Proud (and happy) to be a feminist!

Foto: Franz Pflügl / Fotolia.com

Wenn Sachen allzu oft wiederholt werden, regt sich bei mir oft irgendwann Widerspruch. Heute war das wieder mal so, als ich im Freitag einen Artikel von Chloe Angel las, einer US-amerikanischen Feministin, die sich darüber beklagt, dass so viele junge Frauen sich nicht gerne Feministin nennen. Mit dieser Diagnose steht sie nicht alleine. Ich werde öfter zu Vorträgen über den Feminismus eingeladen, und in zwei von drei Fällen beginnen die Veranstalterinnen ihre Anfrage mit eben dieser Bemerkung: Sie kennen so viele Frauen, die keine Feministinnen sein wollen, und da müsse man doch mal etwas dagegen unternehmen…

Das klingt mir alles ein bisschen zu sehr nach moralischem Appell. „Feministin zu sein, ist harte Arbeit“ beginnt zum Beispiel der Artikel von Chloe Angel. Wenn ich meine eigenen Erfahrungen zu dem Thema einmal zum Ausgangspunkt nehme, dann kann ich das eigentlich nicht bestätigen. Sicher, es gibt blöde Antifeministen, sicher, es gibt immer noch Unverbesserliche, die Feminismus mit Alice Schwarzer und sonst nichts gleichsetzen. Aber unter’m Strich muss ich sagen, ist das Feministin sein weder ein heroischer Kraftakt, noch führt es zu gesellschaftlicher Stigmatisierung. Viele Leute sind interessiert, wenn ich mich als Feministin „oute“, sind neugierig, stellen Fragen, wollen mehr darüber wissen. Junge und Alte gleichermaßen (unter den älteren Frauen gibt es ja ebenfalls viele, die sich nicht Feministinnen nennen).

Deshalb überzeugt mich die These nicht so recht, die jungen Frauen wären zwar inhaltlich Feministinnen (sie sind für die Gleichberechtigung und schätzen die Errungenschaften der Emanzipation), würden das F-Wort aber vermeiden, weil sie sich irgendwie nicht trauen, weil sie Angst haben, dadurch irgendwie stigmatisiert zu werden. Das mag es auch geben, aber einen so wirklich ängstlichen Eindruck machen mir die meisten jungen Frauen heutzutage eigentlich nicht.

Deshalb setze ich jetzt mal eine Gegenthese in den Raum: Die Frauen, die so reden („Klar bin ich emanzipiert, aber ich bin keine Feministin“) schätzen die Lage durchaus richtig ein. Emanzipation und Feminismus sind nämlich nicht dasselbe. Emanzipation begnügt sich mit der Forderung nach gleichen Rechten für Frauen innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Es geht um Gleichstellung mit den Männern, darum, dass Frauen all das auch zustehen soll, was Männern zusteht. Ein Programm, das heute ja in auch nicht mehr sonderlich revolutionär ist, schließlich wird es längst Top-Down mit Hilfe von Regierungsmaßnahmen implementiert, wenn auch nicht immer konsequent genug.

Feminismus hingegen ist eine politsche Praxis, die generell für mehr weibliche Freiheit eintritt, die sich dafür einsetzt, dass Frauen mit ihrem Wünschen und Wollen sich in der Welt zu Wort melden und Einfluss gewinnen – und zwar auch und gerade dann, wenn sie die Selbstverständlichkeiten der gegebenen Ordnung in Frage stellen. Feminismus will mehr, als nur die Frauen mit den Männern gleichstellen, nämlich die Welt und ihre von Männern erfundene symbolische Ordnung grundsätzlich und radikal in Frage stellen.

Dass viele, eigentlich fast alle, jungen (und alten) Frauen heute die Errungenschaften der Emanzipation für selbstverständlich halten, macht sie also noch lange nicht zu Feministinnen. (Ausführlicher dazu hier: „Was kommt nach der Gleichstellung?“)

Ich kenne übrigens auch noch andere Frauen, die das F-Wort nicht gerne benutzen, obwohl sie aus einer Perspektive der weiblichen Freiheit heraus die gegebene Ordnung durchaus radikal in Frage stellen. Meine Freundin Ina Praetorius zum Beispiel nennt sich lieber „postpatriarchale Denkerin“. Und zwar aus genau diesem Grund: Sie will damit deutlich machen, dass es nicht um einen bloßen Lobbyismus für Fraueninteressen geht, sondern um eine Neugestaltung der gesamten Welt.

