Über den Zusammenhang von Geschlecht und Biologie

Wenn über den Zusammenhang von Geschlecht und Biologie gesprochen wird, liegt der Fokus meist auf der Frage, was überhaupt „Geschlecht“ sei. Mir drängt sich seit einiger Zeit verstärkt die Frage auf, was überhaupt „Biologie“ in diesem Zusammenhang sein soll. Wovon ist eigentlich die Rede, wenn es um das „biologische Geschlecht“ geht?

Es sind ja drei unterschiedliche Aspekte des Körperlichen, die dabei eine Rolle spielen: die Gene, der Phänotyp (also das äußerliche Erscheinungsbild) und die mögliche Position in Bezug auf die Fortpflanzung, also ob jemand schwanger werden kann oder nicht.

Für die meisten historisch gewachsenen Kulturen der Geschlechterdifferenz ist dieser letzte Aspekt maßgeblich. Dass nicht alle Menschen schwanger werden können, macht es erforderlich, Verfahrensweisen zu entwickeln, wie mit dieser Ungleichheit konkret umgegangen wird: Wer für Menschen sorgt, die aufgrund von Schwangerschaften oder Geburten besondere Bedürfnisse haben, welche Rechte und Pflichten Gebärende gegenüber ihren Kindern haben, welche Rechte und Pflichten Nicht-Gebärende gegenüber Kindern oder Schwangeren haben. Das alles lässt sich auf eine Million unterschiedliche Weisen regeln, aber es kann kein „gleiches Recht für alle“ geben, weil die Körper der Menschen im Hinblick auf die Fortpflanzung eben nicht gleich sind (darüber bloggte ich schon). Praktisch alle kulturellen Geschlechternormen hängen letztlich mit dieser Differenz zusammen, auch wenn ihr Inhalt absurd sein mag oder sich im Lauf der Zeit symbolisch weit von ihrem ursprünglichen Anlass entfernt hat.

Wenn heute über das „biologische Geschlecht“ gesprochen wird (jedenfalls hierzulande), dann spielt aber das (nicht)Schwangerwerden-Können in der Regel kaum noch eine Rolle, stattdessen ist die Genetik zum maßgeblichen Faktor geworden. Die biologische Geschlechterdifferenz wird heute weitgehend auf Genetik reduziert, zum Beispiel als letztgültiges Kriterium bei Geschlechtstests von Sportler_innen. Ich halte die Genetik für einen großen Fetisch unserer Zeit. Man denkt sich dabei den menschlichen Organismus als eine Art Maschine, die nach einem bestimmten Bauplan (dem Genom) sich zwangsläufig entfaltet, also klare Abfolge von Ursache und Wirkung, von Bauplan und Ergebnis. Das klingt schön kontrollierbar („Wir haben das Genom entschlüsselt, das Geheimnis des Lebens geknackt!“). Faktisch ist es allerdings nicht so eindeutig, es gibt etwa nicht nur xx und xy-Menschen, sondern auch xxy. Und historisch spielte die Genetik bei der Entstehung kultureller Geschlechterkonstruktionen keine Rolle, es gibt sie ja erst seit dem 18./19. Jahrhundert. Bis heute ist den einzelnen Menschen schlicht unbekannt, welche Gene sie haben, man braucht medizinische Spezialtechnik, um etwas darüber zu erfahren.

Der im Alltagsleben in Bezug auf die Geschlechterdifferenz wichtigste Faktor ist der Phänotyp, also das äußere körperliche Erscheinungsbild. Menschen werden in der Regel aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes einem Geschlecht zugeordnet, und zwar sowohl bei der Geburt (Penis oder Vagina), als auch im Alltag (Brüste oder Bart). Ganz an den Haaren herbeigezogen ist das nicht, denn es lässt sich tatsächlich anhand des äußeren Erscheinungsbildes einer Person mit recht hoher Wahrscheinlichkeit ablesen, ob sie im Lauf ihres Lebens schwanger werden kann (konnte) oder nicht.

Trotzdem ist der Phänotyp natürlich ein sehr unzuverlässiges Indiz für Geschlecht. Zwischen „Menschen mit Vagina“ und „Menschen mit Penis“ gibt es alle möglichen Zwischenformen der Intersexualität, und auch andere Faktoren wie Größe, Behaarung, Muskelmasse, Brustumfang und dergleichen sind schwammig. Anders als beim (Nicht)-Schwangerwerden-Können gibt es phänotypisch kein Entweder-Oder, sondern sämtliche nur denkbaren Zwischenformen. Eine Verteilung von körperlichen Geschlechtsmarkern auf Männer und Frauen ist wenn überhaupt nur statistisch nachweisbar: Es gibt Korrelationen zwischen Körpergröße und Schwangerwerdenkönnen, aber weder sagen die etwas über den Einzelfall aus noch müssen sie biologische Ursachen haben. Menschen gestalten zudem ihre körperliche „Gender-Performance“ jederzeit aktiv: Sie trainieren sich Muskeln an oder ab, lassen sich die Haare so oder so wachsen, kleiden und bewegen sich auf eine bestimme Weise, lassen ihr Erscheinungsbild operativ verändern und so weiter. Der Phänotyp, also das sichtbare, körperbezogene Erscheinungsbild von Geschlecht, ist komplett von kulturellen Akten durchdrungen.

