Meine zehn Cent zu Elinor Burkett

Ich weiß nicht, ob sie es wirklich gesagt hat: „My brain is much more female than it is male“. Aber dieses und andere Statements von Caitlyn Jenner hat Elinor Burkett in einem Artikel in der New York Times zum Anlass genommen, sich über grundsätzliche Differenzen zwischen Feminismus und Transaktivismus Gedanken zu machen.

Kurz zusammengefasst beschwert sie sich darüber, dass Transfrauen häufig zu alten biologistischen Thesen über Geschlecht zurückkehren würden, wie zum Beispiel stereotype Körperinszenierungen von „Weiblichkeit“ in Form von Nagellack, kurzen Röcken und dergleichen. Ich stimme ihrer Kritik zu, dass es Blödsinn ist, über unterschiedliche Männer- und Frauengehirne nachzudenken und dass solche Weiblichkeitsinszenierungen wie die von Caitlyn Jenner ärgerlich sind. Aber das alles ist ja nun nicht eine Besonderheit von Transfrauen. Die große Mehrheit von Cisfrauen tut doch genau dasselbe. Es ist also gehüpft wie gesprungen. Frauen sind eben nicht von Natur aus Feministinnen, ob nun Trans oder Cis.

Ein Vorteil davon, wenn es Transfrauen sind, die Geschlechterklischees performen, ist es immerhin, dass damit deutlich wird, dass diese Erscheinungsformen von Weiblichkeit nichts sind, was sich aus einer bestimmten körperlichen Beschaffenheit – Gebärmutter, Brüste und dergleichen – natürlicherweise herleitet, sondern dass es kulturelle Übereinkünfte sind. Es wird nämlich offensichtlich, dass jeder Mensch, mit dem entsprechenden Geschick (und dem nötigen Kleingeld für kosmetische Operationen und die passende Garderobe), das darstellen kann, was allgemein auf den ersten Blick als „Frau“ identifiziert wird.

Unter Rückgriff auf den traditionellen Feminismus macht Burkett dann die Sozialisierungs-These stark, wonach Frausein eben nicht aus irgend etwas Biologischem herrührt, sondern gesellschaftlich hergestellt wird, nämlich durch rollenkonforme Erziehung. Daher, so schließt sie, können Menschen, die männlich sozialisiert wurden, eigentlich keine „richtigen“ Frauen sein.

Gegen dieses Argument habe ich nun starke Einwände, und zwar deshalb, weil es den Status des Frauseins ganz auf eine gesellschaftliche Deformation und Diskriminierung zurück führt: Frauen sind wir, weil wir Opfer der Verhältnisse sind.

Nein, sind wir nicht. Ich schlage vielmehr vor, Frausein als ein politisches Statement aufzufassen. Ich bin eine Frau, weil ich es wähle, mich in der Position einer Frau in diese Gesellschaft einzubringen. Zu sagen „Ich bin eine Frau“ ist sozusagen ein Bekenntnis. Es bedeutet auch für Cis-Frauen eine Wahl, wie man ja zum Beispiel an der Wandlung von Angela Merkel in dieser Frage sehen kann, die am Anfang ihrer politischen Karriere gerne betonte, dass ihr Frausein überhaupt keine Rolle spiele, während sie mittlerweile durchaus absichtlich und bewusst ihr Bundeskanzlerinnenamt „als Frau“ ausfüllt.

Viele Cisfrauen lehnen dieses Bekenntnis ab, nicht unbedingt indem sie es rundheraus abstreiten, eine Frau zu sein, aber doch, indem sie ihrem Frausein jede Bedeutung absprechen und darauf bestehen, „doch einfach nur Menschen“ zu sein. Die italienische Philosophin Wanda Tommasi hat das einmal „die Versuchung des Neutrums“ genannt. Und diese Versuchung, also die Leugnung der Geschlechterdifferenz, ist meiner Ansicht nach ebenso gefährlich für die weibliche Freiheit, wie ein klischeehaftes Ausleben von angeblich feststehenden Merkmalen von Frausein.

Für Menschen, die ihr Frausein verstecken, hatte das Patriarchat schon immer ein Plätzchen frei. Angefangen von der Päpstin Johanna über die englischen Gärtnerinnen, die Männerkleidung tragen mussten, um nicht aufzufallen, und die albanischen Burneshas (die meiner Ansicht Opfer einer extrem patriarchalen Kultur sind und nichts, was feministischerseits zu feiern wäre), bis hin zu heutigen Managerinnen, die mit ihrer Businesskleidung einen männlichen Stil imitieren müssen, um ernst genommen zu werden.

Frauen können aber nur frei sein, wenn es Frauen gibt. Und Frauen gibt es nur, wenn es Menschen gibt, die sagen: „Ich bin eine Frau“. Biologie und Sozialisation sind sicherlich Faktoren, die an der Entstehung von „Frauen“ beteiligt sind, aber nicht in definierender oder gar determinierender Art und Weise. Frauen können die unterschiedlichsten biologischen Herkünfte und die gegensätzlichsten Sozialisationen haben, und sie sind trotzdem Frauen. Natürlich ist es auf jeden Fall richtig, über Biologie und Sozialisation nachzudenken und beides zu berücksichtigen. So finde ich zum Beispiel nicht, dass die Themen Frausein und Schwangerwerdenkönnen völlig voneinander getrennt werden sollten. Nicht weil jede Frau schwanger werden kann, was ja nicht der Fall ist, sondern weil die Konstruktionen von Geschlechterdifferenz und Schwangerwerdenkönnen (bzw. nicht Schwangerwerdenkönnen) aufs Allerengste miteinander verknüpft sind.

Biologie und Sozialisation sind also wichtig, aber sie sind nicht der entscheidende Dreh- und Angelpunkt dessen, was ich meine, wenn ich sage „Ich bin eine Frau“. Und sie sind auch nicht das, was ich höre, wenn eine andere von sich sagt, dass sie eine Frau ist.

 

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

15 Gedanken zu “Meine zehn Cent zu Elinor Burkett

  1. Warum ist es Blödsinn, über unterschiedliche Frauen- und Männergehirne nachzudenken? Ab einem bestimmten Punkt der embryonalen Entwicklung haben die Männer mehr Testosteron im Blut, das führt dazu, dass unterschiedliche genetische Schalter betätigt werden, die nicht nur zu ein paar unterschiedlichen Zentimetern führen, sondern auch zu Unterschieden in der Muskulatur und eben auch im Gehirn.
    Ob das dann zwingend bestimmtes Rollenverhalten nach sich zieht, ist eine andere Frage und wird gendermäßig zu Recht infrage gestellt. Da dürften wir einer Meinung sein.
    Inzwischen ist m.E. biologisch unstrittig, dass es zwischen „Mann“ und „Frau“ ein ziemlich weites Spektrum gibt: Einfach schon deswegen, weil eben so viele genetische Schalter an der Entwicklung beteiligt sind und von diversen Hormonen und Hormonkonzentrationen zu bestimmten Zeitpunkten abhängig sind. Dann ist eben oft auch nicht mehr klar, ob der Mensch nun Mann oder Frau ist. Da können die Chromosomen dafür sprechen – und viele andere Faktoren dagegen.

