Episode Xtreme 1 – 7. März 2014

(Herzlichen Dank für die Transkription an Barbara Schimmack!)

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B: Ja, herzlich willkommen zu „Besondere Umstände“ Xtreme 1. Wir machen nämlich mal wieder ein Experiment.

A: Wir sind nämlich undogmatisch.

B: Ja, sowas von undogmatisch.

A: Genau, undogmatisch, weil wir uns jetzt einfach mal tatsächlich mal auf dieses Wagnis einlassen, ohne gestellten Wecker zu podcasten.

B: Genau. Und wir haben nämlich auch auf unserer Liste lauter Themen, die wir schon immer mal besprechen wollten und die dann immer hinten runtergefallen sind. Die werden jetzt alle abgearbeitet. Vielleicht.

A: Bis wir vor Hunger vom Stuhl fallen.

B: Ja. Genau. Falls wir nicht irgendwann an Erschöpfung oder so…

A: Leiden. Genau. Und wir fangen an mit der Star Trek Convention, bei der ich war in Frankfurt. Wir wollten ja immer mal Frankfurter Themen haben und jetzt ist die große internationale Star Trek Convention. Captain Kirk war in FFM. Und ich war auch da. Vorletztes Wochenende war das, glaube ich. Und lustigerweise habe ich, obwohl ich ein ganz großer Star Trek Fan bin, überhaupt nichts davon mitbekommen, dass diese Star Trek Convention hier in Frankfurt sein wird. Und nur zufällig, weil ich zufällig zufällig über Ecken im Internet auf einen Podcast über Star Trek gekommen bin und zufällig mal in eine Folge reingehört habe und zufällig die da gerade davon redeten, habe ich davon überhaupt nur erfahren.

B: Hmm.

A: Bist Du eigentlich Star Trek Fan?

B: Fan ist zu viel gesagt. Ich guck mir das mal ganz gern an. Aber manches davon finde ich auch ein bisschen albern. Oder so. Ich glaube, am liebsten mag ich Data. Von dem bin ich ein großer Fan.

A: Der war auch da. Ja, genau. Allerdings musste man, habe ich den Talk von ihm nicht gehört, weil da hätte man nochmal Extraeintritt bezahlen müssen.

B: Wow.

A: Also erstmal war ich von verschiedenen Sachen überrascht. Also es war über drei Tage in der Messe und zwar nur in einem, also ich kenne die Messe eigentlich nur von der Buchmesse, also ich kenne die nur als Veranstaltung, wo alles voll ist. Alle Hallen, alle Räume, alle Plätze, alles voll. Hier war es jetzt aber so, dass nur in der Halle 3 im ersten Stock die halbe Halle überhaupt, da war das nur. Und dann gab es da so Stände und zwei abgegrenzte, nee eine abgegrenzte und eine nicht abgegrenzte Bühne, wo so Talks gewesen sind. Und diese Talks, da gab es welche, die konnte man für die 35 Euro, die man pro Tag gezahlt hat – wir waren nur einen Tag dort – also ein Tag hat 35 Euro gekostet, alle drei Tage hätten irgendwie 55 oder so gekostet, und dann musste man aber für alles Mögliche extra bezahlen. Zum Beispiel musste man extra 15 Euro bezahlen um Brent Spiner zu hören, die weniger Beliebten waren dann auch umsonst, also dann gab es die Opening Ceremony, die hätte noch viel mehr gekostet und dann musste man, dann konnte man sich anstellen für Unterschriften von den einzelnen Schauspielerinnen und Schauspielern, die haben dann auch zwischen 15 und 30 Euro gekostet, je nach dem wer und dann gab es Partys, also man musste lauter Extrasachen bestellen. Und dann haben sie eine Brücke aufgebaut gehabt, da konnte man sich fotografieren lassen drauf in Captainpose, da musste man auch nochmal extra bezahlen. Also das fand ich ein skurriles Merchandisingkonzept. Ja und dann sind da viele Leute rumgelaufen, viele waren irgendwie verkleidet und das mag ich ja gerne. Früher hatte ich auch immer Rosenmontagspartys hier gemacht. Ich liebe alles mit Verkleiden.

B: Oh je.

A: Ja genau. Und da habe ich auch die Theorie, dass man die Menschen in zwei Gruppen einteilen kann. Nicht unbedingt in Männer und Frauen, aber in welche, die sich gerne verkleiden und welche, die sich nie verkleiden. Und tatsächlich sind da zu diesen Rosenmontagspartys immer die Hälfte meiner Freunde und Freundinnen nicht gekommen, weil sie prinzipiell etwas gegen Verkleiden haben, aber die anderen sind umso lieber gekommen. Also ich bin auf der Seite derer, die sich gerne verkleiden und ja, es gab, alle liefen eben in diesen Star-Trek-Uniformen rum, also ich fand es sehr lustig. Und ich habe auch zwei Talks oder so gehört, die auch sehr interessant waren, der erste war mit Marina Sirtis und Geordi La Forge, Levar Burton ist der Schauspieler. Das war witzig. Und dann noch einen mit Whorf und Crusher. Ja und da sitzt du dann halt eine Stunde und die reden dann was. Und die Talks bestehen dann meistens darin, dass die Leute Fragen stellen. Die Fragen waren ziemlich gut, aus den Fragen hat man auch mitbekommen, dass viele Leute echt von weit her hierher angereist sind. Also bis da mal irgendjemand aus Deutschland gefragt hat, das war die Ausnahme.

B: Krass.

A: Die Sprache war natürlich auch komplett Englisch, das ist ja klar. Und ja, so haben wir da einen netten Tag verbracht. Und verschiedenen Gadgets gekauft, z.B. meine Kuschelenterprise, die hatte ich ja auch gepostet.

B: Die habe ich auch gesehen.

A: Ah, die ist so schön! Und ja gab es so Kommunikatoren, die macht man sich da hin, die machen aber nicht piep.

B: Funktionieren sie denn auch?

A: Nee. (Lachen)

B: Die machen eigentlich gar nichts.

A: Nein, die sehen nur aus. Man sieht dann halt…

B: Man könnte heute sowas ja wirklich bauen.

A: Das ist ja das tolle an Star Trek. Ich mein, wenn Du Dir die Folgen anschaust, dann gibt es ja die ganzen Geräte alle inzwischen. Ich meine, wenn Kirk so ein Pad bekommt und darauf unterschreibt, das ist ja heute kein Witz mehr.

B: Aber beamen noch nicht.

A: Ja, das ist das Einzige, obwohl da gibts doch auch schon irgendwelche Leute, die jetzt anfangen…

B: Und hier diesen Körperscanner, sowas gibts auch noch nicht.

A: Naja, ich meine im Prinzip diese Geräte, wo Du, Du wirst halt heute in so eine Röhre reingeschoben und da werden ja auch alle möglichen Sachen gemessen, ohne dass es aufgeschnitten wird. Also das gibts schon. Aber was es noch nicht gibt sind diese Stifte, mit denen man über eine Wunde geht und dann heilt die sofort. Das finde ich cool. Also und es gibt ja auch die Frage: Wie viele von den Geräten, die inzwischen tatsächlich erfunden wurden, sind eigentlich inspiriert von Geräten, die es in Star Trek schon gibt.

B: Naja, ich glaub, viele von diesen Geräten hat ja Star Trek auch nicht erfunden, das sind ja allgemeine Science-Fiction-Konzepte und da glaube ich aber schon, dass das eine große Inspirationsquelle ist für Ingenieure, das ist Science-Fiction auf jeden Fall. Und dass sich das auch immer gegenseitig ein bisschen aufschaukelt im Grunde, also dass sich neuere Entwicklung in der Science Fiction, also wenn man sich ältere Science Fiction anschaut, dann sind Computer da ja immer unter ferner liefen eigentlich, die sind gar nicht wichtig, sondern wichtig sind immer Raketen und fliegende Autos und sowas. Und da sozusagen die IT der Bereich war, wo am ehesten Science-Fiction-Konzepte umgesetzt wurden auf eine Art, hat sich dann die SciFi dem auch wieder angepasst. Aber das führt uns natürlich zu einem allgemeineren Thema, was eigentlich mit der Zukunft ist. Weil das finde ich eigentlich ganz spannend. Ich glaube, SciFi hat ein Riesenproblem, gerade deswegen weil die allermeisten Sachen, die man sich noch so ausdenken kann, entweder wirklich schon entwickelt werden oder ich sag immer Zukunft war gestern. Und ich glaube, es gibt schon eine große SciFi-Krise im Grunde, das macht sich auch bemerkbar darin, dass, also es gibt z.B. zur Zeit ja eigentlich keine SciFi-Serien mehr im Fernsehen. Es gibt auch, ich kenne jetzt natürlich keine Verkaufszahlen, aber mein Eindruck ist schon, dass es da eine Krise des Genres gibt.

A: Ja, weil, also ich habe ja eine Theorie dazu. Es gibt ja zwei Aspekte an SciFi. Das eine sind die technischen Entwicklungen, also das ist ja Science Fiction, also was für Geräte werden erfunden, wie können Leute sich fortbewegen… Und ich glaube der Aspekt ist tatsächlich in der Krise, weil wir haben so viele neue Geräte erfunden gekriegt in den letzten 20 Jahren, dass man sich vielleicht gar nicht noch mehr Geräte vorstellen mag. Aber der andere Aspekt von SciFi, und der, den ich viel interessanter finde, ist die Frage, wie sich soziale Gefüge und Gesellschaften verändern können und also deswegen finde ich auch Star Trek toll, weil da geht es ja da nicht darum, neue Maschinen zu erfinden, sondern es geht ja darum, neue Zivilisationen zu entdecken und den ersten Kontakt zu machen und es geht immer darum, wie die normalen irdischen Verhältnisse interagieren mit völlig anderen Kulturen. Und sagen wir mal ein Großteil von SciFi ist in der Hinsicht doch relativ phantasielos, was man z.B. an der Art und Weise sieht, wie Geschlechterverhältnisse dargestellt werden. Mein Lieblingsbeispiel ist da immer Philip K. Dick, der ja ein großartiger Science-Fiction-Autor ist, und der auch ganz viele superethische Fragen aufwirft in seinen Büchern, aber der kann sich nicht vorstellen, dass sich das Verhältnis der Geschlechter verändert. Und wenn man jetzt diese Bücher liest, das ist so lächerlich, weil die immer noch im 50er-Jahre-Modus oder 60er-Jahre-Modus sind.

B: Stanislaw Lem ist so ähnlich. Der hat sogar irgendwann mal gesagt, dass Frauen im Weltraum, das geht nicht.

A: Ja, genau. Und überhaupt über zweigeschlechtliche Lebensformen hinauszudenken kommt ja praktisch gar nicht vor, Star Trek versucht das mal ab und zu, ja, aber im Wesentlichen sind ja doch alle Lebewesen, mit denen sie interagieren dann doch zweigeschlechtliche Gesellschaften auf irgendeine Art und Weise.

B: Außer bei dem Namensgeber unseres Podcasts, Iain Banks, da gibt es schon, also die haben ja so Möglichkeiten zwischen den Geschlechtern zu wechseln, wie sie wollen. Und da gibt es auch Charaktere, die sind ein Mann, kriegen dann ein Kind, werden dann zur Frau und wieder zurück und so, weil sie alle Erfahrungen mal machen wollen. Das kann man da alles durch irgendwelche Drogen machen.

A: Ja, das ist natürlich eine Bearbeitung der Zweigeschlechtigkeit, aber es ist ja keine Gesellschaft, die darüber hinausgeht letzten Endes. Davon gibt es viele Beispiele.

B: Doch, eigentlich schon. Da gibt es viele Szenen, wo das eigentlich, wo das thematisiert wird, dass das nicht mehr, wo irgendwie deutlich wird, dass das anders ist als bei uns.Würde ich schon sagen.

A: Also einer der ersten ist ja der Winterplanet von Ursula K. Le Guin, und ein anderer ist auch, also gibt ja Versuche, Gesellschaften zu entwerfen, die kein fest zugeordnetes Geschlecht haben, aber bei denen habe ich unter dem Strich immer das Problem, dass die Personen, die da auftreten, auf mich männlich wirken. Ich glaube, meine These, dass eine nicht geschlechtlich differenzierte Gesellschaft eine männliche Gesellschaft ist, kommt aus dem SciFi, weil alle Beispiele, die ich da gefunden habe – da gibt es noch diese andere Serie, jetzt fällt mir der Name nicht ein, auch auf einer Roddenberry basierten – ist das Mission Erde? Jedenfalls gibts da die Tailons, die die Erde besetzen und die sind eben eine nichtgeschlechtliche, also eingeschlechtliche Kultur, die haben es sogar so gemacht, dass die Schauspielerinnen Frauen sind. Und trotzdem wirken die männlich, meiner Meinung nach. Also unterm Strich. Und das finde ich ein interessantes Phänomen. Und das wäre mal eine, also wenn ich noch ein Leben hätte, würde ich mal versuchen, einen Science Fiction zu schreiben, wo es wirklich eine… Also ich glaube, dass man einen SciFi schreiben müsste mit mehr unterschiedlichen Geschlechtern.

B: Ja.

A: Oder einen mit zwei Geschlechtern, die aber völlig anders definiert sind.

B: Ja. Wie war das denn im Winterplanet? Ich erinnere mich nicht mehr. Das war schon so ein bisschen so.

A: Ja im Winterplanet haben die Menschen kein Geschlecht, außer in der Reproduktionsphase und dann können sie sich für die Phase der Reproduktion entweder männlich oder weiblich machen, d.h. die Hauptperson, die da den Kontakt mit den Besuchern von der Erde letzten Endes hat, ist schon sowohl Vater als auch Mutter gewesen, d.h. man kann sowohl Kinder zeugen als auch Kinder gebären und das endet aber mit der Geburt, ist das abgeschlossen und dann hat man nicht geschlechtlich zugeordnete Menschen. Und ich glaube ein Punkt natürlich, warum das so wirkt, dass die Männer sind, ist dass das dann mit dem anderen SciFi-Problem zusammenkommt, dass die ja nie Carearbeit darstellen. Das ist die Enterprise ja auch so ein tolles Beispiel dafür, da putzt sich ja alles von selbst. Man geht an irgendeinen Replikator und sagt, ich hätte gerne Lasagne und dann kommt die Lasagne raus und hinterher schmeißt man es in ein Loch irgendwie ist das mysteriöserweise ver… niemand wäscht je seine Klamotten, niemand putzt je das Klo, niemand geht überhaupt je aufs Klo, es gibt dann manchmal Köche und so, aber man hat den Eindruck, dass diese Küchen oder die Cafés eher aus sozialen Gründen gemacht werden, aber nicht aus Gründen der Notwendigkeit, weil man das Essen eben auch aus dem Replikator kriegen kann. Und dieses Nichtvorhandensein von weiblich konnotierten Tätigkeiten führt dann dazu, dass die Leute halt alle wie Männer wirken, denen man hinterher putzt und die das alles an Maschinen delegiert haben, also diese Sachen.

B: Mir fällt grad ein interessantes Gegenbeispiel ein und zwar habe ich das letztens wieder gelesen, Planet der Habenichtse. Auch von Ursula K. Le Guin. Da geht es sehr viel darum, wie die wirklich leben, wie das Essen organisiert wird und so etwas und das zum einen und zum anderen ist mir aufgefallen, als ich es jetzt wieder gelesen habe, es gibt da diese Theoretikerin, die diese anarchistische Philosophie erfunden hat. Und das interessante daran war, deren Geschlecht wird bis zur Hälfte des Buches nicht genannt und man geht wirklich selbstverständlich davon aus, das muss ein Mann sein und irgendwann wird dann eine Skulptur von ihr geschildert und da sieht man, dass sie eine Frau ist. Das fand ich auch ganz spannend.

A: Ja, das ist ein Gegenbeispiel, das ist aber auch ein großartiges alleinstehendes Buch, finde ich. Und da geht es ja auch um Differenzen. Also das Thema Differenzen ist da ja auch ein Thema und ich kann mich noch daran erinnern, dass mich beim Lesen beeindruckt hat, dass die nur zweimal am Tag essen. Das hab ich mir irgendwie gemerkt. Da gibt es zweimal am Tag essen und das fand ich ungeheuer wenig, ich esse sagen wir 3 – 4-mal am Tag. Warum ist das eigentlich noch nicht verfilmt worden? Skandalös!

B: Ist es das wirklich nicht?

A: Ist das schon verfilmt worden, ohne dass ich das wüsste?

B: Ja wahrscheinlich wirklich nicht. Krass. Naja, so ein Film muss ja bezahlt werden und SciFi ist immer ein bisschen aufwändig, wer bezahlt schon ein paar Millionen für ein anarchistisches Machwerk.

A: Man müsste es ja nicht so verkaufen.

B: Dann bleibt nichts mehr übrig, wenn Du das rausnimmst.

A: Nein, du musst es nicht so nennen, du musst es nicht rausnehmen. Du musst es ja nicht sagen, wir sind eine anarchistische Gesellschaft, sondern wir sind einfach eine nicht kapitalistische, kommunitäre – Du hast ja neulich auch im Internet über den Kommunitarismus gestunken, aber da kann man es ja anbringen.

B: Ja, nee aber das ist ja ganz offensichtlich, dass das, ich meine, wer soll sowas machen? Hollywood bestimmt nicht.

A: Ja.

B: Und das müsste man dann schon selber machen und… Also falls irgendjemand Filme macht von unseren HörerInnen…

A: Genau, bitte unbedingt Planet der Habenichtse verfilmen, Top Priority. Ja, ich habe jetzt gerade auch noch einen SciFi gelesen, der, auch da habe ich jetzt den Namen der Autorin vergessen, kommt auch in die Kommentare, ah, Halfway Human von Carolyn Ives Gilman, da geht es auch um eine Gesellschaft, die drei Geschlechter hat, also neben weiblich und männlich noch ein neutrales Geschlecht, aber dieses neutrale Geschlecht ist eher eine Sklavengesellschaft. Das ist auch ein interessantes Leseerlebnis und ein interessantes Buch aber das gibt es auch nur auf Englisch bisher. Es werden übrigens auch viel zu wenig SciFi auf Deutsch übersetzt. Ich glaube, im englischsprachigen Bereich gibt es noch viele interessante SciFi, die man hier gar nicht so mitkriegt, weil der Markt einfach zu klein ist. Wir haben auch, bevor wir das ABC des guten Lebens geschrieben haben, da hatten wir ja so eine Tagung, und haben darüber diskutiert, was für einen Beststeller wir schreiben, wir wollten unsere Ideen also mal ein bisschen verbreiten, da war eine Idee auch einen SciFi zu schreiben, die GuLebs, GuLeb von Gutes Leben hätten da…naja, aber daraus ist nichts geworden, wir haben dann die traditionelle Variante, Lexikon schreiben gewählt. Aber das finde ich am SciFi eben das interessante, dieses Ausprobieren von anderen sozialen Modellen und das ist ein bisschen unterbelichtet. Also auch bei den neueren Filmen, wenn die Technik da zu sehr im Vordergrund steht, das gefällt mir gar nicht so. Wenn dann immer geballert wird und so… Leider sind auch einige Star-Trek-Serien so, z.B. Deep Space Nine, kennst Du das?

B: Ja.

A: Das hat ja sehr gut angefangen, weil das ja mal wirklich multikulti war, weil ja da die Sternenflotte nicht der Hauptakteur war, sondern weil eben die Bajoraner und die Cardassianer und die Ferengi alle mehr oder weniger gleichberechtigt da zusammen lebten auf dieser Station war das anfangs super, fand ich. Und dann hat dieser Krieg gegen das Dominion, dann wurde das zu so einer Kriegsserie in den letzten Staffeln und das fand ich total blöd.

B: Die habe ich auch gar nicht mehr gesehen, glaube ich.

A: Na gut, sollen wir das Thema SciFi mal…

B: Na ich find jetzt noch einen Aspekt, wo wir jetzt gerade, ganz interessant, nämlich wie das bei Star Trek eigentlich immer zusammenpasst, dieses Ganze, naja, was Du gesagt hast, andere Lebensformen und auch dass die ja eigentlich in so einer Art Kommunismus leben, weil es gibt ja kein Geld und jeder kriegt ja alles, was er braucht. Und trotzdem ist das so eine militärische Hierarchie in dieser Sternenflotte, also diesen Widerspruch, den finde ich irgendwie immer ganz schwierig auszuhalten, aber ganz offensichtlich in der Serie als solcher wird der ja nicht als Widerspruch wahrgenommen, das kommt ja eigentlich nicht so richtig vor. Also, es ist irgendwie selbstverständlich in diesem Setting. Und weißt Du, ob das irgendwie in dieser Fancommunity thematisiert wird, so etwas? Oder ist das da auch einfach selbstverständlich, dass das so zusammengeht?

A: Naja, ich wüsste nicht, dass das diskutiert wird. Ich bin aber auch nicht in der Fancommunity drin. Ich bin da ja so wenig drin, dass ich ja überhaupt nichts von dieser Convention mitbekommen  hatte. Ich bin da nur privat involviert. Aber in Star Trek Voyager ist das ja ein Thema. Weil da ist ja die Ausgangsposition, dass eben diese Aufständischen vom Maquis, also diese revolutionäre Fraktion, plus die Sternenflotte dann auf einmal gemeinsam das Raumschiff bewohnen müssen. Und Captain Janeway ist die erste Kapitänin, die Autoritätsprobleme lösen muss. Sie kann eben weder auf die Sternenflotte zurückgreifen, weil sie in diesem Deltaquadranten sind, wo sie niemand zu Hilfe rufen kann, also sie hat ja nicht mehr die Macht im Rücken und kann sich auf nichts berufen und die Hälfte der Leute auf ihrem Raumschiff sind gegen die Sternenflotte, sind also Revolutionäre und deswegen ist das zumindest in den Anfangsstaffeln immer ein Thema. Darf sie überhaupt entscheiden? Und da wird es ein bisschen durchgearbeitet und oft auf interessante Weise, finde ich. Weil sich da die Frage stellt, hat sie Macht oder Autorität? Und sie braucht eigentlich immer Autorität, weil sie die Macht faktisch nicht hat.

B: Stimmt, die habe ich auch letztens mal wieder gesehen, die ersten Folgen. Aber das nimmt dann auch so ein bisschen ab, also im Laufe der Folge wird es halt immer selbstverständlicher, dass sie halt die Chefin ist.

A: Ja, das stimmt.

B: Na gut. Soviel zu SciFi.

