Homosexualität verlernen? Gute Idee.

Mit sehr großem Interesse habe ich dieses Buch gelesen, in dem es um die Frage geht, wie sich der westliche Diskurs über Homosexualität mit Nationalismus und rassistischen Zuschreibungen an „Migrant_innen“ verbindet. Mich hat das inzwischen Mainstream gewordene Verständnis, wonach Homosexualität eine gleichgeschlechtliche Kopie der bürgerlichen heterosexuellen Paarkonstruktion ist, noch nie wirklich überzeugt. Erstens weil ich glaube, dass aufgrund der unterschiedlichen Zugänge von schwulen, heterosexuellen und lesbischen Paaren zum Schwangerwerdenkönnen die Vergleichbarkeit an einem ganz zentralen Punkt aus rein körperlichen Gründen nicht gegeben ist, und zweitens, weil mir diese Parallelisierung auch aus politischen Gründen gar nicht wünschenswert erscheint, jedenfalls nicht für Frauen. Ich finde die in der Zweiten Frauenbewegung vertretene Sicht, wonach Lesbischsein in erster Linie eine persönliche und politische Lebensweise ist und keine Identität, fruchtbarer. Umso interessanter nun hier zu lesen, dass man auch aus ganz anderen Ecken her zu ähnlichen Einschätzungen kommen kann. Heinz-Jürgen Voß beschreibt im ersten Teil des Buches, wie ein identitäres Homosexualitätskonzept im 19. und frühen 20. Jahrhundert von westlichen schwulen Männern

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Weibliche Homosexualität und glückliche Frauen

Was ich an den italienischen Feministinnen so mag ist ihr Talent dafür, Denkbewegungen und Paradigmen auf eine kurze sprachliche Formel zu verdichten, an der sich dann Debatten entzünden und das Denken sich gewissermaßen „einhaken“ kann. Sachen wie „Das Patriarchat ist zu Ende“, „Von sich selbst Ausgehen“, „der Wille zu siegen“ oder „Von der Abwesenheit profitieren“… In einem aktuellen Text (italienisch) von Paola Mammani habe ich nun wieder eine Formulierung gefunden, die mir seit einigen Tagen im Kopf herumspukt, und zwar „Omosessualità femminile e donne felici“, also „Weibliche Homosexualität und glückliche Frauen“. Offenbar stand die Frage zur Debatte, mit welchem Bild man ein Zeitungscover zu diesem Thema betiteln würde, und Mammani kam dazu sofort ein Foto in den Sinn, auf dem sich Flavia Pennetta und Roberta Vinci, die beiden Tennis-Finalistinnen der US-Open im September diesen Jahres, fest, lang und zärtlich umarmen (ich sollte wieder mehr Tennisspiele anschauen)! Daneben, so schreibt sie, hätte sie ein anderes Foto gestellt, auf dem Flavia Pennetta, die Siegerin, und

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Ehe nach Bedarf

Editorial: Diesen Text schrieb ich für die aktuelle Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik, wo er jedoch im bezahlpflichtigen Teil steht. (Update: inzwischen nicht mehr, sondern freigeschaltet). Ich darf ihn aber auch hier veröffentlichen, was außerdem den Charme hat, dass Ihr kommentieren könnt! Voilà! Die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare hat in den letzten Wochen starken Aufwind bekommen: Zuerst stimmten Ende Mai bei einem Referendum 62 Prozent der Irinnen und Iren für die sogenannte Homo-Ehe, kaum einen Monat später entschied der Oberste Gerichtshof der USA, dass jene Bundesstaaten verfassungswidrig handeln, die gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe verweigern. Es ist unübersehbar, dass die Zustimmung zur „Ehe für alle“ – ein Ausdruck, der vielerorts die marginalisierende Bezeichnung „Homo-Ehe“ ersetzt hat – inzwischen weitgehend Mainstream ist. Unmittelbar nach der Entscheidung des Supreme Court schaltete Facebook ein Regenbogen-Feature frei: Mit nur einem Klick konnten Nutzerinnen und Nutzer ihre Profilbilder mit einem Regenbogenverlauf unterlegen und damit symbolisch ihrer Freude Ausdruck verleihen. Ganze

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