Lesetipp: Sarahs Töchter von Elana Dykewomon (schon älter, aber ich habs jetzt erst entdeckt aus dem traurigen Anlass des Todes der Autorin)
Jacinta Nandi: 50 ways to leave your Ehemann
Lesetipp: Marlen Hobrack – Klassenbeste
Gestohlene Autoritäten: Gott und Wissenschaft
Heute kamen mir zwei Stellungnahmen in die Timeline, die für mich interessante Beispiele sind für eine Diskursweise, bei der Mächtige (oder vermeintlich Mächtige) versuchen, politische Debatten zu unterbinden unter Verweis auf eine höhere Autorität, mit der sie ihre eigene Macht legitimieren und verteidigen. Und zwar: Ein Bericht über die Absage von Kardinal Gerhard Ludwig Müller an den Synodalen Weg, mit dem deutsche Katholik*innen derzeit mögliche Reformen ihrer Kirche ausloten, und ein Aufruf von Linguistiker*innen gegen das „Gendern“ (womit sie inklusive Sprachweisen jenseits des generischen Maskulinums meinen). Beide Stellungnahmen vertreten eine bestimmte inhaltliche Position im Rahmen einer politischen Debatte – der Kardinal möchte keine Demokratisierung der katholischen Kirchenstrukturen, die Sprachwissenschaftler*innen wollen das generische Maskulinum als Personenbezeichnung beibehalten und wenden sich gegen die Verbreitung neuerer Sprechweisen. Beides sind legitime Positionen, die man in einer pluralen Gesellschaft vertreten kann. Allerdings positionieren sich beide gerade nicht als Teilnehmer in einer pluralistischen demokratischen Debatte mit unterschiedlichen Sichtweisen, sondern als einzige legitime Vertreter der EINEN WAHRHEIT,
Eizellenspende, Hannah Arendt, Božena Němcová: Neue Buchtipps
In den letzten Wochen sind wieder einige Buchtipps in meinem youtube-Kanal „Antje las ein Buch“ erschienen. Zuerst las ich Laura Perler: Selektioniertes Leben. Die Autorin hat Feldforschung in spanischen Reproduktionskliniken betrieben und gibt daher sehr authentische Einblicke in die Praxis der Eizellenspende. Ihr Fokus liegt auf den Perspektiven der Eizellgeberinnen, aber auch die Ärzt*innen und die Leute mit Kinderwunsch sind im Blick. Das Buch las ich, weil ich bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin ein Podium Pro und Contra Eizellenspende moderiert habe, das dankenswerterweise auf Youtube steht. Es war die Finissage einer Ausstellung über die Arbeit von Laura Perler, die an dem Abend auch da war und am Ende (vom Publikum aus) auch mitdiskutiert hat, schaut rein! Das zweite Buch war Juliane Rebentisch: Der Streit um Pluralität, eine wie ich finde sehr großartige Auseinandersetzung mit dem Pluralitätsverständnis von Hannah Arendt, die Frage, was für heutige Identitätsdebatten daraus zu lernen ist und wo Arendts Konzept aber auch an seine Grenzen kommt. Bisher
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Sein und Sollen
Also ich verfolge seit Wochen diese Debatten um das biologische Geschlecht und ich verstehe die Erregung nicht, weder von der einen noch von der anderen Seite. Es ist einer der allerältesten Hüte menschlicher Kultur, dass aus dem Sein kein Sollen folgt. Das heißt, ganz egal, was sich über biologisches Geschlecht sagen oder nicht sagen lässt, es hat absolut NULL Bedeutung für die Frage, welche sozialen Geschlechterkonzeptionen wir gesellschaftlich haben wollen oder nicht. Das ganze Gerede geht komplett am Thema vorbei. PS: Weil es Missverständnisse gab: Also ich verstehe natürlich die Erregung darüber, dass Leute trans Personen die Anerkennung verweigern. Aber ich verstehe nicht die Erregung darüber, dass Leute sagen, es gäbe zwei biologische Geschlechter. Sollen sie doch, so what? PPS: Wenn jemand sagt: „Kaffee sollte verboten werden, weil Esel fünf Beine haben“, dann fang ich doch nicht ernsthaft an, darüber zu streiten, wie viele Beine Esel haben. Siehe hier die Debatte auf Facebook zu diesem Post