Anders als Ina benutze ich selber das Label „Feminismus“ gerne und offensiv, weil ich meine, wenn erst einmal viele postpatriarchale Denkerinnen sich selbst so nennen, dann ändert sich irgendwann auch das Image des Feminismus, dann wird sichtbar und öffentlich, dass wir eine breite Bewegung sind, die sich nicht auf die paar Klischees reduzieren lässt, die über uns immer und immer wieder nachgebetet werden. Aber eigentlich liegt mir an dem Label nicht so viel: Eine postpatriarchale Denkerin, die sich nicht Feministin nennt, ist mir lieber als eine Feministin, die sich mit der Emanzipation zufrieden gibt und keine weitergehenden Ambitionen hat.

Wenn wir aber wollen, dass mehr Frauen sich Feministinnen nennen (und ich will das auch), dann ist es aus meiner Sicht kein guter Weg, dauernd hervorzuheben, wie hart und anstrengend das Leben einer Feministin doch angeblich ist. Es ist nämlich gar nicht anstrengend – jedenfalls nicht hier bei uns in den westlichen Ländern, anderswo auf der Welt natürlich schon, leider. Aber was hat eine Feministin denn hier groß zu befürchten? Sicher, ihr wird nicht unbedingt der rote Teppich ausgerollt. Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man die Selbstverständlichkeiten derer mit dem roten Teppich bestreitet.

Eine Hauptpraxis der Frauenbewegung war es, das eigene Beziehungsnetz zu überprüfen und neu zu sortieren. Deshalb kennen Feministinnen oft viele andere unkonventionelle Frauen. Sie orientieren sich an ihren eigenen Kriterien und Maßstäben und nicht an denen der Männer oder des Mainstreams. Das macht das Leben enorm leichter!

Sicherlich gibt es Hindernisse und Widrigkeiten, aber die sind für eine Feministin eben genau das – Hindernisse und Widrigkeiten – und nicht mehr. Zum Beispiel sind sie kein Grund mehr, sich dauernd mit Selbstzweifeln und dem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit herumzuquälen: Wenn ich die Anerkennung bestimmter Leute nicht mehr suche, dann bin ich von dieser Anerkennung auch relativ unabhängig.

Aus meiner Erfahrung heraus kann ich jedenfalls nur sagen, dass es enorm viele Vorteile hat, Feministin zu sein. Wenn wir andere für diese Lebensform begeistern wollen, dann wäre es, so vermute ich, hilfreicher, diese Vorteile herauszustellen, anstatt immer wieder zu betonen, wie anstrengend und „harte Arbeit“ das ist.

Nein, Feministin zu sein ist keine moralische Verpflichtung, es ist nicht mühsam, und es ist auch nicht wirklich gefährlich. Es ist eher so etwas wie das natürliche Lebensgefühl einer Frau, die ihre Freiheit und die Freiheit der anderen liebt.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

18 Gedanken zu “Proud (and happy) to be a feminist!

  1. Es kommt auch auf das Umfeld, in dem sich eine Frau aufhält. Für mich ist Feminismus wirklich ein natürliches Lebensgefühl. Für meine Frau, die einen sogenannten typischen Männerberuf hat und fast ausschließlich mit Männern zusammenarbeitet, bedeutet Feministin zu sein, auch harte Arbeit.

