Warum die Linken und Feministinnen am Rechtspopulismus (nicht) schuld sind

Seit all den Debatten darüber, dass der Aufstieg der Rechtspopulist_innen in Europa und USA möglicherweise auch eine Schuld derer ist, die auf der „linken“ (und vor allem der feministischen) Seite zu überzogene und politisch korrekte Forderungen aufgestellt haben, trage ich ein Unbehagen mit mir herum, das daher rührt, dass diese Einwände einerseits stimmen und andererseits nicht. Dass einerseits was dran ist, sie aber andererseits auch völlig falsch sind. Vor einiger Zeit hatte ich im 10 nach 8 Blog schonmal versucht, dem auf die Spur zu kommen. Jetzt kann ich es vielleicht nochmal von einer anderen Seite aus aufgreifen. Anlass für mich, darüber nochmal nachzudenken, war dieser Artikel „Der Hochmut der Vernünftigen“, der vor einigen Wochen in meiner Bubble wie wild geteilt wurde (und dem ich in der ersten Hälfte zustimme, in der zweiten nicht).

Ich glaube, das Einerseits-Andererseits-Gefühl kommt aus einer Verwechslung von Prinzipien und Vermittlung. Was die Prinzipien angeht, so haben wir nicht überzogen. Es ist richtig, sich nicht mit ein bisschen weiblicher Freiheit und ein bisschen Akzeptanz von Homosexualität und ein bisschen Abbau weißer Überheblichkeit zufriedenzugeben, sondern hier radikal auf dem ganzen Programm zu bestehen.

Aber andererseits: Ja, es stimmt, wir haben den Bogen überspannt, wir haben Fehler gemacht. Aber nicht, weil wir den kulturellen Wandel, der mit Feminismus und Anti-Sklaverei-Aktivismus begonnen hat, radikal zu Ende denken, sondern weil wir uns bei der Durchsetzung unserer Ideale auf klassische Machtpolitik und Formalien zurückgezogen haben. Weil wir es, erst einmal an die Macht gekommen, vernachlässigt haben, für diese Ideale auch konkret einzutreten und sie zu vermitteln, und zwar überall und immer, auch an die Honks. Wir haben irgendwie gedacht, in dem Moment, wo wir (oder die Unsrigen) Gesetze erlassen können, könnten wir mit der Vermittlung aufhören und den anderen einfach befehlen, nun auch unsere Meinung zu übernehmen.

Aber so funktioniert das eben nicht. Ja, mit Barack Obama wurde ein Schwarzer zum Präsidenten von Amerika gewählt, aber damit war die Sache eben nicht gelaufen. Ganz im Gegenteil, sie hätte anfangen müssen. Auch wenn es absurd ist, so bleibt es doch eine Tatsache: Für viele Menschen in einer von rassistischer Kultur durchzogenen Gesellschaft war die Wahl Obamas eine Kränkung, ein Ärgernis. Sie haben ihn gehasst, und zwar ganz egal, was er gemacht hat.

Doch irgendwie war uns das egal, denn wir dachten, das Thema sei nun durch. Weil wir mit der Möglichkeit eines Rückschritts gar nicht rechnen, fortschrittsgläubig wie wir sind. In der Gewissheit, dass nun das Gute und Vernünftige endlich gesiegt hatte, wiegten wir uns in unserem Siegesrausch, anstatt die mühsame Arbeit zu machen, diesen kulturellen Wandel in eine post-rassistische und post-patriarchale Ordnung, der sich auf einer symbolischen formalen Ebene mit Obamas Wahl und Clintons Nominierung vollzog, auch alltagskulturell zu vertreten und zu verankern. Wir haben gefeiert und die Zurückgebliebenen verhöhnt, anstatt mit der mühsamen Vermittlungsarbeit weiterzumachen, die solche Wandlungen begleiten muss, damit sie was werden.

Wir dachten, nur weil wir jetzt an den Schaltstellen sitzen (in der Regierung, in den Redaktionen, in den Universitäten), weil wir an der Macht sind, müssten wir uns mit solchen Dumpfbolzen nicht mehr auseinandersetzen. Deshalb war es für uns auch ganz selbstverständlich, dass nach einem Schwarzen Mann genauso gut auch noch eine Frau Präsidentin werden kann.

Bloß: Viele Menschen sahen das offenbar ganz und gar nicht so. Erst ein Schwarzer und dann eine Frau – das ist nun wirklich zu viel. Erst die Schwulen nicht mehr bestrafen, dann heiraten lassen, und dann auch noch Kinder adoptieren – das geht nun aber zu weit. Erst Frauen gleichberechtigen, dann auch noch dritte Geschlechter einführen, und am Ende gar nicht mehr zwischen Männlein und Weiblein unterscheiden – Ihr spinnt doch! So gibt es viele Beispiele für diese Dynamik: Was uns als folgerichtige Umsetzung des richtigen Prinzips erscheint (das ja nun endlich durchgesetzt wurde), ist für diejenigen, die schon den ersten Schritt eigentlich falsch fanden, ein Den-Bogen-Überspannen.

Natürlich ist nichts davon überzogen. Und eine der schlimmsten Folgen, die wir jetzt auszubaden haben, ist die Gemütsruhe, mit der ein sich gerne als fortschrittlich, liberal und frauenfreundlich gerierendes Feuilleton den Aufstieg der Rechten nutzt, um das eigene emanzipatorische Zurückrudern zu rechtfertigen. Alles Quatsch: Es ist gut und richtig, Gleichheit und Freiheit als Prinzipien eines guten Lebens für alle nicht nur „ein Stück weit anzudenken“, sondern radikal zu Ende. Genauso selbstverständlich, wie es richtig ist, dass nach einem Schwarzen auch eine Frau kandidieren kann, genauso selbstverständlich ist es richtig, auch in anderen Fragen immer und immer noch ein Stück weiter zu denken und zu gehen.

Aber das ergibt eben nur dann einen Sinn, wenn wir uns auch anstrengen, für die dabei gewonnenen Einsichten zu werben, sie in der symbolischen Ordnung unserer Gesellschaft zu verankern, sie unterm Volk zu verbreiten. Das geht nicht, indem wir irgendwelche Posten in irgendwelchen Regierungen übernehmen und entsprechende Dekrete erlassen. Sondern es geht nur, indem wir uns den Mund fusselig reden und Leute von unseren Idealen überzeugen. Und das geht nur, wenn wir uns wirklich für sie und ihre Anliegen interessieren, wenn wir sie eben nicht von vornherein für Honks und Dumpfbolzen halten, sondern für Menschen mit Erfahrungen und Vorurteilen, mit Sorgen und Eitelkeiten, mit Einsichten und Irrtümern, Individuen, auf die wir uns einlassen müssen, um mit ihnen ins Gespräch kommen zu können.

Freiheitliche Politik kommt nicht weit, wenn sie sich auf Macht kapriziert. Sie darf ihre Prinzipien auf keinen Fall aufgeben. Aber sie muss ihre Prinzipien anderen vermitteln. Wenn ihr das nicht gelingt, wird sie verlieren.

Macht und Politik sind nicht dasselbe. – Lest das Buch, darin geht es genau um diesen Unterschied.

