Autor: Antje Schrupp
Die Rundreise
Dieses Buch hat mich sehr berührt und reingezogen: Die Lebenserinnerungen der tschechischen Jüdin Franci Rabinek Epstein, die die Nazis in Prag, Teresienstadt, Auschwitz, als Zwangsarbeiterin in Hamburg und schließlich in Bergen Belsen überlebt hat. Eine Geschichte über Verfolgung, aber mehr noch über Widerstand und Überleben.
Feministische Argumente zu Leihmutterschaft
In der Debatte über Leihmutterschaft trifft ein marktliberaler Impuls den patriarchalen Anspruch auf gebärende Körper. Eine feministische Kritik muss ganz anders sein. Mein aktueller Kommentar auf Zeit-online.
Assistierter Suizid und Moral
Denke ja schon länger darüber nach, was an der Debatte über assistierten Suizid schief läuft, und heute Mittag hatte ich kurz eine Intuition. These: Die moralische Frage ist eigentlich nicht, ob wir als Gesellschaft verpflichtet sind, den Suizid-Wunsch einer zum Beispiel kranken und pflegebedürftigen Person zu respektieren oder nicht. Sondern eigentlich ist es doch sogar so: Solange wir es als Gesellschaft nicht hinkriegen, die Pflege alter und kranker Menschen auf eine Art und Weise hinzukriegen, die ihnen ein Leben in Freude und Selbstbestimmung ermöglicht, sind wir eigentlich geradezu verpflichtet, den Betroffenen wenigstens die Möglichkeit des Suizids zu eröffnen. Jede Person, die sich einnässen muss, weil niemand da ist, der sie aufs Klo begleitet, jede Person, die bei eingeschaltetem Licht schlafen muss, weil niemand es ausschaltet, jede Person, deren Haut rauh wird, weil niemand Zeit hat, sie einzucremen, jede Person, die in Heimen ohne W-Lan leben muss, jede Person, die im Alter Kantinenessen in Billigqualität bekommt, und so weiter und so
#Antje las ein Buch, beziehungsweise eine ganze Reihe neuer Bücher
Liebe Blog-Abonnent:innen, ich gestehe, ich habe vergessen, die letzten Bücher-Youtubes auch hier zu posten, obwohl einige von euch sich das ausdrücklich gewünscht hatten, daher hier nun ein Sammelpost über meine letzte Lektüreerfahrungen:
Dummheit oder Bösheit?
So wird Hetze und Desinformation betrieben. Ist das unermessliche Dummheit oder unermessliche Bösheit Oder ist das ein Dokument dazu, dass unsere Kultur derart von aristotelischer Ideologie und der des Römischen Reichs durchzogen sind, dass es wirklich Menschen gibt, die intellektuell nicht in der Lage sind, zu VERSTEHEN, dass hier Menschen versuchen, zwischen „gebärender Person“ und „Mutter“ zu UNTERSCHEIDEN? Ich meine, man kann ja der Meinung sein, dass diese Unterscheidung falsch ist, weil man findet, dass nur Mütter gebären und alle gebärenden Personen Mütter sind. Darüber kann dann diskutieren. Aber genau das soll ja mit solchen Hetzartikeln verhindert werden, indem behauptet wird, „gebärende Person“ sollte das Wort „Mutter“ ERSETZEN – selbst in so einem Mummpitz wie Mutter Theresa. Wie soll man in einer Gesellschaft, die in der öffentlichen Debatte ein solches Ausmaß von Dummheit/Bösheit akzeptiert, einen vernünftigen Diskurs überhaupt führen?
Frühmorgens-Gedanken über Fake News, ChatGPT und warum nur Feminismus noch Wahrheit ist
Vielleicht ist es bald so, dass wegen grassierender Fake-Infos-Flut, die durch AI nochmal besser und leicht herzustellen sind, das Internet als Recherchetool wieder komplett unbrauchbar wird. Dann müssen wir wieder rausgehen, uns Dinge selber anschauen, mit Leuten sprechen und bei historischen Themen Papierbücher in alten Bibliotheken konsultieren. Jedenfalls wenn wir an dem Konzept „Wahrheit“ in Bezug auf Fakten festhalten wollen. Aber vielleicht richten wir uns ja auch in einer Kultur ein, die keine Fakten mehr kennt, sondern nur noch in Phantasiewelten lebt. Oder eben in Erzählungen: Ich meine, die Bibel ist ja auch kein historisches Faktenbuch, sondern eine Sammlung von theologischen Positionen in Form von Geschichten, und ich habe im Theologiestudium gelernt, das sei auch gar nicht schlimm, weil es ja um die Geschichte und die Botschaft darin ginge und nicht um die Frage, „ob das wirklich so passiert ist“. Was meint ihr: Wie würde eine Gesellschaft aussehen, in der wir uns über Geschichten verständigen und nicht über Fakten? Der
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Wie soll man mit rassistischen und sexistischen „Stellen“ in Büchern umgehen?
Gerade wird wieder über die Frage von Neuauflagen von Büchern diskutiert, am Beispiel von Miss Marple und Roald Dahl. Es geht darum, dass bei Neuauflagen manche Passagen umformuliert wurden, um diskriminierende, etwa rassistisch oder sexistische Ausdrücke zu ersetzen. Dass darüber diskutiert wird, ist natürlich super, die Frage ist nur wie. Denn anstatt sich mit Argumenten und Fragestellungen im einzelnen argumentativ auseinanderzusetzen (was imho der Sinn einer Diskussion ist), wird oftmals auf den „gesunden Menschenverstand“ gepocht und so getan, als sei der Versuch allein, einen Text an heutige Sprach- und Denkgewohnheiten anzupassen, verwerflich. Als würden hier heilige Originale „verhunzt“ und die Freiheit des Denkens untergraben. Aber darin zeigt sich nur ein fehlendes historisches Bewusstsein. Übersetzung ist immer notwendig, wenn zwei unterschiedliche Kulturen zusammentreffen. Aber auch nicht nur bei geografisch, sondern auch bei historisch entfernten Gesellschaften handelt es sich um unterschiedliche Kulturen. Wörter, Gesten nehmen im Lauf der Zeit eine andere Bedeutung an und sind dann ohne Übersetzung unverständlich oder missverständlich. Auch
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Die europäische Moderne und die Shoah
Gestern Abend war ich in Bern für einen Abend über die deutsch-jüdische Philosophin und politische Denkerin Margarete Susman. Es gibt für mich immer noch Neues über sie zu entdecken. Gestern kam mir noch eine Idee: Eine ihrer Hauptthesen war ja, dass das Judentum sehr viel (und mehr als allen bewusst ist) zur Herausbildung der europäischen Moderne beigetragen hat. Nun ist dieses Beitragen mit dem Holocaust weitreichend beendet worden. Die jüdische Differenz wurde ausgemerzt. Was bedeutet das für Europa? Ist die europäische Idee, ihre Vorstellung von individueller Freiheit, von universellen Menschenrechten, von Wertschätzung für Pluralität vielleicht auch deshalb so am Arsch, weil ihr jüdischer Anteil seither fehlte? Es würde einen gewissen Sinn ergeben, wenn man den Niedergang dieser Idee mit der Entfesselung des verantwortungslosen Zerstörungskapitalismus in den 1980ern verortet, oder auch vielleicht in der Unfähigkeit der „europäischen Idee“, nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperialismus eine attraktive Alternative darzustellen. Spätestens jetzt mit dem Starkwerden erneuter faschistischer Bewegungen ist die Zukunft von „Europa“ mehr