Das wiederum führt zu einem Paradoxon: Symbolische kulturelle Akte, die ursprünglich einmal den Sinn hatten, eine Differenz zwischen Menschen, die schwanger werden können, und solchen, die es nicht können, zu markieren (geschlechtsspezifische Kleidung, Arten, sich zu bewegen und so weiter) sind, eben weil es rein kulturelle Akte sind, genauso in der Lage, diese Differenz restlos aufzulösen: Auch Männer können Kinder austragen.

Der Phänotyp kommt jedenfalls, was die Verhandlung von Geschlechterdifferenzen betrifft, zunehmend schlecht weg; dem äußeren Anschein soll nicht mehr geglaubt werden. Von naturwissenschaftlicher Seite wird ihm gegenüber die Genetik bevorzugt: Dass eine Sportlerin wie eine Frau „aussieht“ (die Beschaffenheit ihres Körpers, ihre „Gender-Performance“) zählt nicht, wenn nicht die Medizintechnik ihr das Vorhandensein von XX-Genen bescheinigt. Und auch von feministisch-dekonstruktivistischer Seite wird die symbolische Kraft des Phänotyps bestritten: Man soll die Geschlechtszugehörigkeit einer Person nicht aufgrund ihre äußeren Erscheinung „lesen“, sondern sie um Selbstauskunft bitten (Er, Sie, Name?). Beide Sichtweisen stehen politisch auf entgegengesetzten Seiten, gemeinsam ist ihnen aber, dass sie eine innere, unsichtbare Instanz zur Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit aufrufen und diese dem „Offensichtlichen“ überordnen: Was das „wahre“ Geschlecht einer Person betrifft, so sollen wir nicht unseren Augen trauen, sondern tiefer nachforschen, das Augenscheinliche also hinterfragen.

Aber was ist eigentlich so schlimm daran, Geschlecht am Aussehen einer Person abzulesen? Ist das denn wirklich für sich genommen schon die Wurzel des Übels? Oder ist es nur ein Symptom? Ist die Ablehnung des Körpers als signifikantem Bestandteil von „Geschlecht“ nicht eine Untervariante der traditionellen Körperfeindlichkeit der männlichen Philosophietradition? Soll das Geschlecht wirklich nicht mehr sein als eine Kopfsache, sticht Geist hier Körper? Oder sollten wir nicht versuchen, den Dualismus von Körper und Geist auch an dieser Stelle zu überwinden? Etwa indem wir nicht mehr zwischen angeblich naturbelassenem und angeblich verändertem Körper unterscheiden, sondern die Lust an der körperlichen Inszenierung von Geschlecht feiern und fördern? Ruhig auch in mehr als zwei Varianten, aber eben nicht in unendlich vielen, weil unendliche Vielfalt letztlich eben doch wieder die eine Norm bedeutet? Das sind keine rhetorisch gemeinten Fragen, sondern welche, die ich wirklich gerne diskutieren würde. Denn interessanterweise wächst ja gleichzeitig der Trend, die Geschlechterdifferenz optisch zu vereindeutigen, etwa in Bezug auf Kinderkleidung. Vielleicht hängt doch beides zusammen: Je weniger plausibel der Zusammenhang  zwischen Geschlecht und körperlicher Erscheinung ist, umso drastischer wird versucht, diesen Zusammenhang zu verteidigen, leider aber kommt genau dabei nur Klischee heraus, nicht Kreativität.

Die Vorrangstellung der Genetik im Vergleich zum Phänotyp begegnet übrigens nicht nur auf Seiten biologistischer Geschlechterkonzepte, sondern auch auf Seiten derer, die kulturelle Stereotypen hinterfragen und kritisieren. In dem lesenswerten SciFi-Roman „The Best of All Possible Worlds“ von Karen Lord zum Beispiel gibt es eine Episode, bei der ein „Skandal“ in einer rassistischen Gesellschaft aufgedeckt wird. Der Skandal besteht darin, dass die Unterscheidung, nach der dort Menschen zur „höheren“ und zur „niederen“ Gruppe sortiert werden, nicht aufgrund von genetischen, sondern lediglich aufgrund von phänotypischen Varianten vorgenommen wird (was die Herrschenden unter den Teppich kehren wollen). Ich verstehe den Plot nicht: Wäre der Skandal denn weniger groß, wenn Menschen aufgrund ihrer Gene diskriminiert würden als wenn das aufgrund von phänotypischen Variationen geschieht?