    Theologie und Philosophie haben lange den Fehler gemacht, ihre Theorien nicht naturwissenschaftlich zu kontrollieren.
    Muss man den beiden Disziplinen unbedingt diesen Fehler nachmachen?
    Ohne die naturwissenschaftliche Rückkopplung riskiert man, sich in intellektuellen Sackgassen zu verlaufen. Und umgekehrt sollte sich Naturwissenschaft auf z.B. feministisch rückkoppeln lassen.

    Selbst als Laie kann man feststellen, wie faszinierend unterschiedlich Gehirne funktionieren können, weil die einzelnen Gehirnwindungen völlig unterschiedliche Ausprägungen haben können. Warum soll nicht auch die Geschlechtlichkeit (in diesem weiten Spektrum verstanden) Einfluss auf diese unterschiedlichen Ausprägungen haben können?
    Ist es nicht spannend, das eine oder andere Detail zu finden, das einer oder einem das eigene Verhalten verständlicher machen kann? Ich kann z.B. Gesichter nur mit Mühe auseinander halten (das hat mit Geschlechtlichkeit weniger zu tun). Bei anderen ist es nun mal so, dass sie etwas mehr Testosterongesteuert sind. (Was bedeutet das, wenn in einer bestimmten Religion die Männer für die Sozialisierung zuständig sind, und somit in die Weitergabe der Religion nicht ganz unabhängig von testosterongesteuertem Verhalten ist? Das müsste mal jemand untersuchen… Es könnte jedenfalls ein paar Unterschiede erklären…)

    Like

  2. es ist sehr komplex, über die thematik zu schreiben, geschweige denn miteinander zu sprechen.

    zunächst zu caitlyn jenner und der situation in den usa: wenn man die soziale (!) geschlechterrolle wechselt, sein plätzchen in der gesellschaft neu finden will und dafür respekt und anerkennung sucht, hat das zunächst mal überhaupt nichts mit einem emanzipativen ansatz zu tun. und auch nicht mit der eigenen biologie, dem politischen anspruch oder etwas anderem. caitlyn möchte als frau anerkannt werden, und sie bedient sich dazu etablierter codes, ganz einfach weil sie da sind und man mit ihnen eindeutigkeit herstellen kann. in der transition (von der einen in die andere rolle) will man die dinge nicht zum tanzen bringen, sondern einen ruhepunkt finden – und das ist wichtig, wenn man sein leben ins gleichgewicht bringen möchte. transfrauen in den USA unternehmen dafür häufig sehr viel mehr als transfrauen hierzulande, und wenn sie das nötige kleingeld haben, gehören dazu auch allerlei kosmetische eingriffe. das sagt meiner meinung auch ein bisschen was über die vorherrschaft der heteronormativität in den staaten.

    coming outs von transfrauen in diesem moment als anlass zu nehmen, um eine diskussion über das wesen von geschlechtlichkeit vom zaun zu brechen, finde ich sehr unangemessen. jan fleischhauer hat das im spiegel auch auf ziemlich unterirdische weise gemacht … caitlyn wird sich in den nächsten jahren sicher weiter finden und positionieren, in einem gesellschaftlichen, und vielleicht auch in einem politischen verständnis als frau. wenn sie als frau lebt, wird sie auch zunehmend sozialisationserfahrungen machen, die sie erkennen lässt, was es bedeutet, als frau gelesen und identifiziert zu werden. sie wird aber auch weiter erfahren, wie es ist, als transfrau gelesen zu werden. derzeit kann ihr coming out für andere dagegen einfach nur ein beispiel sein, dass es sich lohnt, gegen widerstände zu sich selbst zu kommen. nicht mehr und nicht weniger.

    und im weiteren: wenn das eigene frausein davon bedroht ist, immer wieder in frage gestellt zu werden, ist das eine zutiefst unangenehme erfahrung der fremdbeschreibung, die grenzüberschreitungen und verletzungen der persönlichkeit mit sich bringen. man wird gleichzeitig sexistisch reduziert und cis-ge-gendered. eine mögliche reaktion ist, dass man markierungen vornimmt, die das eigene frausein unterstreichen – im rahmen gesellschaftlich kommunizierbarer codes – und hofft, dass man weniger auffällt. das ist nicht abwegig, auch nicht progressiv, langfristig nichts, womit man glücklich werden kann … aber wie ich finde auch nicht etwas, woran sich eine grundsätzliche kritik entzünden sollte. auch transfrauen identifizieren sich nicht ausschließlich und ihr leben lang mit ihrer performance.

    die existenz von sowas wie transsexualität verweist im weiteren kontext auf verschiedene merkmale von geschlechtlichkeit. und da plädiere ich für einen inklusiven ansatz, in dem sowohl biologie als auch sozialisation als auch selbstverständnis – ob politisch oder nicht – als auch geschlechtsspezifische erfahrungen, sexismus, ausgrenzungen und diskriminierungen reell und auch grundlegend sein können – je nach kontext. kanonisiert man da irgendwas auf kosten anderer aspekte, grenzt man aus. man pathologisiert zum beispiel transmenschen als sozial dysfunktional, wenn man geschlecht auf etwas soziales reduziert und biologische faktoren negiert oder auf eine rollenperformance reduziert.

    geschlecht ist nicht eindeutig, graduell verschieden und immer nur aus einer individuellen perspektive erlebbar. erst im gesellschaftlichen kontext hat es (und das frausein im speziellen) eine besondere, gewordene form, die in diesem rahmen gegenstand des miteinanders ist und politisiert werden kann und auch muss. man muss erst erstreiten, dass das beim drüber reden auch alles so berücksichtigt wird, und darum geht es meiner meinung nach … und weil es nicht so ist, ist es, wie ich eingangs schrieb, auch so komplex und versperrt sich häufig in einer diskussion.

    Like

  3. @zoë socanette – Du hast recht, eigentlich hätte die Überschrift zu meinem Post „Meine zehn Cent zu Elinor Burkett“ heißen müssen, nicht „Meine zehn Cent zu Caitlyn Jenner“. Denn Burketts Text war ja eigentlich der Anlass dafür. Ich ändere es gleich.

