Beim eigenen Körper endet der Arm des Gesetzes


Dass Menschen über ihren eigenen Körper verfügen können, liegt in der Natur der Sache. Denn Mensch und Körper sind nicht zu trennen. Mensch_Körper sind allein miteinander, oder können es zumindest sein. Mensch ist Körper.

Ob Menschen über ihren eigenen Körper verfügen (dürfen), ist deshalb keine offene Frage, über die gesellschaftlich zu entscheiden wäre, sondern eine Tatsache, die bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden muss. Keine Ordnungsmacht der Welt kann Menschen zum Beispiel daran hindern, Sex gegen Geld zu tauschen, Abtreibungen vorzunehmen oder das eigene Leben zu beenden. Kein Polizist kann sich zwischen einen Menschen und ihren Körper stellen.

Wer die Eigenverfügung über den menschlichen Körper gesetzlich kontrollieren will, muss zu krassen Maßnahmen greifen, die auf eine Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreifen, die heute nicht mehr als akzeptabel gilt: Man kann natürlich Ehefrauen dazu zwingen, einen „Keuschheitsgürtel“ zu tragen, damit kein unbefugter Penis in ihre Vagina eingeführt wird. Man kann auch Schwangere oder Menschen, die man für suizidgefährdet hält, rund um die Uhr überwachen. Man kann, kurz gesagt, aufs Gröbste die Intimsphäre von Menschen beeinträchtigen.

Aber man kann nicht in den menschlichen Körper hineinregieren, wie sich zum Beispiel der Verkehr oder die Eigentumsrechte gesetzlich regeln lassen. Da kann man Schranken bauen, Ampeln aufstellen, Sicherheitspersonal postieren. Das alles wird zwar nicht in jedem Fall verhindern, dass zu schnell gefahren oder eingebrochen wird. Aber der Versuch, es zu erschweren, beeinträchtigt nicht unmittelbar die Menschenwürde. Denn hier befinden wir uns im Bereich des öffentlichen Lebens, also an Orten, wo Menschen zueinander in Beziehung treten oder miteinander interagieren. Um Orte, an denen etwas „Dazwischen“ ist, zwischen den Beteiligten. Deshalb ist es prinzipiell möglich, dass auch Polizisten dort mitmischen.

Was ich hingegen tue, wenn ich allein bin, also ich, als körperlicher Mensch, ist der Öffentlichkeit zunächst entzogen. Niemand kriegt es mit. Um die Selbstverfügung der Menschen über sich, also ihre Körper, zu kontrollieren, müssen sie gewaltsam in die Öffentlichkeit gezogen werden.

Das Einzige, was Gesetze auf diesem Gebiet bewirken, ist, dass sie die Bedingungen verschlechtern, unter denen Menschen über ihre Körper, also sich selbst, verfügen. Unter Prostitutionsverboten leiden die Prostituierten, unter Abtreibungsverboten leiden Schwangere, die abtreiben möchten, unter Sterbehilfeverboten leiden Menschen, die ihr Leben beenden möchten. Trotzdem werden sie es tun, wenn sie es für notwendig halten. Das ist eine Tatsache. (Beim Thema Sterbehilfe ist das noch einmal komplizierter, weil eine andere Person involviert ist, das wäre einen eigenen Blogpost wert. Hier nur soviel: Ich glaube, wenn eine sehr gute Freundin mich darum bitten würde, würde ich ihr beistehen, auch wenn es gesetzlich verboten wäre. Sozusagen als „verlängerter Arm“ ihrer selbst.)

Die grassierende Engführung biopolitischer Debatten auf Gesetze (Prostitution, Sterbehilfe, Abtreibung VERBIETEN!) ist so fatal, weil sie geradezu verhindert, dass die eigentlich wichtigen Fragen diskutiert werden. Nämlich: Wie und wann und warum entscheiden sich Menschen für Abtreibung, Prostitution, Leihmutterschaft, Suizid? Welche sozialen Umstände befördern das? Welche Probleme enstehen dadurch (möglicherweise)? Welche gesellschaftlichen Veränderungen wären wünschenswert, um diese ja oft existenziellen und belastenden Situationen für die Betroffenen zu erleichtern?

Das Thema Abtreibung ist ein gutes Beispiel dafür, wie schief die Debatten laufen. Es ist ja die Geschichte eines großen Missverständnisses. Es ging den Frauen, die für eine Abschaffung des Abtreibungsparagrafen kämpften, nämlich nie darum, für ein „Recht auf Abtreibung“ zu streiten. Es ging ganz im Gegenteil darum, das Phänomen gerade dem rechtlichen Zugriff zu entziehen. Es ging genau NICHT darum, „ob Abtreibung erlaubt oder verboten sein soll“. Sondern darum, wer darüber entscheidet, ob eine Schwangerschaft ausgetragen wird oder nicht – die Schwangere selbst, oder jemand anderes (die Kirche, die Ärtze, der Mann, mit dem sie geschlafen hat, irgendwelche Gerichte…).

Abtreibungen hat es immer gegeben und wird es immer geben, ganz egal, wie die Gesetzeslage ist. Das liegt, tatsächlich, in der Natur der Sache. Die Schwangere ist mit ihrem Körper allein, niemand kann sie daran hindern, alles Mögliche damit anzustellen, um eine Fehlgeburt herbeizuführen. Alles, was wir als Gesellschaft diesbezüglich zu entscheiden haben ist: Welche Umstände schaffen wir, in denen Schwangere über die Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden?

Vermutlich ist es so ähnlich mit Suizid und mit Sex ohne Begehren: Vermutlich gibt es immer Menschen, die ihr Leben beenden, und vermutlich gibt es immer Menschen, die mit anderen Sex haben, obwohl sie selbst keine Lust dazu haben, sondern sich davon irgendwelche anderen Vorteile erhoffen. Und genau wie bei Abtreibungen wird es immer eine schwierige Entscheidung sein, die individuell getroffen wird und bei der eine ungeheuer komplexe Mischung aus äußeren Umständen, sozialen Normen und individuellen Befindlichkeiten zusammenwirken.

Es wäre so wichtig, eine Kultur zu haben, in denen wir uns über die Schwierigkeiten, solche Entscheidungen zu treffen, offen austauschen und uns gegenseitig dabei unterstützen. Anstatt immer wieder auf die bescheuerte Alternative: „Verbieten oder Erlauben“ zurückzufallen.

Im Fall der Abtreibung übrigens hat sich das Gesetz ja selbst bereits ad absurdum geführt. Da ist inzwischen offiziell festgelegt, dass Abtreibung zwar verboten ist, aber nicht strafrechtlich verfolgt wird. Ein Verbot, das nicht verfolgt wird, ist aber kein Verbot mehr. Wer kann so ein Rechtssystem noch ernst nehmen? Es sind genau diese Einmischungen in Dinge, die es nichts angehen, die unser Rechtssystem untergraben und unglaubwürdig machen.

 

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

62 Gedanken zu “Beim eigenen Körper endet der Arm des Gesetzes

  1. Liebe Antje!

    weil ich seehr in eile bin und grade mehrere stunden an meiner neuen homepage sa nur in Krze:

    du hast dich verschrieben – keuschheitsgrtel tragen, da fehlt das ‚r‘, sorry, dass ich mich deshalb melde, aber mir fiel es seltsamerweise sofort auf (das hab ich manchmal, muss an meiner Aszendentin liegen … )

    und im brigen – les ich das am abend genauer, mir dnkt, es ist seeehr spannend und wichtig, wieder einmal. DANKE!