Noch problematischer finde ich die Verdrängung des (nicht)-Schwangerwerden-Könnens aus der geschlechterpolitischen Debatte. Der Vorschlag, Geschlecht nicht mehr „binär“ (Frau/Mann), sondern fließend (unendlich viele Geschlechter) zu verstehen, der inzwischen in feministischen Diskursen relativ weit verbreitet ist, hat diesen Ausschluss ja geradezu als Vorbedingung, weil eben das (nicht)_Schwangerwerdenkönnen gar nichts Fließendes an sich hat, sondern faktisch binär ist: Entweder kann man schwanger werden oder nicht, da gibt es kein Mittelding, keinen Übergang, keine Operationsmöglichkeiten (jedenfalls noch nicht, ich habe gehört, es soll inzwischen mit der Transplantation von Gebärmüttern experimentiert werden). Bislang ist die Möglichkeit, schwanger zu werden und zu gebären, nicht verfügbar, nicht herstellbar, nicht einklagbar, kein Menschenrecht.

Wenn Geschlecht als „fließend mit unendlich vielen Variationen“ gedacht wird, muss deshalb die Frage der menschlichen Differenz in Bezug auf die Fortpflanzung hiervon restlos abgekoppelt werden. Das erklärt, warum männliche Schwangerschaften als geschlechterpolitische feministische Revolution gefeiert werden. Philosophisch gesehen mag das eine innere Logik haben und radikal erscheinen. Doch praktisch bringt es uns lediglich wieder zurück auf Los: Wenn Geschlecht und Biologie nichts mehr miteinander zu tun haben sollen, dann ist die Geschlechterdifferenz ja nutzlos, um die Unterschiede zwischen Menschen in Bezug auf die biologische Fortpflanzung zu thematisieren. Gleichzeitig bestehen diese Unterschiede aber weiterhin. Deshalb müssten wir andere Begriffe erfinden, um diesen Unterschied zu benennen, meinetwegen „Tralala“ für Menschen, die schwanger werden können, und „Trololo“ für Menschen, die es nicht können (ich bevorzuge an dieser Stelle Frauen* bzw. Männer* mit Sternchen).

Aktuelle politische Anlässe, die diese Unterscheidung bedeutsam machen, gibt es jedenfalls genug. Biopolitik und Reproduktionstechologien nehmen immer mehr Aufschwung, es geht dabei längst nicht mehr nur um die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auch die gesetzlichen Regelungen von In-Vitro-Fertilisation betreffen ausschließlich Menschen, die schwanger werden können, denn für andere kommt eine IVF ja nicht in Frage. Und schließlich Leihmutterschaft, ein Riesen-Thema: Leihmütter werden von Menschen nachgefragt, die nicht schwanger werden und gebären können (oder wollen) und sich für diesen biologischen Vorgang den Körper einer anderen Person mieten möchten – eine Dienstleistung, die logischerweise nur eine Person anbieten kann, die schwanger werden kann. Dennoch wird es normal, diese Themen „geschlechtsneutral“ zu besprechen, und dabei wird es manchmal regelrecht absurd. In einem Interview sagt zum Beispiel Caroline Schnurr von der Universität Sankt Gallen zum Thema Leihmutterschaft:

Aus Sicht von Homosexuellen ist das eine logische Forderung: Wenn Fruchtbarkeitsbehandlungen finanziell unterstützt werden, warum dann nicht auch eine Leihmutterschaft? Argumentativ ist es schwer zu rechtfertigen, warum der Staat In-vitro-Fertilisation bezahlt, aber nicht Leihmutterschaft.

Hier wird nicht nur übersehen, dass weibliche Homosexuelle keineswegs auf Leihmutterschaft angewiesen sind, um genetisch eigene Kinder zu haben. Lesbische Paare haben sogar im Vergleich zu heterosexuellen Paaren eine doppelt so große Wahrscheinlichkeit, dass eine von ihnen schwanger werden und gebären kann. Auf die Idee, das Recht auf Leihmutterschaft (und deren Finanzierung) leite sich quasi zwangsläufig vom Recht auf In-vitro-Fertilisation ab, kann man nur kommen, wenn man die Frage, welche Person eigentlich schwanger ist und das Kind gebiert, als vollkommen unerheblich ansieht. Wenn es für völlig egal gilt, ob jemand Medizintechnik in Anspruch nimmt, um selbst schwanger zu werden, oder ob eine andere Person beauftragt werden soll, mit ihrem Körper Schwangerschaft und Geburt zu durchleben. Das ist aber die klassische patriarchale Vorstellung vom weiblichen Körper als „Gefäß“, das dazu dient, die Kinder anderer auszutragen – reine Materie, ohne Geist, ohne Relevanz.

Reproduktionstechnologie und Geschlechterdifferenzen sind jedenfalls eng miteinander verknüpft: Beim Thema Leihmutterschaft geht es um Menschen, die nicht schwanger werden können, also um Männer*, um schwule Paare oder um heterosexuelle Paare, bei denen die Frau* nicht schwanger werden oder nicht gesund gebären kann. Und beim Thema In-Vitro-Fertilisation geht es um Menschen, die sehr wohl schwanger werden können, also um Frauen*, um lesbische Paare, oder um heterosexuelle Paare, bei denen die Frau* schwanger werden kann.