Und: Vermittlung ist das wahre Radikalsein – darüber habe ich schonmal was gebloggt.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

37 Gedanken zu “Warum die Linken und Feministinnen am Rechtspopulismus (nicht) schuld sind

  1. Vieles, was du beschreibst, beschäftigt mich gerade auch. Insbesondere die Frage, wie wir unsere Prinzipien vertreten. Es geht sicher nur mit „Kampf“ und Auseinandersetzung (aber eben nicht mit Gewalt!), Selbstläufer sind weder freiheitliche Prinzipien noch das gute Leben, das ist das eine, was wir vielleicht – aus Bequemlichkeit? – unterschätzt haben. Und das andere: wie vermitteln wir unsere Prinzipien? Ich meine mich zu erinnern, dass wir schon meinen einen kurzen Diskurs über die Frage hatten, ob die „klassischen“ Vorträge und Diskussionsveranstaltungen noch das Mittel der Wahl sind. Nach meiner Erfahrung nutzen sie sich ab. Was dann? Klar, ich kann mich samstags mit einem Stand auf den Markt stellen und zur Diskussion einladen. Das klappt, sicher. Und dann? Wie denken wir Bildungsprozesse in unserer Zeit neu, überraschend, kreativ, frech, spielerisch…?

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  2. Sehr geehrte Frau Schrupp,
    als Politologin könnte Ihnen mit Blick auf das kleine Land nebenan (Österreich) bekannt sein, dass der von Ihnen im letzten Absatz gesetzte Begriff „Freiheitliche Politik“ spätestens seit Jörg Haiders Aufstieg und Fall ungeeignet ist, damit die Ihnen wertvollen Hypothesen zu umschreiben… ich teile das hier gerne mit, auch wenn ich wenig Ihrer Ansicht bin. Ich finde schon sehr befremdlich, dass man auf Ihrer FB Seite keine Kommentare hinterlassen kann, denn wenn Sie Dialog suchen, ist Dialog zulassen ein mal der erste Schritt. Frohes Neujahr aus Wien…

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  3. Beim Lesen dachte ich grad an Martin Luther King und seine Beloved Community. Er wollte ja nicht nur gleiche Recht für Afroamerikaner, sondern er wollte die Gemeinschaft aller, auch derer, die momentan noch auf der anderen Seite stehen.
    Ich glaube, nur das kann als Ziel taugen. Wer die Macht hat ist letztlich irrelevant, so lange dieses Ziel verfolgt wird, ob mit oder gegen die Mächtigen

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  4. @Matthias – Ich denke eher, es geht nicht in erster Linie darum, große Aktionen und Strategien zu entwickeln, sondern eher Gelegenheiten zu nutzen, da wo sie sich bieten. Mit dem Onkel auf der Familienfeier, in sozialen Medien mit Leuten das Gespräch suchen, auf der Arbeit mit Leuten diskutieren usw. Also eher eine Haltung davon, dass es wichtig ist, sowas zu tun und sich in dieser Hinsicht einzusetzen. Und schließlich eben darüber bewusst sein, dass die Situation je nachdem, welche Person es ist, anders ist. Geistesgegenwärtig sein, haben wir das im ABC genannt, also in der konkreten Situation die richtigen Worte finden.

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  5. @Alexandra – Ja, das stimmt, aber ich will eigentlich so ein schönes Wort wie „freiheitlich“ nicht der FPÖ überlassen, die es ja ins Gegenteil verdreht. Ich glaube eigentlich nicht, dass das hier in diesem Kontext zu Missverständnissen führt.

    Ansonsten: Ja, auf Facebook können bei mir nur Leute kommentieren, die mit mir befreundet sind. Aber das liegt daran, dass ich dort nicht dauernd kontrollieren will, wer was postet, und das müsste ich, wenn jede_r dort kommentieren könnte. Ich suche schon den Dialog, aber nicht jederzeit und überall den Dialog mit allen. Das ist ja auch eine Frage der Kapazitäten.

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  6. @Antje Schrupp
    Zunächst Alle Liebe und Gute zum Jahreswechsel.
    Ob das mit diesem Text befördert wird, so wie du es sicher meinst, bezweifele ich, es gibt Teile, die die Radikalität des Ziels über das Ziel stellen:
    „Ich glaube, das Einerseits-Andererseits-Gefühl kommt aus einer Verwechslung von Prinzipien und Vermittlung. Was die Prinzipien angeht, so haben wir nicht überzogen. Es ist richtig, sich nicht mit ein bisschen weiblicher Freiheit und ein bisschen Akzeptanz von Homosexualität und ein bisschen Abbau weißer Überheblichkeit zufriedenzugeben, sondern hier radikal auf dem ganzen Programm zu bestehen.“
    Das ist wioe mit dem Leitlied „Ein bisschen Frieden“, ein „bisschen schwanger“ jedoch gibt es nicht, willst du das hier etwa vergleichend für gesellschaftliche Prozesse so meinen?

    Wir stellen uns einfach mal gemeinsam vor, die andere Hälfte der Bevölkerung könnte ihre gegenteilige Sicht genau so „radikal“ verlangen, wie du das hier postulierst – was wird wohl das Ergebnis sein?
    Kein gutes für das, was du gern erreichen möchtest, du hast dir bestenfalls einen Bärendienst erwiesen und wichtige mögliche rsp. erforderliche Partner völlig gegen dein Ziel (das übrigens nicht nur dir gehört …) mobilisiert, was für ein Zeit- und Kraftverlust.
    Es ist wohl ein Verständnis, wie du das in diesem Satz artikulierst, das bei der Ursachenforschung, wer an der gegenwärtigen „Verschiebung von Mehrheiten in der Welt“ evtl. „schuldig“ sein könnte, mit Aufschluss gibt, z.B. ob „Linke“ oder „FeministInnen“ ihren Anteil daran haben könnten.

    Bekanntlich entstehen neue bzw. andere als gegebene politische Orientierungen NICHT von allein oder durch Initiativen von Gruppierungen, wie sackweise selbsternannte „Experten für alles Mögliche“ versuchen, ablenkend zu beschwichtigen, sondern solche Vorgänge haben stets ihre Quellen in dem, was bisher (nicht) war, kommen also DIREKT aus der Mitte der Gesellschaft und nicht „von deren Rändern“, die keinerlei Kraftpotentiale haben, nie hatten, die „Mitte“ zu vereinnahmen. Vielmehr ist es umgekehrt: Die sogenannte Mitte vereinnahmt sich zielorientiert bestimmte Ränder.
    Will damit sagen, diese sogenannten „konservativen Rucke“ in der Welt sind direkt das Produkt der bisherigen (angeblich „mittigen“) Politik und wären ohne dieser nie entstanden.

    Das führt uns wieder zurück zu deiner „radikalen Forderung“, die einen typischen Beweis für meine Darstellung abgibt.