    Liebe Gre aus Wien

    Bettina

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  2. Der Mensch ist Körper ist eine Theorie, die sich mit Außerkörperlichkeit nicht beschäftigt hat, die sich mit Ahnen nicht beschäftigt hat, die sich mit den Ergebnissen des Familienstellens nicht beschäftigt hat, also eine rein materialistische Sichtweise, die alleine durch die Erfahrung die ein Chefarzt einer Klinik gemacht hat widerlegt wird. Nemand kriegt es mit ist eine unbewiesene Behauptung, im Feld einer Aufstellung erfahren es fast alle. Denn in der Wissenschaft geht es um Beobachtung und nicht um Ideologien

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  3. „Keine Ordnungsmacht der Welt kann Menschen zum Beispiel daran hindern, Sex gegen Geld zu tauschen“

    Dass sich überhaupt gegen Geld oder materielle Nutzwerte prostituiert werden kann und auch wird (mal zwangsweise, mal mehr oder weniger freiwillig), *ist* ja bereits Ausdruck einer Ordnungsmacht namens Marktwirtschaft. Gleiches lässt sich getrost für einen beträchtlichen Anteil der Gründe sagen, aus denen Abtreibungen und Selbsttötung für viele Menschen attraktiv erscheinen.

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  4. Biopolitik: jo, „wer hat’s erfunden“ ?! oder vielleicht nur „perfektioniert“ ?!

    Aber OK, du schreibst: „Die grassierende Engführung biopolitischer Debatten auf Gesetze“ (is fatal) Nö, Liebe Antje, als Eingeborener (also uffgewachsenen) Kritischer Geist kenne ich das gar nicht anders?! Vom Küchentisch bei Muttern/Oma über die veröffentlichte „Meinung“.

    Was aber neo ist: das dieses Autoritäre und Staatsfetischhafte Salbadern wieder den dOItschen Diskurs bestimmt…

    Gute Nacht & Viel Glück @Menschheit …..

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  5. @endolex – Ja, Prostitition im engeren Sinne. Man könnte aber auch sagen, Prostitution ist nur die kapitalistische Variante von Patriarchat. Sex in der Ehe war auch vor dem Kaptialismus nicht immer freiwillig, auch jenseits von purer Vergewaltigung. Wenn es Mächtige gibt, ist immer die Möglichkeit gegeben, ihnen sexuell einen Gefallen zu tun, im Tausch gegen Protektion, Wohlwollen oder sonst etwas. Von daher ist das Phänomen nicht direkt von einer kapitalistischen Herrschaftsform abhängig.

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  6. @Antje – Ja, genau: „Wenn es mächtige gibt“. Und ich rechne fest damit, dass es selbst im bezogenfreiheitlichen Utopia (bitte keinesfalls herabwürdigend verstehen, ich träume ja selbst davon) immer bestimmte Arten von Macht gibt, und wenn es „nur“ die informelle Macht der Beziehungen ist.

    Aber wie eben hier und heute die materiell entscheidend ‚Mächtigem‘ entstehen, welche Art der ganz und gar nicht informellen Macht genau sie denn wodurch erhalten und auf wen genau sie diese Macht ausüben können, das hat, im Hinblick darauf, was Prostitution heute bedingt, wer sie ausübt (oder auszuüben hat) und wer sie als sogenannte Dienstleistung in Anspruch nimmt, eben eine Menge mit der Art zu tun wie unsere Wirtschaft funktioniert, und in ihr die Mittel der Bedürfnisbefriedigung. Und das bleibt, solange das so bleibt, letztendlich die (komischerweise selten benannte) Grundlage aller Verhandlungen darüber, was als ‚machbar‘ und ‚akzeptabel‘ zu gelten hat. Und daran ist für mich unbedingt denken, wenn ich körperliche Freiheit nicht nur daran messen will, wie weit ein Mensch den eigenen Körper unter den jetzigen Bedingungen optimal einsetzen kann.

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  7. Ich habe gerade eine Entdeckung gemacht, von der ich nicht sicher bin, ob sie in diesen Kontext passt, die ich aber sehr interessant finde: In einem Artikel bei doccheck.com, das hauptsächlich von MedizinerInnen und medizinischem Fachpersonal gelesen werden dürfte, wurde der Fall einer 69-jährigen Frau beschrieben, die ihren Arzt verklagt hat, weil sie nach einer Operation Schmerzen beim Sex hatte. Zwei Punkte fand ich in der Falldarstellung bemerkenswert.
    1. Die Berechnung des verlangten Schadenersatzes, nämlich: „Als Grundlage für die Berechnung trug der Anwalt eine durchschnittliche Koitusfrequenz von zwei- bis dreimal pro Woche bei einem Marktwert von €60 pro Geschlechtsakt und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 85 Jahren vor, wobei die abnehmende Frequenz mit zunehmendem Lebensalter berücksichtigt wurde.“ (Deshalb vielleicht so halbpassend im Prostitutions-Thread – mich faszinierte der Marktwert des Geschlechtsakts.)
    Und 2. sprach aus dem Artikel eine unglaubliche Haltung gegenüber weiblicher Sexualität, die mich schlicht sprachlos macht: „Jedenfalls sollte man auch bei einer postmenopausalen Patientin ein intaktes Sexualleben nicht von vorne herein ausschließen und dies bei der Aufklärung offen ansprechen.“
    You don’t say?!
    Ich weiß nicht, ob der Artikel frei zugänglich ist, hier ggf. der Link: http://news.doccheck.com/de/blog/post/1247-marktwert-der-sexualitaet/

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  8. @Antje – „Es wäre so wichtig, eine Kultur zu haben, in denen wir uns über die Schwierigkeiten, solche Entscheidungen zu treffen, offen austauschen und uns gegenseitig dabei unterstützen. Anstatt immer wieder auf die bescheuerte Alternative: „Verbieten oder Erlauben“ zurückzufallen.“

    Ja unbedingt. Das führt dann zu der Frage , wie gelingt es uns eine solche Kultur zu schaffen, welche Grundbedingungen sind dafür notwendig.?

    Sehe es ähnlich wie @endolex, der darauf verweist dass die vorherrschenden Wirtschafts-Produktionsverhältnisse die ‘entscheidend Mächtigen’ hervorbringen, die ein Interesse
    daran haben Menschenkörper so lange in Besitz zu nehmen und auszubeuten, solange diese der Macht(Profit)mehrung dienlich sind.
    Dass geht bis zum letzten Atemzug z.B. von Menschen, die an Maschinen hängen und ihnen selbstbestimmtes Leben u. Sterben nehmen.
    Ich bin misstrauisch, ob PatientenInnen-Verfügungen daran etwas ändern, weil die Entscheidungsgrundlagen von sog. lebensverlängernden Maßnahmen auch
    wiederum von ökonomischen Gegebenheiten bestimmt werden.

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  9. @Antje
    Toller Beitrag, Du formulierst perfekt aus, wieso ich Prostitutionsverbote ablehne.

    Ein weiteres Beispiel in der Richtung wären ja Rauchen oder Trinken: Verbote werden nicht breit akzeptiert und wir werden nicht verhindern können, dass das Laster für einige Menschen zur Sucht wird. Das Beispiel kommt mir immer in den Kopf, wenn argumentiert wird, dass bestimmte Frauen, die lieber ihren Körper verkaufen als im Penny an der Kasse zu sitzen, sich aus »falschen« Gründen prostituieren.

    @endolex
    Machtverhältnisse zwischen Menschen wird es immer geben, und sei es dass ein Kind von seinen Eltern abhängig ist. Oder weil jemand etwas von jemand anderem will (z. B. Liebe, Wohlwollen oder Geld).

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  10. @japanjedi Da widerspreche ich wie gesagt gar nicht, dass es immer Unterschiede und Abhängigkeiten geben wird. Nur ein Großteil der heute gesellschaftlich grundlegend wirksamen Machtverhältnisse welche eben Prostitution und alles weitere im wesentlichen bedingen, ergeben sich für mich eben nicht aus solchen „natürlich“ bedingten Unterschieden im Handlungsvermögen, sondern aus etwas anderem, siehe oben.

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  11. Wie siehst Du das bei Organhandel? Sollte es erlaubt sein, seine eigene Niere freiwillig für Geld zu verkaufen?

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  12. Toller Artikel! Endlich mal eine unumstößliche Wahrheit auf den Punkt gebracht: mein Körper gehört mir!

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  13. @Ute Plass
    Was ist denn mit Menschen (z. B. Frauen), die sich dieser Umstände genau bewusst sind und diese für sich selbst ausnutzen? Obwohl ich diese Haltung persönlich nicht unterstütze, so kann man oder frau doch trotz — oder gerade wegen — dieser Machtverhältnisse seinen Vorteil daraus ziehen. Freiheit bedeutet ja auch, Freiheit Fehler zu machen — oder einfach anderer Meinung zu sein.