    Like

  4. Guten Morgen,

    Es gibt ein paar Stellen in diesem Artikel, an denen ich Fragezeichen setze.

    Den Vorschlag, „ich bin eine Frau“ als ein politisches Statement und – wenn ich den Vorschlag richtig verstanden habe – als nichts anderes zu verstehen oder zu meinen, kann ich doch nur dann in die Tat umsetzen, wenn die Empfänger.innen meiner Aussage noch über die anderen Dimensionen „funktionieren“, also wenn sie im Kopf haben: „eine Frau ist biologisch immer ’n bisschen anders als ein Mann und ich hab eine Vorstellung davon, wie sich Frauen ‚klassisch‘ verhalten, wie sie aussehen, auch welche Interessen/Berufe typisch sind“. Wenn mein Gegenüber diese Gedankenwelt nicht (mehr) hat, dann ist meine Aussage „ich bin eine Frau“ keine politische mehr. Sie ist dann ungefähr auf dem Level von „ich bin 1,73 m groß“ – aha… Hmja… Vielleicht durchschnittlich, aber was will ich denn gerade über mich mitteilen?

    Gerade die politische Dimension der Bezeichnung Frau „braucht“ also eine Welt, in der es die Menschen gibt, die der Biologie oder dem Normativen eine Bedeutung beimessen, die Geschlecht übersteigert, die determiniert, die Grenzen für Individuen setzt, weil sie einer Gruppe angehören.

    Oder?

    Dann zucke ich immer ein wenig, wenn ein Mensch Frauen zuschreibt, sie „müssen Männerkleidung tragen, um ernst genommen zu werden“, zum Beispiel weil sie einen typischen Männerberuf haben oder weil sie sich in Hierarchieebenen bewegen, in denen Frauen selten unterwegs sind. Wie sage ich jetzt respektvoll, dass das auch genau eine gequirlte sexistische Sch… ist, die zementiert, dass über Kleidung Geschlecht definiert wird? Ich versuch es mal:

    Liebe Antje Schrupp, eine Frau nur dann als Frau anzuerkennen, wenn sie die Ihrer Meinung nach richtige Kleidung trägt…?- bitte überdenken Sie diese Aussage doch noch einmal.

    Ich kann auch Beispiele nennen, in denen Menschen sich längst die Freiheit genommen haben, kongruent mit sich selbst, Kleidung in der Abteilung zu kaufen, die ihnen gefällt und nicht in der, deren Überschriften „Damen“(!) oder „Herren“(!) „korrekt“ der Biologie zugeordnet wäre. Es ist – so leid es mir tut – auch nur dann kongruent, wenn die Sozialisierung hier greift. Also wenn ich so sozialisiert wurde, dass mich meine Biologie nicht in der Kleiderwahl determiniert. Egal wem ich sage „ich wollte ja schon immer mal zu CSD als Frau verkleidet gehen, aber die Demostrecke auf High Heels – no way!“ versteht die dekonstruierende Macht des Bilds und der Worte. Ich wäre wirklich verkleidet. Aber ich könnte diese Sozialisation nachholen und mich kongruent im Ballkleid zeigen, irgendwann. Steffi Jones hat das gemacht. Was haben wir in den 90ern über TV-Visagist(inn)en gelästert, die ihr Lippenstift und Rouge ins Gesicht knallten. „Wir“ schließt in diesem Fall Steffi Jones mit ein. Es war Kabinen-Smalltalk.

    Wenn sie heute mit einem Kleid zum Ball des Sports rauscht oder Hochzeitsfotos von sich auf Facebook postet, dann passt das mittlerweile. Es ist keine Heimkehr der verlorenen Tochter im Land der Cis-Frauen. Es ist nur eine Entwicklung, wie sie in 20 Jahren Leben geschieht. Kleidung und Geschlechtsperformanz sind keine lebenslang festgeschriebenen Größen, nicht zementiert vom „gender“, nicht vom „sex“.

    Insofern finde ich Fremdzuschreibungen dieser Art unangemessen. Und nicht logisch im Sinn eines Arguments.

    Frau zu sein als Politikum, Biologismus und Sozialisiertheit funktioniert meines Erachtens nur für Frauen als Gruppe. Als Individuum bin ich aktuell (2015, Deutschland) ganz hervorragend in der Lage, Kanzlerin zu sein, Kleid zu tragen oder weiße Fliege zu schwarzem Hemd (nicht Bluse), und das kongruent zu meinem Gehirn, meinen Hormonen, in einem Umfeld das noch ziemliche Gruppen-Zuschreibungen macht. Wenn ich das jeweils will, wenn ich es zu meinem mache. Denn jede Berufswahl, jeder Einkauf, jeder Ausdruck meiner selbst steht in einem Wechselspiel zu diesem meinem Selbst. Mein Selbst ist nicht nach 10 Lebensjahren mit der Gehirnreife fertig, nicht nach dem Hormonschock der Pubertät oder nach 10 Staffeln GNTM bzw. X Jahren Merkels Kanzlerinnenschaft.

    Emanzipation ist „nur“ sich von den Zuschreibungen zu befreien, die für mich selbst nicht passen – und(!) die Möglichkeit zu nutzen, mein Selbst um die Dinge auszubauen, die ich noch dazu haben möchte. Ich kann mich dabei nie frei von der Außenwahrnehmung und von äußeren Einflüssen bewegen und entwickeln – denn ich bin ein soziales Wesen und ich sende ja auch mit meinem Selbstausdruck, das will ja auch empfangen werden. Aber wenn es für Feminismus ein Ziel für die Gruppen „Frauen“ und „Männer“ geben kann, dann wäre mir das Liebste, es wäre, dass dieser Unterscheidung nicht existenzielle Grenzen innewohnen. Die sich zum Beispiel aktuell (2015, Deutschland) noch darin zeigen, dass „Frauenberufe“ oft einen deutlich niedrigeren Stundenlohn haben, als „Männerberufe“. Dass Unternehmenskulturen „männliche“ Verhaltensweisen mit Beförderungen bedenken, sie sozusagen als Grundqualifikation für bestimmte Hierarchieebenen verstehen. Wir könnten auch die Hierarchie an sich als das Modell in Frage stellen, das „Männer“ erst zu „Männern“ macht. Scrum und agiles Projektieren zeigt, dass Erfolg nicht an Hierarchie geknüpft ist, sondern sogar von ihr verhindert werden kann.

