Über öffentliche Ämter und persönlichen Marktwert

Auf meiner Facebook-Pinnwand hat sich anhand dieses Artikels über die Vortragshonorare der Obamas (400.000 US$ Barack, 200.000 Michelle) eine interessante Diskussion über den Marktwert entfaltet, den öffentliche Ämter ihren Inhabern (oder ggfs. auch deren Ehegatt_innen) bringen und ob das gerecht ist.

Ich hatte gepostet:

Interessante Frage zum Marktwert von Prominenz. Vielleicht müsste man neue Regeln einführen, wonach Inhaber öffentlicher Ämter sich verpflichten, im Anschluss an ihre Amtszeit einen Prozentsatz X von allen künftigen Einnahmen an den Staat abzuführen, z.b. Präsidenten 70%, deren Gattinnen 40%, Senatoren 30% usw.. entsprechend auch für Deutschland. Das wäre doch eine schöne und gerechte Einnahmequelle.

Und auf die Nachfrage „warum?“ antwortete ich:

Weil nur ein Teil des Honorars für die persönliche Leistung bezahlt wird und der andere Teil für die Prominenz, die man im Schlepptau des Amtes bekommen hat, und der daher nicht der Person zuzurechnen ist, sondern der Gesellschaft, die dieses Amt zur Verfügung stellt, sozusagen

Die Reaktionen waren geteilt.

Einigte fragten: Warum stellt sich diese Frage gerade jetzt bei den Obamas, aber nicht bei diesen ganzen weißen Männern, die diese Vorteile schon immer unhinterfragt hatten. Berechtigte Frage, allerdings wird in dem verlinkten Artikel erwähnt, dass die Honorarhöhe zwischen Obama und seinen Vorgängern nochmal einen ganz schönen Sprung gemacht hat, und zweitens ist es ja gut, wenn zweifelhafte Privilegien durch die Emanzipation ehemals als „anders“ definierter Menschen hinein in den weiß-männlichen Mainstream sichtbar gemacht werden. Denn wenn die Privilegien zweifelhaft sind, dann sind sie es auch dann, wenn „die anderen“ sie haben.

Aber sind sie denn zweifelhaft?

Viele fanden „Ist doch okay“, oder „die zahlen doch Steuern“ oder :

Dass man in das Amt gekommen ist, ist ja auch eigener Verdienst. Die Gesellschaft hat dieses Amt ja nicht Obama als Person „zur Verfügung gestellt“, er hat darum gekämpft. Und er hat es auf eine Weise ausgefüllt, die ihn zu einem begehrten Vortragenden gemacht hat. Michelle erst recht. Dafür dann Sonderabgaben zu fordern, ist wirklich merkwürdig.

Ich hingegen finde erst einmal die Vorstellung merkwürdig, dass das Gewähltwerden in ein politisches Amt ein eigener Verdienst ist. Denn im politischen demokratischen Wettbewerb werden ja nicht Leistungen beurteilt, sondern über die Frage entschieden, nach welchen Regeln eine Gesellschaft leben soll. Verschiedene Kandidat_innen schlagen dazu verschiedene Wege vor (Steuern hoch oder runter, Grenzen zu oder auf, Frauenquote ja oder nein, mehr Gesetze oder weniger…) und die Bevölkerung entscheidet dann, was sie will und wählt die entsprechenden Personen. Es ist keine „Leistung“ und kein „Verdienst“, dass man selbst das will, was auch die Mehrheit der Bevölkerung will, sondern es ist einfach ein Zufall, oder ein Fakt.

Natürlich ist mir klar, dass bei eine Wahl auch ein Teil des Erfolgs in der „Leistung“ der Kandidatin liegt – kann sie gut vermitteln, ist sie persönlich glaubwürdig, macht sie gute PR. Aber das ist meiner Ansicht nur ein Teil des Erfolgs und er sollte in einer Demokratie nicht der Wesentliche sein.

Wenn aber eine Gesellschaft einen Politiker damit beauftragt hat, ein öffentliches Amt zu übernehmen, weil er inhaltliche Vorstellungen hat, die die Mehrheit teilt, dann stattet sie ihn mit Privilegien aus: Er darf Entscheidungen treffen, hat Einblick in anderen unzugänglich Informationen, kann wichtige Leute weltweit treffen und netzwerken, hat große Ressourcen zur Verfügung (Personal, Geld, Mobilität, Infrastruktur), damit er seine Aufgabe möglichst gut erfüllen kann.

Wenn das Amt dann vorbei ist, hat er all dieses erworbene Wissen, diese Kontakte, diese Einblicke immer noch, zusätzlich zu einer großen Prominenz. Das macht ihn – und in geringerem Maß gegebenenfalls auch die Gattin – zu einer begehrten Person mit hohem persönlichen Marktwert. Aber das ist meiner Ansicht nach ein problematischer Nebeneffekt dieses demokratischen Mechanismus.

Erstens ist es ungerecht. