Vor dreißig Jahren war ich eine vehemente Anhängerin des Spruches, dass alle Männer potenzielle Vergewaltiger sind. Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Satzes (auch wenn er rein logisch zutreffend ist), sind mir schon früher gekommen. Jetzt gibt es ein Buch dazu: „Vergewaltigung“ von Mithu Sanyal. Ich habe es für bzw-weiterdenken.de rezensiert und empfehle die Lektüre sehr. Ich habe dazu noch ein kleines Gedankenexperiment, das ich schon manchmal in feministischen Kontexten zur Diskussion gestellt habe, speziell wenn ich dort über Gewalt gesprochen habe: Stellen Sie sich vor, Sie haben die Wahl, entweder einen Finger abgehackt zu bekommen oder vergewaltigt zu werden. Was würden Sie vorziehen? Mir ist schon klar, dass das eine doofe, vielleicht auch makabre Frage ist. Aber die Diskussionen, die sich daran entzündet haben (inklusive der Diskussionen darüber, wie bekloppt diese Frage ist), waren meistens durchaus spannend. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich lieber vergewaltigt würde als einen Finger abgehackt zu bekommen.
Vergewaltigung
Rape revisited. Über Vergewaltigungsdiskurse
Weil aus aktuellem Anlass gerade viel über Vergewaltigung diskutiert wird, möchte ich hier noch einmal etwas genauer über die aktuelleren feministischen Analysen zu dem Thema schreiben, die nämlich wie meistens komplexer sind als viele meinen. Unter dem Titel „rape revisited. Die Tiefengrammatik der sexuellen Gewalt“ hat Mithu M. Sanyal für den grade erst von mir empfohlenen Sammelband „Feminismen heute“ eine kritische Rekapitulation des Vergewaltigungsdiskurses seit den 1970er Jahren unternommen. Kleine Erinnerung: Damals hat die Frauenbewegung das Thema häusliche Gewalt öffentlich zum Thema gemacht. In diesem Zusammenhang wurde vielen (auch vielen Frauen) erstmals bewusst, dass Vergewaltigung nicht vor allem etwas ist, das im dunklen Park von einem bösen Fremden ausgeht, sondern meistens innerhalb sozialer Beziehungen stattfindet: Es sind Ehemänner, Freunde, Bekannte, die vergewaltigen. Der Verdienst der damaligen Frauenbewegung, das bewusst zu machen und politisch zu thematisieren, ist unbestritten, allerdings hat der Diskurs einige Schwachstellen, die Mithu Sanyal analysiert: Erstens wurde dadurch ein Bild von Frauen als sexuell eher inaktiven, tendenziell an Sex desinteressierten
Rape is always about power and domination; it is sexualized violence.
Im Zusammenhang mit der Strauss-Kahn Affäre und der Berichterstattung dazu habe ich mich doch sehr gehörig darüber gewundert, dass unsere Qualitätsmedien von taz bis Spiegel auch heute noch allen Ernstes der Meinung sind, dass Vergewaltigung und Sex irgendwie dasselbe sind. Oder doch zumindest so eng verwandt, dass man in Überschriften das eine durchaus mal für das andere verwenden kann. Ich will mich in den nächsten Tagen drüben im Liebe- Blog einmal genauer mit dem Zusammenhang von Sexualität und Gewalt beschäftigten. Aber es wird noch etwas dauern, bis ich dazu komme. Einstweilen dokumentiere ich hier eine soeben veröffentlichte Stellungnahme von Feministinnen aus verschiedenen Ländern, die noch einmal das Selbstverständliche klarstellen: Dass es bei Vergewaltigung NICHT um sexuelle Lust geht, sondern um die Lust an Macht und an Dominanz. Feminists Demand Let Justice Be Done Rape and sexual harassment of women are pervasive at all strata of society and in all corners of the globe. Women will never be fully free and
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Julian Assange, Schweden und die wildgewordenen Feministinnen
„Eine Feministin, eine Staatsanwältin und ein weiblicher Fan“ haben laut FAZ.net den Wikileaks-Gründer Julian Assange ins Gefängnis gebracht. Mit Vorwürfen, die – wie seit Tagen kopfschüttelnd von vielen Seiten erklärt wird – nach deutschem Rechtsempfinden und überhaupt nach gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar sind. Assange ist in Schweden eines minderschweren Falles von Vergewaltigung angeklagt, obwohl er keine Frau gewaltsam zum Sex gezwungen hat, sondern lediglich ohne Kondom mit zwei Frauen schlief, die ihn jeweils in ihre Wohnung zum Übernachten eingeladen hatten. Ist diese Anklage ein Beispiel dafür, dass wild gewordene „Radikalfeministinnen“ es aber nun wirklich zu weit treiben, wie in vielen Internetkommentaren gemutmaßt wird? Meiner Ansicht nach hat das Ganze weniger mit Feminismus zu tun als mit dem schwedischen Staatsverständnis und mit der dortigen Vorstellung, dass alles, was eine Gesellschaft kulturell und moralisch für richtig oder falsch hält, von Staats wegen durchgesetzt gehört. Während man in Deutschland „dem Staat“ gegenüber, aus historischen Gründen, im Allgemeinen eher skeptisch eingestellt ist, sehen die meisten Schwedinnen
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