    Das größte Fragezeichen, liebe Antje Schrupp, hinterlässt bei mir der Absatz am Ende, dass Geschlechterdifferenz über Schwangerwerdenkönnen entsteht. Ist mir schon lange nicht mehr passiert, dass ich so auf meine Gebärmuter reduziert wurde und das Verhältnis zu einem Mann als durch die Möglichkeit eines Zeugungsakts beschrieben werden soll. Vielleicht trifft es mich besonders hart, weil mein Verhältnis zu Nichtschwangerwerdenkönnern schon so lange kein Mitschwingen dieser theoretischen Möglichkeit hat. Warum suchen Sie wenn ich es richtig verstehe eine „bessere“ Definition vom Frausein für die ganze Gruppe der … Ähm… Schwangerwerdenkönnerinnen? Braucht es die Geschlechterdifferenzierung, ist das Ziel von Emanzipation, Gleichberechtigung und Feminismus nicht das, sich selbst entbehrlich zu machen, weil es weniger bis keine gruppenspezifische Differenzierung mehr gibt. Weil „ich bin eine Frau“ und „ich bin ein Mann“ dann keine sonderlich umfangreiche Aussagekraft mehr hat? Es sagt dann kaum mehr etwas über meine Gebärfähigkeit, meine Berufs- und Verdienstoptionen aus, kaum mehr etwas über mein Verhalten und Verhältnis zu anderen Frauen oder zu Männern, über meine Körpersprache und sonstige Performanz und ob all das „richtig“ im Sinne einer Norm ist.

    So wie es das Ziel eines CSDs ist, sich als Demonstration den Sinn zu entziehen, so ist es für Feminist.inn.en am Ziel so, nichts mehr zu tun und zu diskutieren zu haben. Weil die Gruppe der (ich nenn es mal etwas plakativ) „Entrechteten“ dann aufgegangen ist in die Gesamtheit.

    Auf Gruppen bezogene Differenzierung stärkt die Macht der Definition über die Einzelne. Meines Erachtens. Insbesondere, wenn sie behauptet, so ziemlich für alle zu gelten. Und-oder wenn sie dazu dient, „besser“ und „schlechter“ oder „korrekt“ und „falsch“ zu differenzieren. (M)eine These.

    In diesem Sinne…

    Einen schönen Tach noch
    Friederike

    Like

  5. @Friederike –

    Zu der Kleidersache – dass Frauen sich „männlich“ geben_kleiden müssen um in bestimmten Kontexten ernst genommen zu werden ist doch nichts, das ich fordere oder gutheiße, sondern ich stelle es fest. Es ist so.

    Das mit dem Schwangerwerden – ich reduziere Frauen nicht darauf, ich stelle nur fest, dass die Entwicklung von Geschlechterstereotypen allerengstens mit der Unterscheidung zwischen Menschen, die ggfs schwanger werden können (die man Frauen nannte) und solchen, die es mit Sicherheit nicht können (die man Männer nannte) zusammenhängen. Die daraus entstandenen kulturellen Settings zu verändern oder auch nur zu beeinflussen ist imho nicht möglich, wenn man das Thema umschifft, zumal es ja in der Realität weiterhin Menschen gibt, die schwanger werden können, und solche, die es nicht können. Ich halte es für strategisch falsch, diese beiden Themenkomplexe voneinenader zu lösen. Aber das ist nochmal ein andere weites thema.

    Zur Frage, ob Ziel des Feminismus die Abschaffung der Geschlechterdifferenz als bedeutsame Kategorie ist – ich bin nicht dieser Ansicht. Die Geschlechterdifferenz war in der westlichen Kultur bis zum Feminismus ja überhaupt keine bedeutsame Kategorie. Nur Männer waren Menschen, Frauen waren irgendwas zwischen Mensch und Tier, eine andere Kategorie, eventuell noch eine defizitäre Variante des Mannes. Sie waren kein ebenbürtiges, wenn auch anderes Menschliches. Frausein changierte zwischen Nicht-Mensch-Sein und Genauso-wie-Männer-sein. Meiner Ansicht nach ist in diesem Kontext weibliche Freiheit nur möglich, wenn wir das Frausein als Menschsein behaupten, das eine eigenständige Würde und Freiheit hat, die sich nicht von der Angleichung (oder Abgrenzung) vom Männlichen her ableitet, sondern aus sich selbst heraus. Gegenüber eingeschlechtlichen Konzepten von Menschlichkeit bin ich zutiefst skeptisch, aufgrund der Geschichte, und Konzepte von unendlich ausdifferenzierter Geschlechtlichkeit sind meiner Meinung nach ebenfalls eingeschlechtliche, weil unendliche Vielfalt auch keine Differenzen mehr kennt.

    Ganz generell – Frausein lässt sich nicht definieren. Deshalb akzeptiere ich keine diesbezüglichen Definitionen und nichts, was ich über Frauen schreibe, ist eine Definition.

    Like

  6. Hm!

    Wenn es um ernst genommen werden aufgrund der Kleidung im beruflichen Kontext geht, dann ist mir das Reduzieren auf Frauen-in-Männerkleidung(sstilen) deutlich zu kurz gesprungen. Auch ein Mann wird auf der Management-Ebene mit Sneakern, Baggypants, Muskelshirt und Basecap nicht ankommen. In jedem Sinn des Worts ankommen.

    Das Beispiel der maskulin inszenierenden Kleiderwahl für Frauen in männermehrheitlichen Mangementebenen trifft meines Erachtens sehr viel weniger den Punkt Geschlechterdifferenz, als den der Inszenierung von Hierarchie in der Geschäftswelt. Es ist längst so, dass feminin-inszenierende Kleidung für diesen historisch einmal Männern vorbehaltenen Raum genormt wird. EditionF ist so voll von entsprechenden Kleidungsthemen, dass es mir manchmal vorkommt wie GNTM für Managerinnen.

    Ins Thema schwangerwerdenkönnen hab ich mich dank des Verlinkens im Artikel etwas weiter eingelesen. Da fand ich den Kommentar einer Leserin, die die verändernde Wirkung der Hormonumstellung der Menopause beschrieb sehr erhellend. So herum / in diesem Aspekt finde ich es etwas breiter gefächert nachvollziehbar. Dass schwanger werden können/nicht können den Umgang von Frauen und Männern ab der Geschlechtsreife bzw. der darauf hinwirkenden Sozialisierung davor in den verschiedenen kulturellen Kontexten prägt, verstehe ich gut. Aber da sind wir schon wieder bei der Sozialisierung. Dass Hormone mich und mein Gefühlsleben prägen, ist auch nachvollziehbar. Da sind wir beim Biologismus. Beide Differenzierungsmerkmale sind nicht „gleich“ ausgeprägt für nahezu alle Frauen*, die im selben kulturellen Kontext leben. Da sehe ich gerade im Hinblick auf weniger Schwangerschaften pro Frau und weniger Frauen mit Kind, weniger Wöchnerinnen- und Säuglingssterblichkeit in unserem Kulturraum dieses Attribut *eben genau deswegen* weniger relevant werden, um Frauen und Männer zu unterscheiden.

