Freiheit unterm Schleier? Hm, so eher nicht

Mit dem muslimischen Kopftuch geht es mir ein bisschen wie mit der Prostitution: Ich bin unbedingt dagegen, es zu verbieten oder Frauen, die sich dafür entscheiden, zu stigmatisieren, zu diskriminieren oder für willenlose Opfer zu halten. Aber ich bin gleichzeitig der Ansicht, dass es sich dabei um eine Praxis handelt, die nur innerhalb von patriarchalen Kulturen Sinn ergibt und die ich daher nicht wirklich gut finden kann.

Leider ist aber auch beim „Kopftuchthema“ die Debatte völlig verengt auf die Frage, ob und wie es gesetzlich geregelt gehört. Auf der Contra-Seite werden die unterschiedlichsten und oft abenteuerliche Dinge hineininterpretiert, die Pro-Seite beschränkt sich meistens darauf, es zu einer individuellen Angelegenheit der betreffenden Frauen zu erklären, die niemanden sonst etwas angehe. Mit beidem bin ich nicht einverstanden.

Ich bin der Ansicht, dass eine Debatte über dieses Thema nur möglich ist, indem man die Gründe und Argumente von Frauen, die das Kopftuch tragen, hört und ernst nimmt. Ich bin aber auch der Ansicht, dass ein solches sichtbares Symbol, das die Erscheinungsweise von Frauen in der Öffentlichkeit prägt  – und es gibt ja in Deutschland schon längst mehr nur als eine Handvoll von Kopftuchträgerinnen – nicht einfach nur Privatsache ist, sondern etwas, das uns alle betrifft. Zumindest betrifft es auch mich, die ich ja auch eine Frau bin.

Natürlich gibt es unzählige unterschiedliche Gründe, warum eine Frau das muslimische Kopftuch trägt (es gibt ja auch andere Kopftücher). Manche tun es aus Tradition oder Gewohnheit, manche als sichtbares Zeichen ihrer Frömmigkeit oder ihrer Zugehörigkeit zum Islam, manche vielleicht auch einfach nur als Mode oder um ihre Eltern zu ärgern oder um ihren Eltern einen Gefallen zu tun.

Eine feministische Aktivistin hat mal gesagt, sie trägt es, um keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass sie eine lupenreine Muslimin ist, aber sie trägt es auf eine untypische Weise, um gleichzeitig deutlich zu machen, dass sie sich nicht der üblichen patriachalen Tradition ihrer Religion verpflichtet fühlt, was eine Begründung war, die mir besonders gut gefiel.

Das alles sind aber sozusagen, wie man auf philosophisch sagen würde, „kontingente“ Gründe, das heißt, sie hängen nicht wesentlich mit dem Kopftuch zusammen, sondern sind dem Zufall der historischen oder persönliche Umstände geschuldet. Das bedeutet nicht, dass sie unwichtig sind, ganz im Gegenteil, das Kontingente ist meist viel wichtiger als Prinzipien oder Theorien. Aber an dieser Stelle interessiert es mich mal nicht.

schleierWas soll also das Kopftuch, eigentlich? „Unter dem Schleier die Freiheit. Was der Islam zu einem wirklich emanzipierten Frauenbild beitragen kann“ – unter diesem Titel hat Khola Maryam Hübsch jetzt eine Antwort auf diese Frage versucht. Und mit dieser Antwort möchte ich mich hier auseinandersetzen, weil ich mit ihr nicht einverstanden bin.

Wobei ich vorausschicken muss, dass ich mit dem Allermeisten, was sie schreibt, durchaus einverstanden bin. Ein großer Teil des Buches besteht in der Zurückweisung unangemessener und klischeehafter Zuschreibungen an das Kopftuch und aus einem Plädoyer gegen jegliche Verbote, und das sehe ich alles, wie gesagt, ganz genauso.

Der zweite Argumentationsstrang handelt von der Liebe, und zwar von der heterosexuellen Ehe zwischen einer Frau und einem Mann. Ihre Kritik wendet sich, wenig überraschend, gegen die Sexualisierung des weiblichen Körpers, gegen die romantischen Liebesklischees, die allzu oft ins Unglück führen und dergleichen. Ihre Hauptreferenz ist dabei die Studie „Warum Liebe wehtut“ von Eva Illouz, über die ich ja auch schon gebloggt habe. Auch dieser Analyse kann ich weitgehend zustimmen, das ist alles nicht schön.

Aber. Ist das Kopftuch, beziehungsweise die Art von Geschlechterbeziehungen, für die es (laut Hübsch) im Islam steht, eine Lösung für all das? Ein Wort, das sie in dem Zusammenhang oft verwendet, ist „reizarm“. Ihre Argumentation ist letztlich: Eine Kleidung, die den Körper „reizarm“ verhüllt, bewirkt, dass Männer und Frauen füreinander sexuell nicht so anziehend sind, und das wiederum hat zur Folge, dass es weniger Fremdgehen und damit stabilere Ehen gibt, was das Leben für alle, die sich dauerhafte Paarbeziehungen wünschen, leichter macht. Wobei Hübsch betont, dass „Reizarmut“ ein Gebot für Frauen und für Männer sei.

Mal ganz abgesehen davon, dass Homosexualität in diesem Modell als Möglichkeit gar nicht vorkommt, bezweifle ich sehr, dass das so funktioniert. Ich selbst habe einige Erfahrung mit „reizarmer“ Kleidung, sie ist nämlich das, was ich schon immer trage. „Sexy“ kommt in meinem Kleiderschrank nicht vor – aber das hat keineswegs verhindert, dass ich mich permanent in jemanden verliebt habe und alle möglichen Leute sich in mich verliebt haben.

Möglicherweise hat die Art der Kleidung eine Auswirkung auf spontane körperliche Geilheitsanfälle, aber das, was für monogame Beziehungen die viel größere „Gefahr“ ist (wenn man dem Konzept denn mal folgen will), nämlich die Attraktivität einer Person, das Interesse an jemand, das Herzklopfen macht und den Wunsch hervorruft, diese Person wiederzusehen und Zeit mit ihr zu verbringen, das ist von „reizhafter“ Kleidung meiner Erfahrung nach ziemlich unabhängig.

Deshalb zweifle ich auch an Hübschs These, dass gerade das „Kopftuch“ – nicht als isoliertes Kleidungsstück sondern als Ausdruck von „reizarmer“ Kleidung generell – den Nutzen hat, öffentliches Wirken von Frauen leichter zu ermöglichen, weil es sozusagen verhindert, dass sich das öffentliche Wirken mit emotionalem und potenziell ehezerstörendem Beziehungskuddelmuddel vermengt.

Meine Gegenthese gegen diese Begründung für das Kopftuch wäre: Überall dort, wo Frauen mit Männern zusammentreffen (und, im Fall dass sie lesbisch sind, auch dort, wo sie mit Frauen zusammentreffen), besteht die „Gefahr“, dass sie diese anderen Männer_Frauen attraktiv und interessant finden oder von diesen attraktiv und interessant gefunden werden. Kein Kopftuch der Welt kann diese „Gefahr“ auch nur um ein Minimum reduzieren. Mit dieser „Gefahr“ müssen wir alle – als Gesellschaft und als Einzelne – umgehen.

Dafür gibt es ja unendlich viele Möglichkeiten, von innerer Entschlossenheit aus dem festen Wille zu unbedingter „Treue“ auf der einen Seite bis hin zur gänzlichen Verabschiedung der Monogamie auf der anderen. Aber irgendwo auf dieser Skala müssen wir uns ansiedeln – jedenfalls alle diejenigen von uns, die draußen in der Welt aktiv sind und dort mit anderen Menschen als unserem Ehemann oder unserer Ehefrau zu tun haben oder (möglicherweise sogar eng) zusammenarbeiten.

Die einzige Möglichkeit, dieser Problematik aus dem Weg zu gehen, ist es, gar keine außerehelichen Beziehungen zu anderen Menschen zu haben. Oder, wenn man in Hübschs strikt heterosexuellem Kosmos bleibt: Keine außerehelichen Beziehungen zu anderen Männern. Und leider ist das ja eine Interpretation, die dem real existierenden Islam nicht ganz fremd ist.