    Alles, was geeignet ist, Gesellschaft zu spalten, bringt sie nicht „progressiv“ voran sondern bewirkt das direkte Gegenteil, weil die Mehrheiten, die Sachverhalte nachhaltig und dauerhaft sicher tragen sollen, nicht mitgenommen werden, überstürzt überrumpelt werden sollen (wie du ja selber forderst mit „radikal alles“).
    Eine solche mehr romantisch-naiv-revoluzzerische Denk- und Handlungsweise ist weder „progressiv“, noch besonders intelligent, sondern letztlich nur totalitär orientiert und beschädigt nicht nur das gemeinte Ziel sondern auch die praktische Funktion der Ausübung von Demokratie, indem sie unnötigerweise zu viele Kräfte dagegen mobilisiert, die eigentlich gewinnbar gewesen wären.
    Das trifft nun jedoch nicht nur auf Linke und FeministInnen zu, sondern auf den gesamten „amtierenden“ politischen Mainstream und dessen wenig nachdenkende medialen Apollogeten zu.
    Allerdings:
    In der Geschichte waren derartige Maximalforderungen und damit verbundene Radikalität sehr gern Eigenschaften, die bei „Linken“ zu finden waren, dort ideologisch begründet betrieben wurden, und das besonders zwischen diesen gegeneinander.
    Lediglich von Naivität und Maximalismus befreite pragmatische Denk- und Handlungsweisen (Politik ist die Kunst des Möglichen) haben die Menschheit bisher nachhaltig den Freiheitsvorstellungen und Chancengleichheiten und Gleichberechtigungen der Geschlechter und Minderheiten Schritt für Schritt näher gebracht.
    Das hilflose Beschreien imaginärer „fremder Kräfte“ in Techniken und Technologien (fake-news) sowie das ebenso hilflose Verweisen auf angebliche „Fremdartigkeitsfeindlichkeit böser Menschen“ ist nichts anderes, als die politische Bankrotterklärung der gegebenen politischen Verantwortung. Vergleichbar mit der unsinnigen Kinderei des rachsüchtigen erfolglosen Barak Obama, der sich für seine Dummheiten der nicht begründbaren Ausweisungen russischer Diplomaten auch noch von Putin durch ernsthafte weltpolisch seriöse Nichtachtung vorführen lässt – kein Wunder, das Leute mit solchen Politikvorstellungen und mangelnder (welt)politischer Reife in 8 Amtsjahren nicht voran kamen und ausser eloquenten Reden die Gesellschaft heftig spalteten und DAMIT unsägliche Entwicklungen des TRUMPismus einleiteten.
    Und so ist das auch mit den inflationären schwammigen Vorwürfen des „Rechtspopulismus“:
    Populismus ist seit jeher eine in der Gesellschaft und Politik erforderliche Komponente, wer sie zur eigenen Herausstreichung als negativ hinstellen möchte, macht nichts anderes, als sich selber als Populist zu betätigen, ob für ein (völlig imaginär unterschiedlich verstandenes) „Europa freiheitlicher westlicher Werte“, das so nicht existiert, oder für andere here (und eigentlich gute und richtige) Ziele, die gegenwärtig so über verschwurbelte Lawinen des eigenen Populismus so viel Menschen abstossen und diese sich andere Vertretungen suchen lassen.
    Empfehle, das Interwiew von PHOENIX vom Neujahrestag mit dem Bundestagspräsidenten Prof. Lammert intensiv zu studieren, wer lesen kann, wird zu meinen hier beschriebenen Überlegungen reichlich Anknüpfungen finden.
    Und last not least, liebe Antje Schrupp:
    Ich meine, es stünde deinem blog wieder gut an, auch mal Kommentare in deine Sammlung aufzunehmen, die nicht vollen Anschluss an deine Sichten haben, sie könnten das allgemeine Bild seriöser und freiheitlicher und damit offener und demokratisch ablaufender Meinungsaustausche dokumentieren.

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  7. Hallo Frau Schrupp,

    „Was die Prinzipien angeht, so haben wir nicht überzogen. Es ist richtig, sich nicht mit ein bisschen weiblicher Freiheit und ein bisschen Akzeptanz von Homosexualität und ein bisschen Abbau weißer Überheblichkeit zufriedenzugeben, sondern hier radikal auf dem ganzen Programm zu bestehen.“

    Vorab, um Mißverständnisse zu vermeiden, ich teile die prinzipiellen Werte, um die es hier geht, wenn auch teilweise vielleicht in anderen Formulierungen, als denen, die Sie wohl verwenden würden.

    In Ihrem Beitrag kommt aus meiner Sicht genau das *Un*verständnis zum Tragen, das das Problem darstellt, das sie eigentlich diskutieren wollen. Es nicht (nur) um ein Vermittlungsproblem, es geht um Epistemologie, die Basis des Problemverständnisses.

    Sie setzen die eigenen Hoffnungen von einer schönen neuen Welt und einem neuen Menschen immer noch (potentiell nur noch nicht realisierte) Tatsache, deren Richtigkeit außer Frage steht. Nur bei der Vermittlung habe es, wie sich nun herausstellt, Schwierigkeiten gegeben.

    Daß aber die unbeabsichtigen Konsequenzen und inhärenten Selbstwidersprüche der eigenen Haltungen und Handlungen (z.B. Individualität vs Kollektivismus im Intersektionalismus) Probleme verursacht haben könnten, die am Ende in der sozialen und politischen Realität ihrem eigenen Ziel zuwiderlaufen, daß Gleichheit und Freiheit auf einer anderen axiomatischen Basis auch anders diskutiert werden können, und dabei nicht notwendig weniger moralisch, daß die eigene Einsicht und Anschauung vielleicht nicht immer notwendig richtig sein muß, das wird anscheinend nicht mal als Möglichkeit in Betracht gezogen.

    *Darin*, in dieser erkenntnistheoretischen Hybris, liegt das eigentliche Problem des Diskurses *und* seiner Vermittlung, und dieses Problem wird immer noch kaum erkannt.

    Vielleicht zum Teil auch, weil axiomatisches Hinterfragen aufgrund der ja auch hier beschriebenen institutionell abgesicherten quasi-Totalinstitutionalisierung gewisser Glaubenssätze als Fähigkeit ein Stück verloren gegangen ist: die eigene Position in einen Begründungszusammenhang zu stellen, sie erfolgreich auch gegen – akzeptable und zu akzeptierende – exogene Kritik zu verteidigen.

    „Wir haben Recht, Ihr seid nur lernbehindert, das haben wir dummerweise übersehen“ ist vielleicht ein erster Schritt, und mag als Schmerzmittel für akute Weltbildgefährdung fungieren, aber es ist, denke ich, dauerhaft noch keine problemadäquate Haltung zur neuen politischen Komplexität unserer Wirklichkeit und es wird vermutlich auch nicht reichen, um das eigene Verständnis von Freiheit und Gleichheit in einem in Zukunft klar offeneren ideologischen Wettstreit erfolgreich zu verteidigen.

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  8. In erster Linie geht es vielleicht nicht darum, „große“ Aktionen zu entwickeln, sondern um eine Haltung zu entwickeln, aber dann, in zweiter Linie? Oder, noch mal anders angesetzt: ich kann ja auch Gelegenheiten suchen oder „inszenieren“ – und da bin ich auf der Suche nach ungewöhnlichen, pro-vozierenden „Formaten“. ZZ denke ich zB über die Rolle von Kunst nach, in solchen Zusammenhängen. Also, „Hingucker“ entwickeln. Damit nehme ich bewusst Einfluss auf die „konkrete Situation“, auf das „dazwischen“, für mich ist das Teil der Haltung.

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  9. Ich denke eher, dass der größte Teil der Menschen zum einen die Denkansätze ganz einfach nicht teilt und zum anderen hat dieser Großteil der „Honks“ auch eine Vorstelung von Freiheit und Gerechtigkeit. Diese werden aber von „euch“ komplett ignoriert, daher sind solche Debatten die z.t. völlig an der Lebenswelt der Merheitsgesellschaft vorbei gehen und deren Ansprüche ignorieren Ideale Grundlagen für Rechte Parolen.

    Es würde schon reichen zu zuhören und einzusehen, dass auch unrter den 75% der Menschen ungleichkeit und ungerechtigkeiten existiert die bekämpft werden muss.

    Darüber hinaus ist es auch die Wortwahl, „Honks“, „Dummbolzen“ oder auch Rassisten oder Nazis sind die Begriffe die auf alles was nicht 100% dem Weltbild entspricht ausgeschüttet.
    Das ist in meinen Augen keine Art der Debatte, die auch nur in Ansätzen ein Gefühl für die Ansichten zeigt. Geschweige den, zeigt es den Willen diese in irgendeiner Art und Weise in Entscheidungen zu integrieren.

    Das nun die Menschen nach Entscheidern suchen, die ihnen zuhören ist weng verwunderlich. Das tun Trump, LePen oder Petry, ihr nicht.