A: Genau, worüber reden wir jetzt? Wenn wir die Reihe runter gehen, dann reden wir jetzt über Religion und Atheismus. Das haben wir schon seit Jahrmillionen auf unserer Liste stehen und haben es nie angesprochen.

B: Wahrscheinlich aus Angst, dass wir dann nie wieder miteinander reden.

(Antje lacht)

A: Ja wieso denn, Du bist doch der Meinung, ich wäre auch eine Atheistin. Das würde mich tatsächlich mal interessieren, wie Du darauf kommst, weil das so meinem Selbstbild überhaupt nicht entspricht.

B: Nein, nein, Du bist keine Atheistin, das würde ich nicht sagen. Aber ich würde sagen, dass Deine Form, religiös zu sein, nicht mehr wirklich von Atheismus unterscheidbar ist. Also weil das, immer wenn ich versuche, Dich irgendwie festzunageln, was ist denn dieses Gott überhaupt oder dann ist das sehr abstrakt und es hat überhaupt nichts mehr von einem höheren Wesen. Und dann hatten wir letztens auch das Thema, dass so etwas wie Schöpfung bei Dir überhaupt nicht vorkommt. Dann bleibt nicht mehr so viel übrig.

A: Wie bei mir kommt so etwas wie Schöpfung nicht vor? Sicher kommt das vor!

B: Also Schöpfung durch ein irgendwie höheres Wesen, das die Welt erzeugt.

A: Ja nicht als Alternative zum Urknall, aber das wäre ja auch blödsinnig, das ist ja, Gott ist ja kein höheres Wesen im Sinne davon, dass es irgendjemand wäre, der existiert und der irgendwie in Konkurrenz treten könnte zur Evolution oder sowas, denn man befindet sich hier ja auf einer völlig anderen Ebene. Das ist natürlich von Fundamentalisten immer so behauptet worden, aber Gott ist kein existierendes Wesen. Natürlich nicht!

B: Okay, das war jetzt eine sehr atheistische Aussage, das musst Du schon zugeben.

A: Ich finde nicht.

B: Gott existiert nicht, aber ich bin kein Atheist!

A: Nein, es geht nicht ums Existieren. Gott ist ein Meme.

B: Ja, das sagen Atheisten auch.

A: Das ist ja auch wahr. Gott ist das Wort, das wir benutzen, wenn wir über Phänomene reden, die nicht innerirdisch greifbar oder nachweisbar sind. z.B. Wenn ich sage, die Welt ist zwar total scheiße und ich lese jeden Tag in den Nachrichten, dass alles den Bach runtergeht, aber trotzdem habe ich irgendwie ein Vertrauen drauf, dass am Ende alles gut wird. Und dann ist der Grund, warum ich das habe, Gott. Also ich glaube an Gott, aber das ist ja nichts, das heißt ja nicht, dass diese ganzen bösen Leute auf der Welt… irgendwann kommt Gott mit dem Raumschiff und macht die alle weg. Das ist ja, Kinder stellen sich das vielleicht so vor und Kindern kann man das vielleicht auch so erklären, aber das wäre ja albern, das  anzunehmen. Aber trotzdem ist ja dieses Phänomen, dieses Vertrauen, da. Und alles das, wo man es dann nicht mehr erklären kann, nennt man einfach Gott. Das ist ja nur eine Konvention, man könnte es ja auch irgendwie anders nennen. Und ich verstehe, mich würde ja gerne mal… Es ist auch nicht so, dass wenn ich das anderen Gläubigen gegenüber so sage, dass die dann alle sagen würden, du bist ja Atheistin, das stimmt gar nicht. Die sagen dann „Ja, klar, so ist das.“. Also es nicht so, dass ich da eine Position vertrete, die völlig jenseits wäre von dem, was innerhalb von Religionen gesagt wird.

B: Jaa… das habe ich ja auch nicht behauptet. Aber das ist ja auch kein Argument. Nur weil es noch andere wie Dich gibt heißt das ja nicht…

A: Ja doch. Vielleicht an einem Beispiel, wo  der Unterschied vielleicht doch ist. Ich lese einen interessanten Blog: skepchicks von irgendwie so einer atheistischen Frau aus Amerika geschrieben. Ich weiß gar nichts Genaueres über den Hintergrund, aber die schreibt einfach immer ganz interessante, auch philosophische Blogs zu Themen aus einer atheistischen Perspektive. Oder skeptizistischen, sagt sie. Das ist irgendwie auch aus dem amerikanischen Dunstkreis da. Und da hatte sie mal einen interessanten Blog zum Thema Thanksgiving, also zur Frage Dankbarkeit. Wem gegenüber sind wir eigentlich dankbar? Und sagen wir mal Thanksgiving oder Gott zu danken ist ja eine verbreitete religiöse Praxis. Und dann geht sie eben dieser Frage nach: Dankbarkeit, gibt es eine Notwendigkeit, dankbar zu sein, unabhängig von konkreten Leuten, denen man für konkrete Sachen dankbar ist. Also dem großen um uns herum. Und ich finde, daran wird es eben deutlich. Ich bin eben dankbar, aber nicht nur konkreten Leuten, sondern eben auch ganz allgemein und dieses so ganz allgemein. Also z.B. ich fahre bei schönem Wetter mit dem Fahrrad, komme in den Wald, denke „Woah wie schön ist alles“ und dann sage ich christlich „Vielen Dank, lieber Gott für die Schönheit der Schöpfung“. Aber das ist nur eine religiöse Art dieses Gefühl auszudrücken „Boah ist das toll und ich habe das gar nicht verdient und freu mich jetzt aber trotzdem drüber und wünsche dass alle anderen Leute das auch sehen können und so weiter“. Und das ganze Komplizierte wird halt in diesem kurzen Meme „Danke lieber Gott“ abgespeichert, dann muss ich das nicht groß ausführen, alle wissen, was gemeint ist, bzw. wussten früher, was gemeint ist. Heutzutage denken sie ja, jetzt hat sie ein Rad ab. So was z.B. Und ich wollte dazu auch mal was schreiben. Sie hat dann eben gesagt, dass sie das nicht hat als Atheistin. Sie kann sozusagen dankbar sein nur den Leuten, die den Wald gepflanzt haben und denen, die den nicht abgeholzt haben. Sie hat nicht das Bedürfnis noch was Höheres dahinter zu artikulieren. Ich habe das schon. Weil es eben letzten Endes unter dem Strich nicht alles aufgeht. So etwas.

B: Aber das ist dann, glaube ich, eine andere Unterscheidung eigentlich. Als die zwischen Religion und Atheismus. Das ist dann eher die Unterscheidung zwischen transzendenter Philosophie und nichttranszendenter Philosophie. Und ich glaube man kann durchaus transzendente Phänomene annehmen, ohne deswegen religiös sein zu müssen.

A: Ja?

B: Ja.

A: Und wie nennt man die dann? Transzendente Phänomene? Hast Du mal ein Beispiel?

B: Naja, der ganze deutsche Idealismus z.B., der ist ja nicht wirklich religiös in seinem Denken. Aber trotzdem geht es da ja viel um Dinge, die dann doch außerweltlich sind. Und deswegen würde ich das da noch ein bisschen trennen. Und Atheismus ist ja eigentlich nur die Annahme, es gibt keinen Gott. Das ist jetzt auch noch einmal etwas anderes. Der Gegensatz Religion und Atheismus muss auch noch nicht unbedingt stimmen. Theismus Atheismus ist ja eigentlich der Gegensatz. Und ich finde in dieser ganzen Diskussion wird immer ganz viel vermischt, es gibt einmal diesen Gegensatz Idealismus Materialismus, es gibt den Gegensatz Theismus Atheismus, Religiosität Areligiosität und das sind alles so Gegensätze, die da immer so ein bisschen vermischt werden, die aber gar nicht unbedingt zusammen gehören und deswegen finde ich die Aussage, dass deine Religiosität atheistisch ist, eben weil das nicht eine Gottesvorstellung ist, die noch in irgendeiner Form konkret ist, sondern die eigentlich eben komplett, nicht nur unpersönlich ist, sondern auch unkonkret ist.

A: Aber sie ist nur in der Theorie unkonkret. Mir ist das nämlich eben aufgefallen, der Unterschied zwischen mir und dem Idealismus ist, dass es bei mir ja eine Praxis dafür gibt. Ich nenne das dann Gott. Und in dem Moment personalisiere ich es. Ich ermögliche durch dieses Meme, in dem ich das eben nicht im dubiosen Nichterreichbaren wabern lasse, sondern es konkretisiere auf das Wort Gott, da schließt ja dann eine Praxis an. Das heißt ich kann dann z.B. Dankbarkeit ausdrücken Gott gegenüber, wie ich das dir gegenüber machen würde, wenn Du etwas Nettes für mich machst. Ich kann also so tun, als hätte ich eine persönliche Beziehung zu etwas, zu dem man eigentlich keine persönliche Beziehung haben kann und das ist dann vielleicht der Unterschied zwischen einfach nur so Transzendenz und einer religiösen Art der Transzendenz, aber der ist nicht in der Theorie, der ist in der Praxis.

B: Ja, ich glaube, Definitionen von Religiosität haben auch immer viel mit Praxis zu tun und Ritualen und so.

A: Ja, genau.

B: Das stimmt schon. Aber gerade hatte ich noch einen Abergedanken, der ist mir aber jetzt entfleucht.

A: Weil ich finde problematisch, wenn sich eine Gesellschaft keine Gedanken darüber macht, wie sie mit der Transzendenz verfahren will. Weil das ist dann eben, da besteht dann eben schnell die Gefahr, dass du tatsächlich in einer rein innerweltlichen Perspektive verbleibst mit allem, was dazugehört von Machbarkeitswahn, kurzfristigem Denken…

B: Das sind aber auch wieder zwei verschiedene Sachen.

A: Ja, ich sag ja nicht, dass das notwendig ist. Die Gefahr besteht eben. Ganz banal, wenn ich keine Angst habe, in die Hölle zu kommen, dann kann ich ja auch alle anderen umbringen, weil mir passiert ja nichts. Ganz platt gesagt.

B: Das ist das, was die Fundamentalisten immer sagen: Es gibt keine Moral ohne Religion.

A: Die meinen damit ja leider, es gibt keine Moral ohne eine Religion, genau so, wie sie das definiert haben.

B: Also du würdest das schon sagen – ohne Religion gibt es keine Moral?

A: Ja, das würde ich schon sagen. Ja, weil du kannst natürlich sagen, der Kategorische Imperativ ist auch letzen Endes so etwas, aber ich glaube es gibt keine innerweltliche Begründung für Moral. Letzten Endes. Oder nein, es gibt natürlich innerweltliche Begründungen für Moral, wie den Utilitarismus, aber nicht für eine Moral, die mir gefällt. Utilitarismus wäre ja eine innerweltliche Moral, wir rechnen einfach aus, was hat den größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche Anzahl von Leuten. Das ist eine typisch innerweltliche Herleitung von was ist gut und was ist schlecht. Die teile ich aber nicht.

B: Ja, ich auch nicht.

A: Nein und dann wäre dann halt die Frage, warum. Und Religion ist ja ganz simpel. Der liebe Gott, der sieht alles. Das sagt ja nur, die Frage, was das für innerweltliche Folgen für Dich hat, ist nicht das einzige Kriterium. Und das heißt, wir nehmen dieses Wort, wir sind also nicht nur unseren eigenen Interessen oder den konkreten Leuten, mit denen wir es zu tun haben. Oder der Nützlichkeit verpflichtet, sondern auch Gott. Das eröffnet ja dann die Frage, was heißt denn das dann also?

