Am Anfang war ich noch ganz angetan von Ursula von der Leyen. Ist doch schön, dachte ich, wenn sich auch in der CDU ein paar moderne Karrierefrauen tummeln. Okay, es war etwas nervig, wie sie ihre sieben Kinder vor sich her trug und ständig das „Vereinbarkeit ist doch kein Problem“-Mantra verkündete, aber gut.
Und bisher waren ihre Projekte als Familienministerin ja auch so, dass man ihr mit etwas gutem Willen abnehmen konnte, dass es irgendwie auch darum gehen könnte, frauenpolitisch neue Wege einzuschlagen. Natürlich waren schon früh Zweifel angesagt: Das Elterngeld entschädigte zwar einerseits erwerbstätige Frauen zu Recht für Verdienstausfälle in den Monaten nach einer Geburt – andererseits war es aber von Anfang an eine Umverteilungsaktion zulasten der ärmeren Familien und zugunsten der Reicheren. Der Krippenplatzausbau ist natürlich völlig richtig – allerdings ist das Motiv ein durch und durch neoliberales: Den Wirtschaftsunternehmen soll die Arbeitskraft gut ausgebildeter junger Frauen zugeführt werden. In Zukunft gibt es für Mütter also keine Ausrede mehr, sich dem Arbeitsmarkt zu entziehen, und dass das Ganze mit einer Änderung des Unterhaltsrechtes zulasten der Frauen (und zugunsten der Männer) einherging, ist da nur folgerichtig.
Doch immerhin hatten diese Maßnahmen irgendwie immer doch auch zwei Seiten, und neben den negativen auch positive Aspekte. Mit von der Leyens jüngster Kampagne zur Einführung von Internetzensur ist aber endgültig klar geworden, dass sie die Instrumentalisierung feministischer Anliegen zur Durchsetzung neoliberaler und staatspaternalistischer Ziele zum Prinzip ihrer Politik gemacht hat.
Der angebliche Kampf gegen Kinderpornografie ist jedenfalls bloße Fassade. Die jüngsten Vereinbarungen zwischen Staat und Internetprovidern werden keinem missbrauchten Kind etwas nützen. Worum es hier geht ist, eine staatliche Kontrolle von Internetseiten gesellschaftsfähig zu machen und die Modalitäten dazu auszuprobieren. In Zukunft werden die großen Internetprovider Seiten sperren, die ihnen vom Bundeskriminalamt genannt werden – von Schäuble also. Was passiert, wenn Seiten zu Unrecht gesperrt werden, ist noch völlig unklar. Den Internetprovidern ist nur schon mal wichtig, dass sie für eventuelle Schäden nicht zur Verantwortung gezogen werden können (und zum Beispiel gegen Klagen von Kundinnen und Kunden abgesichert sind). Sinn und Zweck des Ganzen ist schlicht und einfach, Erfahrungen mit Internetzensur zu sammeln.
Dass der Staat und speziell Schäuble daran ein Interesse haben, ist klar. Dass von der Leyen hier den Aufreger „Kinderpornografie“ ins Spiel bringt, um die gesellschaftlichen Debatten darüber von vornherein abzuwürgen, ist der eigenliche Skandal.
Kinderpornografie wird auf diese Weise jedenfalls nicht verhindert. Erstens sind die Sperren für auch nur halbwegs technisch Versierte leicht zu umgehen (zum Beispiel mit Hilfe von Anti-Zensur-Software, wie sie von Internetnutzern in China oder Iran, also Ländern, die schon länger Erfahrung mit Internetzensur haben, längst entwickelt wurde). Zweitens ist der Kinderporno-Markt größtenteils – und mit wieder zunehmender Tendenz – außerhalb des Internet organisiert. Drittens stehen die meisten Server solcher Seiten in westlichen Ländern, das heißt, wenn man sich etwas anstrengen würde, könnte man diese Leute finden und bestrafen und vor allem die Server abstellen (was weitaus wirkungsvoller wäre, als Leute daran zu hindern, diese Seiten zu besuchen).
Besonders absurd finde ich das Argument, dass durch solche Zensurmaßnahmen Menschen (Männer) davor geschützt werden sollen, durch „zufälliges“ Surfen auf Kinderporno-Seiten gewissermaßen „angefixt“ zu werden. Was für ein Menschen (Männer)-Bild ist das denn, zu glauben, dass der liebe, nette und harmlose Herr Schmidt von nebenan ganz plötzlich und unerwartet zu einem Kinderporno-Konsumenten werden könnte, wenn er zufällig mal auf einen stößt? Wenn das so sein sollte, dann wäre ja Hopfen und Malz sowieso verloren.