    Leider, da linke Politik besser wäre, aber linke Politik besteht nicht (oder sollte nicht) nur darin Randgruppen zu pflegen.

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  10. Liebe Antje Schrupp,
    nein, es ist kein Vermittlungsproblem sondern primär eins der Prinzipien und der Substanz. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen Feminismus, sexuellen Identitäten und Minderheitenrechte sondern sehr viele unterschiedliche. In dem Maße, indem die LGTB und dann später cis community behauptet, es gebe nur eine Lesart der sexuellen Identität hat sie polarisiert und angreifbar gemacht. Damit ist es die Substanz und nicht die Vermittlung, die sie aus der politischen Debatte katapultiert. Zweitens haben wir nicht endlos Zeit und Ressourcen sondern müssen uns auf wesentliches begrenzen. Wenn Teile der Linken und Feministinnen die sexuelle Identität zu einem ihrer wichtigsten Themen machen, dann hat sie den Schuss nicht gehört. Wir werden nur mit der Mehrheitsgesellschaft Fortschritte erzielen und nicht gegen sie.

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  11. @diverse – Ich merke hier in den Kommentaren (wie ich auch schon in der Debatte unter diesem Thread bei Facebook bemerkt habe), dass Ihr und viele unter „Vermittlung“ versteht, dass eine vorgefertigte Meinung nur noch quasi „didaktisch“ rübergebracht werden soll, und das ist natürlich ein überheblicher Ansatz. Das meine ich ganz und gar nicht. Sonder „Vermittlung“ bedeutet, dass ich einer anderen Person erkläre, wie ich zu meinen Ansichten gekommen bin, welche Gründe ich für meine Meinung habe und warum ich die politischen Entscheidungen treffe, die ich treffe. Es geht also darum, meine Postionen einer anderen Person gegenüber so zu beschreiben, dass sie es nachvollziehen kann und versteht. Ob sie sich von diesen Argumenten dann überzeugen lässt oder nicht, das ist eine davon unabhängige Frage. Es ist auch am Anfang des Gesprächs offen, ob ich vielleicht am Ende diejenige bin, die sich hat überzeugen lassen.

    Der Versuch, die eigenen Positionen zu vermitteln in diesem Sinne ist das Zentrum von Politik, und es ist ein generelles Problem, dass das in seiner Wichtigkeit völlig unterbelichtet ist. Sondern das Wort „vermitteln“ wird bei uns in einem didaktisch-pädagogischen Sinn verwendet, als Wissenstransfer von einer Person, die Ahnung hat, zu einer Person, die keine Ahnung hat. Es wird nicht für das Verständlichmachen subjektiver Positionen verwendet, sondern fürs „rüberbringen“ universaler Wahrheiten, so wie ein Lehrer den Dreisatz „vermittelt“. Aber Mathematische Grundsätze oder Vokabeln werden nicht „vermittelt“, sondern erklärt oder bewiesen oder verkündet, denn sie stehen fest, und es gibt keinen offenen Ausgang, wonach 2+2 eventuell doch 5 ergeben könnte.

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  12. @Anke Hassel – Du hast offenbar andere politische Entscheidungen getroffen als ich, jedenfalls bin ich mit dem, was du schreibst, nicht einverstanden. Und jetzt ist es so: Keine von uns hat Recht, weil es in dieser Frage kein „wahr und falsch“ gibt, sondern nur „Ich entscheide mich so und du entscheidest dich so“. Das ist genau, worauf ich hinaus will. Eine politische-demokratische Kultur macht es erforderlich, dass Menschen, die unterschiedliche politische Entscheidungen getroffen haben, ihre Position den jeweils anderen gegenüber vermitteln.

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  13. @antjeschrupp. Die Frage war ja, ob die Progressiven einen Beitrag am Populismus haben oder nicht. Ich glaube schon und nicht, weil sie ihre Positionen nicht vermitteln sondern weil sie sich von Nischenthemen haben dominieren lassen. (Damit meine ich im Übrigen nicht Obama sondern den neuen Feminismus. Das sind unterschiedliche Phänomene). Ist das eine politische Entscheidung? Wenn ja, dann ist es wahrscheinlich genau das: die Prioritäten waren falsch und damit brauchen wir uns nicht über die Reaktionen zu wundern. Schade ist nur, wenn das jetzt nach dem Motto ‚jetzt erst recht‘ weiter geht, nur noch ‚besser‘ kommuniziert wird. Ich beobachte viele eingeigelte Diskurse, in denen alle immer lauter gegen eine feindliche Wirklichkeit andiskutieren anstatt sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Davon wird sie nicht wieder verschwinden.

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  14. Danke für den Denkanstoß! Hier wird löblicherweise eine Art Erklärung oder sogar Entschuldigung für den Anteil der Linken und Feministinnen an der aktuellen Lage unserer Gesellschaft versucht, aber ich fürchte, diese greift noch zu kurz.
    Es stimmt zwar, dass den rechtsradikalen Ewig-Gestrigen nicht mehr genug Beachtung geschenkt wurde, weil man offenbar glaubte, es endgültig an die Macht geschafft zu haben. Aber nur die Stimmen des rechten Randes erklären mitnichten den Erfolg der AfD. Es reicht auch nicht, die Ursache in fehlender Vermittlung zu suchen. Es ist eben nicht (nur) fehlende Einsicht in das Gute und Richtige, was so viele Menschen in Deutschland zum Protest gegen das sogenannte Establishment anstachelt.
    Hinter der hier gegebenen Erklärung steckt einmal mehr die Vermutung, dass all jene, die eine anderslautende Meinung als die bevorzugte linke oder feministische vertreten, entweder uninformiert, ungebildet, schlicht dumm oder aber durch die Globalisierung abgehängt seien, dass sie sich von unbegründeten Ängsten geplagt fühlten, im Grunde ihres Herzens aber fremdenfeindlich, nationalistisch und mitleidlos seien.
    Meiner Meinung nach ist es genau diese gebetsmühlenartig wiederholte Einschätzung der offenbar abwandernden Wähler, die diese Abwanderung beschleunigt und verstärkt. Es ist nämlich ein Ausdruck mangelnden Respekts, mit einer solchen Begründung auf Andersdenkende zuzugehen. Der Großteil linker und auch feministischer Politiker und Medien beharren in dieser Weltsicht und bemerken nicht einmal, was sie damit anstellen. Sie verhalten sich wie Lehrer an einer strengen Schule, die ihre Schüler nicht für voll nehmen und ihnen mit der ganzen Arroganz ihrer für sicher geglaubten intellektuell überlegenen Weltsicht begegnen. Das funktioniert schon an Schulen nicht so gut, aber im Umgang von Erwachsenen untereinander ist es völlig deplatziert. Dass es außerdem erfolglos ist, muss wohl nicht besonders nachgewiesen werden.
    Erst wenn wirklich auf Augenhöhe miteinander diskutiert wird, kann es überhaupt wieder eine Auseinandersetzung darüber geben, wie mit den Problemen sachlich am besten umzugehen ist. Dann wird es sicher nicht in allen Fragen Kompromisse geben, die allen gerecht werden, aber dann sind bestimmt eher Lösungen möglich, die für alle akzeptabel sind. Dann wird auch ersichtlich sein, dass die große Mehrheit der Wählerschaft weder dumm noch bösartig ist und dass auch konservative und rechte Stimmen tatsächlich in vielen Punkten berechtigte Forderungen stellen, welche sogar moralischer und fortschrittlicher ausfallen können als das bislang praktizierte Politik-Instrumentarium.
    Allerdings ist die Voraussetzung dafür, dass alle diejenigen, die für sich beanspruchen, die allein selig machende Meinung zu vertreten, endlich von ihrem hohen Ross herabsteigen und lernen, eine andere als ihre eigene Meinung für ebenso berechtigt und erwägenswert zu erachten. Solange dies nicht geschieht, wird weiter Empörung und Wut derjenigen wachsen und gedeihen, die ständig als zu belehrende Masse abgewertet werden. Meine Sorge ist, dass diese Einsicht erst kommt wenn es zu spät ist, also nach der nächsten Bundestagswahl.
    In den Antworten auf die bisherigen Kommentare wird Vermittlung bereits „weicher“ definiert als als Belehrung. Gut! Es wird auch nicht ausgeschlossen, dass in einer Diskussion mit Andersdenkenden der Ausgang offen ist. Gut! Wie immer wird hier weitergedacht als an vielen anderen medialen Orten. Was mir allerdings noch fehlt, ist das Zugeständnis, dass es nicht nur an der richtigen Vermittlung gefehlt hat, sondern dass eben auch Machtmissbrauch stattgefunden hat, der die angeblich verfolgten Ideale verraten hat. Kein Zweck heiligt Korruption, Verschleierung, Zensur oder Manipulation als Mittel. Hillary Clinton hatte es als Frau sicherlich schwerer, aber sie ist nicht nur deswegen in der US-Wahl unterlegen, weil sie eine Frau ist, sondern auch weil sie einigen Dreck am Stecken hatte und Ansichten vertrat, die man eben je nach Standpunkt auch für falsch halten kann. Und ob Obama nun wirklich ein guter Präsident war oder nicht, darüber kann man ebenfalls streiten. Wenn man sein historisches Verdienst auf seine Hautfarbe reduzieren muss, ist es keines.
    Außerdem würde ich Amerika und Deutschland in diesen Fragen nicht wirklich für vergleichbar halten. Wir haben hier unsere sehr eigenen Voraussetzungen und Problemstellungen und ich finde es nicht zielführend, von den USA auf Deutschland zu schließen. Machtmissbrauch gibt es hier allerdings auch und dieser ist aufzuzeigen und zu verurteilen, ganz egal aus welcher politischen Richtung er kommt. Es darf nicht zweierlei Maß geben, das unweigerlich zu Ungerechtigkeit führt. Leider sehe ich zweierlei Maß in der politischen Debatte ebenso wie in den Medien viel zu häufig angewendet – ebenfalls ein Grund für die Wut vieler Bürger. Wer Ideale vertritt und damit an die Macht kommt, muss anschließend diese Ideale eben nicht nur massentauglich bewerben, sondern sie vor allem selbst leben. Sonst wird jede Glaubwürdigkeit verspielt und am Ende auch die Macht zu Recht wieder verloren.