Natürlich grenzt sich Hübsch von solchen frauenfeindlichen Ideologien klar ab. Aber sie selbst schreibt auch nichts über das öffentliche Wirken von Frauen. Unter weiblicher Freiheit scheint sie nur die Freiheit zu verstehen, einen guten Mann zu finden und mit ihm eine stabile dauerhafte Ehe zu führen. Und das Kopftuch soll dabei helfen, weil es (angeblich) verhindert, dass andere Männer sie attraktiv finden.

Aber eine Frau, die klug und stark in der Welt wirkt, ist nunmal attraktiv. Auch wenn sie ein Kopftuch trägt. Let’s deal with that.

Khola Maryam Hübsch: Unter dem Schleier die Freiheit. Patmos 2014, 192 Seiten, 16,99 Euro.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

54 Gedanken zu “Freiheit unterm Schleier? Hm, so eher nicht

  1. Sehr schöner Post, Antje. Ich tue mich mit dem Kopftuchverbot sehr schwer und hadere immer wieder mit mir, ob es nicht doch besser wäre, es in bestimmten Kontexten zumindest zu verbieten.* Aber da das Recht auf Selbstbestimmtheit für mich trotzdem wichtiger.

    * Ein Beispiel für wären lange Ärmel für muslimische Frauen im Krankenhaus (die gehören zur »reizarmen« Kleidung dazu), da der Saum der langen Ärmel ein Hygienerisiko darstellt. Das gilt übrigens auch für die althergebrachten weißen Arztkittel.

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  2. Schreibt sie auch darüber, was „reizarme“ Kleidung für Männer ist? Das Gebot gilt ja auch für Männer, sagen Sie. Und was sagt KMH darüber, dass Anhänger*innen ihrer Theorie damit leben müssen, von nicht-reizarm gekleideten Menschen umgeben zu sein?

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  3. Wenn ich schon das Wort – reizarm – nicht nur für dieses Thema lese, erfasst mich, auch noch als 70-jährige die kraftvolle, konstruktive Wut.
    „Googelte“ mal, und fand außer den Synonymen:
    abgeschmackt, abwechslungsarm, abwechslungslos, blass, blässlich, ein Gemeinplatz sein, einfallslos, einförmig, fade (Adjektiv), farbenarm, farblos, formenlos, geschmacklos, geschmacksarm, geschmacksneutral, langweilig, monoton, nüchtern, reizarm, reizlos, schal, seicht, ungesalzen, ungewürzt, öde!!!! nur noch Bezüge zum Essen!
    Wie schon @Pamela schreibt: Stellt sich die Frage nach der reizarmen Kleidung für Männer. Ich denke, das erübrigt sich, da wir Frauen – seit immens vielen Generationen wie Kulturen – nicht zur sexuellen Ausbeutung hin – was die Männer betrifft – kultiviert wurden (Prostitution ist für mich eine Dienstleistung)..
    Das weltweit, größtenteils übliche Patriarchat, sorgte sehr früh dafür, dass die Frauen nicht auf solche „Gedanken“ kommen.
    Wenn schon die Natur zum Überleben die Frauen mit „Reizen“ ausstattete, ist dies noch lange kein Freibrief für das Männliche, diese in allen kulturellen Formen/Ausübungen zu unterdrücken, auszubeuten, etc. Humanität betrifft auch das Männliche! Ist noch viel zu tun/lehren auf dieser Welt.
    Liebe Antje Schrupp, für alle Ihre Themen, wie Engagement/Arbeit ein Riesen Dankeschön.

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  4. Frauen sollen sich bedeckt kleiden damit ein Mann nicht plötzlich Gelüste auf sie bekommt. Ja die Frau ist an allem Schuld, mal wieder und überhaupt. Das war schon damals im Paradies so, als Eva Adam verführte, wenn auch nur zum Apfelessen.
    Egal ob Kopftuch oder Genitalbeschneidung, die Frau hat dafür zu sorgen, dass kein Mann sie vor der Ehe berührt, bzw. eigene Sexualität ist nicht erforderlich und auch nicht erwünscht.
    Das Fatale daran ist, Frauen glauben das auch noch!

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  5. Liebe Antje,

    ich bin ehrlicherweise nicht immer Deiner Meinung, aber hier schon. Zu 100% sogar! Was für ein bemüht-naives Argument: das Kopftuch und “reizarme” Kleidung, um die Risiken und Anfechtungen einer partnerschaftlichen Beziehung zu minimieren? So ein welt- und menschenfremder Quatsch.

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  6. Ja, ich teile Deine Analyse. Für mich persönlich gibt es noch eine weitere Komponente, die mir das Akzeptieren des Schleiers schwer macht: das ist die Unterstellung, ich sei triebgesteuert. Ein zentrales Argument der Schleierträgerinnen ist ja, dass Männer „davor bewahrt werden müssen“, auf dumme Gedanken zu kommen. Abgesehen davon, dass dumme Gedanken ja nicht immer was Schlechtes sind, ist das eine menschenverachtende Haltung, die mich diskriminiert. Damit bleibt das Schleiertragen eben nicht Privatsache wie weiße Socken in Sandalen, sondern wird ein Bekenntnis, und zwar zu einer Haltung, die den Umgang miteinander erschwert. Ich möchte nicht demonstriert kriegen (ich möchte das überhaupt nicht), dass mir unterstellt wird, ich könnte jederzeit übergriffig werden und es sei erforderlich, sich dagegen zu wappnen.

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  7. @Claudia CM – Das trifft nicht das Argument von Khola Hübsch, da es ihr genau um die Beidseitigkeit geht. Wie gesagt: Auch Männer sollen sich „reizarm“ kleiden, damit auch sie keine „Gelüste“ bei fremden Frauen erwecken. Ich wollte in meinem Post gerade darauf hinaus, dass nicht eine (vermutete) Asymmetrie Frau/Mann hier das Problem ist, sondern die Annahme, es gebe überhaupt „reizarme“ Weisen, wie sich Menschen begegnen können.

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  8. @Pamela – Zur „reizarmen“ Kleidung für Männer schreibt sie nichts, aber ich habe anderswo mal gehört, dass muslimische Männer z.B. keine kurzen Hosen tragen sollen. Muskel-Shirts gehen demnach wohl auch nicht usw. Was das Leben in einer „nicht-reizarmen“ Umgebung betrifft, so schließt sie sich der üblichen Kritik an sexistischer Werbung an, wie sie z.B. von Pinkstinks vertreten wird.

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  9. Reizarm… Hm… Die Dame hat wohl noch keine Männer mit der fetisch für reizarm gekleidete Frauen getroffen *huscht* was sagt denn islamische kleindungsvorschrift darüber?

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  10. Guter Beitrag, danke! Mich stört an der Reizarmutsthese vor allem die Vorstellung vom Menschen (hier zumeist: Mann) als komplett trieb- und instinktgesteuertem Wesen, verbunden damit, dass die Verantwortung dafür, dass diese Triebe nicht ungehindert ausgelebt werden (können), einseitig dem „Opfer“ zugewiesen wird. Also: Der immer und überall notgeile Mann kann ja nichts dazu und nichts daran ändern, dass er notgeil ist, und deshalb muss die Frau ihre Reize verschleiern, eben um ihn nicht zu reizen. Ich dachte eigentlich, darüber wären wir als Menschen, die eben nicht mehr rein instinktgesteuert, sondern zumindest ansatzweise vernunftbegabt sind, und als zivilisierte Wesen, die eine Entwicklung „vom Fremd- zum Selbstzwang“ (Norbert Elias) durchgemacht haben, inzwischen hinaus.
    Zudem spricht gegen die Reizarmutsthese meines Erachtens auch die Beobachtung, dass vor allem jüngere Trägerinnen von Kopftüchern ansonsten sehr auf ein hübsch geschminktes Gesicht und elegante Kleidung achten. Wobei da natürlich die Frage aufkommt, was als „Reiz“ definiert wird und somit versteckt werden muss: Haare? Gesicht? Augen? Brüste? Figur? Oder gleich der ganze weibliche Körper? Und wer die Hoheit über diese Definition hat…

    (Anmerkung: Im drittletzten Absatz hat mich der Begriff „außereheliche Beziehungen“ beim ersten Lesen etwas irritiert, vermutlich weil er landläufig häufig für sexuelle Beziehungen verwendet wird. Gemeint sind hier aber allgemein Kontakte, auch nicht sexueller Art, oder?)

