auch, dass sowohl gesellschaftliche als auch biologische Faktoren eine Rolle spielen. Aber allein die ethischen Grundsätze setzen hier enge Grenzen für kontrollierte wissenschaftliche Studien.

    Aber selbst wenn wir annehmen, dass die sexuelle Orientierung von einem Menschen selbst gestaltet werden kann, dann bedarf es immer noch einer Begründung, wieso Unterdrückung von Homo- und Bisexualität überhaupt erstrebenswert sei. Und wenigstens hier unterscheiden sich doch die Argumente von Queer Theoretikern und Gegnern der Homosexualität. Einige Gegner von Homosexualität gehen ja sehr viel weiter indem sie Homosexualität in die Nähe von Pädo- und Zoophilie stellen: selbst wenn man daran nichts ändern kann, es ist eine Neigung, die man nicht ausleben darf.

    Und wie gesagt, ich finde rein gar nicht, dass Befürworter und Gegner von Homosexualität sich nur einer Argumentationslinie bedienen, sie nutzen alle. Deshalb sollten Befürworter auf jeder Ebene Argumente parat haben.

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  39. @dasrettende
    Danke für die schöne Erklärung.

    Und auch gut, dass Du auch potenzielle negative Konsequenzen erwähnst, die eine reine biologische Ursache haben könnte. Es liegt halt immer doch in der Hand der Menschen, wie man mit einem Faktum dann umgeht.

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  40. Die Queertheory besagt NICHT, daß man seine sexuelle Identität BELIEBIG „ändern“ kann.
    Daß sie sich „verändern“ kann (die Persönlichkeit eines Menschen, zu der sie ja auch gehört, verändert sich ja auch stetig – aber eben nicht willkürlich/beliebig, sondern immer im Zusammenhang mit biologischen/psychologischen/umfeldbedingten Faktoren) heißt nicht, daß sie „steuerbar“ wäre.

    Zum Beispiel denke ich, es ist logisch, anzunehmen, daß mit vermehrter Akzeptanz sexueller Vielfalt mehr Leute „bisexuell werden“. Ich will nicht wissen, wie viele Bisexuelle „als Heteos“ leben bzw. einer „Heteroliebe“ mehr Chancen einräumen, da es so meist einfach leichter hat.
    Ich kenne auch Frauen, die so um die 50 „lesbisch wurden“. D.h. die Großteil ihres Lebens glücklich verheiratet und sie beteuern, daß sie wirklich verliebt waren einst („hetero waren“, wenn man so will). Sich jetzt aber eben nicht mehr in Männer verlieben (können). In Schubladenworten könnte man auch sagen: sie „waren schon immer bisexuell“, haben sich nur im Alter halt zuerst auch mal ins gleiche Geschlecht verliebt.
    Oder man „ist bisexuell“, neigt aber phasenweise durch Lebensumstände psychologisch (un)bewußt mal eher zum einen, mal eher zum anderen Geschlecht.
    Dann wiederum gibt es Leute, die gerne Sex mit ganz egal welchem Geschlecht haben, sich aber nur in ein bestimmtes davon verlieben können. Was „sind“ die nun?
    Und DAS ist auch der Punkt, den die Queertheorie hier macht.
    Sie sagt NICHT, Geschlechts/Gender/…-Identität sei bewußt/willentlich/durch Therapie/OP/… „umänderbar“. (Deswegen taugt David Reimer uch null und gar nicht als Gegenargument gegen die Queertheorie, nur mal so anbei).
    Sie sagt viel mehr:

    „Leute, unsere Persönlichkeit und Identität – und zwar AUCH die sexuelle – ist ein kompliziertes individuelles Zusammenspiel von ganz vielen Faktoren. Unzählbare viele Mosaiksteinchen zu einer ganz einzigartigen (sexuellen) Identität, die NUR DICH ausmacht. Und da wir viele – und zwar ganz entscheidende! – Faktoren eben NICHT einfach ändern können (z.B. in wen wir uns verlieben, wen wir begehren, was für Eltern/Nachbarn/… wir haben, welchen Leuten wir überhaupt über den Weg laufen in unserem Leben, BLAHHHH ETC. etc. etc.), ist es unakzeptabel, in einer zivilisierten Gesellschaft, derart diskriminiert zu werden, wie es der Fall ist. Weil es SCHEIßEGAL ist, wie Deine sexuelle Identität aussieht, so lange Du damit klarkommen kannst und sie niemandem schadet (bevor jetzt wieder wer mit absurden Vergleichen kommt).

    Erklärbärchen Ende.