Wir müssen meiner Ansicht nach Wege finden, beim Sprechen über diese Themen Biologie, Kultur und Geschlechterdifferenz in einen Austausch bringen, ohne dass die Biologie entweder determinierende Gewalt zugesprochen bekommt noch aber ignoriert und tabuisiert wird. Die Differenz, die in der möglichen Rolle einer Person bei der biologischen Reproduktion begründet liegt, ist nicht deckungsgleich mit Gender, aber sie ist auch nicht vollkommen davon unabhängig. Anders als Gender ist sie nicht fließend, sondern binär. Und gleichzeitig sind diese Themen aufs engste mit historisch gewachsenen Geschlechterkonstruktionen verknüpft: Abtreibungsverbote sind ein Merkmal patriarchaler Kulturen, in denen Männer in Bezug auf die Körper von Frauen mitbestimmen wollen. Der Zugang zu In-Vitro-Fertilisation ist eng mit heterosexistischen Familiennormen verknüpft. Das Thema Leihmutterschaft ist nicht zu trennen von den prekären Lebensbedingungen der Frauen, die ihren Körper an Personen „vermieten“, die selbst nicht schwanger werden können oder wollen – und damit auch nicht von den globalen Armutsgefällen, die ja ebenfalls alles andere sind als „geschlechtsneutral“.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Dass wir in einer Zeit leben, in der das „korrekte“ Sprechen über diese Fragen eigentlich unmöglich ist, finde ich keineswegs bedauerlich, ich halte es für ein produktives „postpatriarchales Durcheinander“. Es ist gut, dass Geschlechterzuordnungen durcheinander kommen. Ich bin nur dagegen, dass dabei die Biologie als irrelevant abgetan wird, bloß weil sie die Angelegenheit noch komplizierter macht. Es ist halt so kompliziert, wie es ist. Und die Geschlechterdifferenz körperlos und biologiefrei zu denken, ist sinnlos. Es ist nicht die Frage, ob Geschlecht und Körperlichkeit zusammenhängen. Sondern wie.

 

(Hier ein Kommentar zu dem Blogpost)

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

24 Gedanken zu “Über den Zusammenhang von Geschlecht und Biologie

  1. „Auch Männer können Kinder austragen.“
    Schade, dass sich dieser werdende Vater nicht in voller „Montur“
    zeigt, wie es Frauen so an sich haben. Die Kleider werden bei den meisten Schwangeren immer enger, damit man den Bauch ja nicht übersieht.
    Dieses Paar zeigt sich eng umarmt in einem weißen wallenden Gewand. Von Bauch keine Spur zu erkennen. Auf einem 2. Foto wird ein ballonartiger Bauch gezeigt, der zu jedem gehören kann.
    Übrigens, in einem früheren Artikel habe ich schon mal erwähnt , dass ich es durchaus für möglich halte, dass Männer auch Kinder bekommen könnten.
    Nur da in der Wissenschaft vor allem Männer arbeiten, werden die den Teufel tun und diese Möglichkeit öffentlich machen.

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  2. Wir haben bereits Begriffe und brauchen kein Tralala und Trololo. Die Begriffe lauten Frau und Mann. Ohne Sternchen.

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  3. „um die Unterschiede zwischen Menschen in Bezug auf die biologische Fortpflanzung zu thematisieren. Gleichzeitig bestehen diese Unterschiede aber weiterhin. Deshalb müssten wir andere Begriffe erfinden, um diesen Unterschied zu benennen, meinetwegen „Tralala“ für Menschen, die schwanger werden können, und „Trololo“ für Menschen, die es nicht können (ich bevorzuge an dieser Stelle Frauen* bzw. Männer* mit Sternchen).“

    Ich finde die Bezeichung Frauen*/Männer* ungünstig gewählt, weil sich die Bezeichnung für eine Frau/Mädchen bei normalem biologischen Lebenslauf ändern wird. Von Mann* zu Frau* zu Mann*.

    Ebenso finde ich es Diskussionstechnisch ungünstig, das eine phänotypisch weibliche nicht gebärfähige Person als Mann* bezeichnet wird. (Wurde im Text falsch gemacht)

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  4. Mal abgesehen vom Sport – welches Unterscheidungsmerkmal legen denn Gesetze wie die zu Geschlechterquoten oder zur Verheiratbarkeit an?
    Bei der scheinbar so eindeutigen Genetik kommt bspw. noch hinzu, dass dank Mosaikverteilung der Karyotyp eigentlich nur für einzelne Zellen exakt und damit für den Körper nur statistisch bestimmt werden kann (allerdings eher bzgl. X-Monosomie und Trisomien als bei Mischungen von XX und XY).

    Filmisch, literarisch und tatsächlich hat es wohl bisher eher Crossdresserinnen und (teils vorgebliche) Transmänner gegeben, die gesellschaftliche Verhältnisse zu ihrem Vorteil nutzen konnten, aber wir könnten das zunehmend auch andersrum erleben (wie im Spitzensport scheinbar schon geschehen).