    @endolex
    Ich muss zugeben, dass die Sprache, die Du benutzt, für mich etwas fremd wirkt (etwas, was meine Eltern in den 1960ern und 1970ern eventuell gesagt haben). Das soll noch nicht mal eine Kritik sein, aber ich sehe die Welt nicht aus dieser Sicht, das ist mir persönlich etwas zu einseitig. Ich will mich nicht zu weit von Antjes Post entfernen, aber nur so viel: für mich fußt Macht auf Abhängigkeit und Machtausübung auf Einfluss. Natürlich stimmt es, dass Geld Abhängigkeit reduziert und man es auch nutzen kann, um auf andere Macht auszuüben. Aber in anderen Staaten, die nicht marktwirtschaftlich organisiert waren, gab es diese Zusammenhänge ganz genauso, da war die Währung eben nicht unbedingt Geld sondern vielleicht ein Studienplatz oder ein Ausreisevisum.

    Für mich zielt Antjes Post ja auch auf diese Richtung ab: indem Frauen selbstbestimmter werden, reduzieren sie ihre Abhängigkeit — auch wenn das bedeutet, dass sie die bestehenden Machtverhältnisse bewusst zu ihrem Vorteil ausnutzen. Unter den selbstbestimmten Frauen gibt es mit Sicherheit auch überzeugte Kapitalistinnen, denen diese Verhältnisse nichts ausmachen.

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  14. Ja! Ich hätte sie gern, diese Debatten.
    Im Koalitionsvertrag steht: Leihmutterschaft ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Ganz abgesehen davon, dass ich da schon seit Monaten drauf herum denke, welcher der betroffenen Menschen damit gemeint sein könnte: trifft das nicht genauso auf Prostitution und Sterbehilfe zu? Warum erlaubt man nur das eine? Ich finde einfach keine Antworten für mich.

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  15. @japanjedi
    Es ist in der Tat alles andere als neu, was ich erzähle, aber das ändert für mich nichts an dessen notwendigen und bleibenden Bezug, eben Prostitution und das Beenden des eigenen Lebens und Abtreibung. Es geht mir auch nicht um Einseitigkeit im Sinne von: Ich kann alles mit Kapitalismus erklären, das wäre Unsinn. Nur: Für mich ist nur die wirtschaftliche, materielle Grundlage etwas, was sich nicht ausblenden oder wegwischen lässt in gesellschaftlichen Debatten in denen es darum geht, was dafür, dass man die Möglichkeit erhält, zu überleben (nämlich Geld) so allerhand tun darf oder nicht darf. Da stellt sich doch die Frage nach dem Charakter von Geld und der Wirtschaftsweise von ganz allein (sollte man annehmen).
    Und mal im Ernst: Sich in einem alternativen System „für einen Studienplatz“ zu prostituieren wäre wohl ein wesentlich selteneres und unwahrscheinlicheres Ereignis als die heutigen Tatsachen in Bezug auf Straßenstrich und Menschenhandel, welchen mit Verboten eben nicht beizukommen ist.

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  16. @japanjedi – „Was ist denn mit Menschen (z. B. Frauen), die sich dieser Umstände genau bewusst sind und diese für sich selbst ausnutzen?“
    Welche Umstände meinst Du, deren sich z.B. Frauen ganz genau bewusst sind?

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  17. Liebe Antje,
    „Aber man kann nicht in den menschlichen Körper hineinregieren, wie sich zum Beispiel der Verkehr oder die Eigentumsrechte gesetzlich regeln lassen.“

    Ich finde schon, dass es möglich ist, in den Körper hinein zu regieren. Normen (Schönheits OP’s,…) und Auswirkungen von Hartz IV Gesetzen werden sehr körperlich erlebt. Gesetze wie das GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz der Gesundheitsreform von 2007 haben uns die Pflege nach Minutentackt gebracht – und das wirkt durchaus auf und in den Körper. Pharmainteressen, die zur Verschreibung und Gebrauch von Antidepressiva führen, als hätten wir es mit Smarties zu tun, regieren unmittelbar in den Hirnstoffwechsel. Das Verbot z.B. der Prügelstrafe in Schweden hat durchaus eine andere gesellschaftliche Norm gesetzt, die die Stimmung dessen, was als „normal“ toleriert wird, verändert hat. Das hat sicherlich nicht alle Kinder vor Gewalt geschützt, aber es wirkt in den Körper.

    „Ich glaube, wenn eine sehr gute Freundin mich darum bitten würde, würde ich ihr beistehen, auch wenn es gesetzlich verboten wäre. Sozusagen als „verlängerter Arm“ ihrer selbst.“

    Wenn mich eine Freundin in Not darum bitten würde, hoffte ich sehr, dass ich eine Entscheidung treffen kann… aber es ist doch nicht so, als käme diese Diskussion um Sterbehilfe in einem neutralen Raum, als sei es zufällig, dass es so viele Filme mit schöner Musik über Sterbehilfe gibt… Ich fürchte mich in einer Gesellschaft, in der ein „selbstbestimmter“ Tod Normalität wird. Selbst wenn ich vielleicht in einer Extremsituation meine Freundin darin unterstützen würde, möchte ich nicht, dass es „normal“ wird, sondern dass es völlig außergewöhnlich bleibt. Schon ein wenig so, wie Du schreibst: „Und genau wie bei Abtreibungen wird es immer eine schwierige Entscheidung sein, die individuell getroffen wird und bei der eine ungeheuer komplexe Mischung aus äußeren Umständen, sozialen Normen und individuellen Befindlichkeiten zusammenwirken.“ Trotzdem kann ich nicht so einfach auf einen schwierigen Umgang mit gesetzlichen Regelungen verzichten. Ich möchte, dass Mord und Körperverletzung verboten bleibt, und dass Schwangerschaftsabbruch oder die Geburt eines behinderten Kindes erlaubt bleibt. Die gesetzliche Regelung ist nicht die einzige Regelung und es braucht einen gesellschaftlichen Diskurs, wie wir leben wollen, das sehe ich auch so. Aber gerade weil die Biopolitik mit Gesetzen und Normen so in das Leben eingreift, muss ich auch auf der Ebene manchmal Einhalt gebieten.

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  18. „Im Fall der Abtreibung übrigens hat sich das Gesetz ja selbst bereits ad absurdum geführt. Da ist inzwischen offiziell festgelegt, dass Abtreibung zwar verboten ist, aber nicht strafrechtlich verfolgt wird. Ein Verbot, das nicht verfolgt wird, ist aber kein Verbot mehr. Wer kann so ein Rechtssystem noch ernst nehmen?“

    etwas komplizierter als Verbot – nicht Verbot ist das Rechtssystem halt schon. Ich bin auch kein Jurist, aber ich denke, du wirfst die Begriffe Verbot, Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit etwas durcheinander. Der Schwangerschaftsabbruch ist nämlich rechtswidrig. Zur Rechtswidrigkeit sagt Wikipedia: „Im Strafrecht ist eine Handlung, die den Tatbestand einer Norm erfüllt, entweder gerechtfertigt und damit straflos, oder rechtswidrig und damit als Unrecht grundsätzlich strafbar.“ Das entscheidende Wort scheint mir hier das Wort Unrecht zu sein, was sich auf die Vernichtung des Lebens bezieht. Mit der Rechtswidrigkeit möchte der Gesetzgeber ausdrücken, dass er in der Abtreibung ein Unrecht sieht. Bestraft wird es aber nicht, aus verschiedenen Gründen, vermutlich wegen der Entscheidungsfreiheit der Betroffenen. Ich sehe darin einen gewissen Kompromiss.
    Es gibt auch noch einige andere Zusammenhänge, bei denen eine rechtswidrige Tat nicht bestraft wird, aber das würde zu weit führen. Ist etwas denn nur ein Verbot, wenn es auch bestraft wird? Du hast, wenn ich mich richtig erinnere, mal kritisiert, dass das Recht nur Freispruch oder Knast kennt. Wenn es aber mal etwas differenzierter ist, ist es auch nicht in Ordnung. Man muss ja nicht darin zustimmen, dass eine Abtreibung ein Unrecht ist. Aber „absurd“ ist das Recht deswegen noch lange nicht. Man ist einfach nur anderer Meinung. Schade dass dieser eigentlich sehr interessante Artikel (mal wieder) mit polemischen Parolen gegen das Rechtssystem enden muss.

