Der deutsche Pazifismus als säkularisiertes Christentum

These: Ein Grund, warum der deutsche Pazifismus als Idee momentan so wenig überzeugt, weil ihm in der akuten Kriegssituation nicht viel anderes einzufallen scheint, als die Angegriffenen aufzufordern, sich dem Aggressor zu unterwerfen (oder das vielleicht nicht direkt fordert, aber der Aufruf, ihnen nicht bei der Verteidigung zu helfen, läuft natürlich auf genau dasselbe hinaus), liegt glaube ich auch darin, dass keine alternativen Vorstellungen von Gerechtigkeit und wie man sie effektiv erreicht entwickelt wurden. Der Fokus wurde darauf gelegt, potenzielle Aggressoren abzurüsten, die Nato, die USA, die Bundeswehr. Und das ist ja auch keine schlechte Idee. Was dieser ganzen Perspektive aber zugrunde liegt ist die Überzeugung, dass man selbst auf der Seite der Stärkeren ist, also derer, die potentiell Gewalt ausüben und nicht derer, die potentiell Gewalt erleiden. Das liegt natürlich daran, dass wir Erb*innen des Nazi-Täter-Volkes sind, aber es liegt auch an einer gewissen Überheblichkeit im Geist, man ist schlicht aufgrund der eigenen Privilegiertheit gar nicht emotional in der

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Feminismus und Krieg

Ist es nicht sehr erstaunlich, wie wenig geschlechterpolitische Analysen in diesem Krieg eine Rolle spielen? In der medialen Begleitdebatte scheint sich kaum jemand zu trauen, Worte wie „Feminismus“ oder „Frauen“ in den Mund zu nehmen. Dass die Verhandlungsdelegationen ausschließlich aus Männern bestehen, wird als selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Auch dass die stärksten inländischen Proteste sowohl gegen Putin (Pussy Riot) als auch gegen Lukaschenko feministische Proteste waren, spielt in den Analysen keine Rolle. Meiner Ansicht nach ist ein Großteil der westlichen Fehlanalysen und Fehleinschätzungen gegenüber Putin auch darin zu sehen, dass seine Unterdrückung von Feminismus und Queeren für nebensächlich gehalten wurde. Dabei ist sie ein Pfeiler seiner Herrschaft. Ich bin auch der Meinung, dass die Bewunderung, die ihm von Machthabern überall auf der Welt (Erdogan, Schröder usf) entgegengebracht wird auch etwas mit seiner Performance von Männlichkeit zu tun hat. Über das „männliche Imaginäre“ schrieben wir 1999 schon hier – und es ist doch bei Putin so überdeutlich zu sehen! Auch Merkels

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Utopie in der Dystopie?

Endlich gibts mal wieder eine neue Episode von Besondere Umstände, dem Podcast von Benni, Eva und mir. Diesmal gehts um das Thema: Utopie in der Dystopie? Oder: Wie geht linke/feministische Praxis wenn alles den Bach runtergeht? Voila!

Corona, die dritte.

So, Wir haben es tatsächlich geschafft und zum dritten Mal das Holzpferd der Griechen reingeholt in der Hoffnung, diesmal wären keine Soldaten drin. Dank der deutschen Ignoranz-Mentalität können jetzt also Kinder die nächsten zwei Monate wieder nicht in die Schule gehen. Und, ach, Digitalkonzepte haben wir ja auch immer nicht, weil Kinder MÜSSEN doch in die Schule gehen. Ja, aber bei einer grassierenden Pandemie KÖNNEN sie halt nicht in die Schule gehen. Aus diesem Anlass noch zwei Worte zu dem wirklich bescheuerten Argument, man müsse sich von den Inzidenzwerten lösen. Ja, die Inzidenzwerte geben keine realistische Zahl der Fälle an, aber sie zeigen eine Tendenz. Steigen oder Fallen. Und jedes Steigen ist beim Corona-Virus EXPONENTIELLES Steigen. Das heißt: Es steigt immer schneller und irgendwann extrem schnell. Das heißt, solange der R-Wert nicht unter eins liegt, ist es SCHEISSEGAL wie schnell genau die Zahlen steigen, sie werden in einem absehbaren Zeitraum explodieren, und ob das nun zwei Wochen früher oder später

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Warum Corona tödlicher ist als Ebola

Als vor einem Jahr die ersten Berichte über ein neues Virus bekannt wurden, war ich früher als andere in Alarmstimmung. Spätestens seit dem Ausbruch bei einer Karnevalsfeier in Gangelt war ich zudem auf der eher skeptischen Seite, was die Schwere des Verlaufs der Pandemie in Deutschland angeht. Aber dass wir ein Jahr später nur hierzulande 50.000 Tote zu beklagen haben würden, damit hätte ich nicht gerechnet. Wie vermutlich die meisten habe auch ich damals vielmehr aufgeatmet, als klar wurde, dass Corona im Fall einer Infektion sehr viel weniger tödlich ist als Mers (mit einer Sterblichkeitsrate von um die 25 bis 50 Prozent) oder gar Ebola (50 bis 90 Prozent). Corona hingegen hat eine Sterblichkeitsrate von grade mal rund 0,5 Prozent, also insgesamt nicht so furchterregend, oder? Ich dachte das damals: „Corona ist viel weniger tödlich als andere Viren, da haben wir nochmal Glück gehabt.“ Inzwischen ist mir aber klar geworden, dass genau das das Problem an Corona ist. Gerade wegen

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Für eine neue Corona-Strategie: Zero Covid!