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  15. @Anke Hassel – Ja, aber ich glaube nicht, dass man sich von den eigenen Überzeugungen verabschieden muss, um sich mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen. Was für dich ein „Nischenthema“ ist, halte ich eben für essenziell wichtig. Im 19. Jahrhundert haben viele (die meisten) männliche Sozialisten die Frauenemanzipation für ein Nischenthema gehalten, während Feministinnen argumentiert haben, dass ohne Frauenemanzipation die gesamte Demokratie nicht funktioniert. Ich bin der Meinung, dass die Prioritäten nicht falsch waren – bzw. waren es ja gar keine Prioritäten, denn wenn ich mich z.B. mit critical whiteness beschäftigte, bedeutet das ja noch nicht, dass ich finde, dass das das wichtigste Thema von allen ist, vielleicht ist es nur das, wofür ich mich gerade interessiere. Ich finde übrigens interessant, dass mir manchmal Leute vorwerfen, ich würde mich politisch für Nischenthemen einsetzen, die sich selber überhaupt nicht politisch engagieren.

    Ich finde im übrigen auch, dass man am „Erfolg“ nicht ablesen kann, ob ein politisches Konzept richtig oder falsch ist. Es kann sein, dass man ein total gutes Konzept hat, aber trotzdem nicht gewählt wird, weil die meisten Leute es halt aus welchen Gründen auch immer nicht mögen. Eine Wahlniederlage ist keine „Niederlage“ (deshalb ist das auch ein schlechtes Wort), sondern nur die Information, dass die eigenen Ideen (derzeit?) nicht mehrheitsfähig sind. Das sagt aber eben über die Qualität der Ideen nichts aus. Das Frauenwahlrecht oder die Abschaffung der Sklaverei waren auch über viele Jahrzehnte hinweg in Europa nicht mehrheitsfähig, aber die Idee war trotzdem auch damals schon gut.

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  16. @Eva – Naja, die Frage, um die es bei all dem ja auch geht ist die nach der Grenze zwischen legitimen politischen Differenzen und dem, was wir aus dem politischen Diskurs tatsächlich ausschließen wollen. Auch die Anhängern und Wählerinnen Hitlers waren nicht nur einfach moralisch verwerfliche Bösewichte, sondern hatten ernsthafte und gute Absichten und was sie sagten, klang damals für eine Mehrheit der Leute plausibel. Von daher bin ich nicht der Meinung, dass es eine Voraussetzung für die sinnvolle Teilnahme am politischen Diskurs sein sollte, vor jeder Meinung Andersdenkender Respekt zu haben, sondern es ist gut und wichtig und auch vollkommen legitim, ich würde sogar sagen, auch notwendig, für sich eine Grenze dessen zu definieren, das man nicht mehr zu diskutieren bereit ist.
    Ich zum Beispiel bin nicht bereit, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, ob Frauen nicht vielleicht von Natur aus dümmer sind als Männer oder sich nicht für Politik eignen. Es gibt Grenzen, jenseits dessen ich Thesen für indiskutabel halte. In meinem Post wollte ich dafür plädieren, dass ich aber auch mit solchen Leuten, die Thesen vertreten, die ich für indiskutabel und nicht nachdenkenswert halte, in ein Gespräch gehen muss uns sollte, weil es auch in diesen Situationen notwendig ist, die eigene Position zu vermitteln. Gerade weil es dabei nicht um „Rechthaben“ oder „Nicht Rechthaben“ geht. Es ist durchaus möglich, dass eine Gesellschaft, in der Frauen nicht frei und gleichberechtigt sind, gut funktioniert und stabil und wohlhabend ist. Der Punkt ist, ich WILL so eine Gesellschaft nicht haben, das ist eine Entscheidung, und für die trete ich ein. Meine These ist halt nur, dass ich dafür nicht eintreten kann, indem ich die Gleichberechtigung per Dekret durchsetze, sondern ich muss sie auch vermitteln. Dass in dem Moment, wo ich mich in diesen Prozess begebe, also Leuten erkläre, warum ich für Gleichberechtigung bin, die vielleicht so überzeugend auftreten, dass ich meine Meinung ändere, ist ein Risiko, dass ich dabei eingehe, aber die Bereitschaft dafür ist KEINE notwendige Voraussetzung, um überhaupt in das Gespräch zu gehen. Ganz im Gegenteil: Wenn ich beim Gegenüber interessante Ideen und Argumente und Einsichten vermute, habe ich ja von selber ein Interesse daran, ihm_ihr zuzuhören, dann ist das ja keine besondere Anstrengung, zu der ich mich aufraffen müsste.