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  19. Ergänzung zur Abtreibung und deren Rechtswidrigkeit:

    Eine Abtreibung aufgrund medizinischer Notwendigkeit oder nach einer Vergewaltigung ist NICHT RECHTSWIDRIG. Ursprünglich sollte mit der Reform des §218 auch die Abtreibung nach Schwangerschaftskonfliktberatung (Fristenlösung) nicht mehr rechtswidrig sein, doch hat das Bundesverfassungsgericht diese erste Version von 1992 ABGELEHNT. Daraufhin wurde das Gesetz 1995 per $218a dahingehend verändert, dass es nun – für den Fall Beratung/fristgerecht – heißt:

    Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn
    1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
    2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
    3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

    Über Rechtswidrigkeit bzw. Nicht-rechtswidrigkeit wird GAR NICHTS MEHR explizit gesagt. Sondern jetzt wird ausdrücklich bestimmt: Wer die Bedingungen der Fristenlösung einhält, verwirklicht den Tatbestand der Abtreibung nicht.

    Was schon ein wenig seltsam ist, denn im $218 heißt es schlicht und einfach:

    „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. “

    Das, was einer Gesellschaft als RECHT gilt (und dann auch in Gesetze gegossen wird) ist nun mal Ergebnis komplexer Einigungsprozesse, die zu Kompromissen führen, mit denen alle Seiten leben können – und nicht so etwas wie mathematische oder sprachliche Logik, die nur richtig oder falsch, stimmig oder unsinnig sein kann.

    Und das ist GUT SO, nicht etwa ein Fehler.

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  20. Zu dem alten Slogan „Mein Körper gehört mir“ habe ich nicht mehr solch ein ungebrochenes Verhältnis wie früher. Tatsächlich finde ich ihn fast zu neoliberal angeeignet nach dem Motto „ich kann mit meinem Körper machen, was ich will“. Dass ich mit meinem Körper in Kontakt mit der Welt bin und immer im Spannungsfeld stehe von Eigen- und Fremdwahrnehmung, von Individualismus und sozialem Bezug, und dass er verletzlich ist, wie andere Körper verletzlich sind, und dass ich andere Körper brauche… all das ist irgendwie jenseits von „gehören“ und „machen“… Mir fällt dazu ein Vortrag von Tove Soiland ein, zu hören auf: https://soundcloud.com/sj-die-falken-th-ringen/lassen-sich-gesellschaftliche. Hörenswert.

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  21. Der Anfang ist ja eher fragwürdig, aber zum Ende hin formuliert der Artikel wirklich ein paar gute Gedanken zum Thema Ursachenforschung. Aber ich finde trotzdem nicht, dass jeder Mensch bedingungslos alles mit seinem Körper machen darf.

    * Da fällt mir beim Thema Suizid/Sterbehilfe schonmal ein, dass viele Depressive sich töten wollen, was man bei Erkennung und Behandlung sicherlich verhindern kann – zum Vorteil für die Person und alle Angehörigen. Soll man stattdessen jedem, der mal „einen schlechten Tag“ hat (ganz flapsig …), Sterbehilfe gewähren?

    * Außerdem gehört beim Thema Abtreibung auch (manchmal) der Kindsvater dazu – das Baby ist das Produkt zweier Menschen. Ich denke, dass es Situationen gibt, in denen die Frau abtreiben will, der Mann aber nicht (sowas wie Vergewaltigung usw. außen vor gelassen). Abgesehen davon wurde ja die Rechtswidrigkeit weiter oben schon ausführlich erläutert.

    * Bedingungsloser Drogenkonsum ist auch nicht unbedingt erstrebenswert – weder für die Person noch für die Gesellschaft, da gibt es Folgekosten für medizinische Behandlungen, und z.B. auch Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss.

    * Thema Impfen: es gibt Impfverweigerer, die damit ihr Kind und mittelbar die Umgebung gefährden, indem sie z.B. ungeimpfte Kinder in den KiGa oder Schule gehen lassen. Die Sterberate bei Masern ist ungeimpft 3-5 auf Tausend, die Impfschäden bewegen sich bei 2 auf eine Million. 2011 wurde ja schonmal die Impfpflicht diskutiert und (m.E. zu Recht) abgelehnt, aber die Argumente der Impfgegner waren hanebüchen (da wurde mit dem GG und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit argumentiert. Als ob Grundrechte nicht immer Abwägungssache sind – mein Recht gegen Dein Recht).

    Das alles negiert der Artikel leider mit der Bedingungslosigkeit der Forderungen.

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  22. @tseeing – Mein Argument war, dass die Frage nach dem „dürfen“ sich nicht stellt, weil das „können“ einfach ein Fakt ist. Und dass aus diesem Grund eine juristische Herangehensweise die falsche ist. Eine „moralische“ Debatte über solche Fragen würde dadurch, dass sich das Gesetz heraushält, ja gerade ermöglicht. Das heißt, natürlich ist es möglich, darüber zu debattieren, ob Abtreibung/Suizid etc. richtig oder falsch ist. Aber man muss sie im Rahmen konkreter Einzelfälle diskutieren und kann nicht – wie bei gesetzlichen Regelungen notwendig – eine universale Regel daraus ableiten. Aber auch, wenn ich universale Regeln und Gesetze ablehne, hindert mich das ja nicht daran, zum Beispiel mit einer Freundin, die abtreiben will oder über Suizid nachdenkt, darüber zu sprechen, ob das wirklich eine gute Idee ist oder ob es nicht ggfs. Alternativen gibt. Mein Punkt ist gerade, dass diese Gespräche besser laufen (und ich wette, dass sie auch weniger Abtreibungen, Suizide etc. zur Folge haben), wenn ich ihr nicht mit abgehobenen Moralvorstellungen oder Gesetzen komme, sondern wenn ich dabei sie in ihrer konkreten Situation ernst nehme.

    In Punkto Abtreibung bin ich allerdings nicht deiner Ansicht: Dass ein Mann mit einer Frau Sex hatte gibt ihm nicht das Recht, über sie_ihren Körper zu entscheiden. Solange ein Embryo nicht außerhalb des Körpers der Schwangeren lebensfähig ist, ist es ein Teil ihres Körpers, also ein Teil von ihr, und damit hat sie auch die alleinige Entscheidungsmacht (faktisch). Denn ohne ihre Einwilligung ist es unmöglich, dass die Schwangerschaft fortgesetzt wird. Dass Männer (bzw. Menschen ohne funktionierenden Uterus) keine Kinder gebären können, ist eben eine biologische Tatsache, damit muss man leben.

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  23. @Marita – Ja, dass Körper nicht losgelöst von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen existieren, das stimmt. Das „Gehört mir“ finde ich als Slogan auch problematisch, besser wäre gewesen „Mein Körper bin ich“. worauf ich hinauswollte ist, dass das gerade eine andere Qualität hat im Vergleich zu „mein Auto gehört mir“. Das heißt, jedes Gesetz, das über den Körper eines Menschen bestimmt, bestimmt über den ganzen Menschen als solchen – und ist deshalb meiner Meinung nach nicht zulässig.

    Wenn du schreibst „Ich möchte, dass Mord und Körperverletzung verboten bleibt, und dass Schwangerschaftsabbruch oder die Geburt eines behinderten Kindes erlaubt bleibt.“ dann bin ich da ganz deiner Meinung. „Erlaubt bleiben“ heißt, dass es dazu KEINE Gesetze gibt. „Verboten bleiben“ heißt, DASS es dazu ein Gesetz gibt.

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  24. @ClaudiaBerlin – Ja, das meinte ich ja gerade: Faktisch ist Abtreibung erlaubt, aber aus symbolischen Gründen steht sie noch im Gesetz. Ich verstehe, warum die Prozesse so ablaufen, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass rein symbolische Gesetze problematisch sind.