Die gegenwärtige Strategie Europas im Umgang mit Corona ist krass gescheitert. Seit einem Jahr fast liegt das Kultur- und Sozialleben brach, seit drei Monaten haben wir einen Labber-Lockdown, der allerdings bestimmte Wirtschaftsbereiche ausnimmt. Während alle sich beschränken, können Arbeitgeber weiter nach Gutdünken ihre Arbeiter:innen und Angestellten der Infektionsgefahr aussetzten. Gleichzeitig haben wir in Europa Abertausende von Toten JEDEN TAG! Und es ist kein Ende in Sicht – denn bis wir durchgeimpft sind, ist es Herbst. Die unkontrollierte Virus-Zirkulation begünstigt Mutationen, mit unabsehbaren Folgen. Und bei Abermillionen Infizierten riskieren wir ungewisse Long-Covid-Krankheitsfolgen in einem erheblichen Teil der Bevölkerung. Wir brauchen deshalb eine neue Strategie. Sofort. Und sie muss Zero Covid heißen. Dieser Virus kann nicht unter Kontrolle gehalten werden. Man muss ihn auf Null bringen, oder er breitet sich aus.Und natürlich muss so eine Zero Covid-Strategie solidarisch sein, und international. Und, nein: Das ist nicht unmöglich. Auch jetzt nicht. Ja, einfacher wäre es gewesen, das vorigen Mai oder vorigen Oktober zu

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Besondere Umstände – Episode Corona 3

Benni, Eva und ich haben wieder einmal gepodcastet, diesmal noch mit einer vierten Mitdiskutantin, nämlich Anne (die Ihr vielleicht schon von unseren bzw-Zoom-Gesprächen kennt). Wie es dazu kam, erzählt sie ganz am Ende, nämlich bei 2:11 :)) Angefangen haben wir diesmal mit Bennis These, dass wir in historischen Zeiten leben (wie weltgeschichtlich historisch er das meint, war mir gar nicht klar gewesen) – ich äußere mich dabei eher skeptisch, was unsere Fähigkeiten anbelangt, von aktueller Gegenwart auf weltgeschichtliche Zusammenhänge zu schließen, ich denke, dass sich das erst rückwirkend zeigen wird. Später sprachen wir dann über die ebenfalls von Benni auf geworfene Frage, ob es Politik ohne „Fake-News“ geben kann. Denn es sind nicht nur die Rechten, die sich die Wahrheit in ihrer politischen Kommunikation zurechtbiegen, sondern auch Linke, die zum Beispiel bei Demo-Teilnahmezahlen schummeln und so weiter. Kann man ohne Propaganda-Maschinerie politisch sein, und wann/wie ist politisches Handeln wirkungsvoll? Das Ganze hinterlegt natürlich von der zunehmenden Dringlichkeit politischer Diskurse angesichts

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Was häusliche Gewalt und Virusepidemien gemeinsam haben

Gerade geht die Meldung herum, dass bedingt durch die Kontaktsperren wegen der Coronavirus-Epidemie offenbar die Gewalt gegen Kinder stark zugenommen hat. Die Überschrift „Nebenwirkungen des Lockdown“ zeigt übrigens sehr gut den symbolischen Fehler: Dass Kinder geschlagen werden, ist keine Nebenwirkung des Lockdown. Sondern es ist eine Nebenwirkung gewaltförmiger Sozialbeziehungen, die durch den Lockdown nur ausgelöst wurden. Kein Kind bekommt Blutergüsse, weil es einen Lockdown gibt. Kinder bekommen Blutergüsse, weil sie geschlagen werden. Und diese zivilisatorische Bankrotterklärung namens „patriarchale Kleinfamilie“ genießt auch noch den besonderen Schutz der Grundgesetzes. Auch darüber wünsche ich mir für nach Corona mal eine stärkere gesellschaftliche Debatte. Es gibt übrigens interessante Parallelen zwischen Gewaltprävention und Infektionsschutz: In beiden Fällen ist ein System, das darauf angelegt ist, bloß Opfer und Risikogruppen zu „schützen“, nicht akzeptabel. Sondern wir brauchen eine Lösung, die an die Wurzel des Problems geht. Weg mit dem Virus. Weg mit Gewalt gegen Schwächere. Beides muss im Keim erstickt werden, es genügt nicht, es auf einem

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