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  2. Liebe Antje,

    für dieses Lebensgefühl reicht es aber auch, eine radikale Linke zu sein, da gibt es die Emanzipation wie auch Gleichstellung gratis und zudem auch noch die traditionelle Verachtung für alle unkonventionellen Lebensentwürfe und sowieso von doofen Antifeministen. Mir fehlt beim Feminismus so oft der linksradikale Bezug und ich habe den Eindruck, das Rad müsse ständig neu erfunden werden, obwohl es doch bereits rollt. Ich täusche mich gern, aber mit einer anderen Bewegung als der radikalen Linken wird Feminismus kaum efolgreich sein, darum warte ich auf Bezugnahmen und Verschwesterungen, die Koalition und Kooperatiion bedeuten. Geht das?

    Liebe Grüße

    Isi

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  3. @Isi – was meinst du genau mit radikale Linke? Das ist ja auch ein ziemlich schwammiger bzw. vielschichtiger Begriff. Und was die Historie betrifft, so ist die „radikale Linke“ lange Zeit entweder sehr selbstgenügsam ohne Frauen ausgekommen (nicht in Wirklichkeit natürlich, aber in ihrer Selbsteinschätzung)noder war geradezu antifeministisch. Mit dem Thema kenn ich mich gut aus, das Verhältnis von Sozialismus und Feminismus im 19. Jahrhundert war mein Promotionsthema. Von daher: Eine gewisse Skepsis auf meiner Seite. Linke Männer haben sich immer gerne mit dem Feminismus geschmückt, aber nur solange die Feministinnen nicht Ideen verbreiteten, die ihrer Meinung nach falsch waren. Natürlich stimme ich dir zu, dass es – wenn das gemeinsame Ziel das gute Leben aller Menschen ist – beides eigentlich Hand in Hand gehen müsste. Aber es hat seitens der Linken zu viele Versuche gegeben, den Feminismus für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, aber nur bei einzelnen Männern innerhalb der Linken (das aber durchaus!) ein wirkliches Interesse an dem, was Frauen zu sagen hatten.

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  4. @Nele – aber stell dir mal vor, deine Frau wär keine Feministin (und hätte z.B. dich nicht oder würde evtl. dumme Anmache von Kollegen persönlich nehmen, weil sie dazu keine Theorien und Erklärungen hätte) – dann wäre ihr Leben in einem typischen Männerberuf vermutlich noch härtere Arbeit, oder?

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  5. @ Antje

    Die radikale Linke ist nie ohne Frauen ausgekommen, sie waren nur besser integriert. Man hat sie eben nicht, wie sonst üblich, als Alibivergnügen und Beleg für besondere Toleranz mit Frauen vor einem androzentrischen Hintergrund ausgestellt. Hnzukommt, dass antinationale linke Denker wie Denkerinnen gern unterschlagen werden, so dass die historische Unauffälligkeit Frauen wie Männer betrifft. Und üblicherweise haben linke Feministinnen vor einem androzentrischen Hintergrund auch gegen diese Mechanismen etwas einzuwenden. Dabei meine ich als radikale Linke natürlich nicht den klassischen Sozialismus, also Marx, Lenin und andere Nationalisten, sondern den anarchistischen, antinationalen libertären Bereich, wie zum Beispiel eine Emma Goldmann, Milly Witkop, Louise Michel, Voltairine de Cleyre (auch Hedwig Dohm als Pazifistin) und und und…alle – fast durchweg – heute als Anarchistinnen geführt, aber durchaus im Sinne , egalitäer, emanzipativer und linksdadikaler Politik. Was du über linke Männer sagst, kann ich so nicht teilen, aber meine Erwartungen sind bestimmt auch andere – mehr so praktisch, mein Lebensentwurf ist auch ein anderer und dem werden zumindest diese Männer absolut gerecht. Und ja, mir reicht es durchaus, Gelegenheit zum Sprechen zu haben und aufmerksame Zuhörer zu finden, die Differenzen in der Auseinandersetzung sind gering, darum müssen aber auch linke Männer keine bekennenden Feministen werden, denn das bin ja schon ich. Ich setze also ganz offen dem Androzentrismus, der latent auch linken Männern innewohnt, meinen Gynozentrismus entgegen und wir diskutieren über einen Kompromiss. Dass ich das überhaupt dort so kann, dafür danke ich jedem, denn selbstverständlich ist das noch lange nicht! Dass ich mich einigen und auch durchsetzen werde, dafür sorgt dann meine Intelligenz und Überzeugungskraft sowie Brillanz meiner Politiken, die man durchaus nach simplen Erklärungsmustern als Feminismus bewerten kann, die aber durchweg libertär und emanzipatorisch also anarchistisch sind, aber mit garantierter Bezugnahme auf Frauen und das ist kein Vorwurf, sondern einfach so gegeben: Männer können und müssen ja nicht an alles denken, aber sie dürfen eben nicht die Perspektiverweiterung durch eine gynzentrische Analyse verweigern und das tun sie unter Linken kaum (und wenn würde ich es mir auch nicht gefallen lassen). Die radikale Linke ist quasi moralisch und politisch verpflichtet, Frauen zuzuhören und das fordere ich ein. Dass sich auch kein (linker) Mann – wie ich nicht – darum reißt, aus freien Stücken selbstkritisch Buße für vorherige Nachlässigkeiten gegenüber Frauen zu tun, nehme ich ihnen nicht übel: nobody is perfect.

