Beim eigenen Körper endet der Arm des Gesetzes

Dass Menschen über ihren eigenen Körper verfügen können, liegt in der Natur der Sache. Denn Mensch und Körper sind nicht zu trennen. Mensch_Körper sind allein miteinander, oder können es zumindest sein. Mensch ist Körper. Ob Menschen über ihren eigenen Körper verfügen (dürfen), ist deshalb keine offene Frage, über die gesellschaftlich zu entscheiden wäre, sondern eine Tatsache, die bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden muss. Keine Ordnungsmacht der Welt kann Menschen zum Beispiel daran hindern, Sex gegen Geld zu tauschen, Abtreibungen vorzunehmen oder das eigene Leben zu beenden. Kein Polizist kann sich zwischen einen Menschen und ihren Körper stellen. Wer die Eigenverfügung über den menschlichen Körper gesetzlich kontrollieren will, muss zu krassen Maßnahmen greifen, die auf eine Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreifen, die heute nicht mehr als akzeptabel gilt: Man kann natürlich Ehefrauen dazu zwingen, einen „Keuschheitsgürtel“ zu tragen, damit kein unbefugter Penis in ihre Vagina eingeführt wird. Man kann auch Schwangere oder Menschen, die man für suizidgefährdet hält, rund um die

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Körper 2.0. Die technische Erweiterbarkeit des Menschen

Wie ist die „technische Erweiterbarkeit des Menschen“, also die Möglichkeit, den biologischen Körper mithilfe von Prothesen, Implantaten und dergleichen zu modifizieren und zu verändern, zu beurteilen? Die Kulturwissenschaftlerin Karin Harrasser wendet sich mit ihrem Essay gegen eine (vor allem seit der Moderne) verbreitete Interpretation, die diese Modifikationen als Verbesserungen oder Weiterentwicklungen des biologischen Körpers verstehen. Denn dabei schwingt immer eine universalistische Norm mit, also eine Vorstellung davon, wie ein („gesunder“, „optimaler“) Körper beschaffen zu sein hat. Und es impliziert eine Hierarchisierung von „besseren“ und „schlechteren“ Körpern. Diese modernen Interpretationen der Mensch-Maschine-Verbindung legen nicht nur ein falsches (historisch männliches) Menschenbild von Autonomie und Individualismus zugrunde, sie führen auch zu „normalistischen Inklusionsmodellen und Unvermeidbarkeitshypothesen“, wie Harrasser schreibt. Daraus entstehen dann die altbekannten langweiligen Kämpfe entlang falscher Dualismen, zum Beispiel zwischen Technikfans, die möglichst schnell alles ausprobieren und ihren Körper „verbessern“ wollen, und Konservative, die alles in einer ominösen „Natürlichkeit“ bewahren wollen und in jeder technischen Modifikation einen Vorschein auf die Apokalypse sehen.

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Fünf Thesen zu Prostitution

Angesichts der jüngsten Debatten rund um das Thema Prostitution habe ich mal fünf Punkte aufgeschrieben, die mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheinen und mir bei den Diskussionen fehlen. Sie beziehen sich ausschließlich auf die freiwillige Prostitution, also nicht auf Zwangsprostitution und Menschenhandel, was ein völlig anderes (und, nebenbei, wichtigeres) Thema ist. Aber bei der Ablehnung von Zwangsprostitution und Menschenhandel sind sich ja alle einig. Uneinigkeit besteht im Hinblick auf die Einschätzung von freiwilliger Prostitution. Doch Freiwilligkeit allein ist noch kein Beweis für die Okayheit einer Handlung, es sei denn, man würde sich völlig einer neoliberalen Logik des „anything goes, Hauptsache es lässt sich damit Geld verdienen“ verschreiben. Freiwilligkeit ist nicht das Ende der Diskussion über Prostitution, sondern höchstens ihr Anfang. Denn alles, was nicht freiwillig geschieht, ist sowieso indiskutabel. Hier also meine 50 Cent. 1. Prostitution ist keine Naturerscheinung, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt Von der Prostitution wird gerne behauptet, sie sei das „älteste Gewerbe der Welt“, was so viel bedeutet

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„Alle haben jetzt Jungen“. Geschlechtsselektion und weibliche Freiheit

(Tl;dr) Vorgeburtliche Geschlechtsselektion ist längst eine Tatsache. In Asien wählen die Eltern Jungen, in den USA wählen sie Mädchen. Beides ist fatal für das gesellschaftliche Zusammenleben. Was jetzt zu tun wäre. . Die Verbreitung von Reproduktionstechnologien (Ultraschall, Abtreibung unerwünschter Föten, künstliche Befruchtung, Präimplantationsdiagnostik) hat in vielen Teilen der Welt zu einem massiven Ungleichgewicht zwischen Geburten von Mädchen und Geburten von Jungen geführt. Vor allem in drei Regionen ist die vorgeburtliche Geschlechterselektion stark verbreitet: China und die südlich angrenzenden Länder, vor allem Vietnam, Indien und Pakistan, sowie Westasien (Armenien, Aserbaidschan, Georgien). Ohne medizintechnische Manipulation beträgt das Verhältnis der Geschlechter bei Geburten ungefähr 100 Mädchen zu 105 Jungen. In manchen Regionen der Welt werden aber inzwischen bis zu 170 oder sogar noch mehr Jungen pro 100 Mädchen geboren. Die Wissenschaftsjournalistin Mara Hvistendahl hat diese Entwicklung im Detail untersucht. Ihr (manchmal etwas reißerisch geschriebenes, aber lesenswertes) Buch ist vor allem deshalb interessant, weil sie auf zahlreiche Vorurteile und Fehlschlüsse hinweist, die in der Debatte

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Intimrasuren und Schönheits-OPs an der Vulva

Gerade las ich von einem WDR-Bericht über einen (angeblichen?) Trend unter jungen Frauen zu Schönheits-Operationen an der Vulva. Ein Hauptproblem für sie scheint es zu sein, dass die inneren Schamlippen bei erwachsenen Frauen häufig länger sind als die äußeren. Während Vulva-OPs wohl noch eher selten sind, entnehme ich dem Beitrag (und das trifft sich mit meiner eigenen Anschauung aus den Umkleidekabinen des Fitness-Studios), dass Intimrasuren unter jüngeren Frauen heute bereits völlig normal sind, und Behaarung im Genitalbereich als eklig und unhygienisch gilt. Das Thema Schönheit interessiert mich schon länger (siehe z.B. hier), und zwar weil Schönheit die Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdbild betrifft, mit dem Sich-selbst-einordnen in gesellschaftliche Strukturen und insofern etwas mit Beziehungen zu tun hat. Man könnte ja nun kulturpessimistisch daherkommen und Schönheits-OPs an der Vulva einfach als (evtl. etwas übersteigerten) Ausdruck zunehmender gesellschaftlicher Normierung von Frauenkörpern begreifen. Gewissermaßen als auf die Spitze getriebene Fortentwicklung von Dünnseins-Normen und Bein- und Achsel-Rasuren. Mir persönlich gehen Schönheits-Normen für Frauenkörper (oder

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