Care-Revolution is coming…

Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass neuerdings dieses pinke Banner der Care-Revolution auf meinem Blog steht. Der Grund ist, dass wir als Autorinnenkollektiv des ABC des guten Lebens auch Mitglied in diesem Netzwerk sind. Denn darauf läuft vieles, worum es uns und auch hier im Blog immer wieder geht, hinaus: Dass das gute Leben mit den Beziehungen anfängt, dass gutes Leben erfordert, dass für alles Notwendige gesorgt ist, auch für körperliche Bedürfnisse derer, die sich nicht selbst versorgen können zum Beispiel.

Da aber unsere Ökonomie die unbezahlte Haus- und Fürsorgearbeit (Care) lange ausgeblendet hat und teilweise bis heute, was natürlich eng mit Geschlechterrollen zusammenhängt (Frauen arbeiten für Liebe, Männer für Geld), ist für das gute Leben aller oft nicht gesorgt, weil „die Wirtschaft“ andere Prioritäten setzt.

Das Thema ist im Feminismus natürlich nicht neu, aber neu ist, dass sich jetzt ein wirklich breites Netzwerk gegründet hat, das Care explizit als die zentrale Kategorie denkt. Hier arbeiten also sowohl welche mit, die von der „unbezahlten“ Seite herkommen, also auch Menschen, die Carearbeit als Beruf haben. Und das Thema wird sowohl pragmatisch und konkret, als auch grundlegend, also kapitalismuskritisch gefasst – daher Revolution. Angestoßen hat das Ganze maßgeblich Gabriele Winker vom Feministischen Institut Hamburg, zusammen mit vielen anderen engagierten Menschen, Frauen und Männern.

Wie brisant das Thema ist, hat sich im März gezeigt, als zu einem Care-Kongress nach Berlin 500 Leute kamen, viel mehr als von den Initiatorinnen erwartet. Von uns ABC-Autorinnen war Ina Praetorius da und hat hier einen Bericht darüber geschrieben.

Um die Zusammenarbeit zu systematisieren, gab es im Mai ein Vernetzungstreffen in Hannover, bei dem ich war, und aus dem ein Koordinierungskreis hervorgegangen ist, in dem ich mitarbeite. Dort haben wir nun für den 1. November in Frankfurt einen weiteren Aktionstag geplant, zu dem wieder alle eingeladen sind, die sich hier anschließen und für das Thema engagieren möchten (ich selbst kann leider nicht kommen…)

Ich kann euch das alles nur ans Herz legen, macht diese Bewegung bekannt, kommt nach Frankfurt, schließt euch an. Oder engagiert euch regional. Das war nämlich ein Thema unserer Diskussionen im Koordinierungskreis: Dass bundesweite Treffen und Kongresse wichtig sind, dass aber das Thema Care konkret eigentlich regional verankert sein muss. In einigen Städten gab es schon Versuche, unterschiedliche Akteurinnen und Akteure dazu an einen Tisch zu holen, Beziehungen aufzubauen, gemeinsame Aktionen zu planen.

Eine gute Gelegenheit wäre zum Beispiel der 1. Mai 2015, den einige zum „Tag der unbezahlten Arbeit“ deklarieren. Auch dazu werden sicher am 1. November in Frankfurt Ideen ausgetauscht und Pläne geschmiedet. Hier die Infos zum 1. November.

Zum Weiterlesen jetzt noch zwei Links:

Hier hat die Frankfurter Rundschau etwas über die Care-Revolution geschrieben

Und hier Alex vom AK Reproduktion in Berlin, die auch im Ko-Kreis mitarbeitet

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

22 Gedanken zu “Care-Revolution is coming…

  1. Ja, 1. Mai „Tag der Arbeit“ passt gut als Aktionsraum für die notwendige Care-Revolution.
    Unsere Grundeinkommensgruppe Rhein/Main provozierte in diesem Jahr mit einem Transparent: „Arbeit macht nicht frei!“
    Wir kamen gut mit den Menschen darüber ins Gespräch,
    und mein Eindruck ist, dass in diesem Jahr die Idee des bGE mehr Zustimmung bekommen hat (vor allem von Gewerkschaftler_innen) ,als in den vorangegangenen Jahren.

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  2. Wie wär’s mit dem Slogan am 15. Mai 2015 „Tag der gleichbezahlten Arbeit.“
    Umsonst arbeitet sowieso keiner, höchstens die katholischen Nonnen, für die die Kirche nicht einmal Rentenbeiträge zahlt.
    Ja, Antje, das ist ja eine ganz neue Idee, dass Arbeit nicht frei macht. Ich kann das nur bestätigen und könnte jeden Tag meines Lebens ausfüllen, ohne zu arbeiten.