B: Ja, aber da gibt es ja noch etwas dazwischen. Ich würde das vielleicht auch gar nicht Moral nennen, aber in irgendeiner Form handele ich ja anderen gegenüber schon allein deswegen nicht komplett egoistisch, aber schon in einem Egoismus, der beinhaltet, dass ich ein gesellschaftliches Wesen bin. Und dann hat man sich ja ein Stück weit von seinem Menschsein gelöst, wenn man gar nicht mehr wahrnimmt, dass andere Menschen zu einem dazugehören. Und das ist ja etwas anderes, da brauche ich ja noch keinen Gott dafür, sondern ich brauche eine Vorstellung von Gesellschaft. Und das ist, glaube ich, der Fehler, den ich bei vielen, sicher nicht allen, aber bei vielen religiösen Menschen so sehe, dass sie diese Vorstellung von Gesellschaft nicht wirklich haben und, da sie die aber ja brauchen, weil sie sonst gar nicht Menschen sein könnten, setzen sie dann Gott an die Stelle. Das ist vielleicht sogar eine spezifisch moderne Form von Religiosität, weil diese Vorstellung, dass es Gesellschaft gar nicht gebe, ist ja eine moderne Vorstellung.

A: Das habe ich jetzt nicht verstanden. Das war jetzt zu komplex.

B: Durch die Änderung der Produktionweise in der Moderne in kapitalistischer Form, wo die Menschen nicht mehr gemeinsam produzieren ihren Lebensunterhalt, sondern das zwar immer noch tun, aber immer um die Ecke über den Markt. Dadurch kann so eine Illusion entstehen, Menschen seien nicht gesellschaftlich. Also auf die Spitze getrieben dann in diesem Thatcherzitat: Gesellschaft gibt es gar nicht. Oder wo dann auch im Liberalismus Gesellschaft immer nur so ein Vertragsverhältnis ist im Grunde, wo es gedanklich so etwas gar nicht gibt. Und da gebe ich dir Recht, wenn man in so einer Denkweise festhängt, dann braucht man natürlich irgendetwas Göttliches, was diese Stelle dann einnimmt, weil sonst halt jeder gegen jeden und das ist dann kein…

A: Ja gut, okay, aber wenn man, sagen wir mal, die vormodernen Gesellschaften, die noch nicht individualistisch waren, da braucht man dann Gott, um aus der Gesellschaft rauszukommen. Weil das Meme funktioniert ja in beide Richtungen. Ich bin zum Beispiel in einer Gesellschaft, die mich meiner Meinung nach völlig unterdrückt oder völlig falsche Sachen macht, dann ist ja der Bezug auf Gott auch eine Möglichkeit, das nicht als letzen Maßstab zu nehmen. Also es funktioniert, egal in welchen innerweltlichen Verhältnissen du jetzt gerade zufällig bist, zufällig durch deine Geburt, die haben sozusagen nie das letzte Wort, weil das letzte Wort hat Gott, und nicht die Gemeinschaft hat das letzte Wort und nicht der Individualismus hat das letzte Wort und nicht ich selber sowieso nicht, sondern es gibt immer noch etwas anderes, das das letzte Wort hat, was aber nicht verfügbar ist.

B: Das ist jetzt aber auch sehr protestantisch, oder? Luther der dann sagt, alles was ihr da macht mit eurer Religion ist alles Scheiße, weil ich berufe mich auf Gott.

A: Ja, je nach Situation kannst du das anwenden auf alles. Auf alles, was dich auf innerweltliche Begründungen zurückziehen will und dich da festnagelt. Du musst das, weil… Da kannst du immer sagen, nee, das letzte Wort hat immer – mein Lieblingssynonym für Gott ist ja die UVL – die Unverfügbare Leerstelle – es gibt also in allen innerweltlichen Diskursen die Möglichkeit, sich darauf zu beziehen und zwar auch dann nicht nur als individueller Akt des Widerstands, sondern auch als Punkt, wo man sich dann drüber verständigen kann. Es ist einfach leichter, mit Menschen zu reden, die dieses Prinzip auch haben, weil…

B: Aber wieso brauche ich für meinen eigenen Willen Gott?
A: Na es geht ja nicht um meinen eigenen Willen, mein eigener Willen kann sich ja auch irren. Ich sag ja, es ist ja egal, was das innerweltliche ist. Vielleicht ist das so, dass die säkularen oder atheistischen, die ohne dieses Meme auskommenden Diskursen immer die eine Position gegen die andere gestellt wird. Also das Individuum gegen die Gesellschaf oder der Kapitalismus gegen die Gemeinschaft oder was auch immer, aber die sich auch immer miteinander im Streit befinden, von daher ist diese Dynamik auch innerweltlich immer schon da, aber letztlich ist keine davon ausschlaggebend, allein. Du kannst ja nicht sagen, mein Gesetz ist mein Wille, das wäre mir zu wenig ambitioniert, weil ich weiß ja schon, ich habe schon so oft Blödsinn gewollt, das wäre jetzt nichts, worauf ich mich ernsthaft berufen wollen würde, aber auch natürlich nicht die Gesellschaft, die kann sich doch auch irren.

B: Aber…

A: Okay…

B: Nee, nur weil man sich irren kann, kommt ja kein… also mich erinnert das jetzt an die Diskussion – Entschuldigung -, die Fundamentalisten mit Wissenschaftlern führen, wenn sie immer vorwerfen, ja, aber ihr wisst es ja auch nicht wirklich, es kann ja sein, dass das gar nicht stimmt und dann sagen die, ja stimmt, es kann sein, dass das gar nicht stimmt und jemand mal etwas Neues herausfindet und dann stimmt das gar nicht mehr so. Also aber das ist ja ein albernes Argument, weil nur die Möglichkeit, sich zu irren heißt ja nicht, dass daraus direkt folgt, dass es Gott gibt.

A: Ja, es gibt Gott nicht, es geht nicht ums Existieren. Aber das ist doch, natürlich macht die Möglichkeit, sich zu irren, erforderlich, dass ich die miteinkalkuliere in mein Handeln und natürlich erwarte ich von Wissenschaftlern…

B: Ja tun sie ja auch!

A: Manchmal ja, manchmal nein. Und die Wissenschaftler selber tun es noch mehr als die Art, wie Wissenschaft rezipiert wird, wenn ich mir anschaue, wie irgendwelche ahnungslosen Journalisten aus irgendwelchen angeblich wissenschaftlichen Studien irgendetwas zitieren und meinen, damit wäre jetzt etwas bewiesen. Ich will ja nicht…

B: Ja, klar. Wissenschaft als Erkenntnissystem baut ja auf auf der Möglichkeit, sich zu irren.

A: Genau. Ja, aber die ist nur theoretisch da,  die wird in der Praxis zu wenig reflektiert und das meine ich ja nur, Gott ist ja nur das Meme dafür, dass ich mir durch eine Praxis immer wieder klar mache, dass das nicht das letzte Wort ist, also dann wäre also sozusagen „So Gott will“; „So wahr mir Gott helfe“, „Morgen fahre ich nach Berlin, so Gott will“. Das bedeute ja nur, dass ich also in der Situation aktualisiere, da meine ich nicht, dass da irgendwo ein lieber Gott sitzt und Daumen hoch, Daumen runter macht. Fährt nach Berlin oder lassen wir nicht fahren, sondern das heißt ja nur, dass ich mir in dem Moment, in dem ich sage „Ich fahre morgen nach Berlin“ darüber bewusst  bin, dass ich vielleicht auch nicht nach Berlin fahre. Und das ist ja nur dass in einer kulturellen Praxis die Unverfügbarkeit immer wieder eingebaut wird, um sie nicht zu vergessen. Und das passiert mir in der Wissenschaft insofern zu wenig, dass der aktuelle Stand der Wissenschaft doch immer als relativ unbeeindruckt daher kommt. Natürlich, wenn du jeden Wissenschaftler fragst, würde der natürlich immer sagen, natürlich kann ich mich irren. Aber das hat zu wenig Auswirkungen in der Realität. Und das selbe gilt eben für…

B: Aber das ist schlechte Wissenschaft dann. Das ist, finde ich, kein Argument.

A: Nein, das ist eine Wissenschaft, die eben  nicht diese ständige, diese Unverfügbarkeit…

B: Nein, es ist keine Wissenschaft sogar.

A: Naja, doch. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse haben halt schon eine relativ hohe Autorität und deswegen ist es z.B., es geht nur um eine kleine Praxis. Wenn in einem Zeitungsartikel steht „aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist Joghurt krebserregend“ (das sind ja immer so die Sachen) und da fehlt dann der kleine Einschub, der in so einer Aussage immer wieder sichtbar macht: vielleicht aber auch nicht.

B: Aber das ist doch jetzt wirklich ein journalistisches Problem und kein wissenschaftliches.

A: Das müsste man mal in der Praxis überprüfen. Ich glaube, dass es ein kulturelles ist, weil wir diesen Einschub nicht mehr praktizieren als Gesellschaft, generell nicht. Nicht nur in der Politik…

B: Also ich glaube, was du jetzt kritisierst ist das religiös werden von Wissenschaft. Das würde ich genau umgekehrt sehen. In dem Moment, wo ich anfange, wissenschaftliche Erkenntnisse absolut zu setzen und ich durch meine Autorität als Wissenschaftler, weiß ich jetzt, wie es ist. In dem Moment ist es eine religiöse Praxis und nicht mehr Wissenschaft.

A: Nein. Da kann ich jetzt tatsächlich nicht widersprechen, weil die realexistierenden Religionen natürlich so auftreten, aber im Prinzip nein. Im Prinzip besteht Religiosität, sow wie ich sie verstehe, darin, dass man diese Unverfügbarkeit immer wieder aktualisiert, durch Praxis.Und diese Praxis kann so simpel sein wie ich bete morgens und abends oder ich sage immer „so Gott will“ dazu, um mich immer wieder daran zu erinnern und diese Praxis haben wir gesellschaftlich nicht mehr. Deswegen haben wir eben „so Gott will“ , das ist ja auch nur eine Formel, auch die Politiker, die das noch sagen, ich finde, in der Politik ist es auch eine wichtige Sache, dass man das aktualisiert die Unfertigkeit dessen, was man selber tut, oder diesen Vorbehalt etwas höhren zu stellen, das wird ja, wenn das jemand macht, dann macht das die CSU aus demonstrativen Gründen, um ihre Christlichkeit zu zeigen, die meinen das ja auch nicht mehr ernst, wenn sie das dazu sagen. Aber ich meine das ja ernst. Deswegen sage ich es nicht dazu, weil es falsch verstanden wird, ich denke mir das nur. Aber ich finde das eben genau deshalb nicht so. Ich finde, was Du beschreibst ist eher ein Zeichen dafür, dass die Religion, so wie sie auftreten, selber nicht mehr religiös sind. Genauso wenig wie alle.

B: Das klingt jetzt ein bisschen so, als würden wir über dasselbe reden und nennen das nur unterschiedlich.

A: Ja nee. Du hast ja diese Praxis nicht und du findest sie auch nicht nötig.

B: Ja, naja gut, ich habe ja auch eine Praxis, geht ja nicht ohne. Und ist das wirklich so ein großer Unterschied?