    Beziehungsweise andersherum liegt darin der Raum, der nahezu automatisch dazu führt, dass Frauen ein anderes Selbstverständnis über ihr ganz persönliches Frausein entwickeln. Dass Männer und Frauen ihre Geschlechter-/Rollenunterschiede in Frage stellen, neu verhandeln, andere Wege für sich in Anspruch nehmen. Emanzipation ist manchmal auch schrecklich wenig eine Eigenleistung, selbst wenn sie uns so vorkommt.

    Dass Geschlechterdifferenz erst zu einer bedeutsamen Kategorie durch den Feminismus wurde – da gehe ich nicht mit. Gerade die beschriebene Unterscheidung zwischen Mann/Mensch und Frau/naja-halber-Mensch-vielleicht ist gelebte/praktizierte (oder soll ich schreiben real existent gewesene?) Geschlechterdifferenz.

    Der Feminismus ist der Reflektionsprozess, eine Bewegung von Menschen, die anderen Menschen das mit der Geschlechterdifferenz verdeutlichen, sicht-, fühl- und verstehbar machen.

    Die Reflektionsprozesse gehen beim Menschen anschließend über in Verhaltensänderungen, in ein „Moratorium“, wenn andere als die erworbenen Identitätsmerkmale ausprobiert werden, aber das Ziel noch unklar/diffus ist. Und dann in einen nächsten für eine Weile festeren Zustand, der kann weit weg sein vom Ausgangspunkt oder näher dran als erwartet. Ein Plateau. Der Weg dahin ist nicht geradlinig, jedenfalls selten. Er ist iterativ. So wie es aktuell zwei bis drei Generationen von Feminist.inn.en gibt, die sich manchmal nach meiner Wahrnehmung auch etwas befremdet zuhören und sich nicht unbedingt als „miteinander“/“auf dem gleichen Weg“ empfinden.

    Obwohl das gemeinsame Ziel dann doch eigentlich sein dürfte, die Macht der Geschlechterdifferenzierbarkeit abzubauen. Eine kulturelle Entwicklung in eine bestimmte Richtung zu befördern. Eine Entwicklung, die manche als Befreiung vom Althergebrachten empfinden, andere als Verlust des Althergebrachten.

    Ich persönlich denke nicht, dass es hilft, sich auf neue Definitionen der Gemeinsamkeit vom Frau*sein zu stützen. Es liegt nahe, dass daraus dann gerne wieder neue Regeln für Frau* und Mann* abgeleitet werden.

    Das heißt nicht, dass ich für ein eingeschlechtliches Modell vom Menschsein wäre. Mein Modell von Menschlichkeit basiert auf vielen Aspekten, das Geschlecht (sex/gender) ist eins davon und es wird – bestenfalls – an prägender Relevanz für das Gesamtmodell verlieren. Jedenfalls wenn die Relevanz sich im Umgang miteinander (konkret individuell, rechtlich, gesellschaftlich, kulturell) niederschlägt.

    Ich bin so kühn, es mal mit dem Business-Beispiel zu versuchen: Wenn ein Mensch aufgrund von Erfahrung und Eignung in eine verantwortungsvolle Rolle kommt. Und nicht, weil er/sie das „richtige“ Geschlecht hat, die Etikette „korrekt“ pflegt und nach dem „größeren“ Gehaltsscheck strebt. Im Moment determinieren – womöglich – diese drei Dinge, wer Kanzlerin, VW-Aufsichtsratschef oder Geschäftsführer/in wird. Nicht Gleichmacherei ist das Ziel, das hat schon im Sozialismus nicht gut funktioniert, sondern ein anderes Verständnis von der Unterschiedlichkeit von uns Menschen. Nicht weil ich eine Frau bin, bin ich einfühlsam (einfühlsamer als ein Mann – heißt das ja dann). Sondern ich bin es – wenn ich es bin – eher aufgrund meiner Familiengeschichte, meiner persönlichen Entwicklung über Jahrzehnte in einem entsprechenden Umfeld. Vielleicht ein paar hilfreiche Gene, die mir da ein entsprechendes Spektrum im einfühlsamen Bereich mitgegeben haben.

    Oder auch: ich bin nicht sach- und logikorientierter, obwohl ich eine Frau bin (was meint: so logikorientiert, wie ein Mann), sondern weil auch hier – wenn es überhaupt so ist – mein Start qua Geburt mit insgesamt 23 Chromosomenpaaren (von denen 1 das mit XX oder XY oder anderen Varianten ist) einen Bereich vorgab, meine Förderung da entsprechend verlief, ich also gut trainiert bin (oder auch eben mit denselben Starteingeschaften weniger trainiert deutlich weniger rational wäre).

    Mein Modell vom Menschsein lebt von Lebensläufen und nicht von Einzelaspekten. Auch wenn Einzelaspekte sich in vielen Ebenen (biologisch, gesellschaftlich, kulturell, familiär undundund) wiederfinden, so führt doch gerade das Übereinanderlegen der vielen Ebenen dazu, dass immer wieder Aspekte an den Rändern der Gaußschen Normalverteilung wegfallen.

    Wenn der Feminismus es schafft, eine Gesellschaft mitzuentwickeln, in der das Geschlecht auf den Ebenen Gesellschaft und Kultur und Familie kaum noch eine Rolle für die persönliche Entwicklung spielt (sie nicht schmerzhaft begrenzt, sie nicht ungleich nach Geschlechtern verteilt fördert), dann ist er selbst obsolet geworden. Ohen, dass Geschlechter dafür „abgeschafft“ werden mussten.

    Just my two cents about your writing and answering. Herzlichen Dank für die Antwort!!