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  11. Ist „reizarm“, um den Mann nicht zum Ehebruch zu verführen, nicht das traditionelle muslimische Argument? Und die Vorstellung, wie und warum Menschen sich verlieben (angezogen von den körperlichen Reizen der jeweiligen Person) ist auch etwas fragwürdig und erinnert eben auch stark an diese traditionelle patriarchale Vorstellung. Mit Freiheit für Frauen hat das wenig zu tun.

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  12. Ich möchte hier nochmal betonen, dass Khola Hübsch die patriarchale Vorstellung von der Verführung des Mannes durch die Frau ganz klar zurückweist, von daher sollten wir sie hier auch nicht weiter diskutieren. Sie versteht das Ganze tatsächlich geschlechterunabhängig, ihre Vorschlag ist, dass es soziale und kulturelle Regeln geben soll (für die das Kopftuch nur als Beispiel steht), die Treue von Ehepartnern erleichtern, indem mögliche „Versuchungen“ gering gehalten werden, und zwar sowohl für Frauen als auch für Männer.

    Mein Dissens mit diesem Vorschlag liegt nicht darin, dass dies eine patriarchale Sicht auf den weiblichen Körper ist, sondern darin, dass ich das auch in einer „geschlechtsneutralen“ Variante für unmöglich und auch für nicht wünschenswert halte. Immer dann, wenn Menschen sich begegnen, besteht die Möglichkeit, dass sie sich gegenseitig „reizvoll“ finden, und das, was Hübsch hier vorschlägt, ist meiner Ansicht nach eben keine Lösung für das gestellte Problem.

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  13. Sorry, dass das falsch rüberkam. Du hast ja versucht zu erklären, dass es auch darum geht, dass Männer sich reizarm der Öffentlichkeit präsentieren. (Traditionelle Methode sind da die Rauschebärte, die sie zuhause leider nicht ohne weiteres abnehmen können.)
    Es funktioniert nicht und es ist nicht wünschenswert, da stimme ich dir zu. Die Frage wäre: warum hält Hübsch dies für einen Ausdruck von weiblicher Freiheit?

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  14. Hallo, ich stimme ihrer These insoweit zu, weil sie betonen, dass sie kontingente gründe hier nicht diskutieren, sondern die Argumentation der Autorin nicht als die Lösung für „ein“ Problem sehen (ich hoffe ich habe es richtig verstanden), Ehevertrag ist das auch nicht um nur ein Beispiel zu nennen. Ich kann verstehen, dass das Kopftuch Ausdruck weiblicher freiheit sein kann und ist, so verstehe ich auch ihren titel „so eher nicht“, leider können sie so nicht verhindern, dass eine Auseinandersetzung mit dem kopftuch per se stattfindet, da sie andere Kleidung ( sexy auf der anderen seite des „potentiellen Unterdrückungsspektrums“) nebenbei erwähnen, anstatt andere Praxen o.ä. kulturelle Regeln, die unabhängig vom Kopftuch sind, wenn es schon nicht um das Kopftuch per se gehen soll, zumindest zu erwähnen.

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  15. Reizarm?
    Warum nicht?
    FKK ist gesellschaftlich derzeit noch nicht gewollt. (Irre ich mich da?)
    Alfred Tetzlaff („Ekel Alfred“) warf mal seiner Tochter vor, sie meine wohl, wenn sie sich mit einer Briefmarke beklebe, gelte sie schon als angezogen (sinngemäß).
    Als pubertierenden Junge hinter einer knappen Jeans mit mehreren Zentimetern String-Tanga zu sitzen ist ebenso blöde wie gegenüber einer sich bückenden Lehrerin mit weit offener Bluse. Auch Männer wollen nicht alles sehen müssen.

    Ob man sich dann gleich ganz verschleiern soll, ist eine andere Frage. Natürlich nicht. Aber man/frau muss sich bitte auch nicht gleich fast ganz entblättern. Das wirkte nicht nur beim Ausschnitt der Bundeskanzlerin damals, äh, peinlich, dass ist auch bei hübscheren Körperrundungen möglicherweise unangenehm und grenzüberschreitend.
    Gewalt rechtfertigt es nicht. Aber Menschen sind nun mal nicht nur vernunft- sondern auch hormongesteuert. Darüber könnte man zumindest ein wenig nachdenken.

    Was fremdgehen angeht: Meine Faustformel lautet: Je höher die Moral, desto höher die Doppelmoral. Wer sich dafür einsetzt, dass keine Reize mehr zu sehen sind, promotet nur jene Gelegenheiten, an denen man ihnen nur um so mehr ausgesetzt ist.

    Angenommen, eine „reizarme“ Bekleidung setzt sich durch, dann wird man für die verbliebenen Reize um so empfänglicher und sensibler: Damit ist gar nichts gewonnen.
    Wer monogam leben will, wird sich auch durch offenherzige Menschen in der Öffentlichkeit nicht abhalten lassen. Und wer nicht monogam leben will, den werden auch Schleier nicht dran hindern.

    Und wenn jemand reizend wirkt, dann reichen manchmal schon die Augen, die Stimme, das Verhalten – ein Schleier kann das nicht ändern, zumal es auch richtig hübsche Schleier gibt.

    Im weiten Spektrum zwischen komplett verhüllt und nur mit Briefmarke bekleidet sollten allein aus Höflichkeit nicht unbedingt die leicht bekleideten Extreme gewählt werden, und die total verhüllenden Extreme bringen m.E. nicht das, was sie bringen sollen. In der Mitte bleibt ein genügend weites Spektrum.

    Wenn der liebe Gott die Reize geschaffen hat, hat er auch die Möglichkeit geschaffen, konstruktiv und genussvoll damit umzugehen.
    Und wer seinen Mann/seine Frau/seine… vorm Fremdgehen dadurch bewahren will, dass die anderen Frauen/Männer reizarm herum laufen, sollte sich möglicherweise überlegen, wieviel Vertrauen er/sie in ihn/sie setzt – und ob dieses Vertrauen groß genug für eine Partnerschaft ist – bzw, ob der Partner / die Partnerin dieses Vertrauen überhaupt verdient.
    Und manche gibt’s, die gar nicht monogam leben wollen – da nutzt der beste Schleier nichts.

    Eine ganze andere Frage ist die von Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung: Ist einem/einer immer klar, wie und auch welche Weise er/sie auf andere anziehend wirkt? Ich glaube, dass viele sich darüber noch nie Gedanken gemacht haben und ihre Wirkung total anders einschätzen würden – in beide Richtungen.

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  16. @Susanne14 – Ich denke, sie hält es angesichts der Umstände (Diskriminierung von Musliminnen von einer Warte „deutscher Leitkultur“ aus, Auflösung unter Unterminierung traditioneller Familienstrukturen z.B. durch ausufernde kapitalistische Notwendigkeiten ohne dass neue verlässliche Beziehungsmodelle an deren Stelle treten, sexistische Frauenbilder-Kultur usw) für einen Weg zu weiblicher Freiheit, diesen Impuls kann ich schon verstehen.

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  17. @Antje
    Welchen Zusammenhang siehst Du denn zwischen beispielsweise der Aufweichung traditioneller Familienstrukturen und einer reizarmen Bekleidungsweise? Den einzigen, den ich hier erkennen, ist, dass der Kontakt zu Außenstehenden die alten Strukturen und Traditionen in Frage stellt — und das Kopftuch ist eben ein Teil der Tradition.

    Du schilderst in Deinem Blogeintrag von einer muslimischen Feministin, die zwar auf ihr Kopftuch besteht, damit sie als »echte Muslimin« wahrgenommen wird. Andererseits scheint sie es »anders« zu tragen, also wahrscheinlich nicht so, wie ihr das beigebracht worden zu sein. Da geht es ja nur um die Außendarstellung, darum ihren beiden Communities zu zeigen, dass sie — trotz ihrer Überzeugungen — eine von ihnen ist. Ob sie tatsächlich eine Muslima und eine Feministin ist, hängt ja nicht von ihrer Kleidung ab. Diese Haltung basiert doch eher auf Angst, und das finde ich recht schade.

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  18. Ganz „so ein welt- und menschenfremder Quatsch“, wie Werkstatt75 oben meint, ist „reizarme Kleidung“ m,E. nicht,
    Auch nicht in unserer Kultur.
    Es gibt nämlich durchaus eine Art stillen Kodex in der Berufs- und Geschäftswelt, der es Frauen nahe legt, sich in diesen Bereichen nicht allzu sexy aufzubrezeln. Tut sie es dennoch, gerät sie in Verdacht, sie wolle aus ihren Reizen Kapital schlagen und sich so leicher „nach oben“ befördern lassen.
    Männer sind immer schon entsprechend „reizarm“ gekleidet, jedenfalls in jenen Welten, in denen seit Äonen ANZUG getragen wird.