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  41. Ahja sorry – hab beim vorherigen Kommentar verpennt, daß die abstrusen Vergleiche bereits kamen…

    „Andersrum auch noch eine Frage: Wie erklärst du dir, dass antisoziale Sexualität wie die Fixierung auf Kinder, Tote oder, Folter oder Tiere nicht therapiert werden kann? “

    Therapiert wird generell nur, was krank ist bzw. eine psychische Störung… wo das die Grenze verläuft, wird grob gesagt so definiert, wie es sich damit im Alltag umgehen läßt ( wer oft Pornos kuckt, hat nicht unbedingt ne Störung. Wer aber für seine Verhältnisse so oft guckt, daß es das Alltagsleben erschwert, andere und ihn selbst schädigt, DANN ist es ne gute Idee, in Therapie zu gehen.)
    Noch mal Queertheorie: Sexuelle Identität ist NICHT beliebig änderbar, aber beeinflußbar bis zu einem gewissen Grad.
    Man kann den Einfluß positiv nutzen (z. B. Selbsthilfegruppen, entspannter mit der sexuellen Identität umgehen, dieselbe erstmal klären für sich selbst, etc.) oder eben auch Menschen damit kaputtmachen (ihnen Scham und Verdrängung einreden.

    Man könnte verwegen sagen: die Queertheorie hat recht und manche Arschlöcher nutzen das aus.

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  42. @japanjedi
    ich habe auch die Blindheit angeführt, weil wir ohne das Feld in dem wir leben, wirklich nicht feststellen können, ob es ein Defekt ist oder nicht. So ist angeborene Blindheit Schicksal auf die der Blinde keinen Einfluss hat. Möglicherweise ist das jedoch in einem Feld von Ahnen passiert, was das vorbereitet hat- Wer kann das hier untersuchen?,

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  43. Ich finde es in einem solchen Diskurs jedoch auch wichtig, die möglichen Folgen anzusprechen, die es für Individuen hat, wenn sie ihr Begehren aus normativen Gründen unterdrücken.
    Ich selbst bin schwul und mit einem Vater aufgewachsen, der es in meiner Kindheit elementar wichtig fand, mich nach einem heteronormativen Ideal zu erziehen. Ich bin beispielsweise auf sein Drängen in den Fußballverein gegangen, was letztlich dazu führte, dass ich von allen anderen Jungen verspottet wurde, weil das nicht zu mir passte. Ich hatte das Glück, dass sich mein Vater irgendwann mit der Realität konfrontiert sah und mein Coming Out problemlos über die Bühne ging.
    Im Folgenden habe ich aber beispielsweise in Siegen Studiert, einer der Hochburgen der radikal Evangelikalen, dort nennt man diese Region auch den deutschen Bible Belt. Dort gibt es beispielsweise viele Menschen, die Homosexualität als eine Art psychischer Störung ansehen – selbst Professoren dort – und offen Projekte wie „Wüstenstrom“ unterstützen, die eine Heilung durch Psychotherapie versprechen. Der Sozialpädagoge aus dem schwul-lesbischen Zentrum dort gab mir eine recht eindeutige Meinung dazu, was diese Programme aus Menschen machen: Die Psychotherapie basiert darauf, den Menschen Schuldgefühle einzureden und sie dazu zu verleiten, eine traditionelle Ehe einzugehen. Bei vielen geht das für 10-15 Jahre „gut“, bis sich die Selbstverleugnung in psychiatrischen Erkrankungen niederschlägt – suizidale Depressionen oder Schizophrenie sind teilweise die Folge. Diese Perspektive fehlt mir in allen öffentlichen Diskursen zu dem Thema, Selbstverleugnung ist im höchsten Maße psychisch ungesund.
    Ebenso ist es meines Wissens eine Mär, dass homosexuelle Handlungen in Gesellschaften oder Subkulturen, die Homosexualität ablehnen, seltener auftreten. So wurde mir beispielsweise von unterschiedlichen Personen erklärt, dass es in arabischen Kulturen unter der Hand regelmäßig homosexuelle Begegnungen, besonders unter Männern, gibt – es spricht eben nur niemand darüber und nach Aussen sind alle natürlich anständig verheiratet. Ähnliches gilt für katholische Priesterseminare, von denen nicht nur David Berger berichtet.
    Ich bin jedenfalls schockiert über den medialen Umgang mit dem Thema, besonders nach der Sendung von Frau Maischberger, die ich aus gesundheitlichen Gründen nur passiv verfolgt habe – das wäre nicht gut für meinen Blutdruck gewesen. Zwei Tage lang versucht die Redaktion beispielsweise über Twitter zu argumentieren, man wolle ja schließlich bei solch einer Debatte alle Seiten anhören, das sei ja so wichtig. Passiert ist am Ende, was alle schon beim Lesen des Titels befürchtet haben: Zwei Fundamentalisten bekommen eine Bühne geboten, um gegen Schwule und Lesben zu argumentieren, auch wenn sie sich teils Mühe geben das in blumige Worte zu packen. Olivia Jones wird als Projektionsfläche für alle Schwulen-Klischees dort hingesetzt. Und Jens Spahn wird als toller progressiver, offener Mensch dargestellt – als Mitglied der Partei im deutschen Bundestag, die jeden Schritt in Richtung Vielfalt und Gleichberechtigung nur dann (unter Protest) geht, wenn das Bundesverfassungsgericht es ihnen vorschreibt.
    Ich weiss, das war in weiten Teilen vom Artikel abschweifend und entschuldige mich dafür, aber ich finde dass die Debatte aktuell stark verflacht und undifferenziert geführt wird.