    🙂

    Liebe Grüße

    Ines

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  6. Dich dürfte das Kommunefrauenbuch interessieren, das ich gerade lese, eine Art Kompendium von linken (aus der libertären Ecke) Frauen und ihren Erfahrungen dort. Kommt demnächst eine Rezension. Ansonsten habe ich einen anderen Anspruch an Männer, auch an Linke. Sie müssen ein Interesse für unabhängiges weibliches Denken haben, sonst finde ich sie einfach uninteressant (also die „Arbeitsteilung“ die du vorschlägst, wäre nichts für mich). Und was mich speziell an den Anarchisten in dem Zusammenhang ärgert ist, dass sie sich erstens noch immer nicht von Proudhon distanzieren und dass sie zweitens alle weiblichen Denkerinnen unter „Anarchafeminismus“ subsumieren. Dazu hab ich hier was geschrieben: https://antjeschrupp.com/2009/11/16/anarchisten-in-der-endlosschleife/ lg Antje

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  7. Merke soeben, dass ich nach obiger Definition doch Feministin bin 😉

    Für mich ist das inhaltlich trotzdem alles auch in Begriffen wie „Nachhaltigkeit“ und „Ganzheitlichkeit“ enthalten. Wenn man diese Konzepte nämlich zu Ende denkt, führen sie ebenfalls dazu, die aus dem Patriarchat stammende symbolische Gesellschaftsordnung samt der zugrunde liegenden Werte mal grundlegend zu hinterfragen…

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  8. @ Antje

    Ich komme nicht dazu, linken Männern dieses Interesse für unabhängiges weibliches Denken pauschal abszusprechen und wüßte auch nicht, was das bringen sollte. Es gibt da so ein paar, die sind nicht gerade erkenntnisbereit, aber das betrifft sie vor allem allgemein und nicht speziell den feministischen Part. Zudem empfinde ich es nicht als Nachteil, interdisziplinär auf Spuren – und Ideensuche zu gehen und finde es schade, dass der Feminismus zum Anarchismus auf Distanz geht – grundlos wie ich meine. Eine Subsumierung der weiblichen Denkerinnen als Anarchistinnen sehe ich nicht und wüßte auch nicht, was daran falsch sein soll, wenn es denn so ist. Deinen Text über die Anarchisten in der Endlosschleife kenne ich und finde, deine Erwartungen sind verkehrt gesetzt: Anarchismus bietet keine Lösungen, er ist Methode. Mich als Anarchistin von Proudhon zu distanzieren, fällt mir nicht ein, weil ich mich nicht auf ihn beziehe und ich kritisiere auch das persönliche Distanzieren als modernen Ablaßhandel, wo es doch ohnehin „nur“ um die Theorie und Praxis der Prinzipien und Ideen geht.