    Bei uns ist das Haar halt nicht so sexualisert wie in der muslimischen Welt, deshalb wirkt Kopftuch tragen zwecks „Reizarmut“ für uns etwas verrückt. Wenn man dann noch die jungen Frauen sieht, die supersexy gestylt mit einem hochmodisch geschlungenen Kopftuch rumlaufen… naja, reizarm ist anders!

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  19. @ClaudiaBerlin
    Ich habe viele Freundinnen, für die Männer in Anzügen (oder auch Uniformen) ein Reiz darstellt. Wenn mich eine Frau anspricht spielt es keine Rolle, ob ich sie im Wintermantel auf der Straße, in Laufklamotten oder in der Sauna sehe. Ich glaube, bei der Diskussion werden reizarm und verhüllt miteinander vermengt. Es geht ja im Endeffekt um sexuelle Anziehung, dessen bloßer Anschein schon vermieden werden soll. Die Kleidung soll als Barriere wirken. Das finde ich wirkt auch bei seriöser Business-Kleidung für Frauen, jegliche sexuelle Komponente lenkt vom im Geschäft Wichtigem ab (z. B. Kompetenz).

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  20. @Claudia – Ich glaube, ehrlich gesagt, nicht, dass es sich bei dem Dresscode Business um den Versuch handelt, „sexyness“ oder erotische Reize zu vermeiden, sondern eher um eine stilistische Anpassung an den männlichen Anzug, der ja die Uniformierung des bürgerlichen Mannes ist. Individuelle, farbenfrohe, wallende, rüschende, großgemusterte Kleidung assoziiert „Weiblichkeit“ und hat daher dort nichts verloren, wo es um „Männergeschäfte“ geht. Auch dann nicht, wenn sie überhaupt keine Haut und Körperformen zeigt. Es geht hier um den Ausschluss von Weiblichkeit, bzw. dass man von Frauen, die dort mitmachen wollen, verlangt, dass sie sich auch (aber natürlich nicht nur) optisch den männlichen Spielregeln anpassen. Das würde auch erklären, warum Kopftücher dort nicht erwünscht sind (anders als bei den Reinigungskräften, die dürfen gerne sichtlich „weiblich“ sein).

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  21. Bereits der Untertitel des Buches irritiert mich:
    « Was der Islam zu einem wirklich emanzipierten Frauenbild beitragen kann ».

    Da das Wort „Islam“ = „Unterwerfung (unter den Willen Allahs)“ bedeutet, steht Islam für das Gegenteil von Emanzipation (lt. Wikipedia „Entlassung des Sohns aus der väterlichen Gewalt“).

    Diese Unterwerfung ähnelt der Liebe, die ein Kind für einen gewalttätigen, psychopathischen Vater empfindet; begleitet ist sie von Furcht und Angst, von Hilflosigkeit und Ohnmacht.

    Auf einem irrationalen Glauben beruhende – also jenseits rationaler Erkenntnis begründete – Entscheidungen entheben Menschen ihrer die Freiheit bedingenden Verantwortung / Eigenverantwortung.

    Sie entmündigen.

    Entmündigung als Freiheit „verkaufen“ zu wollen halte ich für eine Sinnverdrehung.

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  22. @Eckhardt – Das ist aber eine sehr schlichte und, wie mir scheint, pauschal religionsfeindliche Sichtweise, die auch mit dem Thema dieses Blogposts nicht viel zu tun hat.

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  23. Ich möchte sagen, ich persönlich fühle mich wohler mit Leuten, besonders Frauen, die „reizarme“ Kleidung tragen. Ich möchte das aber niemanden vorschreiben, es ist lediglich mein persönliches empfinden.

    Ein Punkt den man vielleicht ansprechen sollte ist, dass „Liebe“ und „Sexualität“ nicht immer zusammen kommen – meist ist es eine Mixtur, manchmal aber auch getrennt. D.h. reizarme Kleidung ist nicht unbedingt geeignet Liebe zu einer Person zu verhindern, wohl aber um sexuelle Begierde zu verringern.

    Zum Kopftuch im speziellen, muss ich sagen, dass ich es nicht als wichtiges Kleidungsstück für „reizarmes“ Auftreten betrachte. Da sind für mich andere Körpepartien als das Haar, und die Betonung derselben entscheidender.

    D.h. obwohl ich „pro“ reizarme Kleidung bin, ist für mich das Kopftuch in diesem Zusammenhang eher unwichtig.

    Was mich irritiert, ist die Bedeutung, die das Kopftuch erlangt hat. Meine Großmutter trug immer mal wieder ein Kopftuch, und das hatte meines Wissen nach gar nichts mit dem Glauben zu tun. Zum einen war das Kopftuch zur Zeit in der sie aufgewachsen ist, auch unter Christen weiter verbreitet, zum anderen habe ich stark den Verdacht, dass es einfach als Nützlich betrachtet wurde, ind bestimmten Situation oder Wetterlagen, wenn offenes, langes Haar stört.

    Da ich selbst das Haar lang trage muss ich sagen, dass windiges Wetter, oder bestimmte Arbeiten ein Kopftuch sehr praktisch erscheinen lassen.

    Des weiteren kann ein Kopftuch ein sehr schönes Accessoire sein.

    Die Verengung des Themas Koptuch auf Glauben, besonders den Islam, wird dem Kleidungsstück nicht gerecht. Andersherum gesagt, es ist schade, dass dieses Kleidungsstück inzwischen so mit diesem Thema verwoben wurde, dass es bald zu einem „verbotenen“ Kleidungsstüpck für Leute wird, die nicht mit dem Thema in verbindung gebracht werden wollen, und das Kopftuch dennoch gerne tragen würden.

    Als Mann hat man es hier noch verhältnismäßig einfach, die Stil-Variante „Pirat“ ist, wenn auch extravagant, zum Glück eher positiv besetzt, nach den populären Piraten-Filmen der letzten Jahre.

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  24. Das Kopftuch stehe im Islam für eine Art von Geschlechterbeziehung: für die heterosexuelle Beziehung zw. Frau und Mann; Das Kopftuch und reizarme Kleidung würden stabilere Ehen ergeben; Das käme all denen zugute, die sich dauerhafte Paarbeziehungen wünschen; Das Kopftuch erleichtere Frauen öffentliches Wirken.
    All das klingt für mich lediglich wie Werbebotschaften.
    Ich frage mich, wie denn diese Vorstellungen die auf dem Cover gestellte Frage beantworten können, „was der Islam zu einem wirklich emanzipierten Frauenbild beitragen kann“. Vielleicht einfach nur ein provokanter Titel – zu Marketingzwecken?

    Auch mal provokativ gefragt: Wenn das Kopftuch und reizarme Kleidung Ausdruck sein sollen zum Schutz einer Beziehung, was kommt dann als Abgrenzungsversuch/-forderung von Muslimen/Musliminnen, die nicht in einer Beziehung sind?

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  25. Ich habe im Internet noch nach anderen Beiträgen geguckt und kam auf eine Rezension auf http://www.migazin.de von Gabriele Boos-Niazy. Sie beschreibt die von Hübsch aufgestellten Thesen noch einmal etwas anders. Dort las ich dann Zitate, wie:

    „Die Geschlechtsidentität hat sich in eine sexuelle Identität verwandelt, die durch bewusst gehandhabte Kodes darauf abzielt, sexuelles Begehren auszulösen.“

    „Wenn sexuelle Attraktivität als zentrales Merkmal der Partnerwahl und sexuelles Begehren als identitätsstiftend begriffen werden, kommt es zur Kommerzialisierung der Sexualität, die als eine von der Partnerschaft entkoppelte Ware definiert wird.“

    Gegenmittel sei die „gedankliche und praktische Treue“(islamisches Menschenbild) – Das hört sich für mich an wie aus einem Ratgeberbuch.Ansonsten verstehe ich nicht, was das bedeuten soll, das die „Geschlechtsidentität sich ein eine sexuelle Identität verwandelt“ hätte.