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  3. @Irene – Beim Slogan „Tag der gleichbezahlten Arbeit“
    heißt es aufgepasst, da ja nicht ausgemacht ist, dass ‚gleichbezahlte Arbeit‘ auch ‚gut bezahlte Arbeit‘ bedeutet.
    Nutzt ja nix, wenn die Gleichstellung sich an schlechten
    Arbeitsverhältnissen orientiert. 😉

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  4. Also über den Slogan „Arbeit macht nicht frei“ sollte man noch ein mal nachdenken. Die Konklusion wurde millionenfach von Deportierten Juden und anderen Menschen geschlossen, die unter dem Motto „Arbeit macht frei“ genau das Gegenteil dessen in Ausschwitz erfahren haben, also das Arbeit eben nicht frei macht, sondern tot. Diesen Schluss nun bei einer Demo zu benutzen, bei dem es eben nicht um die industrielle Vernichtung von Menschenleben geht, halte ich gelinde gesagt für unerträglich. Die Intention mag richtig sein, das Transparent ist falsch.

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  5. In bestimmter Weise ist das ja Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus ernst genommen. Von Praxis verstehe ich nicht viel. Wenn es möglich ist (möglich gemacht werden kann), ist es aber vermutlich wichtig, es zu tun und mit hermeneutisch steigender Erfahrung daran zu arbeiten.

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  6. @Kayoyo – uns war sehr wohl klar, dass der Slogan „Arbeit macht nicht frei“ auch Assoziationen zur pervertierten Parole der NS-Diktatur und seiner mörderischen Vernichtungspolitik wachrufen würde. Diese Art von provozierter Erinnerung war gewollt. Ich beziehe mich auf Adorno, der in dem Vortrag “Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit” feststellte, »daß die objektiven gesellschaftlichen Voraussetzungen fortbestehen, die den Faschismus zeitigten. Er kann nicht wesentlich aus subjektiven Dispositionen abgeleitet werden. Die ökonomische Ordnung und, nach ihrem Modell, weithin auch die ökonomische Organisation verhält nach wie vor die Majorität zur Abhängigkeit von Gegebenheiten, über die sie nichts vermag, und zur Unmündigkeit. Wenn sie leben wollen, bleibt ihnen nichts übrig, als dem Gegebenen sich anzupassen, sich zu fügen; sie müssen eben jene autonome Subjektivität durchstreichen, an welche die Idee von Demokratie appelliert, können sich selbst erhalten nur, wenn sie auf ihr Selbst verzichten. Den Verblendungszusammenhang zu durchschauen, mutet ihnen eben die schmerzliche Anstrengung der Erkenntnis zu, an welcher die Einrichtung des Lebens, nicht zuletzt die zur Totalität aufgeblähte Kulturindustrie, sie hindert. Die Notwendigkeit solcher Anpassung, die zur Identifikation mit Bestehendem, Gegebenem, mit Macht als solcher, schafft das totalitäre Potenzial. Es wird verstärkt von der Unzufriedenheit und der Wut, die der Zwang zur Anpassung selber produziert und reproduziert.«

    Die heutigen durchökonomisierten gesellschaftlichen Verhältnisse zeigen totalitäre Züge. Der sog. Arbeitsmarkt und eine Marktgesellschaft künden tagtäglich von der “Arbeit, Arbeit über alles…”. Daher fanden wir den Slogan ARBEIT MACHT NICHT FREI zum Tag der Arbeit sehr passend. Eingedenk Adornos Mahnung: “Dass Auschwitz sich nicht wiederhole..” finde ich das immer noch.

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  7. Erklären sie das nicht mir, sondern den Hinterbliebenen der Opfer in den Gaskammern. Hoffentlich haben die Verständnis für ihre Gleichsetzung von angemessener Bezahlung und Mord.

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  8. @Kayoyo – habe ich schon gemacht. Ein Freund von mir, Sohn von Auschwitz-Überlebenden, hat mich zur 1.Mai-Aktion ermutigt.

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  9. Ja, der spricht sicher für die Mehrheit. Selbes Argument gibt es in zig Variationen. Ich ess Döner, deswegen kann ich kein Rassist sein. Stellen sie die Frage doch bitte mal den jüdischen Vertretungen oder Gemeinden.

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  10. @Kayoyo – habe nicht den Eindruck, dass sie mein Anliegen verstehen (wollen). Ihren Döner-Vergleich finde ich mehr als geschmacklos und Ihre Empfehlung bezüglich jüdischer Vertretungen überflüssig.
    Mir scheint, es geht Ihnen hier eher um ihre persönlichen Befindlichkeiten als darum, den Opfern im Stande ihres Opferseins zu gedenken. Mit solcher Motivlage hat sich
    der Historiker Moshe Zuckermann in seinem Buch
    „Antisemit – Vorwurf als Herrschaftsinstrument“ gründlich auseinander gesetzt und mit dieser Lese-Empfehlung an Sie verabschiede ich und wünsche noch einen erhellenden Sonntag.