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  17. Hallo Frau Schrupp,

    ich fürchte die „arrogante Vermittlung“ der feministischen Wertvorstellungen und die Schuldzuweisung an „den alten, weißen Mann“ wird unvermindert in 2017 anhalten. Bei YouTube hat MTV „Empfehlungen für den weißen Typen in 2017“ veröffentlicht, umgekehrt (also mit Hinweisen an die schwarzen Männer) wäre das natürlich mit der Rassimuskeule auseinandergenommen worden. Inzwischen ist das Video bei MTV selbst verschwunden, aber Sie finden sicherlich eine Kopie/einen Kommentar. Und wenn ich bei maedchenmannschaft/Edition-F/emma/Frau Schwesig/Spiegelkolummen von Frau Stokowski etc. so lese, dann kann ich als weißer/alter (reichen 40 Jahre?) ohnehin nur alles falsch machen. Warum sollte ich dem Gehör schenken? Aus meinen persönlichen Erleben können Frauen genauso schlechte Führungskräfte sein, können Kinder/Partner schlagen, mit Alkohol schlecht umgehen und sexuell belästigen. Aber diese Dinge werden nur den Männern vorgeworfen, Frauen sind aus feministischer Darstellung die besseren Menschen. Das nehme ich dann eben als Doppelmoral wahr und denke mir meinen Teil. Ich wünsche mir keine AfD im Bundestag, aber ich fürchte, es wird so kommen… Frau Petra in der Opposition? Oder gar in Koalitionsverhandlungen mit Frau Merkel?

    Viele Grüße
    Christoph

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  18. @Antje Schrupp
    Mit
    „@Anke Hassel – Du hast offenbar andere politische Entscheidungen getroffen als ich, jedenfalls bin ich mit dem, was du schreibst, nicht einverstanden. “
    kann es sein, dass auch du „den Schuss nicht gehört“ hast?

    Niemand forderte hier, persönliche Ideale oder Maxime, Überzeugungen, aufzugeben, im Gegenteil:
    Alle Kommentatoren fordern einen solchen Umgang damit, der aus der Naivität der Realitätsferne und Romantik herausgeholt wird und pragmatisch hilft, solchen Idealen Schritt für Schritt so näher zu kommen, dass die „Mehrheitsgesellschaft“ (und darüber hinaus) durch gelungenen sauberen Populismus mitgenommen wird und hilft, das dauerhaft zu sichern.
    Diese Forderung ist „der Schuss“!
    Wer meint, auf derartigen progressiven Populismus verzichten zu können, hat „den Schuss“ gegen jegliche Art von Überheblichkeit (vergleichbar dem Nationalismus auf Intellektuellem Gebiet?) wahrlich nicht gehört und frönt weiter dem Ideal der vorigen Jahrhunderte, eine „Gleiche“ Gesellschaft, eine EINHEITSgesellschaft (im Denken) züchten zu können um die „Rasse der Progressiven“ hervorzubringen und zur dominanten zu machen – Sozialrassismus? Intellektualrassismus?
    Das kann es wohl nicht sein.

    Und nein, auch du musst dazu nicht Deine Ansichten verwerfen. Allerdings darf ich dich höflich daran erinnern, dass du z.B. in einem tiefreligiösen muslimisch lebendem Land dich nie trauen würdest, dort als weiblicher Mensch mit unverhülltem Haar zu erscheinen, wieso meinst du, muss derartige taktische Rücksicht auf Andersdenkende und Anderslebende im eigenen Lande nicht praktiziert werden?
    Nein, nicht mit Kopftüchern aus Stoff, mit geistigen Hilfsmitteln …

    Kaum jemand als du weiss besser, dass „die Gesellschaft“ ein einzigartiges Sammelsurium von UNTERSCHIEDEN, von Unterscheidbarem und Verschiedenem ist, dem Gesellschaft allein ihre Entwicklung, Existenz und Stabilität als GANZES verdankt – wieso sollten wir auf dieser Basis nicht sauber populistisch unseren Zielen dennoch (!) näher kommen und jegliche Vereinheitlichung dabei deutlich auch populistisch gekonnt vermeiden und ablehnen, so dass wir DARIN auch weithin verstanden und empfunden werden (VERMITTLUNG???).

    Das alles hat mitnichten etwas mit der Vorstellung, dass „Frauen nicht vielleicht von Natur aus dümmer sind als Männer oder sich nicht für Politik eignen.“ zu tun.
    Richtiger wäre nicht die Überlegung, ob Frauen dümmer als Menschen seien und sich weniger für Politik eignen, sondern statt dessen, ob evtl. etliche politische „Intellektuelle“, die sich selbst als „progressiv“ (allerdings nur im eigenen Ansatz) verstehen, nicht vielleicht „dümmer sind“ als Volk und sich aufgrund ihres Realitätsverlustes gegenüber der Befindlichkeit breiter Teile der Gesellschaft „nicht für Politik eignen“ – ?
    Ja, wer anfängt Populismus (negativ) zu erklären, um Anderen einen „preiswerten“ negativen Stempel aufzudrücken, bezeugt lediglich, dass er die Rolle des Populismus nicht verstanden hat und folglich nicht beherrscht, Schaden anrichtet und Gesellschaft spaltet – in der Regel zuerst zum eigenen schmerzhaften politischen Nachteil …
    Und ja:
    DAS ist sehr wohl kein Alleinstellungsmerkmal „der“ Linken, die als verbundene Homogenität so nicht existiert, oder „der“ FeministInnen, die bekanntlich auch und gerade heute untereinander oft mehr Zoff entfalten, als das einer „Gruppe“ anstehen würde – das betrifft alle und alles, was sich in Langzeitprozessen (fest)gesetzt und eingenistet und so auch vernetzt hat, weil „ES“ eben „etwas zu sagen“ hatte.

    Verschiedene Kommentare wiesen schon darauf hin, dass dort die Quellen für den TRUMPismus in seinem Fischen aus der Mitte heraus zu den „Rändern“ hin zu suchen und finden sind:
    Die wabernde Mitte sucht sich schlicht neue Apollogeten und Aktivisten – nicht etwa umgekehrt – um die bisherigen los zu werden, die US-Wahlen samt Hillary und ihrer bekundeten gefährlichen Weltpolitik der militärischen Vereinnahmung aller Unbotmässigen lassen grüssen !
    Es ist nicht die pseudo-Progressive Frau Hillary, die gescheitert, abgelehnt wurde, es ist ihr verzocktes Weltverständnis der Kalten und heissen US-Kriege, ihres unfruchtbaren US-Nationalismus und der persönlichen Vorteilsnahmen darin, bis hin zum Tandeln mit reichlich spendenden Scientologen (die ihr Gatte als fast erste Amtshandlung gesellschaftsfähig machte mit der Erteilung der „Gemeinnützigkeit“ und damit verbundenen Steuerfreiheit), das war es, was explodierende Gesellschaftsschichten los werden wollten, und nicht etwa ein „Rechtsruck“ – der kam gratis gleich mit, als ZUGABE , aber nicht als Ursache.

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  19. @Christoph – Nu ja, aber dass demographische Faktoren eine Rolle spielen und die Position „alter weißer Mann“ nicht unbedeutend ist für kulturelle Prozesse, das sehen wir ja an der Zusammensetzung von Trumps Kabinett. Oder bis du der Meinung, dass es reiner Zufall ist, dass das alles „alte weiße Männer“ sind? Du verwechselst hier eine gesellschaftliche Analyse mit einer Schuldzuweisung an dich. Man kann Machtverhältnisse, die historisch gewachsen sind, nicht „geschlechts- und farbneutral“ behandeln, und in gewisser Weise musst du es – obwohl du nur zufällig ein alter weißer Mann bist und persönlich vermutlich ganz in Ordnung und jedenfalls ohne böse Absicht – nun „ausbaden“, da du eben in eine Gesellschaft geboren wurdest, in der 3000 Jahre lang alte weiße Männer über Menschen mit anderen Merkmalen geherrscht haben, und zwar mit explizit dem Grund, dass sie als alt, männlich und weiß dazu berechtigt sind. Das bedeutet nicht, dass „Frauen die besseren Menschen sind“, Feministinnen halten Frauen nicht für bessere Menschen. Sie bestreiten nur, dass Männer die besseren Menschen sind, obwohl die das so lange behauptet haben.