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  5. Es gibt kein „produktives postpatriarchales Durcheinander“: der IS kann, wenn er jesidische Mädchen und Frauen zu Sexsklavinnen macht, Mädchen und Frauen als solche erkennen, Beschneiderinnen, die kleinen Mädchen die Klitoris verstümmeln, können auch erkennen, wer ein Mädchen ist, Eltern, die ihre Töchter abtreiben lassen möchten, wissen, was ein weiblicher Fötus ist, Vergewaltiger wissen auch, ob sie eine Frau / ein Mädchen vergewaltigen.
    Ein Bauer erkennt, was eine Sau / ein Eber, eine Kuh / ein Stier ist, ein Katzenhalter weiß, ob er eine Katze oder einen Kater hat – da gibt es kein „fließend mit unendlich vielen Variationen“, höchstens ausnahmsweise mal ein Intersex-Tier.
    Geschlecht ist nicht Gender, Gender ist ein hierarchisches System des Patriarchts zur Frauenunterdrückung und gehört abgeschafft. Es gibt nicht Gender „fließend mit unendlich vielen Variationen“, es gibt nur menschliche Persönlichkeiten in unendlich vielen Variationen.

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  6. @Max – nein, Schwangerwerdenkönnen ist nichts, was sich im Lebenslauf einer Frau* verändert, auch wenn dieses Können nur in einem bestimmten Lebensabschnitt aktuell ist. Aber die Person ist ja ganzheitlich. Ein Mädchen* weiß schon, dass sie vermutlich später mal schwanger werden kann und macht sich vielleicht schon darüber Gedanken, ob sie das will. Eine Frau* nach der Menopause weiß, dass sie (vermutlich) mal schwanger werden konnte und muss mit ihrer diesbezüglichen Entscheidung, also ob sie Kinder geboren hat oder nicht, entsprechend leben. Das heißt, das Schwangerwerdenkönnen betrifft den gesamten Lebenlauf einer Frau*, nicht nur die Phase der Fruchtbarkeit.

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  7. Die üblichen (und aussprechbaren) Bezeichnungen für „Mann*“ und „Frau*“ sind „Männchen“ und „Weibchen“, zumindest solange es nicht um Menschen geht – aber warum eigentlich?

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  8. Auch hier also gleich wieder recht ignorante und feindselige Reaktionen auf die Tatsache, dass „Frau/Mann“ nun mal nicht alles ist, was es gibt. (ich wette, Antje löscht auch einiges…)

    Warum nicht mal in aller Ruhe in sich gehen und darüber nachdenken, was an nicht-binären Geschlechtern eigentlich das Problem ist?

    Warum ernten Trans*-, Intersexuelle und quere Identitäten soviel Aggression? Wo stört es denn bittschön, wenn Person X ihr „Geschlecht anpasst“ oder sonstwie nicht dem entspricht, was wir als „das Normale“ ansehen? Tangiert es denn in irgend einer Weise das persönliche Leben als Cis-Mensch? Macht es uns etwa arm, wenn es irgendwo auch geschlechtsneutrale Toiletten gibt?
    Oder was ist da los?

    In anderen Kulturen gab und gibt es sowas wie ein anerkanntes „drittes Geschlecht“. Das deckt zwar noch nicht alle Facetten des Andersseins ab, ist aber ein klarer Beweis, dass es sehr wohl „normal sein“ kann, Abweichungen sozial zu akzeptieren.

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  9. Danke für den anregenden Text; das ist wie immer klug und klar argumentiert.

    Eine Anmerkung habe ich aber:
    „meinetwegen „Tralala“ für Menschen, die schwanger werden können, und „Trololo“ für Menschen, die es nicht können (ich bevorzuge an dieser Stelle Frauen* bzw. Männer* mit Sternchen).“
    Verstehe ich es richtig, dass eine transsexuelle Frau in dieser Begrifflichkeit dann ein „Mann*“ wäre, weil die Fähigkeit zum Gebären ja fehlte?
    So überzeugend ich es auch finde, die Gebärfähigkeit als wichtigen biologischen und sozialen Aspekt nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen, so verwirrend erscheint es mir doch, die Begrifflichkeit für diesen Aspekt dann doch wieder so explizit an die „klassische“ Mann-Frau-Begrifflichkeit anzuhängen. Ich sehe da die Gefähr, Gebärfähigkeit und gender doch wieder in einen allzu klassisch-normativen Zusammenhang zu setzen und die Unterscheidung eben NICHT klar genug zu machen.
    Auch kenne ich z.B. „Mann*“ gerade als Sammelbegriff für heteronormative Männer und für Menschen, die sich nicht vollständig in die üblichen heteronormativen Kategorien einordnen, aber trotzdem als Männer „gelesen“ und angesprochen werden. Der Begriff ist also teils schon anderweitig definiert, was ebenfalls Verwirrung stiften kann.
    Ich wäre also doch eher für „Tralala und Trololo“, wenn es um Gebährfähigkeit geht, das erschiene mir insgesamt weniger verwirrend.