    Friederike

    Like

  7. Das ist jetzt nicht der erste Artikel von einer TERF, den ich in diesem Jahr lese. Anscheinend ist da jetzt eine große Debatte in Gang gekommen. Das heißt, ich kann jetzt gar nicht sagen, ob Elinor Burkett jetzt wirklich eine TERF ist oder ob sie so genannt wurde. Jedenfalls ist ihr Artikel nicht der erste von einer Gleichberechtigungsfeministin, also einer Feministin vor „Unbehagen der Geschlechter“ und auch vor dem Differenzfeminismus, einer Feministin, deren Hauptziel darin bestand, dass die gesellschaftlichen Beschränkungen für Frauen, die in ihrer Jugend (und auch in meiner Jugend!) noch ganz offensichtlich waren, aufgehoben werden würden.Nachdem ich mich eine Weile lang im Differenzfeminismus zuhause gefühlt habe (wovon ich mittlerweile denke, dass es mir sehr geschadet hat und dass es besser für mich gewesen wäre, wenn ich gesagt hätte: „Was redet ihr da? Klare Logik ist für Frauen genauso wichtig wie für Männer und die Regeln der Logik sind für Frauen nicht anders als für Männer oder für kuschlige pelzige Wesen von Alpha Zentauri“ dann wären mir viele Umwege in meinem Leben erspart geblieben) und nachdem ich vergeblich versucht habe, den Butlerschen Feminismus zu verstehen – mittlerweile halte ich ihre radikal antirealistische Position für unsinnig und unkritisch, bin ich wieder zu dieser traditionellen Form von Feminismus zurückgekehrt und habe demgegenüber eine gewisse Sympathie für diese TERFs, die sich die Augen reiben angesichts dessen, was TransaktivistInnen anstellen.

    Der andere Grund für meine Sympathie ist der, dass ich die Art, wie sie diskutieren, sympathischer finde: ruhiger und bedächtiger. Aber das ist nur persönlich und ein Tone Argument, daher werde ich auf die Suche nach richtigen Argumenten gehen. (Eine weitere Beobachtung ist die, dass es sich um eine Generationenfrage handelt. Ich bin ungefähr so alt wie Antje, also bin ich mit Anfang zwanzig voll in den Differenzfeminismus hineingeraten, der damals gerade in Mode war. „Unbehagen der Geschlechter“ kam später und ist unter den Frauen, die heute jung sind, en vogue. Elinor Burkett ist zwanzig Jahre älter als Antje oder ich und hat noch eine ganz andere Zeit erlebt.)

    Also, jetzt die richtigen Argumente. Burketts Position ist verhältnismäßig einfach: Aufgrund meines Körpers bin ich eine Frau und werde ich als Frau gesehen/gelesen und als Frau behandelt. Dass ich eine Frau bin, hat eine Reihe von biologischen Implikationen (schwanger werden können), aber es soll nicht all mein Handeln und vor allem nicht mein Denken bestimmen. Tatsächlich bestimmt die Tatsache, dass ich eine Frau bin, mein Denken und Handeln in viel größerem Maße, als es durch die Biologie nötig wäre, weil ich als Frau auf eine bestimmte Weise behandelt werde, bestimmten Erwartungen ausgesetzt bin und in bestimmte Rollen gedrängt werde. Neben meiner Biologie bestimmen auch diese Erfahrungen – und die Art und Weise, wie ich mich im Laufe meines Lebens mit diesen Erwartungen auseinandergesetzt habe – meine weibliche Identität.

    Den Differenzfeminismus werde ich nicht versuchen darzustellen, das macht Antje schon.

    Jetzt kommen diese Transaktivistinnen. Davon gibt es zwei Sorten, die Burkett nicht klar trennt. Die eine ist Caitlyn Jenner, die redet, als hätte sie noch nie etwas von Judith Butler gehört. Wenn sie darüber spricht, was es für sie bedeutet, Frau zu sein, gräbt sie Klischees aus, die direkt aus den Fünfzigern stammen: Sie freut sich darauf, Nagellack zu tragen und sich mit anderen Frauen über Make-Up zu unterhalten. Auch das Zitat von Chelsea Manning bedient ein uraltes Klischee.

    Ich weiß jetzt nicht, was Vanity Fair für eine Zeitung ist. Wahrscheinlich keine besonders progressive und kritische Zeitung, die dementsprechend auch nicht daran interessiert ist, Menschen zum Nachdenken zu bringen, was Männlichkeit oder Weiblichkeit bedeutet. Ich bin mir auch nicht sicher, wer hier wen benutzt: Ob Vanity Fair Caitlyn Jenner oder Caitlyn Jenner Vanity Fair ausnutzt. Möglicherweise nutzen sie sich gegenseitig aus. Aber Caitlyn Jenner sollte für das kritisiert werden, was sie sagt. Ihr sollte erklärt werden, dass sie konservative Geschlechterklischees reproduziert, und vielleicht könnte ihr mal jemand ein Exemplar von „Unbehagen der Geschlechter“ in die Hand drücken. Dass sie am Anfang ihrer Transistion steht und ein Gleichgewicht finden und nicht die Verhältnisse ins Rollen bringen möchte, ist verständlich, aber in einem solchen Zustand sollte man keine Interviews mit Vanity Fair veröffentlichen, sondern Privat- und Berufsleben neu sortieren. Möglicherweise ist sie nach ein paar Jahren, in denen sie offen als Frau lebt und auch als Frau behandelt wird, ein wenig nachdenklicher geworden und redet weniger Unsinn – aber jetzt sollte man sie für den Unsinn kritisieren, den sie jetzt redet. Und dabei ist „Unsinn reden“ noch mild ausgedrückt: Caitlyn Jenner sagt Dinge, die der Gruppe von Menschen, der sie sich zugehörig empfindet, schaden. Darüber könnte sie vorher nachdenken. Wenn sie nicht auch schon in der Zeit, die sie nach außen hin als Mann gelebt hat, mitbekommen hat, dass Frauen eine unterdrückte Gruppe sind und einer Vielzahl von Einschränkungen unterworfen hat, dann hat sie hinter dem Mond gelebt.

    Elinor Burkett schreibt von den Erfahrungen von Unterdrückung, die sie als Frau gemacht hat und die beigetragen haben, ihre Identität als Frau zu formen, und die Caitlyn Jenner nicht gemacht hat, so dass sie den Eindruck gewinnen kann, dass Frau sein heißt „Makeup benutzen dürfen“. Sie will Caitlyn Jenner deswegen nicht vom Frausein ausschließen – viele, die Terf genannt werden, stehen Transmenschen durchaus freundlich gegenüber – aber ist dagegen, dass sie definieren darf, was Frausein heißt. (Dazu müsste sie aber vor allem Vanity Fair kritisieren, welche ihr ein Forum dafür bietet.)

