Kürzlich schickte mir eine Freundin folgende Postkarte: Das DDR-Propagandaplakat „Mehr Frauen in verantwortliche Stellungen“, entworfen von Gerhard Schlundt, aus dem Jahr 1948.
Kommt mir das irgendwie bekannt vor?
Ach ja. „Mehr Frauen in Führungspositionen“ heißt es heute. Es scheint fast ein Ritual zu sein: Immer wenn es „der Wirtschaft“ (also dem, was die Männer darunter verstehen, die mit den Bilanzen, den Zahlen, dem ganzen Offiziellen also) schlecht geht, sollen die Frauen ran. Man schmeichelt ihnen, wie gut sie das doch alles könnten, wie zäh sie sind, wie geduldig, wie geschickt, wie kommunikativ, wie integrierend, wie vorausschauend.
Ich werde immer skeptisch, wenn der Mainstream so fürsorglich mit den Frauen umgeht. Momentan ist ja vor allem ihre schlechte Bezahlung in aller Munde: Sie verdienen weniger als die Männer (ich sage ja immer: Die Männer verdienen mehr als die Frauen). Natürlich ist das ein Skandal. Schön, dass sich jetzt endlich einmal alle darüber empören. Schön, dass es diese massenweisen Studien gibt, die dafür auch die „harten Zahlen“ liefern. Schön. Aber.
Mir bleibt bei all der Schmeichelei den Frauen gegenüber ein unbehagliches Gefühl. So wenig, wie es in der DDR um die weibliche Freiheit ging (sondern um die Nutzbarmachung weiblicher Kompetenz und Arbeitsleistung für den Sozialismus), so wenig geht es heute um die weibliche Freiheit (sondern um die Nutzbarmachung weiblicher Kompetenz und Arbeitsleistung für den postindustriell-globalisierten Kapitalismus).
Das muss nicht schlecht sein. Schön häufiger ist es der Frauenbewegung gelungen, solche Situationen dazu zu nutzen, eigene Anliegen zu verwirklichen und den Freiheitsspielraum von Frauen tatsächlich zu vergrößern. Wir wissen aber auch: Oft sind sie dann nur die Trümmerfrauen. Die Gefahr ist groß, dass Frauen sich anpassen und „funktionieren“, anstatt wirkliche Veränderungen anzustoßen, die Welt wirklich in eine Richtung zu bewegen, die uns gefällt. (Und mit „uns“ meine ich jetzt nicht „die Frauen“, so als wären sie alle einer Meinung, sondern die vielen weiblichen „Ichs“, wo auch immer es sein mag, dass sie sich engagieren).
Die feministische Frage lautet deshalb nicht: Wie bringen wir mehr Frauen in verantwortliche Stellungen resp. Führungspositionen? Sondern die feministische Frage lautet: Wie machen wir Frauen in dieser Welt einflussreicher, sodass sie ihre eigenen Visionen und Anliegen umsetzen können?
Frauen in „verantwortlichen Stellungen“ (ich merke gerade, dass mir dieser Ausdruck viel besser gefällt als die „Führungspositionen“) sind nur dann ein Gewinn für die weibliche Freiheit, wenn sie dort auch etwas bewirken können. Wenn sie sich nicht den Spielregeln der Männer anpassen müssen. Denn, es sind ja nicht „die Männer“, die uns all die Probleme dieser Welt beschert haben, sondern eine „männliche Ordnung“, die die Welt in Hierarchien aufteilt, in oben und unten, in vermeintliche Gegensätze und Dualismen. Diese „männliche Ordnung“ kann auch von weiblichen Personen vertreten werden. Und damit wäre also gar nichts gewonnen. Politisch gesehen kommt es nicht darauf an „Frauen nach oben“ zu bringen, sondern das gesellschaftliche Veränderungspotenzial, das in der weiblichen Differenz liegt, fruchtbar zu machen (was allerdings, um auch hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen, nicht geht, ohne reale Frauen aus Fleisch und Blut zu Wort kommen zu lassen).
Jedenfalls: Die reinen Zahlen von „Frauen in“ sagen darüber gar nichts aus. Eine selbstbewusste und unkonventionelle Frau in einem Spitzengremium kann unter Umständen mehr verändern, als fünf angepasste Karrieristinnen, die sich die Statuslogik des Betriebs völlig zu eigen gemacht haben. Es ist deshalb wichtig, dass wir uns nicht plötzlich einbilden, wir hätten Bärte, um die man uns Honig schmieren kann. All diese emanzipatorisch weichgespülten Schmeicheleien, die es derzeit im Überfluss zu geben scheint, gelten nicht uns als Subjekten freier, individueller Weiblichkeit, sondern sie gelten uns, den „Human Ressources“, die man besser nutzen möchte.
Deshalb kommt es darauf an, dass wir sie nutzen – statt andersrum. Bleiben wir flexibel und vergessen wir vor allem niemals, uns diese Frage immer wieder zu stellen: Und ich? Was will ich? Was will ich wirklich? Diese Frage zu stellen, zu beantworten und dann entsprechend zu handeln, unabhängig von dem, was im Mainstream gerade als Marschrichtung für die „moderne Frau“ ausgegeben wird – darauf kommt es an.
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