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  9. @Isquierda – da sind wir da nicht einer Meinung: Erstmal ist nichts, was ich sage, pauschal gemeint. Zweitens geht es mir nicht um ein paar bekloppte Männer, sondern um eine inhaltliche Kritik. „Der Feminismus“ geht nicht zu „dem Anarchismus“ auf Distanz (ich bin selbst Anarchismus), sondern ich als Antje bin einfach total gelangweilt von Männern, die noch in ihrer „der Mann ist das Normale“-Logik sind und erwarte mir von ihnen nichts Interessantes (und werde, immer wenn ich es doch mal versuche, in diesem Urteil bestätigt). Das heißt, es ist keine prinzipiell-abstrakte Entscheidung, sondern eine, die auf realen Erfahrungen meinersets gründet und daher ist sie nicht grundlos. Dass weibliche Denkerinnen unter „Anarchafeminismus“ subsumiert werden ist falsch, weil man auf diese Weise sie nur unter der Rubrik „Frauen“ sieht und nicht in ihrer Individualität und Subjektivität. Damit kann man sie nicht verstehen (und mich kann man mit dieser Haltung auch nicht verstehen), von daher: Ich bin gelangweilt. Und last not least: Sich von Proudhon zu distanzieren ist keine Frage der moralisch-politischen Korrektheit. Sondern ich bin der Meinung, dass jemand, der sich an so einem entscheidenden Punkt als weltführender Sexist seiner Zeit erweist, wahrscheinlich auch in vielen anderen Punkten seines Denkens schief liegt. Man kann nicht Leute und Theorien rettet, indem man ihre sexistischen Anteile quasi als „Ausrutscher“ herausoperiert. Außerdem ist es nicht nur historisch. Eine Freundin (Anarchistin) erzählte mir erst neulich wieder, wie sie bei einem enthusiastischen Pro-Proudhon-Vortrag es gewagt hat, ein paar kritische Anmerkungen zu seinem Hass auf emanzipierte Frauen zu stellen und von dem Vortragenden dafür als Bewegungsverräterin niedergebretzelt wurde. Also, an einem Dialog mit solchen Leuten bin ich schlicht nicht interessiert – an diesem Punkt haben wir einfach Dissens.

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  10. @ Antje

    Die Langeweile ist dein gutes Recht. Vielleicht liegt mein Wohlfühlen in der Szene vor allem daran, dass wir keine Pro-Proudhon-Vorträge halten oder dass mich die Herren so lange einlullen, bis mir ganz warm wird. Keine Ahnung. Androzentrismus – natürlich ohne Sexismusvortrag – sehe ich als Bereicherung und Norm, so wie ich mir auch ganz bewußt Gynozentrismus gönne. Ich mag die Differenz und betone auch gern meine zu anderen. Gesprächsverweigerungen habe ich dazu noch nicht erlebt, aber wie gesagt, vielleicht liegt das am syndikalistischen Anteil in meinem Umfeld. Möglich dass es da noch andere Umgangsformen im klassisch anarchistischen zum anachosyndikalistischen Umfeld gibt – obwohl ich da im theoretischen kaum Unterschiede sehen (außer vielleicht einem Widerspruch zum Individualanarchismus, der aber auch nicht unüberbrückbar ist)- aber ja, vielleicht macht der Syndikalismus mehr Konsens als der Anarchismus an Differenz aufbieten kann. Oder die Anarchos hier sind einfach hinreißend nett und die Zugereisten haben keine andere Wahl. Am Sexismus – auch zu Proudhon – beklage ich am lautesten, mich nicht gegen Sexisten entsprechend wehren zu können. Ich kritisiere also vor allem die Einseitigkeit, wenn Sexismus sich fast ausschließlich gegen Frauen richtet, während umgekehrt der kleinste Anlaß zu einem Heidenspektakel führt und mir außerhalb akzeptierender Räume als Frau die Möglichkeit nimmt, auch mal über die Grenzen zu ziehen.