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  25. @tseeling schrieb:

    „Das alles negiert der Artikel leider mit der Bedingungslosigkeit der Forderungen.“

    Nein, finde ich nicht. Denn Antje spricht zu Beginn von der Kraft des Faktischen, nicht von der Rechtslage bzw. juristischen Folgen einer Handlung. Quasi ein existenzialistischer Blickwinkel: wir sind als Menschen vollkommen frei, über unsere Handlungen zu entscheiden, ja wir müssen es sogar – nur müssen wir natürlich auch die Folgen tragen.

    Im JURISTISCHEN SINN gehört uns der Körper nicht (wer das nicht glaubt, recherchiere mal die Frage, wer ein Recht auf das Zahngold von Verstorbenen hat!), Wohl aber haben wir die tatsächliche Macht über ihn – im Rahmen der vorgegebenen und nicht selbst bestimmbaren Funktionen (=wir können nicht beschließen, abzunehmen und dennoch jede Menge essen…).

    Noch kurz zu @tseelings „Weiterungen“: Niemand fordert Sterbehilfe auf die Schnelle! Beim Thema Drogen könnte man auch gleich Extremsport und vieles andere verbieten, ginge es nach den „Folgekosten“. Und zuvorderst Alkohol! Was die Rechte des Kindsvaters angeht, so wäre ein „Zwang zum Austragen“ für mich undenkbar – würden Männer schwanger werden können, käme ein solcher Gedanke vermutlich niemals auf! (Ich bin andrerseits dann auch für ein Recht auf „Opt-Out“ von jeglicher Vaterschaft, wenn der Mann das Kind NICHT will, die Frau sich aber dafür entscheidet). Beim Impfen hab ich noch keine feste Meinung, neige in dem Punkt aber am ehesten zu Vorschriften – z.B. von Seiten der Kitas.

    Insgesamt ein spannendes Thema!

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  26. @ tseeling: Sie verwechseln etwas. Solange ich nicht mit anderen Menschen verkehre, kann ich mit meinem Körper tun und lassen, was ich will. Solange ich nicht mit anderen Menschen verkehre, kann ich Drogen nehmen und den Impfverweigerer geben, solange ich will. In dem Moment, in dem ich mit anderen Menschen verkehre, muss es Regeln geben, an die man sich halten sollte. Wer sich oder seine Kinder dann nicht impft, ist ein Idiot, leider ein legaler Idiot.

    Nichts anderes steht auch im Antjes Beitrag.

    @ endolex: Auch Sie verwechseln etwas. Das Überleben erfordert vom Menschen eine Arbeit, und wenn er in den Wald geht, um Beeren zu sammeln. In einer komplexen Welt erfordert das Überleben ein gemeinsames Arbeiten. Dies geschieht in der regel gegen ein Entgeld. Ich könnte ja auch argumentieren, dass ich mich prostituiere, da ich meiner Chefin meinen Körper in Form meiner Arbeitskraft gegen Geld zur Verfügung stelle. Damit bin ich in meiner persönlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt. Nichts anders macht eine Prostituierte oder ein Prostituierter: Den Körper gegen ein Entgeld zur Verfügung stellen. Ihr Argument „Menschenhandel“ ist im übrigen im Zusammenhang mit dem Ausgangsbeitrag nicht kompatibel, da es hier wieder um zwischenmenschliches Verhalten geht und nicht um das Verhalten eines einzelnen Individuums. Die Gleichsetzung Prostituin = Menschenhandel ist unlogisch. Nur weil es innerhalb der Prostitution zu Menschenhandel kommt (wogegen es gesetzliche Regeln gibt, siehe oben), ist dies kein Argument gegen Prostitution an sich. Auf Schwarzers Niveau sollte man sich nicht herabbegeben.

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  27. @Claudia: Das mit dem Vaterschafts-Opt-out fand ich spontan gut, weil für mich die persönliche Freiheit ein hohes Gut ist. Andererseits halte ich das für sehr problematisch, da Frauen, die vielleicht gern ein Kind austragen würden, dann möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen abtreiben würden. Für so ein Opt-out müssten die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so sein, dass ein Kind finanziell von allen mitgetragen wird, einfach weil es da ist. Das finde ich eine schöne (wenn auch utopische) Vorstellung.

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  28. Das Problem ist, und nur deswegen gibt es überhaupt eine Debatte über den Schwangerschaftsabbruch, daß nicht ein Körper involviert ist, sondern zwei.

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  29. @endolex
    Meine Beispiele waren nicht ideal auf Prostitution zugeschnitten, realistischer wäre beispielsweise einen Freund oder Nachbarn dafür bespitzeln zu müssen — das sind ja auch sehr hohe Preise. Aus meinem Bekanntenkreis kenne ich auch ein Beispiel, wo eine nicht-deutsche Frau einen deutschen Mann geheiratet hat nur um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen (er hat sie nicht aus dem Katalog bestellt, sondern auf einer Dienstreise in Russland im Café kennengelernt). Für mich ist das auch eine Form der Prostitution. Mir fallen noch anderen Beispiele ein, aber es geht letztendlich für mich ja nur darum, dass nicht unbedingt Geld der Preis für etwas sein muss.

    Ich finde nicht, dass Prostitution ursächlich etwas mit Kapitalismus oder Marktwirtschaft zu tun hat. Ich denke, die Visibilität hat eher mit einer weniger repressiven Sexualmoral zu tun, die erlaubt, dass das Thema offen diskutiert wird.

    @Ute Plass
    Ich hätte wahrscheinlich die Passage, auf die ich bezug genommen habe, zitieren sollen.
    »… die ‘entscheidend Mächtigen’ hervorbringen, die ein Interesse
    daran haben Menschenkörper so lange in Besitz zu nehmen und auszubeuten, solange diese der Macht(Profit)mehrung dienlich sind.«
    Ich finde, dass das Prostituierten eine passive Rolle zuweist, als könnten diese nicht selbst entscheiden, was mit ihnen passiert. Vielen sind die Umstände, dass ihr Körper für andere Profite abwirft, vollkommen bewusst und tuen es trotzdem. Prostituierte können ja auch davon profitieren.

    Selbst wenn eine Frau sich prostituiert, weil sie platt gesagt »das Geld braucht« und dann darunter leidet, unterscheidet sich für mich nicht wirklich von der Frau, die in der gleichen Situation anfängt zu trinken. Diese Menschen sind in beiden Fällen selbst für ihre Entscheidungen verantwortlich — und die Gesellschaft sollte ihnen beide Male helfen, wenn sie da raus wollen.

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  30. Man müsste wohl sagen, „Beim eigenen Körper sollte der Arm des Gesetzes enden“. Leider ist die Geschichte voll von Beispielen, die zeigen, dass Menschen auch anderer Ansicht sind: Sklaverei, Leibeigenschaft gab es seit Tausenden von Jahren, und wurde als Rechtmässig betrachtet.

    Es ist noch keine 200 Jahre her, dass sich das änderte, und Menschen langsam nicht mehr (auch) als Ware betrachtet wurden.

    Im Falle von Sterbehilfe bin ich voll dafür, Menschen selbst entscheiden zu lassen:

    http://gedankenweber.wordpress.com/2014/02/20/sterbehilfe/

    Ähnlich ist es mit Prostitution und anderen körperbetonten Dienstleistungen – hier ist nur wichtig dass es aus freiem Willen geschieht, d.h. das Gesetz sollte nicht den Vorgang verbieten, sondern den Schutz der Freiheit von Zwang des Einzelnen im Blick haben. Das ist interessanterweise auch das Hauptargument der „Verbieter“, dass das Verbot dem Schutz diene – das funktioniert aber nicht per Verbot, und Schutz kann der Gesetzgeber auch auf anderem Weg bieten, und das ohne jemandem in der Verfügung über seinen Körper einzuschränken.