A: Vielleicht hast du ja auch etwas Äquvivalentes, das nur irgendwie…

B:Ich glaube nicht, ich wüsste jetzt nicht…Du meinst jetzt zu diesem „So Gott will sagen“. Naja, doch es gibt schon so eine Haltung „Keine Ahnung, ob das jetzt wirklich so kommt“ aber das hat ja jeder, das ist ja noch keine kulturelle Praxis, das wirds ja erst in dem du das wieder so verengst auf diese Gottesvorstellung. Naja. Keine Ahnung, das lässt sich nicht klären.

A: Aber wir haben das Thema jetzt mal ein bisschen, wir können es jetzt jedenfalls von der Liste hier streichen.

B: Ja.

A: Ok, was ist der nächste Punkt?

B: Da steht was…

A: Wasser predigen und Wein saufen. Das hat eine Leserin in den Blog geschrieben irgendwie. Da weiß ich aber nicht mehr genau – haben wir da drüber gesprochen?

B: Ich erinnere mich dunkel an eine Diskussion über Schwarzer und die Empörung als dann rauskam, dass sie Steuern hinterzogen hat. Vielleicht in dem Zusammenhang? Aber ich glaube, da ist jetzt was Allgemeineres gemeint. Wir hatten, glaube ich, eine kurze Diskussion, das krieg ich aber auch nicht mehr zusammen.  Hätten wir uns nochmal anhören müssen. Ob das grundsätzlich sozusagen nötig ist, selber immer so zu handeln, wie man es von anderen erwartet.

A: Vielleicht weil ich jetzt gerade auf dem Trip bin, fällt mir natürlich sofort ein, dieses „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders und den Balken in deinem eigenen nicht“.

B: Ist das ein Bibelzitat oder wie?

A: Ja. Was ja sozusagen das Wasser predigen und Wein saufen letzten Endes auch kritisiert.

B: Ich nehme aber ganz oft nehme ich das als ein total verlogenes Argument wahr. In der politischen Diskussion. Das Leuten dann einzelne Sachen in ihrem Verhalten dann vorgeworfen werden, also das mit der Steuerhinterziehung ist durchaus ein Beispiel oder irgendwelche verhältnismäßig kleinen Verfehlungen, die dann total so hochgejazzt werden medial, um Leute absägen zu können. Und ich hab mich da auch selbst dran beteiligt. Mir fällt grad ein schönes Beispiel ein. Der Guttenberg.

A: Warst du dabei?
B: Da habe ich mich durchaus beteiligt, weil ich das auch unmöglich fand diese Doktorarbeitsgeschichte, meine eigentliche Motivation war aber, dass der Typ unmöglich ist und dass es auf jeden Fall gut ist, wenn der keine Macht mehr hat und wenn’s halt irgendeinen Hebel gibt, den loszuwerden, dann ist das gut, das war eigentlich meine eigentliche Motivation und das ist natürlich auch niederträchtig, auf eine Art auch.

A: Ich finde das ist ein schwieriges Thema, weil man dann in diese moralische besserwisserische Schiene gerne reingerät. Ich interessiere mich aber schon immer für das Privatleben von Leuten, also wenn ich historisch forsche, das interessiert mich immer, was die privat gemacht haben und ich gleich das dann schon gewisserweise mit ihren Theorien ab. Mich interessiert aber, es muss aber auf eine Weise passieren, die eben nicht moralisch ist. Und es ist halt immer schwer, das zu unterscheiden, diese Motivation, da gibt’s Leute, die kann man leiden, denen lässt man dann alles durchgehen oder redet’s auch schön, was sie  machen. Und da gibts auch Leute, da stürzt man sich auf jedes kleine Pups. Aber natürlich hängt das auch immer mit dem Rechtssystem zusammen. Die Frage, was ist richtig und was ist falsch ja für viele ersetzt wurde durch die Frage, was ist erlaubt und was ist nicht erlaubt und damit ist die Kacke ja schon am dampfen. Über diese Frage, also wenn du legalistisch argumentierst…

B: Aber bei der Schwarzer war das gerade nicht der Punkt! Da wurden höhere Maßstäbe angesetzt. Und es ist tatsächlich so, also auch jetzt bei der Diskussion mit dem Edathy, das ist ja auch so, dass legalistisch ihm eigentlich nichts vorgeworden wird, aber er trotzdem halt komplett weg vom Fenster ist. Also es gibt schon auch in der politischen Diskussion noch etwas anderes, aber da muss schon viel passieren.

A: Also ich glaube ja, was ich immer das Problem daran finde, dass diese moralische Beurteilung einer Person, wie kann man jetzt einschätzen, was Schwarzer gemacht hat, was Edathy gemacht, das kann man überhaupt nicht, wenn man nur mediale Informationen über die hat. Ich fühle mich überhaupt nicht in der Lage, Alice Schwarzer oder Edathy zu beurteilen, weil ich kenn die doch überhaupt nicht! Ich weiß nur, was irgendwelche Leute über die geschrieben haben, ich habe ganz zufällige Informationen oder habe die nicht, die von interessegeleiteten Leuten gestreut oder nicht gestreut und verbreitet werden und deshalb habe ich da auch gar nicht das Bedürfnis, mich daran zu beteiligen letzten Endes. Anders ist das, wenn ich Leute wirklich persönlich kenne, und da käme jetzt raus, dass die in hohem Maße Steuern hinterziehen, dann käms wahrscheinlich drauf an, was sie mit dem gesparten Geld machen. Naja, ich will darauf hinaus, man kommt dann in die Einzelfallprüfung sozusagen und ich glaube, letzten Endes richtig moralische beurteilen kann man Leute nur aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung ihrer Person, aber dann kann mans auch, vielleicht, wenn man sich mit ihnen wirklich persönlich auseinandersetzt, aber diese… Ich hab keine Meinung, weder zu Schwarzers Steuern noch zu Edathys Kinderporn, das ist mir zu weit von mir weg. Und ich glaube auch nicht, dass man die interessegeleiteten Beurteilungen von den wirklich inhaltlichen auseinanderhalten kann. Das geht gar nicht, außer Du würdest ein Forschungsthema drausmachen und Dich ein Jahr lang mit nichts anderem beschäftigen.

B: Ja. Was anderes ist aber die Ursprungsfrage nach dem Wasser predigen und Wein saufen ist glaube ich, es gibt schon auch Fälle. Also ein beliebtes Beispiel ist, es gab mal so einen Vorsitzenden der Linkspartei, der Porsche gefahren ist  und da hat sich dann auch die Bildzeitung so drauf gestürzt. Das z.B. fand ich so ganz, wo man natürlich schon, also wo genau diese Argumentation, ja der predigt Wasser und fährt Porsche nicht funktioniert, weil sie, glaube ich, weils da Interesse geleitet ist, die selber Porsche fahren und dafür angefeindet werden, weil sie ihren Reichtum auf merkwürdige Weise verdienen oder was auch immer und das so ein Ablenkungsmanöver ist, eigentlich.

A: Ja.

B: Aber ich weiß nicht, ob das alles grundsätzliche Probleme sind, ich bin mir grad völlig unsicher, ist das grundsätzlich so, also so abstrakt, kann man das von jemandem erwarten oder gibt es Situationen, in denen das vielleicht trotzdem sinnvoll ist?
A: Also ich frag mich jetzt, sagen wir  mal noch ein Stück zurückgehend, warum sollte überhaupt jemand den Wunsch danach haben, etwas anderes zu predigen als sie selbst praktiziert. Also wenn ich jetzt mal für mich selbst überlege: das Bedürfnis, etwas zu sagen, also mich öffentlich zu irgendetwas zu äußern, entsteht fast immer aus meinen Alltagserfahrungen, die reflektiert und durchdiskutiert sind mit anderen, aber ich hab das Bedürfnis, aber meine Hauptmotivation, öffentlich zu sprechen, ist wenn ich merke, dass,, was ich selbst tue, steht im Widerspruch zu dem, was öffentlicher Diskurs ist und dann will ich diesen sozusagen gerade rücken, aber ich wüsste gar nicht, warum ich jemals das Bedürfnis haben sollte, etwas zu sagen, was ich nicht selber mache, also etwas zu predigen, als ich praktiziere und das entsteht, glaube ich, nur durch das institutionelle Auseinanderklappen von Funktionen und Parteiprogrammen und Machtambitionen und so. In dem Konglomerat kann das überhaupt enstehen. Normalerweise ist doch der politische Diskurs, sollte doch zumindest so sein, also ich würde zumindest anfangen zu überlegen, ob das, was ich sage denn überhaupt noch das ist, was ich sagen will, wenn ich feststelle, das klafft auseinander. Das ist von meinem Alltag gar nicht gedeckt, was ich da erzähle.

B: Ja, es gibt aber, glaube ich, auch noch so eine Unterscheidung zwischen einzelnen individuellen Handlungen und einer gesellschaftlichen Forderung,also wenn ich z.B. fordere, dass sämtliche Landwirtschaft ökologisch sein soll, dann muss daraus nicht folgen, dass ich nur Biosachen kaufe.

A: Nein, das natürlich nicht. Aber z.B. ein anderes Beispiel, ich habe z.B. das Buch von der Hilal Seskin über die Tierethik und finde da viele Argumente überzeugend, aber ich selber lebe nicht vegan, was vor allem daran liegt, dass ich so gerne Eier esse. Und ich könnte  jetzt z.B. nicht vegane Lebensweise predigen und selber Eier essen, das würde ich tatsächlich als…das geht nicht, und so gerne ich würde, mein Kopf,meine Theorie sagt, vegane Lebensweise ist richtig, meine Praxis sagt, ich machs aber nicht. Und so lange das so ist, kann ich auch nichts anderes sagen als ich mache, d.h. ich kann nur darüber nachdenken, warum kann ich nicht auf Eier verzichten. Das ist jetzt ein ganz banales Beispiel, aber ich finde gerade aus dieser – ich vermute ja auch, dass aus einer gewissen Praxis heraus Erkenntnisse für die Theorie entstehen, das ist… und wenn dann die Theorie sich abkoppelt von der Praxis und nur noch theoretisch wird, dann ist sie falsch. Also ich finde in dem Fall muss das schon, also ich finde das ist so ein Fall, wo das unbedingt zusammen gehen kann, ich kann nicht Veganismus predigen und selber nicht so leben, das geht nicht.

B: Doch, nee predigen nicht, das würde ich auch nicht tun, aber wenn man das halt nicht individuell betrachtet, sondern gesellschaftlich, dann ist es ja so, dass die Gesellschaft auf nachhaltige Weise nur eine bestimmte Anzahl von Fleischkonsum verträgt. Wenn man jetzt mal von diesem tierethischen Aspekt absieht, sondern einfach nur sagt, die Umweltfolgen sind halt so schlimm und CO2 und bla und dann kann ich doch sagen,  ich bin dafür, dass gesellschaftlich weniger Fleisch gegessen wird, damit ich Fleisch essen kann.
Weil sonst könnte ich das ja nicht.

A: Ach Du meinst, dass Du sozusagen guten Gewissens Fleisch essen kannst.

B: Genau.