Allein dieses Argument ist entlarvend, denn es bedeutet letztlich, dass man Kinderpornografie für etwas völlig Normales hält – für ebenso so normal wie zum Beispiel die menschliche Lust, Schokolade zu essen. Dagegen ist es in der Tat eine gute Maßnahme, sich keine Schokolade in den Vorratsschrank zu legen, um sich selbst nicht in Versuchung zu führen. Die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist aber für sich genommen eklig und menschenverachtend – und die Lust an ihr deshalb auch alles andere als normal, sondern die Folge einer patriarchalen Kultur, die Herrschaft und Ausbeutung von Frauen und Kindern über Jahrhunderte als Attribut von Männlichkeit angesehen hat. Diese Kultur gilt es zu bekämpfen, nicht bloß ihre schlimmsten Symptome.
Eine gesellschaftliche Ächtung von Kinderpornografie sieht jedenfalls anders aus. Wer sich an der sexuellen Ausbeutung von Kindern aufgeilen kann, ist ganz bestimmt auch sonst kein netter und unauffälliger Mensch. Würden wir im Alltag sexistisches und überhebliches und herrschsüchtiges Verhalten von Männern Frauen und Kindern gegenüber ächten, in jedem Fall widersprechen, wenn wir so etwas wahrnehmen, die Beziehungen zu solchen Leuten aufkündigen – dann wäre das weitaus effektiver.
Ich jedenfalls werde die Instrumentalisierung feministischer Anliegen durch Ursula von der Leyen nicht länger durch Abwägen und Anerkennung positiver Aspekte relativieren. Denn durch diesen jüngsten Coup ist klar: Um Freiheit geht es ihr nicht, auch nicht um die Freiheit der Frauen. Ihr geht es bloß um das, worum es in der CDU meistens geht: Den Wirtschaftskonzernen jede Freiheit zu geben und sie aus jeder gesellschaftlichen Verantwortung zu entlassen, und den Menschen möglichst haarklein vorzuschreiben, wie sie leben sollen, was sie zu tun und zu glauben haben, und für dessen Überwachung dem Staat möglichst viele Zugriffsrechte zu geben. Mit Feminismus hat das aber auch rein gar nichts zu tun.
Hallo Antje,
ich geb dir Recht… auch Alice Schwarzers Sympathie für Angela Merkel fand ich menschlich vertretbar aber politisch merkelwürdig. Anscheinend ist es so das man feministisch, gleichzeitig aber auch „bürgerlich“ sein kann…
liebe Grüsse
WhiteHaven
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sehr richtig, doch eines möchte ich hinterfragen: inwiefern ist eine solche zensurpolitik neoliberal? ich sehe das nicht, aber mich würde interessieren, wie du das meinst.
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Ich teile Kcachts Bedenken, die Zensurpolitik „neoliberal“ zu nennen, da sie weder in irgend einer Weise liberal noch marktradikal oder hyper-kapitalistisch ist.
Im üblichen Sprachgebrauch hat es sich aber eingeschlichen, eine Politik zugunsten der großen Konzerne, ihrer Anteilseigner und ihrer Manager und zulasten der „Unterschicht“ als „neoliberal“ zu bezeichnen. Die ältere Bezeichnung „Stamokap“(staatmonokapilistischer Kapitalismus – „Staat als Reparaturbetrieb des Kapitalismus“) ist ja zuerst in Verruf und dann in Vergessenheit geraten.
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So, meine Lieben, nun sagt mir doch mal, wo ich die Zensurpolitik „neoliberal“ genannt hätte. Ich benutze dieses Wort genau einmal, und zwar im Zusammenhang mit dem Krippenplatzausbau – und da gehört es auch hin (die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft junger Frauen). Die Zensurpolitik nannte ich anti-freiheitlich und das ist sie – EBENSO wie von der Leyens neoliberale Politik.
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genau genommen kommt der begriff zwei mal vor, nämlich noch hier:
„Mit von der Leyens jüngster Kampagne zur Einführung von Internetzensur ist aber endgültig klar geworden, dass sie die Instrumentalisierung feministischer Anliegen zur Durchsetzung neoliberaler und staatspaternalistischer Ziele zum Prinzip ihrer Politik gemacht hat.“
daraus habe ich geschlossen, dass du meinst, auch mit der zensurpolitik würde sie neoliberale ziele verfolgen. das hast du anscheinend nicht so gemeint.