    Wie von Solminore schon erwähnt hat, ist das Problem beim Schwangerschaftsabbruch, dass hier zwei Körper involviert sind, von denen der kleinere auf Gedeih und Verderb mit dem größeren und älteren Verbunden ist, zumindest für etwa 9 Monate. Das Problem ist, welche Rechte dem werdenden Menschen zugesprochen werden sollen, und ab wann. Hier, fürchte ich, endet die Klarheit der Aussage, „Über meinen Körper bestimme ich“, weil der einzige der hier bestimmen kann, immer über zwei bestimmt – sich selbst und den werdenden Menschen.

    Ich bin offenbar selbst (wenn es stimmt was mir erzählt wurde) nur knapp einer Abtreibung „entgangen“, und obwohl ich wegen meiner Depression oft nicht so besonder gern lebe, berührt es mich immer wieder seltsam wie sehr Existenz und Nichtexistenz hier an der Entscheidung (oder in meine Falle besser: Nicht-Entscheidung) meiner Mutter hing. Zu wissen, dass man um ein Haar gestorben wäre, bevor man richtig begann zu leben, ist ein seltsames Gefühl.

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  31. @ClaudiaBerlin
    Ein Vaterschafts Opt Out halte ich nicht für gut. Wenn zwei Erwachsene miteinander schlafen, sollten sie sich immer des Risikos bewusst sein. Und dann eben die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen. Wie Antje schreibt, ist es eben so, dass nur Frauen schwanger werden können und es primär um ihren Körper geht. Und die Frauen müssen dann akzeptieren, dass dieser Mann über das Kind dann mit ihnen verbunden bleiben wird und auch Rechte und Pflichten eines Vaters hat.

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  32. @japanjedi: ein Vaterschafts-OptOut (bzgl. des Unterhalts und Vaterpflichten- nicht aber bzgl. der Rechte des Kindes, das ein Recht hat, seinen Erzeuger zu kennen) halte ich für unverzichtbar, wenn man Geschlechtergerechtigkeit herstellen will.

    -> Denn wenn eine Frau das Kind nicht will, kann sie es abtreiben. Durch eigene freie Entscheidung beendet sie damit nicht nur die Schwangerschaft, sondern vermeidet auch künftige Unterhalts- und Mutterpflchten. Der biologische Vater in spe kann den Abbruch nicht verhindern, auch wenn er selbst das Kind will.

    -> Will ein Mann das Kind nicht, kann er seinerseits KEINE Abtreibung verlangen, wenn die Frau das Kind will. Er hat seinherseits keine Möglichkeit, durch eigene freie Entscheidung die Vaterpflichten und insbesondere Jahrzehnte währende Unterhaltsplichten zu vermeiden.

    Das ist m.E. nicht gerecht und sollte durch eine Opt-Out-Lösung anders geregelt werden,

    Man braucht für diese Überlegung noch nicht einmal die Fälle heran ziehen, in denen Frauen etwa behaupten, die Pille zu nehmen oder andere Methoden anwenden, um gegen den Willen des Mannes schwanger zu werden. Der reine Vergleich der rechtlichen Fakten und persönlichen Handlungsmöglichkeiten sollte eigentlich reichen, um zum Schluss zu kommen, dass der StatusQuo nicht in Ordnung ist.

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  33. @japanjedi – Genau das, dass eine Frau, die ein Kind gebiert (in unserer Gesellschaft, das müsste ja nicht so sein) auch gegen ihren Willen deshalb mit dem Vater verbunden bleibt, ist für manche Schwangere ein Grund zur Abtreibung. Weil sie einfach auf keinen Fall weiter eine Beziehung mit diesem Mann wünschen. Ich sehe es deshalb genauso wie Claudia: Die Frau entscheidet über die Fortführung der Schwangerschaft, der Mann sollte die Möglichkeit eines Opt-Outs haben.

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  34. @gedankenweber – Ja, genau das meinte ich: Sklaverei, Leibeigenschaft usw. sind genau die Folgen, die es hat, wenn das Gesetz in die körperliche Selbstbestimmung von Menschen eingreift.

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  35. @ClaudiaBerlin: Ich verstehe folgenden Satz nicht: „Ich bin andrerseits dann auch für ein Recht auf “Opt-Out” von jeglicher Vaterschaft, wenn der Mann das Kind NICHT will, die Frau sich aber dafür entscheidet“ Was ist damit gemeint? Danke im voraus.

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  36. @Antje Schrupp, ClaudiaBerlin
    Ich kann zwar verstehen, dass das für die Frau ein Abtreibungsgrund sein kann, aber ich finde, dass das Teil der Verantwortung ist, die die Frau in diesem Fall trägt. Verhütung liegt in der Verantwortung beider potenziellen Elternteile, und das Fehlen eines Opt Outs hat Vor- wie Nachteile für beide. Beispielsweise kann ich mir Situationen vorstellen, in denen eine Partei zum Opt Out gedrängt wird (beispielsweise weil ein Mann seiner Unterhaltspflicht nicht beikommen möchte oder eine Frau nicht ihren Ehemann von ihrer Affäre wissen lassen möchte).

    Eure Argumentation lässt auch das Recht des Kindes außen vor: ich finde, dass ein Kind das Recht auf zwei Elternteile hat, die es finanziell und emotional unterstützen — und das wird duch ein Opt Out des Vaters verletzt. Und für mich überwiegt das Recht des Kindes in diesem Aspekt. Wie wägst Ihr die Rechte des Kindes hier ab?

    PS Mir ist dann doch ein Fall in den Sinn gekommen, wo ich ein Opt Out für wesentlich halte, der Leihelternschaft (also Samenspende beim Mann oder Leihmutter bei der Frau). Aber Leihelternschaft sollte separat behandelt werden, weil hier die Vorzeichen ja ganz anders stehen.

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  37. @onlinemeiero (hast du deinen Namen geändert? :)) – ich glaube, Claudia meint den Fall: Frau ist schwanger, der Mann möchte kein Kind, sie trägt es aber trotzdem aus. In dem Fall sollte der Mann die Möglichkeit zum Opt-Out haben, also auch nicht verpflichtet sein, für das Kind zu sorgen. Das wäre die logische Konsequenz aus der Tatsache, dass Frauen ja qua Abtreibung das Recht zum „Opt out“ haben, sozusagen.

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  38. @Antje: ah, jetzt habe ich schon einen Kommentar geschrieben in der Zwischenzeit…nö, habe den Namen nicht geändert, wohl aber mal falsch eingetippt…Muss mal besser darauf achten, was mir angezeigt wird…:-)

    Ein Vaterschafts-Opt-out meint also, dass der Mann, der ein Kind gezeugt hat, auch das Recht haben sollte, zu entscheiden, ob er Vater sein will oder nicht. Wie könnte das vonstatten gehen? Der Mann erfährt, dass die Frau, mit der er Sex hatte, schwanger ist. Geht er dann sofort zu einem Notar und hinterlegt dort seinen Willen, nicht Vater sein zu wollen? Wird dieser Wille der Frau notariell beglaubigt überreicht, damit sie das in ihre Entscheidung abwägend mit aufnimmt? Um dann die Frage von Antje weiterzuführen: „Welche Umstände schaffen wir, in denen Schwangere über die Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden?“ Mir fällt spontan ein, dass es Leihomas gibt. (Gibt es eigentlich auch Leihopas?). Puh, da das ja, wie ich finde, ausschließlich auf Freiwilligkeit beruhen kann, …schwierig zu beantworten….

    Abgesehen davon, dass ich finde, dass jeder Mann die Verantwortung für sich selbst übernehmen sollte und also stets verhüten, wenn er keine Kinder möchte, finde ich, dass diese völlige Irrelevanz, ob ein Mann Vater sein möchte oder nicht, eine komplette Einbahnstraße ist.

    Andererseits bemühe ich mich (gerade selbst), es stets aus dem Blickwinkel des Kindes zu betrachten. Ja, ein Kind hat ein Anrecht auf …bestmögliche Versorgung. Es muss nicht unbedingt nur der biologische Vater sein. Eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung(skultur) wäre schön.