    Oder habe ich das womöglich alles falsch verstanden?

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  10. Liebe Antje,

    vielen Dank für Deinen inspirierenden Text. Da er etwas länger ist, wird auch mein Kommentar dazu etwas länger. Zunächst möchte ich Dir darin zustimmen, dass es egal ist, auf welcher Basis die Einteilung in Männer* und Frauen* erfolgt. Das (nicht)Schwangerwerden-Können als eigentlicher Grund erscheint mir sehr einleuchtend und auch als eine gute Kategorisierung, da es auch bei entsprechendem medizinischem Fortschritt die Asymmetrie losgelöst von dem biologischen Geschlecht beschreibt.

    Die Einteilung in Gender hat sich in der Tat wohl in den meisten Kulturen davon symbolisch sehr weit entfernt. Gerade in unserem Kulturbereich wurde daher schon immer versucht, die Gender-Differenzen durch die patriarchal geprägte Wissenschaft zu stützen. Im vorletzten Jahrhundert war es die unterschiedliche Größe der Gehirne von Männern* und Frauen*, im letzten die Genetik, aktuell entspricht dem Zeitgeist eher die Hormone bzw. die Neurobiologie. Das auch bei letzterem die Interpretation der Daten einem Bias der Wissenschaftler_innen unterliegt, ist noch nicht bei vielen angekommen wie mir scheint.

    Das Gros der Gesellschaft setzt doch Gender immer noch mit dem biologischen Geschlecht gleich. In der Regel ganz nach Phänotyp. Das Bedürfnis, schon bei Babies und Kleinkindern das Geschlecht durch Kleidung anzuzeigen, ist meines Erachtens ein Ausdruck des Backlashs. Es ist der Wunsch, endlich wieder Ordnung in das „postpatriarchalen Durcheinander“ zu bringen. Das macht übrigens nicht bei der Kleidung halt. Wenn ich mir anschaue, wie in dem Kindergarten meiner Tochter „doing gender“ praktiziert wird, dann wird mir ganz anders zumute. Und das ist ein Campus-Kindergarten mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau der Eltern. Mir erschließt sich überhaupt nicht, warum Mädchen im rosa Tüllkleidchen in den Kindergarten geschickt werden und basteln, während die Jungen in dunklen Klamotten auf Bäume klettern. Von anderen habe ich zwar schon gehört, dass auch Jungen mal im Kleidchen auftauchen, aber die müssen sich dann von älteren Kindern blöde Sprüche anhören und legen das recht schnell wieder ab. Mir erscheint das eher eine Einschränkung der Freiheit denn ein Ausdruck davon. Der gleiche Backlash zeigt sich meiner Meinung nach momentan darin, dass Schwanger-Sein total „in“ ist, wenn man mal in die bunten Blättchen schaut.

    Leider kann ich also Deine positiv enthusiastische Interpretation bezüglich der körperlichen Inszenierung von Geschlecht nicht teilen. Warum hier unendliche Vielfalt zu einer neuen Norm würde, habe ich nicht verstanden. Ich finde das Aufbrechen von Stereotypen viel besser – großartig inszeniert z.B. von Conchita Wurst, was immer man auch vom ESC hält. Wenn jedes Menschenwesen sich selbst inszenieren dürfte, wie es möchte, wäre viel Freiheit gewonnen.

    Aber die eigentliche Asymmetrie, das Schwangerwerden-Können, zu benennen, finde ich in dem Kontext immer noch sinnvoll. Es könnte helfen, die Biologie von Gender zu trennen, wo irgend möglich, weil neu verhandelt werden kann wie die Gesellschaft mit dieser Asymmetrie umgehen will, und dabei Zusammenhänge zu benennen, die sich nicht ohne weiteres auflösen lassen (Stichwort Leihmutterschaft).
    Wahrscheinlich löst das aber nicht das Problem, dass das Männliche immer noch die Norm setzt. Das wäre natürlich genauso wenig gelöst, wenn Männer* (ist das Sternchen da jetzt richtig – bin grad irritiert) schwanger werden könnten. An dieser Stelle muss ich Grazyna zustimmen. Ich sehe keinen anderen Weg die Diskriminierung von Frauen zu beenden, ohne dass „Gender“ als Kategorie verschwindet. Paradoxerweise könnte die Benennung von Schwangerwerden-Können zur Auflösung von „Gender“ beitragen.

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  11. Ich bin in der Menopause und habe zwei Kinder geboren. Darüber definiere ich mich als Frau. Und nicht als Tralala. Wegen dieser Definition bin ich von GenderqueerideologInnen als biologistisch abgewertet worgen: „Spannend, wie diese Frau ihre Weiblichkeit definiert!“ schrieb jemand. Ja, total spannend, dass eine Frau sich als Frau bezeichnet, weil sie Kinder geboren hat! Ich denke manchmal, ich bin in einer Idiokratie angekommen. In einer Gesellschaft, in der ich mich nicht mehr als Frau bezeichnen darf, weil das als cissexistisch und transphob, rückwärtsgewandt und biologistisch gilt. Einfach absurd.