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Okay, das ist etwas missverständlich. Worum es mir ging, war zu sagen, dass von der Leyen den Feminismus instrumentalisiert – mal für neoliberale, mal für staatspaternalistische, jedenfalls für ANDRERE, nicht freiheitliche Zwecke. Natürlich könnte man auch noch argumentieren, dass Staatspaternalismus und Neoliberalismus nur zwei Seiten derselben Medaille sind (dieser Meinung bin ich) und nicht die Gegensätze, als die sie oft gehandelt werden – aber das wäre dann nochmal ein anderer Artikel…
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Hallo Antje Schrupp,
das ist alles sehr gut beobachtet. Auch ich verfolge die Familienpolitik der Frau von der Leyen, von Frauenpolitik kann frau ja sowieso nicht mehr sprechen in Deutschland, sehr kritisch und bin dankbar für Deine Analyse. Die Frage ist bei mir nur immer wieder Warum lassen sich solche Frauen wie sie politisch so instrumentalisieren? Ich habe sie in Talkshows gehört und da hat sie schon gute und feministisch-bewusste Antworten gegeben. Ich würde die Kritik daher nicht unbedingt persönlich gestalten, nicht Frau von der Leyen angreifen sondern die „Instrumentalisierung“ benennen. Es bringt frau doch nichts, immer auf den Frauen herumzuhacken, die eh schon im Rampenlicht stehen. Ich denke, dass Politik in der Mehrheitsdemokratie als solche nie sicher ist vor solchen Instrumentalisierungen. Frauenpolitik, auch gerade Frauenrechtspolitik war immer schon ein Spiel mit der Verführung des Mach- und Durchsetzbaren. Wieweit soll frau dem nachgeben? Kein Elterngeld durchsetzen, keine Krippenplätze, keinen Schritt zur „Ächtung“ von Kinderpornographie, also nicht handeln? Denn es ist ja leider nicht die Frage eines „anders handelns“, die sich stellt in der politischen Arbeit. Wir haben uns im Juristinnenbund gefragt, gerade die älteren unter uns, ob mit den ganzen „Gleichstellungsgesetzen“ der 70ziger Jahre und später, dazu gehört auch noch das neue Unterhaltsrecht jetzt, nicht „alles falsch“ gemacht wurde, weil die begleitenden Maßnahmen (Krippenplätze, Schulreformen, Gesundheitsreformen, Steuerreformen etc. pp.) fehlten und so dieser unheimliche Druck auf Frauen heute ausgeübt wurde, „alles“ zu bringen, weil frau ja „alles“ rechtlich jetzt erlaubt ist. Aber hätte frau die rechtliche Gleichstellung deshalb lieber nicht durchsetzen sollen, nur weil die Gelder für begleitende Maßnahmen immer wieder fehlen.
Kurz, „besser machen“ ist in einer Demokratie schwerer als nichts machen und gerade frauenpolitische Arbeit geht fast immer nur per Huckepack zu anderen Interessen, oft ist das sogar der Trick 17. Ich würde zwar nie in die CDU gehen, aber vielleicht wird frau da eher Machtpolitikerin als bei den Grünen???? Und ich würde mir gerade von der Presse, den Medien hier mehr frauenpolitisch korrekte und kritischere Berichterstattung wünschen. Aber vielleicht ist das wie in der Rechtspolitik, feministische Stimmen werden schlicht nicht veröffentlicht, nur Girliestatements kommen durch.
Liebe Grüße,
An Jacobsen
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Entschuldige bitte, dass ich mich in (ohne Ironie!) typisch männlicher Tour auf ein nebensächliches Detail stürzte, anstatt etwas Konstruktives beizutragen.
An und für sich ist Kinderpornographie längst, jedenfalls im Sinne von Frau von der Leyen und Anhängerschaft, „geächtet“. Kinderpornos sind nicht nur verboten, sondern wer sie sich ansieht, wird verachtet, die Strafbarkeit wurde unlängst auf „Jugendpornographie“ ausgedehnt (und damit das eigentlich Problem, nämlich der sexualisierte Kindesmisshandlung, eher verschleiert als bekämpft – aber das ist ja auch beim „Stopschild“ so).