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  39. Gedanken(gänge) zu den Themen Prostitution und Sterbehilfe, ausgehend von Antjes Frage: „Welche gesellschaftlichen Veränderungen wären wünschenswert, um diese ja oft existenziellen und belastenden Situationen für die Betroffenen zu erleichtern?“

    Prostitution
    Frauen befinden sich in schwierigen wirtschaftlichen Lagen und sehen keinen Ausweg, als sich zu prostituieren. Das heißt: wie müsste es sein, dass Frauen sich nicht mehr prostituieren aus wirtschaftlichen Gründen? Die Frage, die ich mir stelle, ist: gäbe es Alternativen? Ja/Nein
    Es müsste also so sein, dass Frauen, die wirtschaftlich schlecht gestellt sind – aus welchen Gründen auch immer – gar nicht erst in Betracht ziehen müssen, sich das Geld zum Leben durch Prostitution zu beschaffen. Womit wir wohl beim Bürgergeld wären.

    Sterbehilfe
    Ein Mensch hat eine unheilbare Krankheit und möchte die Schmerzen nicht mehr ertragen. Wie müsste es sein, dass Menschen nicht sterben wollen, weil sie Schmerzen haben? Um das zu lindern, gibt es wohl die Schmerzmedikamente. Aus schulmedizinischer Sicht eine Lösung bzw. Milderung.
    Was aber ist, wenn sich Menschen die Schmerzmedikamente nicht leisten können? Sterbehilfe braucht es, wenn der Mensch allein nicht in der Lage ist, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Aber diese Sterbehilfe ist unter Strafe gestellt. Weil es ja missbräuchlich angewendet werden könnte. Müsste es deshalb einfach eine Einrichtung geben, wo man Sterbehilfe offiziell erhalten kann und müsste jeder Mensch Zeit seines Lebens ein Erkennungszeichen bei sich führen, dass er im Falle, dass er in diese Einrichtung will, nur vorzuzeigen braucht? Die Frage ist nur: wem? Und kann das nicht auch missbräuchlich angewendet werden – z.B. unter Zwang? Vielleicht könnte die moderne Technik dafür eine Lösung schaffen: indem man einen Chip unter die Haut appliziert bekommt, den man nur selbst aktivieren kann.
    Mal weiterdenken…

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  40. @Statistiker+@Japanjedi
    Das wird hier meine letzte Antwort dazu, gern bin ich zu weiterem Austausch bereit, dann unter endolex[AT]gmail.com – möchte Antjes Kommentarthread nicht noch mehr zerfasern. 🙂

    @Statistiker
    Das Überleben im Wald erfordert Arbeit, keine Frage. Wir leben aber nicht im Wald, sondern wie Sie richtig bemerken, in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Nun ist es heute so, dass u.a. der technische Fortschritt es ermöglicht, dass immer weniger Menschen benötigt werden um immer mehr Menschen zu versorgen. Das wäre kein Problem in einer Gesellschaft, die Produktion bedürfnisgerecht organisiert und durch Optimierungen gewonnene Zeit nicht als Problem, sondern als ein gesellschaftliches Kapital angesehen werden, welche beispielsweise einen äußerst hohen Bedarf in sogenannten Care- und Reproduktionsarbeit mehr als decken könnte – in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft hingegen sieht das sehr anders aus, wie Ihnen sicher bekannt ist.
    Und ganz Recht: Es gibt in dieser einen Hinsicht für mich keinen wesentlichen Unterschied zwischen Sexarbeit und jeder anderen Form der Lohnarbeit, entsprechend halte ich einseitige Verurteilungen da auch für verfehlt.
    Wieso Menschenhandel hier ausgeklammert werden soll, kann ich nicht nachvollziehen – für mich gibt es ohnehin kein ‚Verhalten eines einzelnen Individuums‘, jedes Handeln ist zwischenmenschlich (außer eben man lebt allein im Wald). Mein Argument ist auch nicht, dass Prostitution immer Menschenhandel ist, sondern dass Menschenhandel sich genau so wenig wie Prostitution wirksam per Gesetzgebung bekämpfen lässt (was Sie zu glauben scheinen) – denn solange die Wirtschaftsweise die selbe bleibt, bleiben uns auch Prostitution und Menschenhandel erhalten, offen oder verdeckt, weil da eben der lange Arm des Gesetzes gerade mal gar nichts macht außer moralisch zu zeigefingern.

    @japanjedi
    Woher jetzt die gesehene Notwendigkeit von gegenseitiger Bespitzelung als einzige Alternative zu Marktwirtschaft kommt, weiß ich nicht ganz, ebenso wenig verstehe ich nicht, wieso die als Beispiel angeführte Prostitution für Aufenthaltsgenehmigung in D ein Argument gegen meine These sein soll, dass ein Großteil der Gründe aus denen sich hier und heute prostitutiert wird, mit unserem Wirtschaftssystem zu tun hat. Dass es Deutschland nämlich im Vergleich zu vielen anderen Ländern materiell besser geht, hat wiederum genau damit eine Menge zu tun.
    Ich behaupte (zum dritten Mal) nicht, dass es ohne Kapitalismus keine Form der Prostitution gäbe, sondern lediglich, dass die *hier und heute* massenhaft stattfindenden Formen der sogenannten Sexarbeit zu einem überwiegenden Teil kapitalistisch bedingt sind, wie eben alle anderen Lohnarbeiten auch, und dass diese eben deutlich weniger würde, wenn diese Bedingungen nicht mehr vorlägen. Gleiches lässt sich zu einem beträchtlichen (aber auch hier sicher längst nicht 100%igen) Grad von den Gründen sagen, aus denen Menschen sterben oder abtreiben wollen.
    Noch mal: Ich versuche hier keinen ausschließlich und absolut gültigen Zusammenhang herzustellen und alles auf die Wirtschaftsweise zu reduzieren. Aber ich kann diesen Grundfaktor eben auch nicht ausklammern – jede Diskussion über die in Antjes Text angesprochenen zu verhandelnden Freiheiten muss aus meiner Sicht diese Grundbedingung mit beinhalten und die Frage stellen, wie frei die Abwesenheit eines Gesetzes uns hier und heute wirklich machen kann, und welchen Wert sogenannte „Rechte“ auf körperliche Selbstbestimmung, Abtreibung und Sterbehilfe usw. haben, wenn die schwerwiegenderen Einschränkung von wo ganz anders kommen.

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  41. Ich stelle mir grad mal vor, was geschähe, wenn Menschenfrauen in der Lage wären, durch irgendeinen interessanten biochemischen Mechanismus innerhalb ihres Körpers, ohne irgendwelche äußere Hilfe, eine Schwangerschaft zu beenden. (Sowas gibts bei anderen Säugetieren ja auch.) Wetten, daß selbst dann gewisse uns schon bekannte Personenkreise alles tun würden, damit diese ureigene körperinnere Reaktion strafbar gemacht würde?

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  42. Ich möchte hier in diesem Kontext auf ein Phänomen hinweisen, dass genauso tabuisiert wird wie all die anderen Bereiche, die in dem Beitrag angesprochen wurden und an das ich mich stark erinnert fühlte: selbstverletzendes Verhalten. Es hat natürlich nicht die Tragweite wie Abtreibung oder Sterbehilfe, aber ich finde, es trifft die Thematik insofern, als dass auch hier nur durch einen massiven Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen reagiert werden kann und auch wird. Ich will die Entscheidung zu Autoaggression hier nicht verteidigen, doch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass damit in der Regel falsch umgegangen wird. Es wird dem Betroffenen automatisch suggeriert, dass es allen Grund zur Scham und zum Verstecken gibt, statt einfühlsam auf ihn/sie einzugehen und zu fragen „Wieso tust du das?“ und auch eine ehrliche Antwort hören zu wollen, selbst wenn sie eher unschön ist.
    Bei Jugendlichen kommt noch erschwerend hinzu, dass diese Verhaltensweise oft verächtlich mit der Gier nach Aufmerksamkeit abgetan wird. Ich frage mich, was daran schlimm ist? Warum ist das Verdeutlichen eines empfundenen Mangels an Aufmerksamkeit als negativ eingestuft? Warum wird so selten nach der Ursache gefragt?
    Insgesamt trifft auch auf dieses Thema zu, dass weniger das Verhalten an sich abgelehnt werden sollte, sondern eher die Wurzeln des Problems, das sich durch selbiges manifestiert.