    Alles zusammen erinnert mich an die evangikale Diskussion um den Bildungsplan bzgl. der Aufklärung über sexuelle Vielfalt. Denn vordergründig geht es ja in dem Buch wohl um den Schutz der (heterosexuellen) Partnerschaft.

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  26. Ich kann für mich als Mann nur sagen: Kopftuch wirkt – zumindest bei mir.
    Sei das Gesicht auch noch „reizend“ – das Kopftuch ist für mich das eindeutige Signal: „Denk nicht mal dran …“
    Mal ehrlich, geht es nicht auch den meisten anderen Männern so?
    Und warum spricht eigentlich niemand mehr von „christlichen“ Kopftüchern, die es noch vor 60 Jahren bei uns im täglichen Leben gab. Diese verhüllten die zum Dutt gedrehten langen Haare vermutlich nicht nur wegen der Behinderung bei der Arbeit. Kurze Haare waren bei Frauen im gebärfähigen Alter verpönt und die langen Haare wurden nur dem Liebsten in intimer Situation gezeigt.

    Der Islam scheint im Moment die stabilere Form einer Religion zu sein, die ihre alten Werte von ihren Anhängern akzeptiert sieht.

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  27. Das Kopftuch als ‚reizarmes Kleidungsstück‘ zu interpretieren verkennt die Tatsache, dass der menschlichen Phantasie keine Grenzen gesetzt sind und es ganz sicherlich Menschen gibt, die
    ‚geil auf Kopftücher‘ sind und im Sinne eines erweiterten Fetischs ihr Begehren auch auf die sie tragenden Personen übertragen.
    Daher bin ich auch der Auffassung, dass ‚reizarme Kleidung‘ nicht vor Lustgedanken schützt – im Gegenteil. 😀

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  28. Antje:

    @Pamela – Zur “reizarmen” Kleidung für Männer schreibt sie nichts, aber ich habe anderswo mal gehört, dass muslimische Männer z.B. keine kurzen Hosen tragen sollen. Muskel-Shirts gehen demnach wohl auch nicht usw.

    Ja, diese Regeln gibt es. Die kurzen Hosen der westlichen Touristen in arabischen Ländern sehen für Einheimische wie Unterhosen aus.

    Aber Patriarchat ist, wenn die Sitten für Männer weniger strenger sind. Deshalb fordert niemand einen Männerschwimmtag, damit die Männer ihr prächtiges Brusthaar züchtig vor dem anderen Geschlecht verbergen können.

    Gedankenweber:

    Was mich irritiert, ist die Bedeutung, die das Kopftuch erlangt hat. Meine Großmutter trug immer mal wieder ein Kopftuch, und das hatte meines Wissen nach gar nichts mit dem Glauben zu tun.

    Das gibt es heute noch auf dem Land und ab und zu auch in der Stadt, z.B. bei älteren Griechinnen oder Türkinnen. Dabei gibt es aber keine formellen Regeln, wie es zu tragen ist, sondern nur Gewohnheiten und Traditionen wie bei anderen Kleidungsstücken auch.

    Ute:

    Das Kopftuch als ‘reizarmes Kleidungsstück’ zu interpretieren verkennt die Tatsache, dass der menschlichen Phantasie keine Grenzen gesetzt sind und es ganz sicherlich Menschen gibt, die
    ‘geil auf Kopftücher’ sind und im Sinne eines erweiterten Fetischs ihr Begehren auch auf die sie tragenden Personen übertragen.

    Google gibt dir recht, der Suchbegriff dazu heißt Hijab Porn.

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  29. @Irene – eididei – kennt die Autorin des Buches „Unter dem Schleier die Freiheit“ wohl noch nicht!

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  30. Liebe Antje, vielen Dank für Deinen m.E. wichtigen Beitrag. Die bei uns im Westen in letzter Zeit ja häufiger anzutreffende Islamfeindlichkeit, welche sich u.a. auch in Kopftuchverboten äußert, halte auch ich inzwischen für übertrieben, wenn nicht schädlich. Denn Säkularisierung führt nicht zwangsläufig zu einer besseren Welt.

    Unsere christlichen Kirchen verteidigen ihr Recht auf freie Religionsausübung und suchen immer häufiger die Nähe zu islamischen Gemeinden (interreligiöser Dialog). Die Normen und Moralgrundsätze des Korans, wie der hohe Stellenwert von Ehe, Familie und Kindern sowie das klar definierte Selbstverständnis des Mannes und der Frau entsprechen in hohem Maße den heute „vergessenen“ christlichen Werten.

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  31. @Lisa K. “ Die Normen und Moralgrundsätze des Korans, wie der hohe Stellenwert von Ehe, Familie und Kindern sowie das klar definierte Selbstverständnis des Mannes und der Frau entsprechen in hohem Maße den heute “vergessenen” christlichen Werten.“
    Welche „vergessenen christlichen Werte“ sind genau gemeint?

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  32. Unsere christlichen Kirchen verteidigen ihr Recht auf freie Religionsausübung und suchen immer häufiger die Nähe zu islamischen Gemeinden (interreligiöser Dialog).

    Man arbeitet zusammen, weil es den christlichen Kirchen lieber ist, wenn der Islam auch einen öffentlich-rechtlichen Status bekommt, als wenn man selbst auf Privilegien (Kirchensteuer, Religionsunterricht) verzichten muss.

    Die Punkte, an denen christliche und islamische Vorstellungen nicht zusammen passen, schaut man sich deswegen lieber nicht so genau an (zum Beispiel die im Islam häufige Unterscheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen auch in weltlichen Fragen). Es ist bequemer, den Islam schön bunt zu finden oder als irgendwie ursprünglicher zu romantisieren.

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  33. @Irene – Als eine, die relativ viel von diesem interreligiösen Dialog mitbekommt, muss ich dir widersprechen. Man schaut sich diese internen Differenzen sogar ziemlich gut an, allerdings zelebriert man sie nicht in einer öffentlich-skandalgetränkten Atmosphäre. Das Prinzip ist eher, sich gegen seitig persönlich kennenzulernen, um auf der Basis dieses Vertrauens dann zu den eigentlichen Knackpunkten zu kommen, ohne dass es auf einen bloßen, pauschalisierenden Schlagabtausch rauskommt.

    Richtig ist, dass Christen und Muslime gemeinsam gegen säkulare Vorstellungen auftreten, wonach Religion bloße Privatsache sein soll, sondern sie treten für eine Gesellschaft mit Subsidiaritätsprinzip ein, also eine, in der „Glaubensgemeinschaften“ (nicht nur Religionen, sondern auch z.B. AWO oder Gewerkschaften, halt irgendwie weltanschaulich partikulare Organisationen) gesellschaftliche Aufgaben übernehmen – also das Prinzip der Körperschaft des Öffentlichen Rechts.

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  34. Als eine, die relativ viel von diesem interreligiösen Dialog mitbekommt, muss ich dir widersprechen. Man schaut sich diese internen Differenzen sogar ziemlich gut an, allerdings zelebriert man sie nicht in einer öffentlich-skandalgetränkten Atmosphäre.

    Das ist ja einerseits gut, dass es da kein Hauen und Stechen gibt. Andererseits kommt in der Öffentlichkeit rüber, dass man sich ganz toll versteht, irgendwie eh dasselbe will und es letzten Endes egal ist, ob man jetzt evangelisch ist oder muslimisch, wenn alle irgendwie dasselbe glauben und wollen. Die Unterschiede sind scheinbar keine Differenzen mehr, sondern eine Quelle von Vielfalt, die gefeiert werden muss: Ein bunter Karneval der Religionen. Das wirkt auf mich (gelernte Katholikin und heute Agnostikerin) ziemlich beliebig bis synkretistisch.

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  35. Die Differenzen kommen ohnehin an die Öffentlichkeit, wenn sich Prof. Khorchide von der christlichen Ethik inspirieren lässt und anschließend mächtig Ärger mit konservativeren Rivalen hat.