Sogar im Gefängnis sitzen „Pädos“ ganz unten in der Knasthierarchie.
Also alles in Butter? Ganz und gar nicht!
Der typische „Kinderschänder“ ist nicht unbedingt pädophil, aber fast immer ein Mann, dem es um Machtausübung geht. (Die paar Frauen darunter kann man vernachlässigen.)
Daher teile ich die Ansicht, dass sexistisches und überhebliches und herrschsüchtiges Verhalten von Männern geächtet gehört.
Allerdings lässt sich so ein Verhalten nicht per Gesetz durchdrücken.
Wie könnte also eine effektive Bekämpfung der sexualisierten Kindesmisshandlung jetzt ausdrücklich von institutioneller Seite her aussehen?
Der erste und wichtigste Schritt ist sicherlich, direkt gegen die Urheber vorzugehen – wie das im Internet geht, das m. E. nur ein Nebenschauplatz der „Kinderpornoszene“ ist, hat ja CareChild mit ihrem Experiment deutlich gezeigt.
Flankierend: Aufklärung. Gerade von Seiten der Politik. Es müsste sich langsam herumgesprochen haben, dass Kindermisshandlungen – auch und grade sexualisierter Art – sich vor allen in den Familien und im nahen sozialen Umfeld abspielen. Diese Aussage vermisse ich bei Frau von der Leyen. Die Bundesregierung trägt statt dessen zur fatalen Legende vom „bösen Fremden“ bei, der zeitgemäß in diesem schmuddeligen Internetzdingens lauert. Auch Phänomene wie „Sextourismus“ werden für meinen Geschmack viel zu wenig thematisiert – klar, auf den „Sittenstrolch“, der aus dem Gebüsch Kinder im Plantschbecken spannt, kann man sich schön und gefahrlos empören, aber Sextourismus – auch solcher, bei denen Minderjährige sexuell ausgebeutet werden, gilt m. E. immer noch eher als „Kavaliersdelikt“. (Wenn soviel von „höhere Strafen“ und „hart durchgreifen“ die Rede ist: hier wäre es in der Tat angebracht.)
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Liebe An Jacobsen,
danke für deinen Kommentar – ich bin auf jeden Fall dafür, alle möglichen Gesetze zu verbessern, meinetwegen auch unter dem Label der Gleichstellung. In der Hinsicht bin ich ganz pragmatisch und daher auch für den Krippenausbau usw. usw. (aber gegen Internetzensur 🙂 – was ich wichtig finde ist die symbolische Ebene, also wie wir darüber reden. Mir wird es immer ganz gruselig, wenn Feministinnen oder Gleichstellungsbeauftragte damit argumentieren, wie wichtig weibliche Arbeitskraft für die Wirtschaft ist. Denn dann bringen wir – auf der symbolischen Ebene – wieder die Nützlichkeit der Frauen ins Spiel, und damit sind wir argumentatorisch im ganz falschen Film. D.H. meine Devise wäre: Gesetze mit machen, aber beim Sprechen immer die weibliche Freiheit betonen und nicht die weibliche „Tüchtigkeit“….
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Nicht vergessen! Die Petition unterzeichnen!
http://www.zeichnemit.de/
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Die gesellschaftliche Ächtung von Kinderpornografie beginnt mit der Bekämpfung der Kinderarmut und nicht mit Internetzensur. Daher ist die Politik von Frau von der Leyen eine Symbolpolitik, die ihrer Person Glanz verleihen mag, doch das Elend der betroffenen Kinder nicht verändern wird.
Auch die Verfügbarmachung von gut ausgebildeten Frauen für den sog. Arbeitsmarkt durch ein Elterngeld, ist in erster Linie nicht der Emanzipation von Frauen und Männern und dem Wohle ihrer Kinder geschuldet, sondern, wie Antje es bereits sagte, einem neoliberalen Wirtschaftssystem, das nach Marktmacht, also Gewinne um jeden Preis, strebt. Neues Denken ist angesagt. Daher empfehle ich einen Blick zu werfen auf:
http://www.freiheitstattvollbeschaeftigung.de
In der Hoffnung, dass mannfrau die Mechanismen von Machtmissbrauch und Unterdrückung immer mehr durchschauen lernt und aktiv wird für echte Demokratie und Mitbestimmung verbleibe ich
mit besten Gruessen
Ute Plass
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