    Ich sprech das an, obwohl es ja nicht zum Thema dieses Posts gehört, weil es das Problem, um das es mir ging, gut illustriert: Ich weiß, dass es „in der Mitte“ (oder bei dir zum Beispiel) gar nicht gut ankommt, wenn „wir Feministinnen“ dauernd auf diesem Alte-Weiße-Männer-Dingens herumreiten. Und vielleicht könnten wir etwas weniger AfD oder ein bisschen mehr Gleichstellung bekommen, wenn wir darauf verzichten und strategisch nur noch geschlechtsneutral reden oder darauf achten, dass wir alte weiße Männer nicht verärgern, weil die ja gesellschaftlich immer noch viel zu sagen haben, und weil wir verhindern müssen, dass sie zur AfD rennen. Aber ich bin eben davon überzeugt, dass das „Alte-Weiße-Männer“_Problem grundlegend für vieles ist, was bei uns schief läuft, und angegangen werden muss (meine Meinung, du bist anderer).

    Also hilft nur, und das ist auch, was ich gerade mache, sich möglichst anzustrengen um zu versuchen, es zu erklären, warum ich es wichtig finde. Zu versuchen zu vermitteln, dass ich das nicht mache, um Männern eins reinzuwürgen oder Frauen in den Himmel zu loben, sondern weil ich glaube, dass es wirklich wichtig ist. Möglicherweise gelingt mir das nicht und die alten weißen Männer rennen dann aus Ärger über mich zur AfD. Daran kann ich dann nichts ändern. Aber es ist wichtig, dass ich versucht habe, mit ihnen zu reden.

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  20. Hallo Frau Schrupp,

    das Kabinett von Herrn Trump ist leider ein Trauerspiel, da sind wir uns einig.
    Gucken wir mal ins eigene Land und fragen uns, was sich durch Frau Bundeskanzlerin geändert hat? Aus meiner Sicht macht die keinen anderen Politikstil als Herr Kohl, vielleicht etwas weniger ausfallend/polterig. Probleme werden aussitzen und durchwurschteln gelöst. Wenn ich einschlafen möchte, dann schaue ich mir eine ihrer Reden an….Dafür darf Herr Ackermann im Kanzleramt Geburtstag feiern… Was hat sich durch sechs weiße Frauen in der Regierung (der Rest sind auch bei uns die bösen, weißen, alten Männer…) in der Gesellschaft/im Staate aus feministischer Sicht verbessert? Ich nehme da sehr wenig war, aber vielleicht bin ich ja nicht auf dem aktuellen Stand? Von Frau Merkel hatte ich aufgrund der DDR-Historie eine andere Haltung zur Überwachungsthematik erwartet, aber vielleicht formt die Macht/der Apparat doch zu sehr am Menschen…

    Gruß
    Christoph

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  21. @anke hassel
    Feministinnen haben sich nicht nur in Nischenthemen verrannt, sondern sich direkt gegen ihre eigene – u.a. auch feministische – Klientel gewendet und sind verständlicher Weise dort auf Unverständnis und Widerstand gestoßen.
    Man könnte sagen, die Grundwerte des Feminismus sind auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert worden.

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  22. Re @diverse –

    „Es geht also darum, meine Postionen einer anderen Person gegenüber so zu beschreiben, dass sie es nachvollziehen kann und versteht. Ob sie sich von diesen Argumenten dann überzeugen lässt oder nicht, das ist eine davon unabhängige Frage.“

    Ok, super, aber wenn Sie das von „linken/progressiven“ Haltungen fordern oder erwarten, und kritisieren, daß das nicht mehr so war, dann ist die von Ihnen im Artikel gemachte Unterscheidung in Position und Vermittlung doch letztlich nur eine Selbstversicherung à la: „ja, ich darf nach wie vor meine Positionen vertreten. Ich kann immer noch Recht haben.“ Hat das irgendjemand (außer „didaktisch“) in Frage gestellt?

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  23. @Vanuatu – Not all feminists… Ich versteh immer nicht, wie solche Pauschalbehauptungen zustande kommen. Ja, es gibt Feministinnen, die dem Neoliberalismus hinterherlaufen, aber es ist nicht die Mehrheit. Und viele viele andere Feministinnen kritisieren das.

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  24. @TS – nee, das hat niemand in Frage gestellt, aber das war auch nicht mein Thema. Mein Fokus war nicht darauf, dass wir unsere Positionen behalten können, das ist eh klar, sondern der Hinweis darauf, dass es notwendig ist, sie politisch zu vermitteln und dass es nicht reicht, wie mit Machtinstrumenten durchzusetzen. Darum ging es mir vor allem.

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  25. „@Vanuatu – Not all feminists… Ich versteh immer nicht, wie solche Pauschalbehauptungen zustande kommen.“

    Antje Schrupp, im Text kommt 25x „wir“ vor.
    Wer soll „wir“ sein? Für wen wird da pauschal gesprochen und behauptet?
    Und wer ermittelt die Mehrheit der Feministinnen?
    Wer die dem Neoliberalismus hinterher laufenden?

    Da ist doch auch alles „not all“-Derailing.

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  26. @Vanuatu – „Wir“ sind alle, die sich dazuzählen wollen. Es ist Absicht, dass ich das nicht konkretisiert habe, weil ich keine bestimmte Gruppe im Auge habe. Aber schön, dass du nachgezählt hast. Zu sagen, „der Feminismus“ wäre neoliberal ist jedenfalls objektiv falsch, oder jedenfalls nicht richtiger als zu sagen, die SPD wäre vegetarisch. Es gibt einen starken neoliberalen Strang im Feminismus, das stimmt, aber es gibt dort auch mindestens so starke dezidiert antikapitalistische Stränge. Das ist objektiv so, wenn man nicht ganz an den offensichtlichen Fakten vorbeireden will. Von daher ist der Hinweis darauf, dass es keinen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Feminismus und Neoliberalismus gibt, kein Derailing, sondern ein Hinweis, der zentral für das debattierte Thema ist.

    (Wieder: Auch das ist eine Positionierung, eine Meinung. Du kannst natürlich der Meinung sein, dass der Neoliberalismus ohne Feminismus gar nicht existieren könnte, so wie Feministinnen behaupten, dass das Bürgerliche Gewaltverhältnisse ohne Männlichkeitsperformances nicht Existieren könnten. Darauf spielst du ja mit dem „Not-All-(Men)“-Verweis an. Allerdings würde ich dann eben dagegen behaupten, dass der Neoliberalismus sehr wohl auch ohne Feminismus existieren könnte.

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  27. „Zu sagen, „der Feminismus“ wäre neoliberal ist jedenfalls objektiv falsch“

    Das habe ich nicht gesagt.

    Ich sprach von „Feministinnen“ also durchaus nicht von allen oder „dem“ Feminismus, sonderen von genau diesen, die dann von mir beschrieben wurden.

    Arbeite an deinem Textverständnis! Lesend und schreibend.