    Die andere Gruppe von Transaktivist_Innen sind jene, die sich darüber aufregen, dass Abtreibungskliniken sich an Frauen wenden, obgleich es auch einige Transmänner gibt, die ihre Transition noch vor sich haben oder wegen finanzieller Probleme oder gesundheitlicher Bedenken keine operative Transition planen. Diese können durchaus schwanger werden. (Ich habe einmal einen Kurzfilm über einen solchen Mann gesehen, der das Kind dann bekommen hat und nicht abgetrieben hat.) Aber wenn ich lese, welche Energie darein gesteckt wird, einen Fund wie „Texas Women Fund“ in „Texas Abortion Fund“ umzubenennen, frage ich mich: haben diese Leute nichts Wichtigeres zu tun? Und worum geht es wirklich? Transmenschen fordern Solidarität von anderen unterdrückten Gruppen ein und beschweren sich, wenn andere Gruppen, gerade Feministinnen, ihnen diese Solidarität nicht in gewünschtem Maße geben – aber was ist mit der umgekehrten Solidarität? (Es ist ja nicht so, dass ein Transmann von einer Abtreibungsklinik zurückgewiesen werden würde, auch wenn „women“ auf dem Schild steht.)

    Like

  8. Ich finde zu dem Thema diese Twitteraktion sehr schön (obwohl mir twitter und facebook ehrlich gesagt ziemlich fremd sind):
    https://twitter.com/hashtag/myvanityfaircover?src=hash

    Als homosexueller Mann, möchte ich Folgendes zu bedenken geben: Nach meinem Coming Out, war alles für mich schwul und queer. Ich habe meine Homosexualität so aggressiv nach außen getragen, wie ich es heute nicht mehr tun würde, weil es mir wurscht ist, wie die Leute mich einordnen. Aber nach der pubertären Verleugnung sollte es die ganze Welt wissen. Ich wollte protestieren gegen eine Gesellschaft, die mir vorschreiben wollte, wie ich zu sein habe, was einschloss, dass ich unglücklich würde, wenn ich dem folgte. Es war mein großer Fuck Finger mich überdeutlich als homosexuell, teils in all seiner Klischiertheit und mit überdeutlichen Codes, kenntlich zu machen. Und es hat mir sehr geholfen. Später dann bin ich davon abgerückt, als sich mein Selbstverständnis als homosexueller Mann festigte. Ich glaube, dass es Transfrauen und Transmänner (schon mal bemerkt, dass in dieser Feminismusdebatte keine Transmänner vorkommen?) da viel intensiver trifft als Homosexuelle. Die Fixiertheit auf traditionelle Muster kann auch eine Befreiuung sein. Sie muss es nicht, aber sie kann.
    Und dann möchte ich nochmal eindringlich fragen, ob Nagellack und Minirock keinen Platz in einer diversen Gesellschaft haben. Mein Feminismus ist divers, heißt Vielfalt. Mein Matriarchat ist herrschaftsfrei.

    Like

  9. Nachtrag; Elinor Burkett erwägt ja im Gedankenspiel auch, was passieren würde, wenn jemand Weißes sich als Schwarzer ausgeben würde und dass vermutlich die schwarze Community das nicht gut aufnehmen würde. Ich vermutete auch, dass dies der Fall sein würde in einer Welt, in der Rastalocken als „appropriation“ gelten, wenn sie von Weißen getragen würden. (Im Winter bin ich auch einigen jüdischen Blogs auf tumblr gefolgt. Das Judentum akzeptiert Konversionen, und wer konvertiert ist, ist ein Jude oder eine Jüdin wie alle, die ins Judentum hineingeboren sind, aber wenn jemand einfach behauptet, Jude oder Jüdin zu sein, ohne konvertiert oder ins Judentum hineingeboren zu sein, dann finden sie es nicht richtig. Das gleiche gilt, wenn jemand jüdische Symbole verwendet, weil er oder sie es cool findet.)

    Jetzt gibt es solch einen Fall: Rachel Dolezal, (Einfach bei Google eingeben oder hashtag #WrongSkin suchen.) Immerhin hat Rachel Dolezal sich aktiv für die Rechte von Schwarzen Menschen eingesetzt und sich nicht nur als Schwarze ausgegeben weil sie „schwarze Kultur“ (was immer das ist) so toll findet. Ich hätte es trotzdem besser gefunden, sie hätte es als Weiße getan.

    Interessant sind jetzt die Parallelen, die aufgestellt werden. Interessant sind aber auch die Unterschiede. Warum ist transgender schon seit Jahrzehnten einigermaßen akzeptiert, während transracial von allen noch mit Misstrauen betrachtet wird?

    Like

  10. @Susanna: es geht in Sachen Abtreibungskliniken wohl darum, dass Transpersonen sichtbar(er) und im Laufe der Zeit (hoffentlich) als ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Ob Abtreibungskliniken der richtige „Aufhänger“ dafür sind, kann und will ich zumindest im Moment nicht beurteilen. Ich möchte Transmenschen auf keinen Fall vom Feminismus ausgeschlossen sehen, andererseits kann ich mir Situationen vorstellen, in denen ich mit Transmenschen nicht solidarisch sein kann.

    Like

  11. @Trippmadam: Ich weiß schon, worum es geht. Was ich mich frage, ist, warum feministische Institutionen so weit oben auf der Prioritätenliste stehen, obgleich es andere Institutionen gibt, die deutlich transfeindlicher sind. (Wie wäre es zum Beispiel mit der Kirche oder mit dem Militär?)

    Like

  12. Meine Antwort zu Diesem Artikel bildet gleichzeitig das VII. Kapitel zu meinem Buchprojekt mit dem Arbeitstitel
    „das unsichtbare Geschlecht“.

    Meine Reflektion passt leider nicht ganz ins Textfeld
    (wird abgeschnitten)
    Unten habe ich einen Link, dort ist er dann vollständig zu finden

    ****
    VII – Eine Feministin nähert sich analytisch Trans-Artefakte

    Novelle oder Analyse – vielleicht auch ein Liebesbrief, oder doch eine Streitschrift ? Schwer zu sagen.

    Was passiert einer Differenzfeministin, wenn Sie zwischen Frau und Trans mit dem Auto ins Schleudern kommt?
    Nimmt Sie das Schleudern noch wahr, oder ist ihr so schwindelig, dass Sie wie berauscht nur noch alles verzerrt wahrnimmt?
    Nur noch reagiert? Aber nicht mehr agiert?
    Wo Sie doch sonst so sicher auf den Strassen der Weiblichkeit fährt und alles im Griff hat?
    Kommt Sie vielleicht desshalb ins Schleudern, weil ihre eigene Frau-Definition für ihre Selbstwahrnehmung benötigt wird,
    und zwangsweise verwendet werden will, obwohl Sie Logik-Lücken enthält ?