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  36. @Irene – Ich sehe das alles nicht als Widerspruch, denn eine Differenz ist ja auch gleichzeitig eine Quelle von Vielfalt. Jedenfalls erlebe ich das so. Aber ich bin ja auch Differenzdenkerin :)) _ Synkretistisch wäre, wenn man aus allem eine einzige Soße rühren würde. Es spricht aber ja auch nichts dagegen, von anderen was zu lernen, und sich zu verändern. Ich finde, Religion eignet sich nicht für Identitätspostulate, da Religion – meiner Ansicht nach – nicht identitär sein sollte. Es geht um Gott, nicht darum, dass wir uns irgendwo in einer Gemeinschaft kuschlig uns sicher fühlen. Aber vielleicht muss man auch ziemlich fromm sein, um das so zu sehen 🙂

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  37. Das „Subsidiaritätsprinzip“ scheint mir letztlich dann doch auch als Interessensvertretung für die jeweilige Institution/Organisation, deren Statuten auch in das Leben von Menschen eingreifen, die mit diesen Institutionen nichts verbindet. Denke dabei vor allem an die Kirchen als einflussreiche Arbeitgeberinnen.
    Die Trennung von „Thron und Altar“ wäre noch zu diskutieren.

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  38. (das ist jetzt etwas lang, aber nur so sätze hinhauen ohne sie zu erklären ist ja auch kein diskussionsstil, dachte ich mir.)

    das problem hinter „kopftuchdebatten“ besteht darin, dass der hijab (denn es geht ja nicht um kopftücher, die von weißen leuten beim arbeiten/gegen die sonne/sonstwas getragen werden) für gewöhnlich nicht aus feministischen, sondern aus rassistischen gründen „kritisiert“ wird.
    es ist das „fremde“, was uns weißen da aufstößt, und es ist die weiße vormachtstellung, die eine „kritik“ so problematisch macht. und das ist ein aspekt, der mir in diesem beitrag empfindlich fehlt.

    ich sehe den post etwas zweigeteilt – zuerst eine „einordnung“ des themas/darstellung der persönlichen meinung zum hijab, dann die buchkritik. mit letzterer kann ich noch etwas anfangen, dem ersten teil dagegen mangelt es an einigem:

    -diskursbezug
    im zusammenhang mit z.b. femen-aktionen wurde diverses zum hijab, zu rassismus, zu+von muslimischen frauen (of colour) und diskriminierung geschrieben. das wird nicht einmal erwähnt, das ist insbesondere deshalb schwierig, weil im anschluss dann ein „pro-argument“ kritisiert wird + dieses pro-argument als einziges inhaltliches auftaucht.

    du schreibst:
    „Auf der Contra-Seite werden die unterschiedlichsten und oft abenteuerliche Dinge hineininterpretiert“
    rassismus. es heißt rassismus. diskriminierung von mir aus.
    weshalb enthält ein ganzer blogpost zum thema hijab nicht einmal dieses wort?

    „die Pro-Seite beschränkt sich meistens darauf, es zu einer individuellen Angelegenheit der betreffenden Frauen zu erklären, die niemanden sonst etwas angehe. “
    das ist, vorsichtig ausgedrückt, bis zur unkenntlichkeit verkürzt. die „pro-seite“ reduziert das keineswegs auf ein individualistisches problem, im gegenteil, gerade, weil in einer rassistischen gesellschaft hijab tragende frauen massiver diskriminierung ausgesetzt sind (schule, studium, arbeitsplatz, umfeld, etc), ist es kein individuelles problem, es geht vielmehr darum, dass es diese diskriminierung unterstützt, frauen in ihre kopfbedeckung reinzureden (insbesondere aus weißer position heraus. s.u.).
    auch wird hier wieder „vergessen“, dass zahlreiche hijab tragende frauen sich zu dem thema äußern und es keinesfalls nur eine „pro-seite“ aus nicht-betroffenen (weißen, nicht muslimischen) frauen gibt, die da zu berücksichtigen wäre.

    -privilegienreflektion
    klar können wir alle unsere ansichten zur thematik haben. es spielt aber eine rolle, wie ich positioniert bin, ob mir als weiße z.b. eh eine höhere kompetenz in der beurteilung der welt eingeräumt wird (wir leben in einer rassistischen gesellschaft).was eine machtposition bedeutet. aufgrund dieser machtposition nehmen wir an, alles öffentlich beurteilen zu können, über die köpfe derer hinweg, die es eigentlich betrifft (ich ordne uns jetzt mal beide als weiße, nichtmuslimische frauen ein). diese macht (wem wird zugehört, was wird als interessant/qualifiziert bewertet? von wem?) wird durch gesellschatliche stellung+ein blog mit relativer reichweite noch verstärkt.

    du schreibst:
    „dass ein solches sichtbares Symbol, das die Erscheinungsweise von Frauen in der Öffentlichkeit prägt – und es gibt ja in Deutschland schon längst mehr nur als eine Handvoll von Kopftuchträgerinnen – nicht einfach nur Privatsache ist, sondern etwas, das uns alle betrifft. Zumindest betrifft es auch mich, die ich ja auch eine Frau bin.“

    warum?

    angenommen, meine mutter würde auf das kreuz um ihren hals oder den fisch an ihrem auto negativ angesprochen (symbole einer partriarchalisch geprägten, monotheistischen religion), wäre ich damit „nicht einverstanden“, obwohl ich persönlich mit religion nichts anfangen kann.
    angenommen, freundinnen oder ich selbst würden (haha, es passiert andauernd) auf unsere zu freizügige/zu bunte/zu sonstwas kleidung negativ angesprochen, fände ich das dann in ordnung?
    möchte ich, dass andere frauen _mir_ in meine kleidung/kreuze/etc reinreden, weil sie ja „auch frauen“ sind und es sie deshalb „betrifft“?
    nein.

    das „es betrifft mich auch und deshalb sage ich etwas dazu“ ist m.e. in der weißen deutungshoheit (darauf gehst du in einer deiner kommentarantworten ja selbst kurz ein) verwurzelt, aufgrund derer wir glauben, allen sagen + aufdrücken zu können, was wir für richtig halten.ohne zu merken, dass wir da ein machtungleichgewicht zu unserem vorteil nutzen.

    du schreibst, dass du der buchautorin in weiten teilen zustimmst. das bleibt aber beim lesen deines artikels nicht hängen. was hängen bleibt, ist: muslimische frau verteidigt kopftuch mit der begründung, es verhindere durch „reizarmut“ das fremdgehen in heteropaarbeziehungen.
    klischee galore.
    was hängen bleibt, ist runtergebrochen dies:
    es gibt eine diskussion über frauen mit „kopftüchern“, beide seiten haben keine argumente, die irgendwer ernst nehmen würde. darum braucht es artikel wie diesen, die sich „differenziert“ damit auseinandersetzen (ich sehe hier aber keine auseinandersetzung).

    ich kann nicht beurteilen, was im buch steht, da ich es nicht gelesen habe.
    es ohne vernünftigen diskursbezug und einer differenzierten betrachtung, aus welcher position eigentlich gesprochen wird, zu kritisieren, finde ich jedoch bedenklich.

    hier noch ein link zum thema warum es bei „kopftuch“ eher weniger um kopftuch geht:
    http://www.migazin.de/2013/05/23/das-kopftuch-verschleierte-probleme/

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  39. @lightsneeze – Ja, du hast recht, es wäre richtig gewesen, auf die rassistischen Implikationen der Debatte ausdrücklich hinzuweisen. Mein Diskurshintergrund dazu ist jedoch, dass ich persönlich bei diesem Thema eher mit Migrantinnen im Gespräch bin, die sehr vehement „gegen das Kopftuch“ sind (zum Beispiel Safeta Obhodjas) , und dafür von mir Solidarität einfordern. Aber nicht weil sie rassistisch sind, sondern der Hintergrund sind dann die Erfahrungen in ihren Herkunftsländern. Im interreligiösen Dialog wiederum, in dem ich ebenfalls recht stark involviert bin, sind es auch viele deutsche Musliminnen, die ich dort treffe, wie ja etwa auch Khola Hübsch. Aber generell stimmt es natürlich, dass wenn Deutsche das Kopftuch kritisieren, in der Regel Rassismus dahintersteht.

    Mein Eindruck, dass mich das Thema „betrifft“, kommt vielleicht auch daher, dass ich mich von beiden Seiten immer wieder aufgefordert sehe, Position zu beziehen, in die eine oder in die andere Richtung. Ich beschäftige mich ja schon lange damit, und mein Hauptanliegen dabei ist seit über zehn Jahren, innerhalb des Mainstream-Feminismus auf das hinzuweisen, was wir von muslimischen Frauen_Feministinnen lernen können.

