Feminismus versus Islam?

Die Volksabstimmung in der Schweiz, bei der eine deutliche Mehrheit für ein Verbot von Minaretten votierte, hat erneut eine Diskussionen über das Verhältnis von Feminismus und Islam ausgelöst. Es sieht so aus, als hätten zahlreiche Frauen für das Minarettverbot gestimmt, um ein symbolisches „Zeichen“ gegen die untergeordnete Stellung zu setzen, die „der Islam“ nach Überzeugung vieler den Frauen zuweist.

Dies ist nur das jüngste Beispiel, wie seit geraumer Zeit in der öffentlichen Debatte ein prinzipieller Gegensatz zwischen Feminismus und Islam konstruiert wird. Entweder, so scheint es, tritt man für weibliche Freiheit ein und muss daher der Ausbreitung des Islam in Deutschland bzw. der Schweiz Grenzen setzen. Oder aber man übt sich in multikultureller Toleranz – und kneift auch mal ein Auge zu, wenn es manche Muslime mit den Rechten von Frauen nicht so ganz genau nehmen.

Doch dies ist ein falscher Dualismus. Denn je mehr in der öffentlichen Debatte behauptet wird, Frauenemanzipation und Islam passten nicht zusammen, desto mehr wird genau dies hervorgerufen. Muslimische Frauen, die sich für eine Verbesserung der Lage von Frauen in ihren jeweiligen Communities einsetzen, geraten dadurch in eine Zwickmühle: Ihre feministischen Anliegen können dann nämlich von patriarchalen und konservativen Muslimen nur allzu leicht als „westliche Infiltration“ und als „unmuslimisch“ ausgelegt werden. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis.

Denn wer soll für mehr Freiheit muslimischer Frauen eintreten, wenn nicht muslimische Frauen selbst? Wie sollen sich feministische Ideen innerhalb des Islam ausbreiten, wenn es nicht feministische Musliminnen gibt?

Offenheit gegenüber dem Islam und multikulturelle Offenheit bedeutet jedenfalls gerade nicht, sich mit den frauenfeindlichen Aspekten, die es natürlich auch im Islam gibt, abzufinden oder sie in irgendeiner Weise zu tolerieren. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Offenheit ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die eigenen feministischen Argumente eine Chance haben, gehört zu werden und Veränderungen anzuregen. Nur eine politische Praxis, die sich ernsthaft für die Anliegen und Wünsche muslimischer Frauen interessiert und in ihnen nicht bloße Missionsobjekte für westliche Emanzipationsvorstellungen sieht, kann sich auch der Auseinandersetzung über unterschiedliche oder konträre Vorstellungen stellen. Wer keinen wirklichen Dialog führen will, kann auch niemanden überzeugen.

Feministische Erkenntnisse und Ideen, die Frauen im Westen entwickelt haben, werden für Musliminnen jedenfalls nur dann inspirierend sein, wenn sie in einem wirklichen Dialog vermittelt werden. Dazu gehört, dass sich ihre Vertreterinnen auch selbst in Frage stellen lassen und nicht so tun, als hätten sie die einzig wahre Heilslehre bereits gefunden. Schließlich ist auch in Bezug auf die Freiheit der Frauen im Westen noch längst nicht alles in Butter. Wer immer einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen „dem Islam“ und „dem Feminismus“ behauptet, erweist jedenfalls der Freiheit muslimischer Frauen (und damit im Übrigen der Freiheit der Frauen generell) einen Bärendienst. Egal, ob es sich dabei nun um konservative, patriarchale Muslime handelt oder um westliche „Multikulti“-Kritiker_innen.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

10 Gedanken zu “Feminismus versus Islam?

  1. Ein kluger Blogeintrag. Es wäre aber auch schön, wenn Du diese Erkenntnisse auf Deine Ansichten zur „Männerpiratenpartei“ transferieren könntest .-) Da ist das nämlich so ähnlich – nicht dass Frauen dort unterdrückt wären. Aber die Sache mit der Selbstverantwortung und die Offenheit sind dabei ein wichtiger Aspekt.

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  2. Sehr guter Artikel. Ich gebe dir in allen Punkten recht. Wir brauchen mehr Offenheit was die Islamdiskussion und die Frauenfeindlichkeit angeht. Ein Minarettenverbot bewirkt naemlich das genaue Gegenteil.