    P.S.: Was mich schon lange beschäftigt – warum reden wir eigentlich über „HomoSEXUALITÄT“? Das erzeugt meiner Empfindung nach sowohl Bilder im Kopf als auch eine Verkürzung von der Thematik. Es geht hier nicht schlicht darum, mit wem jemand Sex hat, wer ihn erregt. Vor allen Dingen – auch im praktischen Leben – geht es darum, in wen sich jemand VERLIEBT, welche Personen ein Mensch attraktiv und interessant findet, mit wem er/sie sich ein Leben vorstellen kann. Da wirkt der Begriff auf mich doch irgendwie anachronistisch, ich fände beispielsweise HomoAMORIE besser, weil er das Wesentliche in den Vordergrund stellt. Nicht den Sex, sondern die Emotionen.

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  44. Ich finde, jeder sollte seine Sexualität frei ausleben dürfen, solange dies niemandem Schaden zufügt. Wenn das Elternhaus – aus verschiedensten Gründen – nicht fähig ist, das Kind tolerant zu erziehen, so könnte bwz. sollte die Schule diesen Teil übernehmen. Viele Menschen haben Angst vor Dingen oder Menschen, die anders sind als sie und die sie nicht verstehen. Warum sollte man Kindern Angst machen vor Andersartigkeit/alternativen Lebensweisen. Oder warum sollten sie in Angst leben müssen, wenn sie erkennen, dass sie anders sind? Die Gesellschaft könnte es ihnen doch beibringen, damit sie frei von allen Ängsten leben können.

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  45. Ich denke es ist sehr wichtig, dass das Thema Homosexualität auf den Lehrplan kommt, genau aus den im Beitrag auch angesprochenen Gründen. LehrerInnen muss bewusst sein, dass in einem Klassenzimmer mit 30 Kindern vielleicht auch ein oder zwei sitzen, die nicht heteronormativ begehren. Für diese Kinder ist es wichtig in einer Institution, die (zumindest war das bei mir im Grunschulalter so) auf jeden Fall sehr wichtig ist, zu erfahren, dass sie nicht „anders“ sind. Für alle anderen Kinder ist es genauso wichtig. Und bei den LehrerInnen wird ein Bewusstsein geschaffen.
    Außerdem zeigt die öffentliche Diskussion, wie viele Menschen in Deutschland noch ein Problem mit Homosexuellen haben, eine Tatsache, die mensch in der kleinen Uni-Oase in Berlin schnell mal vergisst.
    Insofern, danke für einen gut geschriebenen Artikel mit einer interessanten Diskussion darunter!

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  46. “ Vor allen Dingen – auch im praktischen Leben – geht es darum, in wen sich jemand VERLIEBT, welche Personen ein Mensch attraktiv und interessant findet, mit wem er/sie sich ein Leben vorstellen kann.“

    Ganz wichtig. Das muss geändert werden – dann kapieren manche vielleicht auch endlich, dass lesbisch sein oder schwul sein eben nicht dasselbe ist wie irgendwelche abstrusen sexuellen Fetische.

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  47. Sowohl bei den Konversionstherapien homophober Evangelikaler als auch in der seriösen Wissenschaft als Hilfe pädophil veranlagte Menschen wurde immer wieder versucht, die sexuelle Identität von Menschen zu ändern, immer mit demselben Ergebnis: Es funktioniert nicht. Durch neue Bildungsinhalte werden Kinder nicht nur nicht reihenweise homosexuell, sondern es wird sogar keinen einzigen Fall geben, in dem dies geschieht. Nur jenen, die schon immer homosexuell waren, wird besser geholfen werden können.

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