Kurzer Kommentar zum Gebärzwang-Urteil des US-Supreme Courts
Ich lese angesichts der Abschaffung von legalen Abtreibungsmöglichkeiten in vielen US-Bundesstaaten jetzt wieder viele krasse Geschichten von Fällen, die illustrieren, zu welchem offensichtlichen Unrecht das konkret führen kann und wird. Und klar, das ist alles wahr und richtig, und es ist ein Skandal, dass angeblich „freie“ Gesellschaften ungewollt Schwangere solchen Risiken aussetzen. Trotzdem finde ich diese Richtung der Argumentation ambivalent, denn: Es geht nicht nur darum, Abtreibung in Härtefällen zu ermöglichen. Es geht darum, dass die Beendigung einer unerwünschten Schwangerschaft ein Menschenrecht ist. Auch ohne Härtefälle und Todesgefahr. In der Art und Weise, wie die christlichen fanatischen Gebärzwang-Befürworter*innen jegliches Schlupfloch zu stopfen versuchen, indem sie Abtreibungen schon in absurd frühen Stadien und auch nach Vergewaltigung und auch bei Kinderschwangerschaften unmöglich machen wollen, sehen wir ja, dass es hier eine politische Auseinandersetzung ums Prinzip ist und es denen NICHT darum geht, einen für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiss zu suchen. Deshalb kann die Antwort auf ihren Feldzug gegen reproduktive Freiheit nicht sein,
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Feministisches Pro und Contra zur Eizellenspende
Deutschland und Schweiz sind inzwischen fast die einzigen Länder in Europa, in denen es verboten ist, in der eigenen Gebärmutter einen Embryo zur Reife zu bringen, der nicht mit der eigenen Eizelle gezeugt worden ist. Spanien hingegen ist inzwischen zum europäischen Hotspot für Eizellenspende (oder besser: Verkauf) geworden. Ein Thema, das viele ethischen Fragen aufwirft, von der Möglichkeit zur Selektion „unerwünschten“ Lebens bis zur ökonomischen Ausbeutung junger Frauen. Am 29. Juni gibt es abends in Berlin eine Podiumsdiskussion in der Heinrich Böll Stiftung in Berlin, die ich moderiere. Wir diskutieren pro und contra aus feministischer Perspektive, mit dabei sind Susanne Schultz, Privatdozentin für Biotechnologie an der Uni Frankfurt und Mitglied im Kollektiv „Kitchen Politics“, die bei Edition Assemblage interessante Sammelbände zu Reproduktionstechnologie herausgegeben haben, und Ines Pietschmann vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Uni Göttingen. Vorab gibt es einen Input von Taleo Stuwe vom Gen-ethischen Netzwerk zu medizinischen Möglichkeiten und Risiken der Eizellspende. Das Podium ist
Spanien: Anarchismus nach der Diktatur
Als 1975 der spanische Diktator Francisco Franco starb, bedeutete das das Ende einer langen Ära, in der jegliche linke Opposition illegal gewesen war. Folterungen, politische Morde und Repression hatten vier Jahrzehnte lange nicht nur jede politische Kritik, sondern auch jeden Ausdruck persönlicher Freiheit, Feminismus, Homosexualität, Queerness jeder Art unmöglich gemacht. Ein Dokumentarfilm von Luis E. Herrero zeigt jetzt die Aufbruchstimmung jener ersten Jahre. Im Mittelpunkt steht dabei die anarchistische Gewerkschaft CNT (Confederacion Nacional del Trabajo), die für eine kurze Zeit lang „in Mode“ kam und Hunderttausende hinter sich versammelte. Zu sehen sind Originalaufnahmen ihrer Kongresse und Treffen und Interviews mit damaligen Aktivist*innen. Dabei wird spürbar, wie schwierig es war, zwei verschiedene Gruppierungen miteinander ins Gespräch zu bringen: Die alten Kämpferinnen, die noch den spanischen Bürgerkrieg erlebt hatten, und eine neue Generation junger Menschen, die von den Ideen und Ausdrucksformen der Flower-Power und Studentinnenbewegungen der „68er“ inspiriert waren. Ich fand allerdings beim Anschauen des Films, dass gerade diese Kombination einen gewissen