    Im Fall von diesem Buch ist das „Es betrifft mich“ aber auch im Sinne der Autorin, denn sie richtet ihr Buch eben ganz direkt auch an die nicht-muslimische deutsche Gesellschaft mit ihrer These, dass das islamische Frauen- und Geschlechterbild besser ist als das, was heute hierzulande vorherrscht. Sie macht das im Titel am „Schleier“ fest, aber es war tatsächlich falsch von mir, auf dieses „Kopftuch“-Dingens überhaupt aufzuspringen, denn eigentlich geht es eben nicht um das Kleidungsstück, sondern um die Geschlechterbeziehungen und die Frauenrollen, für die das Kopftuch (nach Ansicht von Hübsch, die auch dieses Wort verwendet) steht. Ich habe zwar in einem Absatz geschrieben, dass viele Frauen das aus ganz anderen Gründen tragen, aber es wäre besser gewesen, gleich nur über Hübschs Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen zu schreiben.

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  40. Lightsneeze, in dieser Argumentation gibt es bei diesem Thema nur zwei Pole: Den „weißen“ Westen und den Orient als dessen koloniales Opfer. Die reichen Golfstaaten, die großen Einfluss auf Strömungen im Islam haben, und das eher aus hegemonialen denn aus spirituellen Motiven, passen aber gar nicht in diese Polarität hinein.

    Dieses postkoloniale Denkgebilde, auf das du dich da stützt, kommt bekanntlich aus dem angelsächsischen Raum. Deutschland hat allerdings zwei Weltkriege gegen das geführt, was heute als „Westen“ gilt, und wurde deshalb in Teilen der islamischen Welt mehr als Partner denn als Gegner wahrgenommen. Könnte man auch mal drüber nachdenken, was das bedeutet.

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  41. @Ute Plass – Ja, so verstehen das Subsidiaritätsprinzip viele, ich sehe es aber eher als organisatorische Form von weltanschaulicher Pluralität. Also dass nicht der „neutrale Staat“ (der ja nie neutral ist) alles bestimmt, sondern verschiedene gesellschaftliche Gruppen Sachen in eigener Regie übernehmen. Wobei die Kriterien dafür – also die Bedingungen dafür, eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ zu werden – natürlich weltanschaulich neutral sein, also für alle gleichermaßen gelten müssen. Ich finde, dieses Prinzip hat sich in Deutschland ganz gut bewährt, und mir ist es sympathischer als der strenge Laizismus wie in Frankreich.

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  42. @AntjeSchrupp
    “ …“Glaubensgemeinschaften” (nicht nur Religionen, sondern auch z.B. AWO oder Gewerkschaften, halt irgendwie weltanschaulich partikulare Organisationen) gesellschaftliche Aufgaben übernehmen…“
    Gewerkschaften als Glaubensgemeinschaften? Ich würde da aber doch einen Unterschied sehen zwischen Institutionen, die ein (irdisches) Gesellschaftsbild vertreten, und Religionsgemeinschaften, die sich um den Glauben an ein (nicht nachweisbares) höheres Wesen formieren.

    „Es geht um Gott, nicht darum, dass wir uns irgendwo in einer Gemeinschaft kuschlig uns sicher fühlen. Aber vielleicht muss man auch ziemlich fromm sein, um das so zu sehen :)“
    Vermutlich 😉 Denn wenn man diesen „Gott“, von dem ja niemand weiß, ob es ihn gibt, versuchsweise mal weglässt, bleibt von Religionen, etwas überspitzt formuliert, nicht viel mehr übrig als eben der Wunsch nach kuscheliger Gemeinschaft. Was ja aber etwas zutiefst menschliches ist…

    Um aber nochmal auf den eigentlichen Post zurückzukommen:
    Ich fand die ursprüngliche Idee gut, die These von Hübsch zur „reizarmen Kleidung“ mal von der Warte aus zu kritisieren, dass sie einfach nicht funktionieren würde.
    Was mir allerdings immer noch Probleme bereitet ist der Versuch, das Thema Kopftuch bzw. „reizarme Kleidung“ außerhalb der sozialen und kulturellen Zusammenhänge zu betrachten, in denen es stattfindet. Kleiderordnungen gibt es ja in vielen Gesellschaften in der einen oder anderen Form, nicht nur in muslimischen. In einem gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen System aber, in dem noch immer primär Männer die Deutungs- und Sanktionsmacht über das Verhalten von Frauen haben, ist für mich eine „geschlechtsunabhängige“ Form von Kleiderordnung, selbst wenn es Regeln für beide Geschlechter gibt, nur schwer vorstellbar. Oder ist schon mal irgendwo ein Mann gesteinigt worden, weil er eine kurze Hose trug? Solange Frauen nicht wirklich die freie Wahl haben, ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht, weil Männer bestimmen, welches Verhalten von Frauen richtig ist und welches falsch, solange kann es aus meiner Sicht keine „Freiheit unter dem Kopftuch“ geben.
    Und warum „in der Regel Rassismus dahintersteht“, „wenn Deutsche das Kopftuch kritisieren“, erschließt sich mir auch nicht. Kritik am Kopftuch bezieht primär auf dieses Kleidungsstück als Symbol einer Religion und des mit ihr verbundenen Geschlechterbildes, nicht eines bestimmten Volkes oder einer „Rasse“.

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  43. @Pippilotta – Mag sein, dass du da einen Unterschied siehst 🙂 _ aber das ist ein anderes Thema. (Zur Existenz Gottes habe ich hier mal gebloggt: http://gottundco.wordpress.com/2013/09/18/warum-gott-nicht-existiert/) –

    Ansonsten mit der Freiheit: Hier in Deutschland wird es im Allgemeinen ja nicht toleriert, wenn Frauen zu einer bestimmten Kleidung gezwungen werden. Dass es auf einer symbolischen Ebene oder in bestimmten Subkulturen Zwänge gibt, stimmt natürlich trotzdem, und das betrifft alle Frauen, je nachdem wo sie sich bewegen mehr oder weniger. Das Thema Normierung von Frauenkörpern wird ja im Feminismus hoch und runter debattiert. Aber es gibt in all dem auch die Möglichkeit von Frauen, diesen Erwartungen nicht zu entsprechen, auch mehr oder weniger, und darüber zu diskutieren (unter Frauen) und sich dann dabei zu unterstützen, ist ein guter Weg, um das zu befördern.

    Dass hinter einem Großteil der „Kopftuchdebatte“ Rassismus oder zumindest Fremdenfeindlichkeit steht, dürfte doch nach Sarrazin eigentlich klar sein, oder?

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  44. Ich finde, dieses Prinzip hat sich in Deutschland ganz gut bewährt, und mir ist es sympathischer als der strenge Laizismus wie in Frankreich.

    Ich habe früher Frankreich etwas idealisiert, denke aber inzwischen, dass man dort zu wenig mitbekommt, was die Religionen so treiben, und dann brechen aus scheinbar heiterem Himmel irgendwelche Konflikte auf – das ist hier etwas besser. Aber dafür brauchen wir nicht zwingend eine Kirchensteuer, die Gewerkschaft treibt die Kohle auch selbst ein, und ihre Sonderrechte als Arbeitgeber greifen weniger ins Privatleben ein als die der Kirchen.

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  45. Das Subsidiaritätsprinzip als organisatorische Form von weltanschaulicher Pluralität zu betrachten, bereitet auch mir keine Schwierigkeiten. Wie schon erwähnt sehe ich das Problem z.B. bei den großen Kirchen darin, dass deren Organisationsapparate u. Einrichtungen ja nicht alleine von den Beiträgen ihrer Kirchenmitglieder, sondern von der Gesamtgesellschaft mit finanziert werden. Ich sehe nicht ein, warum ich als Nichtmitglied dieser Körperschaften des öffentlichen Rechts deren Normen u. sittliche Vorgaben mit Steuergeldern unterstützen muss. Es gibt ja immer wieder Fälle, in denen kirchliche Mitarbeiter_innen von ihrem kirchlichen Arbeitgeber entlassen werden, weil diese z.B. geschieden sind oder einer anderen Konfession bzw. Religionsgemeinschaft angehören.
    Nun denn, ein Thema, was an dieser Stelle nicht vertieft werden braucht.