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  3. Ein wirklich guter Beitrag! Es wurde und wird immer noch viel über muslimische Frauen geredet und darüber, dass sie unterdrückt werden. Ganz egal, ob sich die Betroffene selbst als Opfer fühlt oder nicht. „Mit“ den Musliminnen wird jedoch nicht geredet und zwar aus gutem Grund: Menschen, die nicht wahr haben wollen, dass unter dem Kopftuch auch ein Kopf steckt, brauchen jemanden, auf den herabsehen können, um sich so aufgeklärt und überlegen zu fühlen. Die muslismischen Frauen werden ihrer Mündigkeit beraubt, nur um der Komplexe anderer Leute willen.

    Als Ursache für die angebliche Unterdrückung sämtlicher Frauen im Islam nennen jene „aufgeklärte“ Menschen meist den Islam selbst (und nicht vielleicht eine patriarchale Interpretation des Korans). Dass diejenigen muslimischen Frauen, die in der islamischen Community sich nun für Frauenrechte einsetzen, dieses mit dem Koran begründen, wissen viele nicht. Aber auch das will man nicht wissen. Man braucht schlichtweg ein Feindbild.

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  4. Vielen Dank für den guten Artikel.

    Um die Rechte von Frauen geht es leider in der Debatte um Frauenfeindlichkeit bei Muslimen überhaupt nicht. Vielmehr werden Frauen – und ihre Rechte – meist missbraucht, um mit einer Scheinheiligkeit den eigenen Rassismus auszuleben. Tut mir leid, wenn ich das so verallgemeinernd ausdrücke, aber ich bin es als Muslim langsam leid, eine dümmliche Debatte (der Spiegel formuliert sie neuerdings mit „Wer hat den stärkeren Gott?“) ständig auf Nebengleisen zu diskutieren!

    Es wäre interessant, tatsächlich über Frauenfeindlichkeit bzw. -benachteiligung auch unter Muslimen zu sprechen, wie auch über andere Themen, bei denen (viele?) Muslime Verfehlungen haben, aber eine wirklich ernsthafte Diskussion habe ich bislang (in Deutschland) nirgendwo gefunden!

    In diesem Zusammenhang kann ich diese Rezension der „Burka“-Karikaturen empfehlen: http://www.nafisa.de/rezensionen/burka-eine-rezension/

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  5. Auch ich danke für den Artikel und bin dankbar, dass das Thema Feminismus und Islam hier zur Debatte steht. Ich finde es nicht einfach hierzu eine klare Meinung zu finden, da unterschiedlich Gedanken und Gefühle dazu auftauchen.

    Seit einiger Zeit beschäftigt mich das Thema des geplanten Moscheebaus in Achim. siehe Link:
    http://www.kreiszeitung.de/nachrichten/landkreis-verden/achim/mehrheit-neue-moschee-2247520.html

    Erst hatte ich mich gefreut, da Erinnerungen an einen wunderbaren Herbsturlaub 2011 in der Türkei wach gerufen wurden. Ich wurde damals nicht müde Moscheen zu fotografieren und der Ruf des Muezzins berührte mich tief und brachte auch meine Seele ins Schwingen.

    Als ich dann in Selcuk in der Isabey Moschee war, empfand ich es als sehr befremdlich, dass ich mich als Frau und Andersgläubige nur in einem bestimmten Bereich aufhalten durfte, wobei 2 männliche Jugendliche lärmend durch die Moschee liefen und in einem Nebenraum verschwanden.
    Als nun in den Nachrichten bekannt wurde, das im Irak die wenigen Rechte der Frau extrem eingeschränkt werden sollen. siehe Link: http://www.20min.ch/ausland/news/story/30608348

    Als gläubige, aus der Kirche ausgetretene Seele und Künstlerin arbeite ich seit Jahren für einen Frieden zwischen den Religionen und Kulturen. Ich verbinde die unterschiedlichen Symbole und möchte die Sinne der BetrachterInnen anregen, die Wahrheit, die in allen Religionen steckt, zu fühlen und wahrzunehmen.

    Als Frau bin ich engagiert für unsere Rechte. Und ich bin überzeugt, dass wir erst Frieden auf diesem Planeten bekommen werden, wenn auch alle Frauen und Mädchen geachtet werden. Jegliche Schändung, Mißhandlung, Mißachtung muss gewandelt werden in Pflege, Unterstützung und Achtung,

    Kann ich es gut heissen, dass hier in Deutschland Moscheen gebaut werden, die einen Gott ehren, den ich in seiner Essenz achte, aber der den Männern den Vorzug gibt und Frauen als zweitrangig ansieht?