    Was meine Haltung zu linken Männern angeht, so ist sie auch subjektiv und rührt daher, dass ich bemerkenswerten und sehr praktischen Rückhalt dort gefunden habe: Meine individuelle Situation erfordert Zugeständnisse und Kompromisse, damit ich überhaupt dabei sein kann und dazu war man dort anstandslos bereit. Auf meine Belange wurde akzeptierend eingegangen, was ich bisher so noch nicht erlebt habe und was ich für extrem wichtig halte: Die Praxis der Politik auch dem Alltag von Müttern anzupassen. Da ist es dann selbstverständlich, dass man(n) mir dann auch zuhört, wenn von den anderen zuvor soviel bewegt werden muß, damit ich überhaupt dabei sein kann und das bedingungslos und kommentarlos erfolgt. Meine Mitstreiter haben also schon im Vorfeld jeder Diskussion sehr authentisch beweisen können, dass sie mich ernst nehmen, da brauche ich nicht zu zweifeln und um Aufmerksamkeit bitten. Ob das wieder etwas Besonderes ist, weiß ich nicht – hoffe aber auf Normalität und genieße es.

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  11. Als eine von vielen uneinsichtigen jüngeren erklärten „Nicht-Feministinnen“…

    Mein größtes Problem mit selbsterklärten Feministinnen (was natürlich nicht für alle gilt, vielleicht ist es nur meine Wahrnehmung – oder ich ziehe die „Irren“ doch an wie Essig die Fliegen) ist die radikale und manchmal schon einfach *dumme* Ignoranz allen anderen Lebensansätzen gegenüber.

    Es zeugt beispielsweise nicht von „Freiheit für die Frau!“, von einer erklärten lesbischen Feministin als „armes unterdrücktes Hetenmäuschen“ bezeichnet zu werden (wie es mir in gemischtem Kreis schon passiert ist). Eher von präpubertärem „Dagegen!“

    Und manche Feministinnen wirken arg paranoid, wenn sie in jeder harmlosen Diskussion gleich Angriffe gegen „alle Frauen dieser Welt“ wittern, nur weil von „man“ und „er“ gesprochen wurde.

    Ich denke nicht, dass Feminismus eine schlechte Sache ist. Wahrscheinlich kann er sogar recht nützlich sein. Leider sind viele Feministinnen, die ich kenne, eher wütenden Rumpelstilzchen zu vergleichen, die sich vor lauter Begeisterung für ihre Sache, bei der sie sich permanent unverstanden fühlen können, selbst entzwei reißen. (Und alle anderen, die sich für „die gute Sache“ einsetzen, gleich mit.)

    (Man muss hinzufügen, dass dies alles wahrscheinlich nicht am Feminismus liegt, sondern daran, dass einige Leute sich immer einen Vorwand suchen, um missverstanden und angegriffen zu sein. Und wenn der Feminismus gerade praktisch in der Nähe liegt, wozu in die Ferne schweifen?)

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  12. Soso, die Ordnung dieser Welt und ihre Symbole wurden von Männern erfunden? Da stelle ich diese Behauptung doch mal grundsätzlich und radikal in Frage. 🙂

    Emanzipation ist mir ein Grundbedürfnis, da eine wirkliche Gleichstellung meinem Gerechtigkeitssinn entspricht. Feminismus geht mir am Dingens vorbei. Vermutlich, da ich keine Frau bin.

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  13. @Diandra – was du da beschreibst, ist das Problem des Dogmatismus, wie er leibt und lebt, und den es leider auch unter Feministinnen gibt. Blöde Sache. Mein Tipp: Sich fernhalten und andere Gesellschaft suchen 🙂