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  12. „Entweder kann man schwanger werden oder nicht, da gibt es kein Mittelding, keinen Übergang, keine Operationsmöglichkeiten“

    – das stimme doch so nicht ganz. es gibt Frauen*, die leichter schwanger werden können, und welche, bei denen es komplizierter oder unwahrscheinlicher ist, oder?

    der Vorschlag (im text), Frauen, die nicht schwanger werden können, deshalb als „Mann“ zu bezeichnen, ist hoffentlich nicht ernstgemeint. dann doch lieber definitionsmacht.

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  13. @ClaudiaBerlin
    Ich verstehe Antjes Text nicht so, dass sie sich nur auf das (im wesentlichen) binäre biologische Geschlecht konzentriert. Stattdessen sollte man ihrer Auffassung nach sich nicht nur auf das konstruierte Gender beschränken, sondern auch das biologische Geschlecht mit einbeziehen. Gender und biologisches Geschlecht sind miteinander verschränkt. Ich lese aus ihren Sätzen auch keine Aggression Menschen gegenüber raus, die sich weder als Mann noch als Frau (jeweils ohne Stern) einordnen möchten.

    @Carola
    Ich glaube nicht, dass man je Gender und biologisches Geschlecht voneinander wird trennen können. Und selbst wenn das möglich wäre, wieso ist das unbedingt erstrebenswert? Die Dualität von Gender und biologischem Geschlecht ist ja bloß ein Erklärungsmodell, das einem hilft die Vielfalt zu verstehen.

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  14. Ich finde schon die Überschrift diskussionsüwrdig: Der Zusammenhang zwischen Biologie und Geschlecht?
    Geschlecht ist Biologie – Fortpflanzungsbiologie.

    Gender, also die sozialen Zuschreibungen, können sich ändern, die Biologie beleibt die gleiche.

    Die Existenz von 2 Geschlechtern wird nicht außer Kraft gesetzt durch Transgender und Intersexuelle, die keine „neuen“ oder weiteren Geschlechter darstellen, denn sie haben keine dritte oder andere Fortpflanzungsbiologie, sondern im Falle der Intersexuellen Merkmale beider. Ohne die 2 Geschlechter gäbe es keine „Inter“, also zwischen beiden befindliche, und auch keine „Trans“, auf der „gegenüberliegenden“ Seite befindlichen. Wenn es keine Frauen gäbe, wäre die Bezeichnung Transfrau sinnlos, et vice versa.

    Jeder Mensch ist das Produkt der Verschmelzung von Ei und Spermium. Diese Binarität ist nicht weg zu definieren.

    Worüber wir allerdings dringend reden sollten, sind die soziale Zuschreibungen, die der Biologie übergestülpt werden und letztlich die Geschlechterhuierarchie begründen sollen.

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  15. Ich halte die Genetik für einen großen Fetisch unserer Zeit. Man denkt sich dabei den menschlichen Organismus als eine Art Maschine, die nach einem bestimmten Bauplan (dem Genom) sich zwangsläufig entfaltet, also klare Abfolge von Ursache und Wirkung, von Bauplan und Ergebnis. Das klingt schön kontrollierbar („Wir haben das Genom entschlüsselt, das Geheimnis des Lebens geknackt!“).

    Das war vielleicht vor 20 Jahren so. Inzwischen gibt es auch die Epigenetik, die die Sache weiter differenziert – es geht um die Aktivität der Gene.

    Ich würde mir von Feministinnen bessere Recherche zu naturwissenschaftlichen Aspekten wünschen. Mal irgendwo Gehörtes reicht nicht immer als Basis für ein gutes Argument. Feministinnen ärgern sich ja auch immer, wenn sie in die Emma-Schublade gesteckt werden, obwohl das nicht immer passt.

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  16. @Irene – Das mag in den Naturwissenschaften so sein, aber ich schreibe hier ja über Politik, und was das in gesellschaftlichen Debatten übliche Verständnis von Genetik betrifft, so ist das nach wie vor so. Mag sein, dass die gesellschaftlichen Debatten den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen um 20 Jahre hinterher hinken. Aber das macht es ja nicht weniger real.

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  17. @Antje
    Auch politische Debatten sollten mit wissenschaftlich belegten Argumenten geführt werden, vor allem wenn die Ideen (wie beispielsweise über biologisches Geschlecht vs. Gender) noch nicht Mainstream sind. Wenn beispielsweise über biologisches Geschlecht diskutiert wird, dann sollten, finde ich, Biologen mit am Tisch sitzen, die schon über zig Jahrzehnte zu diesem Thema Forschung betrieben haben. Würde ich einen Text zu diesem Thema schreiben, wäre das eines der ersten Dinge, die ich recherchieren würde.