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  43. Ich verstehe nicht den Unterschied von „Kämpfen darum, wer entscheidet“, oder das „Recht auf Abtreibung“. Scheint mir logisch dasselbe zu sein – wenn keine äussere Macht entscheidet ist es äquivalent dazu das Recht dazu zu haben. Von daher scheint mir diese Formulierung nur dem Framing zu dienen (äussere Macht = böse, daher Recht auf Abtreibung = gut).
    Wie schon jemand anderer sagte, es geht da halt um zwei Körper. Irgendwann muss man wohl anfangen das Leben zu schützen. Warum sind Kinder überhaupt geschützt und nicht einfach Eigentum ihrer Eltern? Man könnte ja auch sagen, jeder darf über seine Lebensmittel selbst verfügen und wenn er sie nicht mit seinen Kindern teilen will verhungern sie halt. Warum sollte man mit jemand anderem teilen müssen?
    Ich habe mal gelesen daß die Diskussion um Abtreibung nie beendet sein wird – ich glaube wer das gesagt hat hat Recht…

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  44. @Axel-valentin Tigges https://antjeschrupp.com/2014/03/04/beim-eigenen-korper-endet-der-arm-des-gesetzes/#comment-97630

    Bert Hellinger ist ein gefährlicher Scharlatan mit einem patriarchal-faschistisch-christlichen Weltbild, in das er Hilfesuchende zwingt, so zum Beispiel als Kind vom Vater vergewaltigte Frauen, die Herrn Hellinger nachzusprechen haben: ‚Bitte Vater, ich habe es gern für Dich getan‘.

    Es ist kein Zufall, daß Hellinger seinen Wohnsitz in Hitlers Haus am Obersalzberg genommen hat, der Ansicht ist, Israel hätte erst dann Frieden mit den arabischen Anrainerstaaten, wenn sie das Kaddisch für Hitler sprechen, er persönlich hätte Hitler zu lieben, andernfalls könne er sich selbst nicht lieben. Nachzulesen hier http://www.hagalil.com/archiv/2004/04/hellinger.htm über seine gefährlichen Familienaufstellungen hier http://www.zeit.de/2003/35/Hellinger-Haupttext/komplettansicht

    Das Original der Familienskulptur stammt von Virginia Satir und hat nichts, aber auch gar nichts mit den verkürzten und gefährlichen Praktiken von Hellinger and friends zu tun, die u.a. auch jede Vor- und Nachbereitung für verzichtbar halten.

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  45. Der ehemalige kath. Priester Hellinger gebärdet sich als Hohepriester der alten patriarchalen Ordnung. Auffallend, dass es vor allem Frauen sind, denen er meint „die Familien- Ordnung aufstellen zu müssen“.

    @Marita Blauth – gibt es eigentlich ernst zu nehmende Untersuchungen darüber, wie in therapeutischen Zusammenhängen mit dem Begehren
    von Frauen nach Freiheit und Selbstbestimmung umgegangen wird?

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  46. @ Ute Plass – Mir sind keine „Untersuchungen“ bekannt. Aber es gibt viel Erfahrung der Therapeutinnen aus den feministischen Frauenberatungsstellen, die zum großen Teil auch therapeutisch arbeiten, wie z.B. dieTuBF Frauenberatung in Bonn (www.tubf.de), wo ich arbeite. Wir reflektieren unsere Arbeit in diesem Sinne.
    In den Dokus der alten feministischen Frauentherapiekongresse ist ein reicher Erfahrungsschatz sichtbar.

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  47. @Marita Blauth – Danke für die Rückmeldung. Mich interessiert das deshalb, weil ja nicht nur ‚Hellinger-Gurus‘ sich berufen fühlen, ratsuchenden u. hilfebedürftigen Menschen, speziell Frauen ‚die Ordnung‘ aufzustellen. Konnte das gerade bei einer Freundin mit erleben, die von mehreren TherapeutInnen offen bis subtil vermittelt bekam, dass ihre Leidensgeschichte als Simulation angesehen wird um sich von der Erwerbsarbeit zu drücken.
    Das Freud’sche Postulat der Liebes-u. Arbeitsfähigkeit als Zeichen psycho-sozialer Gesundheit scheinen manche Therapeutinnen besonders in den Rahmen des vorherrschenden ‚Arbeitsmarktes‘ einpassen zu wollen.

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  48. Ich denke, jedeR TherapeutIn, auch die feministischen, brauchen einen äußeren und inneren Freiraum zur Reflexion miteinander, um die eigene Arbeit mit Ihren positiven Werten an ihre Anschluss- und Ausnutzbarkeit unter neoliberale Optimierungsbestrebungen immer wieder neu zu überprüfen.
    Ein kluger Vortrag von Tove Soiland, die den Queerfeminismus kritisch beleuchtet:

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  49. Ja, sehr lohnend, der Vortrag von Tove Soiland, die darauf verweist, dass es auch darum geht, die ‚Strukturen hinter dem
    Rücken des Individuums‘ zu erkennen.

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  50. Bin gerade auf diesen Beitrag gestoßen und würde gern etwas richtigstellen:

    „Im Fall der Abtreibung übrigens hat sich das Gesetz ja selbst bereits ad absurdum geführt. Da ist inzwischen offiziell festgelegt, dass Abtreibung zwar verboten ist, aber nicht strafrechtlich verfolgt wird. Ein Verbot, das nicht verfolgt wird, ist aber kein Verbot mehr. Wer kann so ein Rechtssystem noch ernst nehmen?“

    Das ist so nicht korrekt. § 218a StGB, auf den sich diese Aussage offensichtlich bezieht, besagt keineswegs, dass ein Schwangerschaftsabbruch zwar verboten ist (§ 218 StGB), aber nicht verfolgt wird. Vielmehr legt z.B. § 218a Abs. 1 fest, dass unter den dort angegebenen Voraussetzungen (fristgerechter Abbruch durch Arzt und nach Beratung) eine Abtreibung überhaupt keinen Schwangerschaftsabbruch im strafrechtlichen Sinn darstellt.

    Mir ist natürlich klar, dass diese Sache für die Hauptaussage des Beitrags keine großte Bedeutung hat, aber als Jurist reagiere ich vielleicht etwas sensibel, wenn jemand die Sinnhaftigkeit unseres Rechtssystems aufgrund eines Missverständnisses der gesetzlichen Regelungen in Frage stellt.

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  51. Ich hatte nicht die Muße, einmal alle Kommentare zu lesen, und hoffe deshalb hier nichts zu wiederholen:
    Ich bin bis zu einem gewissen Punkt einverstanden wenn du sagst, nichts könne zwischen einem Menschen und ihrem Körper stehen, egal bei welcher Entscheidung. Allerdings würde ich gerne hinzufügen: nichts Physisches. Spontan fiel mir der religiöse Verbot von Freitod ein, der aber weit mehr als ein Verbot ist. Die Idee des Freitodes wurde und ist oftmals von sozialer Ächtung, ‚Drohungen‘ wie die Hölle, etc, begleitet. (Vage erinnere ich mich sogar an eine Karte der Hölle in der Menschen, die Suizid begangen hatten und ungeborene Säuglinge in einem Bereich versammelt waren.)
    All diese Begleitungen sind aber in ein weit größeres System eingebettet, die sozialer Ächtung oder der Hölle eine gewisse Bedeutung verleihen (& sind somit kontingent, aber nicht minder real).
    Auch das ist Biopolitik, und wie ich finde, ein sehr gutes Beispiel von wie ‚in den Körper hineinregiert‘ wird.

    Und wenn ich weiterdenke frage ich mich, ob diese Form von Biopolitik nicht die Gefährlichste ist, weil sie innerhalb des System unmarkiert bleibt und nur von Außen betrachtet auffällig wird. Spontan fallen mir keine anderen Beispiele für eine solche Kontrolle von Körpern ein, die auch mich betreffen würde… Was ich aus dieser Perspektive nicht als besonders beruhigend empfinde.

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