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  46. @antje schrupp

    ja, ich hätte den artikel anders wahrgenommen, wenn zunächst einige hinweise in der richtung erfolgt wären+du das thema solcherart eingebettet hättest. ich kann aus deinem kommentar jetzt deutlich besser nachvollziehen, worum es dir geht, als aus dem ganzen artikel. vermutlich wäre ich dann nach wie vor anderer ansicht, aber zumindest hätte ich mich nicht so geärgert.
    anmerkung: mir ist klar, dass es auch nicht-rassistisch geprägte gegenargumente gibt. wie gesagt, mir gehts um die positionierung.

    zum position beziehen:
    das ist gerade ein punkt, den ich „schwierig“ finde – dass gewisse hierarchien geschaffen werden, wer was zu sagen hat, was ernstgenommen wird, und da stieß es mir sehr auf, dieses „ich bin nicht einverstanden“ zu lesen, was sich aus einer machtposition eben leicht sagen lässt. das versuchte ich mit „gesellschaftlicher stellung + reichweite“ zu umreißen.

    @irene
    ich glaube, es würde an dieser stelle zu weit führen, konzepte von intersektionalität und critical whiteness erschöpfend zu erklären. ich habe in meinem kommentar ausgeführt, was ich meine.
    davon ab, weiß ich nicht, was du mir sagen möchtest.
    weil deutschland zwei weltkriege angezettelt hat, werden deutsche als weniger rassistisch wahrgenommen (what?!)?
    oder: alles, was aus dem „angelsächsischen raum“ kommt, sollte im deutschsprachigen raum keine verwendung finden?

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  47. @Antje: „Im Fall von diesem Buch ist das “Es betrifft mich” aber auch im Sinne der Autorin, denn sie richtet ihr Buch eben ganz direkt auch an die nicht-muslimische deutsche Gesellschaft mit ihrer These, dass das islamische Frauen- und Geschlechterbild besser ist als das, was heute hierzulande vorherrscht.“

    Ich bin verwirrt, Antje. Das ist – für mich – ein großer Spagat, hier eine Rezension über ein Buch zu finden, das das islamische Frauen- und Geschlechterbild als das Bessere darstellen möchte – ohne dass du dafür plausible Argumente herausstellst, die mich bspw. anregen würden, das Buch zu lesen. Geht das überhaupt als Feministin?

    Andererseits bewundere ich an deiner Diskussionskultur die Pluralität der Meinungen, die du, wie du schreibst, als Vielfalt betrachtest. Ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass es dir in Diskussionen (vor allem sicherlich in face-to-face-Diskussionen) um das Schmieden von Allianzen, um Kooperationen geht, dass du immer zuerst herausfilterst, was Gemeinsamkeiten sind. Alles unter der Prämisse: das gute Leben für alle. Interreligiöser Dialog ist gut und wichtig in einer multikulturellen Gesellschaft.

    Die Rezension empfinde ich eher als ein Feedback zur Autorin, dass ihre These von der reizarmen Kleidung nicht funktioniert. Was mir fehlt, ist deine Position zum islamischen Frauen- und Geschlechterbild – weil ich das als eine deiner Hauptthemen hier im Blog verstehe (Frauen- und Gechlechterbild allgemein).

    Ich war auch schon ein wenig irritiert bei der vorherigen Buchvorstellung, weil da (schon) im Titel das generische Maskulinum verwendet wird – wo ich doch über dieses Blog so viel darüber gelernt und mehr und mehr ein Bewusstsein dafür bekommen habe.

    Ist das auch alles unter Pluralität zu verorten und wenn ja, dann gibt es wohl keine Grenzen, oder? Dann zählt „nur“ der Inhalt?

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  48. @onlinemeier – Hm, so gründlich denke ich über meine Absichten vor dem Bloggen gar nicht nach, da ich das hier immer noch als private Gedankenaufschreibablage empfinde, bei der andere gerne mitlesen dürfen. Du weißt: Ich schreibe ja nicht für euch 🙂

    Ein Hinweis auf ein Buch ist ja immer eine Art Werbung dafür, da man es bekannt macht, auch wenn man es kritisiert. Deshalb bespreche ich eigentlich Bücher, von denen ich nicht will, dass jemand sie liest, hier überhaupt nicht. Das Buch von Hübsch finde ich lesenswert, weil sie auf kluge und stringente Weise eine bestimmte Interpretation des muslimischen Geschlechterbildes vorstellt, die durchaus häufig anzufinden ist. Ich bin damit nicht einverstanden, aber ich will, dass wir es zur Kenntnis nehmen und die Argumente ernst nehmen und uns mit ihnen auseinandersetzen.

    Ich finde es positiv in sich, wenn Frauen mit ihren Ideen in die Welt gehen, auch wenn es Ideen sind, die ich nicht teile oder die ich sogar falsch finde (daher auch das mit letzten Buch). Das war ja auch die Absicht früher hinter den Frauenbuchläden, dass sie Gedanken und Ideen von Frauen der Welt verfügbar machen wollten. Das ist mein Anliegen auch. Grenzen gibt es für mich allerdings schon, glaube ich, aber ich könnte sie jetzt nicht exakt definierten. Vielleicht da, wo Frauen nur Ideen von Männern nachplappern (was leider auch oft vorkommt) oder wo sie Texte schreiben, um nur damit Geld zu verdienen oder berühmt zu werden, also den Markt bedienen ohne wirklich originelle Idee dahinter.

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  49. @Antje: „Ich schreibe ja nicht für euch“ – hihi, diesem Link muss ich gar nicht folgen, daran erinnere ich mich, dass du das mal geschrieben hast. 🙂

    Andererseits…wirkt deine „private Gedankenaufschreibablage“ auf mich – ganz und gar als „Wirkkommunikation“ 🙂

    Auch deshalb ist das „ich schreibe ja nicht für euch“ für mich nicht (mehr) so ganz passend: „Nach dem Lesen von Zerillis Buch frage ich mich, ob es vielleicht möglich sein könnte, das Pferd quasi von der anderen Seite aufzuzäumen: Nicht die Repräsentation als solche mit ihren offiziellen und freiheitsfeindlichen Defiziten gänzlich abzulehnen, sondern stattdessen zu versuchen, der Repräsentation eine freiheitlichere Bedeutung zu geben, in dem Sinne, wie Zerilli es vorschlägt? Nämlich so, dass ich mir einfach die Freiheit nehme, „im Namen der Frauen zu sprechen“ – aber eben in dem Sinne, dass die Berechtigung meines Sprechens sich in der Reaktion anderer Frauen darauf zeigt?“ https://antjeschrupp.com/2014/05/01/konnen-feministinnen-vielleicht-doch-im-namen-der-frauen-sprechen/

    Ich habe mich tatsächlich beim Schreiben meines vorangegangenen Kommentars gefragt, ob ich mir denn von dir wünschen darf, welche Argumente ich gerne lesen würde – wo ich doch selbst denken und lesen kann und dafür zuständig bin. Aber dann dachte ich: Antje ist für mich aber eine öffentliche Stimme und eine Autorität. Sie steht im Diskurs, hat Einblicke, die ich nicht habe und deshalb dachte ich dann: ja, ich darf (zumindest) fragen.

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  50. oder: alles, was aus dem “angelsächsischen raum” kommt, sollte im deutschsprachigen raum keine verwendung finden?

    Das hat hier niemand behauptet, der Punkt war, dass der Kontext in GB ein anderer ist als in D und deshalb eine Eins-zu-Eins-Übertragung nicht immer passen muss. Ein Beispiel: Ägypten war britisches Kolonialgebiet, und die dortige Muslimbruderschaft wurde von den Nazis unterstützt.

    Aber das hat gar nichts mit Hüsch und ihren Ansichten zu tun, die ja bei den Ahmadiyya ist. Um wieder zurück zum Thema zu kommen, lasse ich mal einen Link zu deren Website da:
    http://www.ahmadiyya.de/islam/die-frau-im-islam/die-stellung-der-frau/

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  51. Als Mann gefällt mir der Beitrag besonders gut.
    Eigentlich sollten die Verursacher – das sind nicht die Frauen, sondern die „notgeilen“ Typen – sich entsprechend kleiden.
    Also dem Mann, der sich nicht gut kontrollieren kann, die Burka mit kleinem Augenfenster. Nicht der Frau.

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  52. Khola Hübsch sitzt heute in der Maischberger-Runde zum Thema: Angst vor Gotteskriegern: Bedroht dieser Islam auch uns?

    Vielleicht kann oder will die Redaktion Sunniten, Schiiten und Ahmadiyya nicht unterscheiden. Dann ist Islam halt irgendwas mit Kopftuch und Moschee.

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