    Wenn ich an all die Frauen denke, die sich in den letzten 150 Jahren für die Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland und Europa eingesetzt haben und uns den Weg bereitet haben, dann ist mir nicht ganz wohl bei dem Bau der Moschee. Ich empfinde es als einen Rückschritt in unserer Entwicklung und gleichzeitig als eine Herausforderung zur Integrationsarbeit.

    Ich stecke in einem Dilema, aber vielleicht muss ich dies einfach aushalten und in mir Frieden schließen, damit sich der Dialog weiterführen lässt, denn nur gemeinsam können wir etwas wandeln.

    Mit Herzenssonnengrüße
    Belinda di Keck

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  6. @Belinda – du schreibst „Kann ich es gut heissen, dass hier in Deutschland Moscheen gebaut werden, die einen Gott ehren, den ich in seiner Essenz achte, aber der den Männern den Vorzug gibt und Frauen als zweitrangig ansieht?“ – nun, die Musliminnen, die ich kenne, würden wohl vehement bestreiten, dass Gott Frauen als zweitrangig ansieht. Das ist ja wohl eher eine männliche Fehlinterpretation oder Anmaßung.

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  7. @Antje – das würde von einem Selbstbewußtsein und einer tiefen Religiösität, der Musliminnen zeugen, wenn sie Gott nicht als wertend betrachten.
    Wenn ich im Koran zB im Al-Baqarah Sure 2, Vers 224 lese:
    „Eure Frauen sind euch ein Acker; so naht eurem Acker, wann und wie ihr wollt, und sendet etwas voraus für euch; ..“ und weiterhin in Vers 229: (Es geht um Ehescheidung und die Verhaltensregeln) …Und wie die Frauen Pflichten haben, so haben sie auch Rechte, nach dem Brauch; doch haben die Männer einen gewissen Vorrang vor ihnen; und Allah ist allmächtig, allweise.“ In Al-Nisa, Sure 4, Vers 177 steht auf die Erbschaftsregelung bezogen: “ … und wenn sie Brüder und Schwestern sind, dann sollen die männlichen (Erben) den Anteil von zwei weiblichen erhalten. Allah macht euch das klar, damit ihr nicht irrt; und Allah weiß alle Dinge wohl.“ (Quelle: Der heilige Qur-an, Arabisch und Deutsch, fünfte überarbeitete Auflage, Herausgegeben unter der Leitung von Hazrat Mirza Tahir Ahmad)
    Ich lese daraus eine Bevorzugung der Männer, welche ich nicht unterstützen mag.
    Herzenssonnengrüße Belinda

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  8. @belindadikeck – aber solche „Stellen“ gibt es ja in allen Traditionen, wir haben schließlich alle zusammen 4000 Jahre auf dem Buckel. Ähnliche Zitate kann ich dir aus der Bibel bringen oder aus den grundlegenden Texten des Humanismus und der Aufklärung. Denk nur mal an den Kram, den Rousseau geschrieben hat. Oder an die Demokraten, die noch vor kurzem der festen Überzeugung waren, Frauen müssten unbedingt aus der Politik ferngehalten werden. Das heißt aber doch auch nicht, dass Frauen keine Humanistinnen sein können oder keine Demokratinnen oder Christinnen. Es kommt darauf an, kritisch mit diesem Erbe umzugehen, die jeweiligen patriarchalen Wurzeln aufzudecken und zu entmachten. Vor dieser Aufgabe stehen nicht nur die Musliminnen, sondern wir alle, je nachdem, aus welcher Kultur und Weltanschauung wir kommen.

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  9. @Antje – Ja!!! genau darum geht es mir. ( Auch in meinen Kursen und Workshops, die ich anbiete) Die patriarchalen Denkmuster aufzudecken – in jeder Kultur. Mir ist wichtig, dass wir Frauen uns aus uns selbst heraus definieren und feststellen, ob das Wertesystem nachdem wir denken, fühlen, handeln und leben, wirklich unserer Wahrheit entspricht (mit „unserer“ meine ich jede Frau individuell) und dies dann im Alltag umsetzen.
    Herzenssonnengrüße Belinda

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