A: Ja dann würde das ja praktisch zusammen passen. Also nee worauf ich hinaus wollte, ich finde nämlich nicht diese Frage interessant, wie beurteilen wir andere Leute, von denen wir vermuten, dass das, was sie sagen mit dem, was sie leben nicht zusammengehört. Wenn ich mal eine krasse These aufstellen würde, würde ich sagen, dass kann gar nicht vorkommen. Es ist unmöglich, dass jemand Wasser predigt und Wein trinkt, denn dann haben wir noch nicht verstanden, was er predigt. Also z.B. weil alles, was Menschen sagen, ist eine Konsequenz aus ihrem Leben und es hängt miteinander zusammen, es ist nur noch nicht klar, wie. Also z.B. eine ganz einfache Art, wie es zusammenhängen könnte ist, wäre, der ist…

B: Er predigt eigentlich Macht sozusagen.

A: Ja, genau.

B: Wenn er von etwas anderem redet.

A: Ganz genau. Er redet gar nicht über das Thema, sondern nur darüber, wie er die nächste Wahl gewinnt. Also er sagt eigentlich gar nichts.  Das finde ich den interessanteren Aspekt, davon auszugehen, wie hängt es zusammen und wie hängt es dann bei Leuten zusammen, und was sagt, wenn wir so eine Diskrepanz feststellen, was sagt das dann aus über das Verständnis dessen, was sie sagen Dann kann man es nämlich neu verstehen.

B: Das ist wahrscheinlich auch, das ist natürlich der eigentliche Grund, warum es politisch so wichtig ist, oder in der politischen Praxis immer diese Skandalisierung so viel Bedeutung haben, weil das ja diesen Entlarvungscharakter haben soll. Der redet eigentlich über etwas anderes. Also mir fallen in Amerika gibt es ja ganz oft diese konservativen Politiker, die dann eine Geliebte haben und dann ist das ein Riesenskandal, die immer von family values reden und dann das selber gar nicht leben.

A: Und das funktioniert ja als Prinzip schon in dem Moment nicht mehr, wo das auch schon wieder reflektiert und eingearbeitet ist, in dem die Politikerinnen und Politiker diese Dynamiken schon kennen und dann symbolhafterweise mit dem Fahrrad fahren, obwohl sie in Wahrheit gerne mit dem Porsche fahren würden und dann sie aber immer noch mentale Porschefahrer, die nur nach außen so tun, als würden sie Fahrrad fahren, damit kann mans nicht mehr skandalisieren, aber es ändert ja am Sachverhalt gar nichts, von daher ist ja diese Skandalisierungsdynamik kontraproduktiv für die tatsächlichen Möglichkeiten, Sachen zu entlarven. Eigentlich müssten wir Leute immer ermutigen, ganz naiv das zu tun, worauf sie Lust haben, weil wir dann sehen, worauf sie Lust haben und nicht, was ihre PR-Berater ihnen empfohlen haben, was für ein Auto sie jetzt fahren sollen. Da hast du dann ja nur noch die Konkurrenz zwischen denen, die da gewiefter sind oder die besseren Berater haben oder mehr Glück, weil sie grade bei der Bildzeitung beliebt sind.

B: Bessere Passwörter.

A: Ja, genau. Haben wir das Thema ja auch abgehakt, super! Ehrlich gesagt sind wir erst ungefähr bei einem Sechstel von dem, was auf der Liste steht. Ich weiß nicht, ob wir die Liste ganz abarbeiten werden.

B: Schauen wir mal.

A: Mich irritiert das, dass kein Wecker klingeln wird. Kann ja mal heimlich auf die Uhr schauen… Naja, wir können ja eins noch machen.

B: Du machst schon schlapp?

A: Ja.

B: Ok. Dann machen wir noch eins. BGE.

A: Mindestlohn, Carearbeit. Das können wir ja mal ganz schnell abhaken, weil ich sag mal dazu, dass hier steht auf unserer Liste Mindestlohn, Carearbeit, BGE, Kapitalismus und die Frage ob man, wenn man ein Grundeinkommen hat, dann kein Mindestlohn mehr braucht oder doch. Und ich sag jetzt mal, wir können in diesem Zusammenhang ja darauf hinweisen, dass am übernächsten, also am Wochenende des 14. März die große Carekonferenz in Berlin ist und ich beobachte so, dass das Thema Carearbeit ein bisschen boomt, dass es schon mehr in der Diskussion ist, an mir selber beobachte ich aber so gewisse Ermüdungserscheinungen im Diskurs. Ich habe so den Eindruck, ich bin mit dem Thema momentan erstmal durch. Dazu habe ich schon alles gesagt, was zu sagen ist.

B: Aber ich glaube, das Thema ist ursprünglich da auf die Liste geraten, weils einen Dissens gab zwischen uns, weil du mal gesagt hast, wenn man BGE hat, dann braucht man keinen Mindestlohn mehr und ich gesagt habe, nee stimmt nicht.

A: Ok, dann sag doch mal, warum das deiner Meinung nach nicht stimmt.

B: Weil meiner Meinung nach das sonst zu einem Lohnsubventionierungsding wird und ja die Löhne halt immer weiter gedrückt werden und die Leute dann halt mit BGE irgendwie am Existenzminimum rumkrebsen und der Sinn von einem BGE für mich ist ja, dass die Leute mehr als heute machen können, was sie wollen und nicht mehr einfach nur aus Überleben-müssen was machen müssen. Und das würde ja dadurch so ein bisschen kontakariert, weil, ok natürlich hängt es mit der Höhe des BGE zusammen, weil wenn das BGE natürlich wirklich so hoch ist, dass man komfortabel davon leben kann, keine Ahnung, sagen wir mal 1500 Euro oder so etwas, dann ok. Ich glaube allerdings, dass es realistischer ist, dass es, wenn es denn mal irgendwann eingeführt wird, irgendwie auf Hartz4 Niveau plus noch ein bisschen, wenn’s gut läuft. Und in dem Fall würde es dann dazu führen, dass die Löhne dann massiv einbrechen, gerade in niedrig qualifizierten Sektoren und dass die Leute das dann trotzdem machen müssen, wenn sie nicht total schlecht leben wollen. Und ich glaub das hängt einfach zusammen, Höhe des BGE und Mindestlohn. Je höher das BGE ist, umso weniger brauchst du einen Mindestlohn. Das stimmt sicher.

A: Ok. Dann haben wir uns ja schon geeinigt. Also ich sehe die Ermüdungserscheinungen bei dem Thema sind bei mir einfach da, weil das ist natürlich auch so eine inner…ich bin ja der Meinung, dass wir verschiedenere Formen von Arbeitsverhältnissen brauchen. Und vielleicht, die Frage nach dem Mindestlohn, ich glaube, dass wir auch Arbeitsverhältnisse brauchen mit sehr wenig Lohn, also bezahltem Lohn in Bereichen der Carearbeit z.B., weil es nicht finanzierbar ist, dass alle Pflegetätigkeiten, die notwendigerweise gemacht werden müssen, in Zukunft zu Löhnen, von sagen wir 10 Euro plus stattfinden werden, das ist einfach nicht bezahlbar. Die Illusion, das könnte man bezahlen, beruht letzten Endes auf der Annahme, dass weiterhin wie bisher 80% dieser Arbeiten unbezahlt von Familienmitgliedern gemacht werden. Das wird nicht so sein. Und ich glaube, es wird ein Sektor entstehen auf einer Art, wie soll ich sagen, das was jetzt die Tauschbörsen sind, auf so einer selbstverwalteten wir-tauschen-uns-aus, damit-wir-mehr-Wohlstand-haben-Basis, der nicht ganz mehr ehrenamtlich sein wird, sondern wo auch Geld fließen wird. Also das fängt ja schon an bei manchen ehrenamtlichen Sachen, dass da Aufwandsentschädigungen bezahlt werden, die lustigerweise, ich weiß das aus manchen sozialen Institutionen, dass die Aufwandsentschädigungen zahlen, die aber von denen,die diese Jobs machen als Löhne wahrgenommen werden. Die kriegen dann 5 Euro pro Stunden und schon jetzt ist das so, dass die, die das machen, das sind dann meistens halt Studis oder Hausfrauen oder so etwas, empfinden das, sie verdienen sich etwas dazu, sie sehen sich gar nicht mehr als Ehrenamtliche, aber in der Logik, wie das im Moment abgewickelt wird, ist das kein Lohn, weil dann käm man in die eine Schublade, sondern man ist im Bereich der Aufwandsentschädigung. Ich glaube, dass dieser Sektor sich einfach aufblasen muss von Leuten, die in einem Gemisch arbeiten von Ehrenamt und bezahlter Arbeit und das Interessante dabei ist jetzt nicht nur, wie hoch die Löhne dabei sind, sondern auch, wie so eine Art von Arbeit strukturiert wird, also wer befehlt, also wenn ich mich ehrenamtlich engagiere, dann habe ich ja keinen, der mir Anweisungen geben kann letzten Endes, weil da bin ich ja, da engagiere ich mich ja aufgrund der Sache, wenn ich auf der Arbeit bin, habe ich immer jemanden, der mir Anweisungen gibt, weil ich werde bezahlt für etwas bestimmtes, nicht kann nicht sagen,ich geh ins Büro und mach da aber etwas völlig anderes, als das, wofür ich da eingestellt bin. Und da entsteht aber so ein Mittelding. Wenn ich irgendwo hingehe, um zu arbeiten, krieg aber nur 3 Euro die Stunde, wie funktioniert das denn dann? Dann muss ich natürlich einerseits was machen für mein Geld, andererseits ist es nicht genug Geld, um mich da wirklich rumkomandieren zu lassen und ich glaube, dieser Sektor muss entwickelt werden. Und der funktioniert aber nicht mit einem Mindestlohn. Oder man müsste da wieder eine dritte Schublade letzten Endes einbauen letzten Endes, ich bin aber immer für weniger Bürokratie als für mehr Bürokratie. Und man könnte mit einem weggefallenen Mindestlohn sagen wir mal da besser experimentieren, da könnte man Projekte machen und Leute einstellen, aber nicht richtig einstellen, also man müsste nicht verlangen, dass die Leute da für umme mitarbeiten, aber man muss sie auch nicht nach Mindestlohn bezahlen, weil doch eigentlich der Inhalt des Projekts im Zentrum steht und das finde ich wichtig und da sehe ich dann den Mindestlohn so ein bisschen… Abgesehen von der Frage, wer soll das denn überhaupt alles kontrollieren usw.

B: Ich kann das nachvollziehen. Was mich dabei jetzt ein bisschen stört ist, dass du von diesem Finanzierbarkeitsargument ausgegangen bist, weil das halte ich für das Quatschargument schlechthin in dieser ganzen Diskussion, weil, wenn man Finanzierbarkeit sagt, dann meint man ja eigentlich Verteilung von Vermögen, Macht und so etwas, weil natürlich ist das alles finanzierbar. Die Frage ist halt, von wem und was das dann wieder für Folgen hat und inwieweit dann innerhalb eines Kapitalismus dann noch funktioniert. So das ist ja das Problem.

A: Klar. Ich meine, natürlich ist es finanzierbar. Ich meinte jetzt nur, finanzierbar in der kurz- und mittelfristigen Umsetzung, also wenn wir z.B. morgen einen Betrieb aufmachen würden, der irgendetwas Tolles für die Gesellschaft produziert, dann könnten wir keine Mindestlöhne bezahlen. Weil wir ja diese Umverteilung noch nicht haben. Ich glaube, ich sehe dann tatsächlich diese Entwicklung dieses zwischenhybriden Arbeitsmarktes als auch einen Weg zu einer veränderten Ökonomie, aber deshalb ist es nicht finanzierbar. Theoretisch irgendwann ist es natürlich finanzierbar.