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  14. Erstmal: tolles Blog und sehr interessanten Artikel, diese Unterscheidung von Feminismus und Emanzipation war neu für mich, danke für diesen neuen persönlichen Erkenntnisgewinn 🙂
    Ich bezeichne mich auch als Feministin und ganz leicht ist es nicht, aber wie du sagt, hat es auf jeden Fall unbestreitbare Vorteile. Persönlich habe ich ein wenig das Problem, dass ich momentan im Internet noch viel mehr feministische Kontakte habe und mich konstruktiv über Feminismus austauschen kann, als in der realen Welt. Denn dort habe ich hauptsächliche unpolitische Menschen um mich und wenn es z.B. mal in der Schule zu einer Diskussion kommt, falle ich viel eher auf mit einer feministischen Meinung, weil ich damit fast die Einzige bin. Ich kann mir vorstellen, dass einige vllt. sogar mit meiner Meinung (teileweise) übereinstimmen, doch außer mir scheinen wenige Interesse daran zu habe, ihre tendenzielle emanzipatorische/feministische Meinung zu äußern. Und wenn man sich dann öfters mal beschwert, wegen einem sexistischen Spruch der gefallen ist, kriegt man schnell den Stempel „Emanze“.
    Aber du hast Recht statt immer nur zu betonen, wie anstrengend es ist Feministin zu sein, will ich auch kurz davon sprechen, warum es sich auch einfach gut anfühlt. Durch den Feminismus konnte ich meiner Meinung nach einen kritischen Verstand entwickeln, Scheuklappen abnehmen und einen Selbstsicherheit und -vertrauen entwickeln. Da ich gelernt habe, meine eigene Meinung zu sagen und mich auch nicht einschüchtern zu lassen, gerade weil ich meine „Freiheit und die Freiheit der anderen liebe“.

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  15. @dilori – Ja, wenn man von lauter „unpolitischen“ Leuten umgeben ist, ist es manchmal schwierig. Aber wenn man über einen gewissen Zeitraum eine „freundliche“ Feministin ist (und nicht so eine wie @Diandra sie kennen gelern hat), dann akzeptieren die anderen es so wie eine Art persönliche Merkwürdigkeit oder Macke. Jedenfalls ist das meine Erfahrung. Und wenn ich irgendwo so total in der Unterzahl bin, dann versuche ich meistens gar nicht, die anderen zu überzeugen, sondern begnüge mich damit zu sagen, dass ich anderer Meinung bin. Das ist sowieso etwas, was in politischen Diskussionen viel zu selten passiert: Dass man bei einem großen Dissens einfach sagt: Okay, da sind wir unterschiedlicher Meinung und dabei belassen wir es jetzt erstmal, denn abgesehen davon finden wir uns eigentlich ganz nett gegenseitig…

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  16. Schöner Artikel. Ich teile allerdings die Beobachtungen einiger hier, nach denen der Begriff „Feminismus“ hier in Deutschland offensichtlich vorurteilsbehaftet ist. Ich habe vor ein paar Jahren die bewusste Entscheidung getroffen, mich als Feministin zu bezeichnen, um den Begriff positiv zu besetzen und meinem Umfeld zu vermitteln, dass Alice Schwarzer nur eine von vielen Richtungen ist. Leider Gottes habe ich im Laufe der Zeit gemerkt, dass offensichtlich die Schublade „beilschwingende Emanze“ stärker ist als ich.

    Gerade Männer meiner Generation (Mitte 30), die ansonsten ein gewisses Freidenkertum für sich in Anspruch nehmen, schreiben mir aufgrund des Labels „Feministin“ Positionen zu, die ich selbst nicht vertreten habe und nicht vertreten würde. Wenn ich dies verneine (mit dem Hinweis, der Feminismus sei keine einheitliche Bewegung etc pp), kommt zur Antwort, dann sei ich ja wohl keine „richtige“ Feministin. Weil: zu männerfreundlich. Mehr als einmal passiert!

    Zum Piepen, wenn es nicht so traurig wäre. Ich habe mich nach langem Hadern dazu entschlossen, einstweilen nicht mit dem Wort Feministin rauszurücken, bis ich jemanden wirklich gut kenne. Meine Ansichten bleiben ja die gleichen. Trotzdem schade.

    Ist das nur mein Umfeld? Oder gibt es hier Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben?

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  17. @Lilith – ich denke, das muss man ja nicht grundsätzlich entscheiden. Ich mache es je nachdem von der Situation abhängig – man braucht den Begriff ja auch nicht immer als „Banner“ vor sich herzutragen, aber ab und zu mal etwas nebenher einfließen zu lassen, ist schon gut. Außerdem kann man dann ja auch ironisch gegenfragen: Woher weißt du Nicht-Feminist(in) denn so gut über den Feminismus bescheid, sogar besser als ich, die ich selber eine bin? 🙂

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