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  11. Tag der unbezahlten Arbeit klingt gut, wenn es das Ziel ist, sie zu bezahlen. Sonst läuft es irgendwie darauf hinaus, dass sie gepflegten Alten mit Dankbarkeit bezahlen müssen.

    Aber vielleicht ist das ja der langfristige Trend: Man hat keinen Anspruch mehr an einen Sozialstaat, an dem von allen möglichen Seiten gesägt wird (von der Wirtschaft sowieso, aber auch von links durch die Forderung nach völlig offenen Grenzen, und zum Teil auch von der BGE-Bewegung durch weltfremde Träumereien). Am Ende muss man sich dann wen suchen, der mit irgendeiner Wohltat das Gewissen erleichtern, das wahre BGE-Menschenbild tanzen oder mit Spenden die Steuerlast erleichtern will, wenn man Hilfe braucht.

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  12. @Irene@irene_muc – „…das wahre BGE-Menschenbild tanzen ..“
    Ja, auch eine schöne Idee für den 1. Mai 😀

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  13. Nun, die Vorraussetzungen für Ausschwitz wären somit aber unabhängig vom Antisemitismus. Rein theoretisch: ohne antisemitismus gab es eben schon eine arbeitserzwingende Gesellschaft zu jener Zeit. Ausschwitz wäre dennoch nicht geschehen. Daher ist das Plakat doch etwas unangemessen. Dass unsere Arbeitswelt faschistisch ist widerspreche ich nicht. Das äußert sich in der Argentur für Arbeit, wenn sich eine über mangelnde Freiheit bei der

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  14. Fs. Zu komm vorher: der arbeitswahl beschwert in Sätzen wie „wir bezahlen Ihnen doch Ihren Lebensunterhalt!“

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  15. MENSCHEN; die noch fordern haben den OPEN SOURCE Gedanken von freiwilliger Augenhöhe noch nicht verstanden, da geht es um dreierlei JA – UND und DANKEN! Wer diese Ebene in der Gruppe leben kann, wirkt bereichern und das erübrigt die Forderungen.

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  16. Institutionen wie die Arbeitsagentur für Arbeit verdeutlichen die strukturelle Gewalt, der wir gesamtgesellschaftlich ausgesetzt sind durch das zynische Credo,
    das Arbeit frei macht und daher jede-r alles zu unternehmen hat um in den Besitz eines Erwerbsarbeitsplatzes zu gelangen. Menschen ohne Erwerbsarbeit werden sanktioniert, stigmatisiert bis aussortiert. Die Totalität einer solchen Arbeitsideologie ist menschenverachtend.
    Ideologien dieser Art werden von einer Politik getragen, die sich der Verwertungslogik des sog. freien Marktes verschrieben hat, von dessen vermeintlich unsichtbarer
    Hand wir alle geführt werden. Das kapitalistische Wirtschaftssystem gründet mit auf der Unterwerfung von lohnabhängig arbeitenden Menschen und schafft
    eine Ideologie, die (Erwerbs)Arbeit zum zentral Beherrschenden im Leben der Menschen macht. Der unbezahlten Sorge/Kulturarbeit wird in diesem destruktiven System kein Wert zugesprochen,
    und sie soll in diesem unsichtbar bleiben, damit nicht sichtbar wird, dass auch die unbezahlte Sorge/Erziehungs/Pflege/Kulturarbeit der Profitmaximierung dient und weil ohne sie die kapitalistische Marktwirtschaft am Ende wäre.
    Daher: Care-Revolution is coming ….. 🙂

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  17. http://www.familien-pflege-zeit.de/das-gesetz/kabinett-beschliesst-gesetzentwurf-zur-besseren-vereinbarkeit-von-familie-pflege-und-beruf.html

    Punkt 1: „10-tägige Auszeit im Akutfall mit Lohnersatzleistung“
    ist ein guter Anfang.
    Die anderen Punkte verdeutlichen, wie wenig immer noch der Sorgearbeit ein ganz eigener Stellenwert gegeben wird.
    Ein Unding, dass manfrau sich verschulden soll, wenn sie die Sorgearbeit für pflegebedürftige Menschen übernehmen wollen.

    Am 1. Mai sollte die Care-Revolution auch mit konkreten Forderungen sichtbar werden, z.B. mit der Forderung nach einem Sorgegehalt.

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