B: Aber ich glaube, da sind wir jetzt wieder im Dissens, weil ich glaube, das ist genau das, wo ich glaube, dass das nicht dazuführt, dass Leute mehr machen können, was sie wollen. Sondern dass sie dann  gezwungen sind für jeden Scheißjob…

A: Ja, aber doch nicht gezwungen! Der Haupthebel des Grundeinkommens ist meiner Meinung nach, dass er Leute in die Lage versetzt, nein zu sagen. In Bezug auf Erwerbsarbeit.

B: Genau, dafür muss es halt hoch genug sein.

A: Dafür muss es hoch genug sein, dass dieses Neinsagen realistischerweise möglich ist. Und natürlich je höher, desto besser.  Aber auch bei 1000 Euro wäre die Möglichkeit, nein zu sagen schon mal höher, als sie jetzt ist und je mehr die Leute die Möglichkeit haben, nein zu sagen, desto mehr wird bei der Frage, wo arbeite ich , eben auch mit eine Rolle spielen, will ich das arbeiten. Und dann finde ich sollte  man Leute in die Lage versetzen zu sagen, hier ist eine Arbeitsstelle, wo ich vielleicht nur 3 Euro die Stunde kriege, aber was tue, was meiner Meinung nach supersinnvoll ist unter Rahmenbedingungen, die ich als sehr angenehm empfinde, wo ich gerne hingehe morgens und ich kann diese Arbeitsstelle wählen und bevorzugen vor einer Arbeitsstelle, wo ich 10 Euro kriege, aber irgendwie im Akkord Leute pflegen muss und einen Chef habe, der mich dauernd anschreit. Und das geht halt mit Mindestlohn nicht, da gäbs ja diese andere Option gar nicht. Ich glaube, dass der Druck auf bessere Arbeitsumstände – und das ist in der Pflege gerade das Wichtige, die Leute hören nicht auf als Altenpflegerin zu arbeiten, weil sie da so wenig Geld verdienen, die hören da auf, weil sie diese Arbeitsumstände nicht ertragen können unter denen das abgewickelt wird, der ganze Carebereich. Und deshalb ist es dringend notwendig, dass wir diese Arbeitsumstände verbessern und gerade bei Bereichen, wo wir Fachkräftemangel haben, das ist im Pflegebereich so, Erzieherinnen werden händeringend gesucht usw., da brauchen wir eine Konkurrenz um die besten Arbeitsbedingungen. Und die Konkurrenzfähigkeit derer, die gute Arbeitsbedingungen anbieten, könnte  hergestellt werden darüber, dass die Leute finden, die für weniger Geld arbeiten. Dass dann halt die Wahl der Arbeitnehmerinnen darüber besteht, wo will ich arbeiten, was ist mir wichtig, das Geld, die Art der Organisation, dass ich inhaltlich dahinterstehe. Und das zu entwickeln, ich glaube dass das nicht so leicht sein wird, weil das ist eben schwierig. Ehrenamt funktioniert völlig anders als Professionalität und es entstehen aber jetzt faktisch schon diese Hybriden. Jetzt können wir wieder „Wie sieht das in der Zukunft aus“, vom Science Fiction her, und in der Zukunft wird das mehr werden und das finde ich ganz spannend.

B: Ja, gut.  Jetzt sind wir ein bisschen matschig. Wie lange haben wir denn jetzt gemacht?
A: Mal gucken. Ist das erlaubt? 78 Minuten haben wir schon gemacht!

B: Naja, das ist ja doch nicht so lang.

A: Das ist schon 18 Minuten über unserer normalen Zeit.

B: Also ich bin dafür wir machen eine kleine Pinkelpause und machen dann nochmal weiter.

A: Ehrlich?!

B: Du willst nicht.

A: OK. Soll ich jetzt hier Pause drücken?

A: So, zurück von der Pinkelpause

Kleine Zwischenbilanz: Ich finde das gar nicht so schlecht mit ohne Wecker und vor allem finde ich das gar nicht so schlecht, dass wir die Themen von oben nach unten einfach abarbeiten.  Vielleicht sollten wir neue Themen, die uns einfallen, immer unten dranschreiben und dann haben wir nicht dieses, dass sich da immer mehr aufbaut oderso. Jedes Thema kriegt die Chance und wenn wir dann irgendwann sagen, da haben wir jetzt keine Lust, dann ist das auch weg von der Liste, dass wir das  nicht immer vor uns herschieben. Und wenn’s dann doch wieder kommt, kann man‘s ja unten wieder draufschreiben mit einem anderen Aspekt, aber ich finde gerade dieses Listeabarbeiten, das macht mir Spaß. Ich arbeite aber auch gerne To-Do-Listen ab.

B: Oh, To-Do-Listen sind ein schönes Thema. Ich habe nämlich letztens festgestellt, dass Dinge auf To-Do-Listen schreiben tendenziell dazu führt, dass ich sie eher nicht mache.

A: Echt? Lustig.

B: Ja, zumindest manchmal gibt es den Effekt, dass ich dann, weil man schreibt es ja auf, damit man es vergessen kann. Und dann vergisst man’s halt auch und dann denkt man nicht mehr dran und man guckt ja nicht ständig auf diese Liste. Natürlich guckt man mal drauf, aber wenn ich sozusagen gezwungen bin, etwas im Kopf zu behalten, weil ich es nicht aufgeschrieben habe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich es am Ende mache, am Ende wahrscheinlich sogar höher.

A: Naja, ich kenne meinen Kopf, mein Kopf ist ein Sieb, ich kann da gar nichts drin behalten. Von daher schreibe ich immer alles auf.

B: Ich auch!

A: D.h. du machst nie etwas!

B: In der Tendenz stimmt das leider.

A: Ich habe aber keine richtigen To-Do-Listen. Ich habe nämlich vor Jahren mal ein Zeitmanagementseminar besucht, das mein Leben völlig verändert hat.

B: Ach?
A: Das war schon lange her, 2008. Und da habe ich gelernt, dass To-Do-Listen natürlich die Pest sind, weil man natürlich genau diesen Effekt hat, sie werden immer länger und man überträgt sie immer von einem zum anderen und man hat immer den Eindruck, man muss noch 1000 Sachen machen und es  nimmt kein Ende. Und deshalb, da habe ich gelernt, dass man Aufgaben, Sachen, die man tun will, dass man denen immer gleich schon eine Zeit zuweisen muss, muss sich gleich immer mit sich selber verabreden, wann man das macht und das als Termin in den Kalender eintragen. Und so mache ich das auch und seither ist mein Leben so viel leichter, weil ich nie irgendwie unerledigte To-Do-Listen habe, sondern ich habe bestimmte Aufgabe, die ich mir für diesen Tag vorgenommen habe und das sind sowohl eben Termine, wie jetzt heute Podcasten, eigentlich habe ich nur eine Stunde reinreserviert, jetzt haben wir schon 1 Stunde 18…

B: Ou!! Jetzt bringe ich dein System durcheinander

A: Nee, aber du bringst es nicht durcheinander, weil das nicht geht, denn jede Sache, also, was ich  heute nicht erledige, oder nicht erledigen will, obwohl es heute im Kalender steht, das muss ich dann halt woanders eintragen, auch wieder mit einer Zeit, d.h. ich habe für alles, auch Aufträge, oder Sachen, die ich machen muss, die haben alle schon eine Zeit in meinem Kalender, d.h. ich habe nie den Eindruck, ich habe keine Zeit mehr. Ich muss aber in dem Moment, wo ich das zusage oder annehme, muss ich eben schon kalkulieren, wieviel Zeit brauche ich dafür und wann will ich es machen. Und wenn ich dann heute morgens vor meinem Kalender stehe und da steht dann das und das drin und ich habe überhaupt keine Lust dazu, dann kann ich mir eben überlegen, ob ich das woanders einfach wieder eintrage, aber nicht einfach nur auf der Liste stehenlassen, sondern es hat dann wieder seinen Platz und ich habe immer abends das Gefühl, ich habe alles erledigt und nicht, ich habe noch 30 unerledigte Punkte auf meiner Liste und das ist so simpel und es funktioniert bei mir total gut. Es war ein life-changing-seminar.

B: Faszinierend. Ich probier das mal aus und berichte davon. Ich bin allerdings ein schwerer Fall.

A: Du brauchst aber einen Papierkalender.

B: Wieso?
A: Weil das sonst zu kompliziert ist.

B: Was?

A: Habe ich gemerkt. Aber du kannst es ja mal ausprobieren.

B: Das ist doch viel einfacher, wenn ich das einfach mit der Maus verschieben kann.

A: Das stimmt natürlich, ich hatte vorher einen elektronischen Kalender und der Kalender ist jetzt tatsächlich das Einzige, was ich noch auf Papier habe.

B: Ok. Ja elektronische Kalender sind teilweise oft schlecht, aber ich bin ganz zufrieden mit dem Googlekalender, der funktioniert ganz gut für mich.

A: Ja, den benutze ich auch. Außer dass ich noch nicht kapiert habe, wie man verhindern kann, dass einem andere Leute da Veranstaltungen reinknallen. Ich weiß auch von den unmöglichsten Leuten, wann sie Geburtstag haben. Z.B. Mario Sixtus steht mit seinem Geburtstag in meinem Googlekalender, frag mich nicht wieso.

B: Von Google+ wahrscheinlich.

A: Wahrscheinlich, aber es gibt auch ganz viele, die da nicht drinstehen. Aber unter dem Strich ist er ja gut, vor allen Dingen kann der sich, wenn man sich online eine Bahnkarte kauft, wird das auch da eingetragen.

B: Was? Bei mir nicht.

A: Ja doch, wenn du ein Onlineticket bei der Bahn kaufst, wirst du hinterher gefragt, soll ich das in Ihren Googlekalender eintragen und dann machst du ja und dann steht da die Verbindung mit genauer Uhrzeit, allerdings funktioniert das nicht – Hallo, liebe Leute von der Bahn, die unseren Podcast natürlich in Massen hören, Verbesserungsvorschlag: – es funktioniert nicht bei der Rückfahrt, er trägt immer nur die Hinfahrt ein, aber nicht die Hin-und Rückfahrt. Das ist blöd. Aber gut, okay. Aber das Thema stand jetzt gar nicht auf unserer Liste?

B: Das Thema, wie man Listen macht, stand nicht auf der Liste.

A: Genau.

B: Gut, das ist ja auch schön, wenn wir so ein bisschen praktische Lebensberatung für unsere Hörerinnen und Hörer machen.

A: Diese Kalender, mir ist tatsächlich wie so eine Last von den Schultern seither und ich mache das jetzt seit sechs Jahren, das ist jetzt keine Eintagsfliege. Weil ich immer den Eindruck habe, ich habe genug Zeit.

B: Cool. Ich probier das aus.

A: Deswegen bin ich auch ganz relaxt, dass  wir jetzt hier länger podcasten als bei mir im Plan. Gut, das nächste Thema. Kennst du massive open online courses? Ich nämlich nicht.

B: Ich auch nicht.

A: Lustig, aber wahrscheinlich ist es ja einfach eine…

B: Aber wir reden jetzt trotzdem drüber, wir sind schamlos…

A: Nein, das steht ja dabei…

— (Telefonierpause):
B: Also, wir sind beim Onlinelernen.