    Vielleicht ist es so zu erklären, daß Sie trotzdem immer an der „Rue de la féminité“ parkt,
    obwohl Sie ab und zu Knöllchen bekommt, aber das in Kauf nimmt…?
    Sie sagt dann zur Politesse: Ich hätte schwanger werden können ! Ich darf da parken !

    Diese Autofahrerin ist aber keine Feministin „von der Stange“, Sie ist etwas Besonderes,
    und gerade desshalb braucht es einer besonderen „Transbeobachtung“, ihr Auto wieder auf Kurs zu bringen.

    Was würde mich eine Gleichheitsfeministin kümmern, die mit einer Transsexuellen kollidiert, die F64.0 als zwangspathologisierend empfindet?
    Was würde mich eine Queerfeministin kümmern, die sich streitet, mit einer Transfrau, darüber, ob sie sich die untere Rippe rausschneiden soll ?
    Was würde mich eine Schwarzistin kümmern, die einer Transfrau die Minirocklänge vorschreiben möchte und sagt, er wäre reaktionär ?
    Mich würde das recht wenig kümmern.

    Vielleicht weil ich in einer völlig anderen Diskurs-Filter-Bubble hänge.
    Ja – unsere Autofahrerin ist Klasse !
    Sie ist Differenzfeministin. Das kannte ich noch nicht. Überhaupt war ich absolut dumm.
    Ich kannte nur Alice Schwarzer.
    Die meisten Menschen sind dumm was Feminismus angeht.
    Warum sollte es mir also anders gegangen sein.
    Die meisten Menschen glauben, Feminismus würde nur Frauen angehen.

    Zurück zu unserer Autofahrerin, nein Sie weiß mehr, Sie macht nichts anderes,
    als sich um ihre Parkmöglichkeiten zu kümmern.

    Am besten ohne Knöllchen. Und ohne Rechtfertigungen, nur manchmal… dann müssen sie aber bemüht werden.

    Zugegeben. Etwas gleichheitsfeministische Attitüden hat Sie schon,
    aber Sie weiß natürlich nicht, was ich weiß. Ha !

    Das ist natürlich kein Gleichheitsfeminismus, wenn Sie eher Hosen trägt, und Motorradfahren mag.
    Natürlich ist das ihr Yang-Anteil im Gehirn, ihre pränatale Prägung verschiedener Gehirnaspekte, die,
    graduell, eine männlichere Gewichtung bekommen haben. Das ist auch bei Alice Schwarzer so.
    Sie glaubt sie wäre 100% Frau. Aber das macht ja nichts. Nicht weitersagen, wir sind ja unter uns hier.
    Hast Du das nun ironisch aufgefasst, was ich eben schrieb ? Untersteh Dich !

    Jetzt schreibt unsere Motorradfahrerin, ähem Autofahrerin einen Artikel über eine Transfrau,
    bzw. indirekt über eine Transfrau.
    Weil Sie ja eigentlich die Reaktion der Autorin reflektiert, die über diese Transfrau schreibt.

    Während Sie in ihre Parklücke einparkt, wo sie gerne parkt, weil sie ja schwanger werden kann,
    stimmt sie der Autorin zu, dass es doof ist, wenn eine Transfrau, in diesem Fall ging es um Caitlyn Jenner,
    nein nicht doof, eher reaktionär, wenn diese Transfrau sich über weibliche Klischees wie Nagellack,
    kurze Röcke und Heels inszeniert.
    Also sich Stereotypen bedient, die in einen James Bond Film der 60iger Jahre passen würden.
    Wenn Caitlyn vollbusiger wäre, könnte man auch die 50iger Jahre heranziehen.

    Zugleich ist sie aber Differenzfeminstin, der sich ja dadurch definiert, und vom Gleichheitsfeminismus dadurch unterscheidet, indem er sagt:
    Eine Frau soll einen pinkfarbenen Rock anziehen wenn sie möchte, zieht sie nur desshalb eine Hose an,
    weil sie damit Sexismus ausweichen, oder dem Patriarchat begegnen möchte, ist das kein selbstbestimmtes Handeln,
    nicht im Sinne der Freiheit des Begehrens, dass ohne Einschränkung gelebt werden soll und darf.
    Im Differenzfeminismus hat es keine politische Wertung mehr, wenn eine Frau im pinkfarbenen Minirock mit Geschäftsleuten,
    Männern wie Frauen, Verträge unterzeichnet, außer, der, dass alle wissen, dass sie heute Abend Lust hatte,
    lieber einen Minirock anzuziehen, anstatt einer Hose.
    Alle Gedanken, die aus politischem Druck erwachsen, haben eine andere Intention als mein freier Wille, den ich in einer Gesellschaft hätte, die dieses politische Handeln nicht notwendig machen würden, also damit schon wieder ein unfreies Handeln impliziert ist,
    weil eine andere, in diesem Fall politische Intention, mitgewirkt hätte, meine freie selbstbestimmte Entscheidung, nach meiner freien Entscheidung im Sinne von Freiheit, Begehren, wie es der Differenzfeminismus versteht, insoweit ich ihn für mich interpretiere, möglich machen würde.

    Der Differenzfeminismus erlaubt desshalb Klischees, weil Klischees ja durch den Differenzfeminismus bereits neutralisiert sind,
    in der Form, dass sie keine Funktion mehr für Geschlechterrollen, erst recht nicht für Geschlechter haben,
    Klischees sind also wirkungsneutralisiert in Bezug auf Geschlechter(rollen)bildung,
    Klischees sind also neutralisiert, Klischees wohlgemerkt, nicht Geschlechter.
    Desshalb mag unsere Autofahrerin ja keine Klischees, die noch wirkaktiv sind,
    Klischees, die Geschlechterkuchen als Backpulver anschwellen lassen.

    meine komplette Reflektion auf Antje`s Artikel >>>>>
    http://www.freeyourgender.de/forum/viewtopic.php?f=529&t=828&p=1553#p1553

    Tip: Mit STRG-F auf „Backpulver“ springen

    Like

  13. Danke, Frau Schrupp! Sie haben es geschafft, mir mit einigen Artikeln Differenzfeminismus ein bisschen verständlicher zu machen. Bis jetzt war das immer ein Schreckgespenst für mich, weil ich nur einige sehr transfeindliche und biologistische, teilweise esoterische Differenzfeministinnen kennenlernen durfte.

    Like

Datenschutzhinweis: Die Kommentarangaben und die Mailadresse werden an Automattic, USA (die Wordpress-Entwickler) übermittelt. Details hierzu in der Datenschutzerklärung (Link links). Sie können gerne Pseudonyme und anonyme Angaben hinterlassen.

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s