    Denn falls jemand mit veralteten wissenschaftlichen Erkenntnissen argumentiert, muss sich diese Person nicht wundern, wenn ihr das in Debatten um die Ohren gehauen wird. Der von Irene zitierte Kommentar geht beispielsweise in diese Richtung, weil Wissenschaftler inzwischen ein anderes Bild davon haben, wie unser Erbgut unseren Organismus beeinflusst. Und nur weil ein Gutteil der Bevölkerung ein anderes, veraltetes Verständnis der Zusammenhänge hat, ändert das nichts an der Tatsache, dass wir mit den bestmöglichen Erkenntnissen argumentieren sollten. Eventuell dauert es halt, bis sich diese Erkenntnisse durchsetzen.

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  18. @Irene @Antje:
    „Mag sein, dass die gesellschaftlichen Debatten den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen um 20 Jahre hinterher hinken. Aber das macht es ja nicht weniger real.“

    Ja! Um so richtiger und wichtiger finde ich @Irenes Einwurf!
    Es ist ja gerade ein Teil des ganzen Desasters, dass man sich von „den Naturwissenschaften“ immer so hübsche endgültige (und gerne auch einfache) Erklärungen wünscht, die man dann mal ein paar Jahrzehnte oder länger nicht umwerfen muss.
    Und ja, „die Naturwissenschaften“ bzw. ihre Repräsentanten haben dem ja auch lange genug entsprochen und waren davon überzeugt (manche sind das immer noch), als könnten sie diese Einfachheit und Endgültigkeit tatsächlich liefern.
    Bescheidenheit und vorsichtigere Formulierungen gehörten nicht ins Repertoire (das ändert sich zum Glück), was wiederum Teil von Gesellschaft/Politik und Kultur war und ist, nämlich wie Naturwissenschaft abläuft, wer sie ausführt, wie und von wem sie kommuniziert wird, und welche Konsequenzen das letzlich für die Menschen hat, nicht nur in Genderfragen.
    Man kann eben so schrecklich schlimme Dinge machen mit der Biologie, da sitzen die Ängste tief und die Skepsis ist groß.
    Und gerade deshalb hilft da vielleicht wirklich nur eins: Lernen gehen. Dran bleiben. Damit man ein klitzekleines bisschen weniger ahnungslos ist.

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  19. Liebe Antje Schrupp, die biologische Geschlechterzugehörigkeit wird meines Erachtens von Seiten der Naturwissenschaften nicht auf die Gene zurückgeführt (es gibt da ja etliche Varianten xxy u.s.w.). Es geht wohl um das Zusammenspiel mit der Hormonlage, die dann wiederum die sekundären Geschlechtsmerkmale ausprägen hilft, ohne dass es da eine eindeutige Einbahnstraße gäbe. Es können ja Menschen „innen“ anders aussehen als „außen“, auch ohne Manipulation. Außerdem ist die Rückführung des Geschlechtlichen auf Biologie eher eine neue „Entdeckung“ des 19. Jahrhunderts. Die Geschlechter hatten davor eher eine soziale Komponente, überhaupt war der soziale Stand des Menschen viel wichtiger. Ich habe mit der Fortpflanzung als Anfangspunkt der Geschlechtzuordnung auch deshalb meine Probleme, weil das lange Zeit nicht klar war, ob es dafür überhaupt den Mann oder die Frau oder beide braucht (homunculus etc.) Also, ich finde, wir müssen das Nachdenken über Geschlechter mit biologischen Kategorien historisieren. Mir persönlich ist die situative Geschlechtlichkeit als Ansatzpunkt sehr sympathisch, da ja im Lauf eines Lebens die Geschlechterzuordnung wechselt (das Baby hat im Prinzip kein Geschlecht und auch bei den ganz alten Menschen scheint es eine Neutralisierung zu geben). Und die Fortpflanzung ist ja auch nur für eine bestimmte Altersgruppe, wenn überhaupt, relevant. In letzter Zeit erscheint mir das Sprechen von Geschlechtern überhaupt in erster Linie eine Kommunikations- und Machtstrategie zu sein. Vor kurzem gab ich einen Aufsatz für eine militärhistorische Zeitschrift ab. Da sagt der Major/Redakteur zu mir: „Wir haben uns überlegt, wo hat denn die Dame ihre Zahlen her.“ Also in dem Moment war ich nicht Professorin oder Historikerin, sondern eine Extremvariante von Frau. Sprich, ich sollte in meine Grenzen verwiesen werden.
    Danke für Ihre Überlegungen und beste Grüße, Miriam Gebhardt

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  20. @Miriam Gebhardt – Ja, ich bin auch sehr dafür, das zu historisieren. Allerdings: Dass es zur Fortpflanzung eine Frau (Mutter) braucht, war doch wohl von Anfang an offensichtlich, unklar konnte doch nur sein, inwiefern noch eine andere Person /ein Mann /an diesem Prozess beteiligt wäre.

    Danke für das Teilen des Beispiels. Es ist so krass, dass sowas immer noch möglich ist.

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  21. Hier ist übrigens ein Nature-Artikel, der den aktuellen Stand über die Definition des biologischen Geschlechts zusammenfasst. Auch aus biologischer Sicht ist eine binäre Einteilung problematisch.

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