A: Also die Onlinelernplattformen, die ich bisher kenne, fand ich eigentlich immer eher langweilig. Ich hatte immer so den Eindruck, das ist jetzt ins Internet übertragen, die Art und Weise, wie man auch an Schulen oder an Universitäten gelernt hat.

B: Ja, also meine Erfahrung mit irgendwelcher Spezialsoftware ist da auch eigentlich nicht vorhanden. Ich stelle allerdings schon fest, dass es da eine ziemliche Revolution gibt, wie Lernen stattfindet momentan. Also z.B. an meinem Sohn, der wenn ich gucke, wie der lernt im Verhältnis oder auch ich inzwischen im Verhältnis, wie mein Vater noch gelernt hat. Mein Vater war halt jemand, der wollte jetzt irgendetwas lernen, was auch immer, eine Sprache, oder wie man einen Tisch baut oder was auch immer und das erste, was er immer gemacht hat, war sich ein Buch zu kaufen. Und das hat er dann gelesen und das hat auch funktioniert und so und heute ist, glaube ich, also mein Sohn z.B., wenn der ein neues Computerspiel verstehen will oderso, dann guckt er sich Youtubevideos dazu an und guckt anderen beim Spielen zu und lernt es dadurch genauso, das, was er lernen will. Und ich glaube, dass das auf eine Art sogar zielgerichteter ist. Also, ich glaub man kann heute sehr gut zielgerichet ganz konkrete Sachen, die man lernen will, sehr gut übers Internet lernen, aber nicht über irgendwelche Spezialplattformen, sondern einfach über Wikipedia und Youtube und Foren oder was auch immer. Und das ist, glaube ich, schon eine ziemliche Revolution, weil es so eine selbstbestimmte Art des Lernens total unterstützt und ich glaube auch, dass das ist natürlich auch etwas, was ich sehr gut finde, wenn das einfacher wird im Verhältnis zu so einer hierarchischen, lehrplanorientierten, fächerkanonisierten Bildung, so wie  man sie ja eher, also was ja die meisten Leute wahrscheinlich immer noch meinen, wenn sie von Lernen reden.

A: Ja und was ich auch an mir feststelle, ist, dass es schon einen Schritt früher anfängt, sich geändert zu haben, nämlich bei der Frage, was will ich überhaupt lernen, also die Frage, was interessiert mich, die ja sozusagen, dein Vater wusste ja schon, was er wissen will und dann wusste er auch, welches Buch er dazu kaufen muss, um das zu lernen. Aber ich merke bei mir, was ich lerne, ist immer mehr auch von Zufällen abhängig. Es gibt ja diesen schönen Begriff der serendipity, das sind die zufälligen Informationen, die  man bekommt durchs Internet z.B., was da zufällig einem über die Augen flattert und ich merke, dass es früher auch mehr so war, ich interessiere mich für ein Thema und lese dazu ein Buch und das mache ich auch immer noch, wenn mich ein Thema interessiert, dann ist eben die Frage, ob du die Informationen in einem Buch findest oder bei Wikipedia oder auf Youtube ist ja letzten Endes egal. Aber die Frage, was will ich überhaupt lernen, die ist eben immer mehr zufällig, die kommt z.B. hab ich, nur ein Beispiel, kürzlich in meinem Blog ja was geschrieben und dann hat jemand etwas kommentiert und hat dabei auf irgendein Zine verlinkt und es ging eigentlich um ein ganz anderes Thema und dann klapp ich dieses Zine auf und lese einen Artikel über lesbische Männer und da dachte, oha echt, gibt’s lesbische Männer ja. Und das habe ich dann gelesen, hat mich reingezogen und jetzt weiß ich wieder was. Und der Anteil der neuen Informationen, die ich auf diese Weise über reinen Zufall bekomme, ist ja nicht ein reiner Zufall, weil ja die Art Leute, die in meinem Blog kommentieren, ja schon keine zufällige Auswahl oder so sind, es ist ja schon durch die eigenen Beziehungsstrukturen und  Interessensgebiete vorstrukturierte Art des Zufalls, aber es passiert mir immer weniger, dass ich irgendetwas wissen will und dann nach der Information suche, sondern ein Großteil meiner Zeit ist  damit schon ausgefüllt, dass  interessante Informationen mir zugeflogen kommen, die ich gar nie selber gesucht hätte, die dann dazu führen, dass ich neues lerne und sich dann wieder neue Interessensgebiete erschließen. Das ist cool.

B: Ich glaube, beides führt ja zu einer Dynamisierung von Wissenserwerb im Verhältnis zu früher, das ist ja gesellschaftlich auch total nötig, weil ja immer mehr, man ist immer mehr, also dass man mal einen Beruf lernt und dann hat man den Rest seines Lebens undso, das ist ja ein ziemliches Auslaufmodell und ich glaube, das hängt auch zusammen, und ich glaube, es gibt auch einen Bedarf für so dynamischeren Wissenserwerb und ja gerade dieses zufällig zu flattern, das wird ja oft auch so ein bisschen auch abgewertet, „du hast ja wieder nur deine Zeit im Internet verschwendet“ und so und ich glaube, das ist in Wirklichkeit total wichtig.

A: Und es ist auch total effektiv und es erweitert den Horizont auch. Was natürlich sich als Frage stellt ist, und da sehe ich auch eine Chance drin, also die Frage, die sich stellt ist, wenn wir online lernen, wozu brauchen wir dann noch Lehrpersonal, also Personen, und Face-to-Face-Kontakte, also Orte des Lernens wie Schule oder Uni oder Vorträge oder so etwas und ich glaub ja nicht, dass die obsolet geworden sind, ich glaube dass Räume, wo Menschen miteinander sind, nach wie vor wichtig sind, aber früher war es einfach so ein Misch, also der Lehrer oder der Professor hat sowohl einen Gesprächsraum eröffnet letzten Endes, dadurch dass es den Raum gab und die Person, aber ein Hauptteil seines Jobs war ja die Vermittlung von Wissen und dieser Aspekt der Vermittlung von Wissen ist eigentlich überflüssig geworden, weil das Wissen, was der Professor mir erzählt, das kann ich besser auch woanders finde. Und vielleicht auch mehr auf das ausgerichtet, was mich interessiert. Aber was bleibt dann übrig für diese Lehrsituation?

B: Ja die Beziehung.

A: Die Beziehung und die Reflektion und die, keine Ahnung, Einordnung des Wissens, die Auseinandersetzung und auch, also ich glaube, im Reden entsteht neues Wissen, also z.B. auch hier im Podcast. Das ist ja nicht so, dass wir das schon alles vorher  wüssten, was wir hier sagen, das kommt ja dadurch, dass wir zwei zusammen sprechen auch erst raus und das ist glaube ich auch der Aspekt, wo ich dann auch glaube, dass so Ideen wie man braucht gar keine Unis mehr oder gar keine Schulen mehr als Orte, weil wir das alles auf Onlineplattformen ausgelagert haben oder aufs Internet generell, dass glaube ich, funktioniert tatsächlich nicht. Weil das nicht reicht. Dann ist natürlich die Frage, was bedeutet das. Sind das nur noch Gleiche, die sich treffen?

B: Ja.

  1. Also so Barcamps, wo’s ja auch keine richtigen Vortragenden mehr gibt. Und wie verhält sich das mit der Autorität.

B: Ja. Also ich erinnere mich auch aus meinem Studium noch, dass das auch damals schon so war, dass ich am meisten gelernt habe von anderen Studenten und in solchen Situationen, in Lerngruppen oder in irgendwelchen Projekten, die man aus Begeisterung macht und viel weniger eigentlich in Vorlesungen und so. Also auch, aber das hat eher so den Rahmen geschaffen, in dem sich Leute, die sich für ähnliche Themen interessieren, treffen konnten und kennenlernen konnten und das ist, glaube ich, das, was eine Uni ausmacht. Und weniger, dass da jemand besonders Kluges einen besonders raffinierten Vortrag hält.

A: Na das weiß ich nicht. Ich gehe eigentlich gerne Leuten zuhören, die ich toll finde. Und da mag ich das die sprechen zu hören. Und ich finde z.B. Luise Muraro toll, wie alle schon wissen, und ich finde es auch toll, ihre Bücher zu lesen, aber sie selber zu erleben, hat nochmal eine ganz andere Qualität und dann nochmal die Möglichkeit zu haben, direkt nachzufragen und ich habe eigentlich auch während des Studiums die Seminare fast immer nicht nach den Themen ausgesucht, sondern danach wer. Also ich hatte dann ein paar Leute, bei denen ich gerne studiert habe, und die konnten dann reden, über was sie wollten,  ich bin auf jeden Fall in ihr Seminar gegangen. Und andere… Also ich habe schon damals mehr Wert darauf gelegt, wer ist da. Mit wem will ich in einem Raum sein. Und ich glaube, das spielt schon auch noch eine Rolle.

B: Ich bin da immer sehr skeptisch gegenüber diesen Hypes um Leute, wo es sozusagen wichtiger ist, wer da redet als über was, das ist mir eigentlich immer ein bisschen suspekt.

Weil ich das, also es gibt sicher Leute, bei denen das gerechtfertigt ist, also ich kenne jetzt deine Angebote nicht, aber ich kann mir schon vorstellen, dass es einzelne Leute gibt, bei denen das so ist, aber ganz viele sind doch im Grunde irgendwie Experte auf einem Gebiet oder so und dafür berühmt und dann geht man da hin und im Grund weiß  man schon ein bisschen, was einen erwartet und also…

A: Ja, das ist langweilig. Wenn ich irgendwo Leute kenne aus ihren Büchern und gehe dann hin und dann erzählen sie beim Vortrag genau dasselbe, was in ihren Büchern steht, das ist total langweilig, aber ich glaube, das ist auch genau das, was in Zukunft nicht mehr funktionieren wird. Außer natürlich klar, es gibt dann diesen Starkult und dann ist es gar nicht mehr wichtig, was da gesagt wird oder passiert ist, sondern nur, dass man den jetzt mal gesehen hat. Aber deswegen ist vielleicht für viele so frustrierend, weil diese wirklich tollen Erfahrungen gibt es halt selten, aber so müsste es eigentlich sein, also es kann dann eben nochmal eine neue Qualität geben, aber nicht automatisch, natürlich nicht, ganz oft kann das langweilig sein. Aber genauso ist es auch mit Leuten, die ich jetzt über Twitter kennengelernt habe, die will ich dann auchmal sehen.

B: Jaja. Klar, das ist nochmal was anderes. Naja. Wir sind ein bisschen vom Thema abgekommen..

A: Findest du? Ich finde eigentlich nicht. Ja, aber ich glaube, meine Erschöpfung ist jetzt tatsächlich an einem Punkt angekommen bin, wo ich dafür bin, den Podcast zu beenden.

B: Wir müssen auch was essen.

A: Der war ja schon extrem für unsere Verhältnisse, oder?
B: Ja.

A:Und jetzt können wir auch schonmal die erste halbe Seite von der To-Do-Liste weglöschen.

B: Wobei mir noch eingefallen ist, wenn man wirklich immer nur von hinten macht, dass man ganz dringende Themen dann bespricht, wenn sie schon wieder nicht aktuell sind.

A: Da wir ja nicht dogmatisch sind, können wir ja die Regel jederzeit…

B: Ach ja, zum Glück sind wir nicht dogmatisch.

A: Ok. Schön. Dann bis dann!
B: Tschüss!