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  28. Antje Schrupp schreibt: 2. Januar 2017 um 19:39
    @Antje Schrupp
    Du meinst
    „@Vanuatu – Not all feminists… Ich versteh immer nicht, wie solche Pauschalbehauptungen zustande kommen. Ja, es gibt Feministinnen, die dem Neoliberalismus hinterherlaufen, aber es ist nicht die Mehrheit. Und viele viele andere Feministinnen kritisieren das.“
    Das ist doch einfach zu verstehen, auch für dich:
    Das geht so, wie viele Feministinnen „solchen Pauschalbehauptungen“ von der Schuld der „alten weissen Männer“ huldigen, wenn ich richtig gelesen habe, ist diese Pauschalisierung so auch bei dir zu finden, oder irre ich?

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  29. Ich denke, dass wir Progressiven einem fatalen Missverständnis unterliegen: Die Identität, das „Wir-Bedürfnis“ ist eine Emotion, sie ist kein Produkt eines rationalen Prozesses. Im Standard gabs vor zwei Tagen, glaub ich, einen Beitrag von zwei Politiologinnen, welche die These in den Diskussionsraum geworfen haben, dass es ohne Identität keine Interessen gäbe. Da ist was dran.

    Progressive Ideen können noch so gut argumentiert sein – sie müssen auch das Potential haben, identitätsstiftend zu sein. Und genau hier hapert es. Es ist eine exclusive Identität, die hier aufrecht erhalten wird. Das wird dann zurecht als „elitär“ erkannt.

    Wenn wir es nicht schaffen, der neuen Identität der Rechten, die ihren gemeinsamen Nenner in den Genen sucht, eine inklusive Identität gegenüberzustellen, die das Potential hat, dass auch die „Honks“ darin ein Nest finden können, dann werden wir scheitern.

    Der Liberalismus – die Kultur des Laissez-faire – ist nur begrenzt fähig Identität zu stiften. Er ist ein Produkt der Aufklärung, der Erkenntnis geschuldet, dass wir alle davon profitieren, wenn wir uns die Freiheit gewähren. Wir haben gelernt, mit Konflikten zu leben, anstatt sie zwanghaft lösen zu müssen. Wir haben ein System aus Checks und Ballances geschaffen. Und wir haben einen neuen Messias erschaffen: den liberalen demokratischen Staat.

    Das alles ist aber nicht kuschelig warm, es ist kalt und liberal. Es ist der rationalen Vernunft geschuldet. Wir fühlen uns frei, unsere Geiz ist Geil Mentalität zu leben, weil wir die Absolution dafür bekommen haben: Wir zahlen Steuern. Das Moralische ist damit erledigt. Wir können über die Obdachlosen drübersteigen, weil wir wissen, dass es ja den Staat gibt, der sich eh kümmert.

    Das alles ist nicht fähig, eine Identität zu stiften. Und in dieses Vakuum stossen dann die Rechtspopulisten, die uns von der Panik der Beliebigkeit befreien. Sie appellieren direkt und unverschämt an unsere Sippeninstinkte. Das allein reicht aus, um Erfolg zu haben. Es benötigt keine Lösungen komplizierter Probleme. Es ist völlig ausreichend, wenn es gelingt, das Gefühl von Heimat zu erzeugen.

    Unsere rationalen Anstrengungen können gar nicht groß genug sein, wir werden trotzdem scheitern, wenn wir nicht erkennen, dass die Identität eine Emotion ist, die bedient werden muß.

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  30. @Michaela Lusru – Ja, du irrst dich, weil es mir nicht um die „Schuld“ der alten weißen Männer handelt, sondern um die politische Position, die diese Zuschreibung aus historischen Gründen für unsere Kultur mit sich bringt. Die große Bedeutung, die es für alle möglichen Aspekte hat, ob jemand ein „alter weißer Mann“ ist oder etwas anderes, ist eine historisch gewachsene Tatsache, keine individuelle Schuld einzelner weißer Männer. Deren individuelle Schuld könnte höchstens darin bestehen, dass sie sich um diese Geschichte nicht kümmern oder meinen, es stünde ihnen zu, vor anderen bevorzugt zu werden. Das ist in der Tat eine individuelle Sache, und da muss man im Einzelfall schauen, wie sich dieser oder jener alte weiße Mann verhält. Die strukturelle Angelegenheit jedoch betrifft das Phänomen an sich, und ist gerade kein Vorwurf an einzelne Personen.

    (das ist doch einfach zu verstehen, auch für dich).

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  31. Danke, Antje! Das ist ein Thema, das mich auch sehr beschäftigt und vieles was du schreibst sind wichtige Denkanstöße. Das mit dem „Vermitteln“ und „Erklären“ aber, das klingt für mich so, wie wenn die EU-PolitikerInnen immer sagen, wir machen eh gute Politik, wir schaffen es nur nicht, sie den Menschen richtig zu erklären. Ich glaube, das funktioniert nicht auf der rationalen Ebene. Das wichtigere ist, glaub ich, denen erst einmal zuzuhören, ohne ihnen sofort zu erklären, dass sie falsch liegen.

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  32. @Brigitte – Ich finde, das gehört zusammen: Wenn ich nicht verstehe, was mein Gegenüber bewegt, kann ich ihr auch nichts vermitteln. Vermitteln ist letztlich ein Beziehungsangelegenheit, es ist immer ein Dialog und nie ein Monolog. Aber diese Fertigkeit ist in unter Kultur total unterbelichtet.

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  33. „Das Gespenst des Populismus“
    https://www.jungewelt.de/2017/01-14/064.php

    „Wenn wir uns in den Stand setzen wollen, das Leiden der Menschen am kapitalistischen Fortschritt aufzugreifen und dies nicht den Rechten zu überlassen, müssen wir die Bindung des Sozialismus an das Leistungsprinzip und seine Werte kritisch hinterfragen und den Fetischismus der Produktion und der Technik überwinden. Das niedergedrückte und an der Entfaltung gehinderte Leben bildet Schattenräume, in denen Träume, Wünsche und Sehnsüchte entstehen, die die Linke nicht einfach als irrational abtun und ignorieren darf. Es sind Wünsche nach Glück, Solidarität, Würde, menschlichen Zeitmaßen und Stille; Träume von Heimat, aufgehobener Entfremdung und einem Leben ohne stupide Plackerei und versklavenden Konsum.“

    Insgesamt ein lesenswerter Beitrag des Sozialwissenschaftlers
    und ehemaligen Gefängnispsychologen Götz Eisenberg.

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  34. @Antje: Vielen Dank für diesen (und deine anderen) sehr anregenden Artikel! Als politisch Interessierte und pädagogisch Arbeitende habe ich deine Gedanken zu Politik und Vermittlung gerne gelesen. Einiges erinnert mich an Konzepte einer kritischen politischen Bildungsarbeit, in der es ja gerade darum geht, Kontroversen und Spannungen auszuhalten, eigene Positionen zu entwickeln und zu vertreten und andere zu respektieren.
    @Michaela Lusru: Aus diesem Grund verstehe ich auch die hier und da geäußerten Forderungen nach einem „gelungenen sauberen Populismus“ von links nicht. Populismus, der egal von welcher Seite einfache bzw. vereinfachte Antworten und Lösungen vorgibt, halte ich für gefährlich und wenig kritisch bzw. emanzipatorisch. Die vermeintliche „Volksnähe“ unterstellt dem „gemeinen Volk“ ja zugleich, dass es komplexe Zusammenhänge gar nicht verstehen könnte. Und zudem finde ich aufgrund der Vereinfachungen Populismus auch darin gefährlich, dass er identitär ist, also Klarheiten und klare Unterscheidungen behauptet und feststellt. Darin ist er dann tatsächlich „sauber“, weil nämlich jede Uneindeutigkeit, jede Ambivalenz, jede Beunruhigung sofort geglättet und vereindeutigt werden muss. Dann sind wir wieder bzw. immernoch bei „wir“ gegen „die“ und „richtig“ gegen „falsch“.

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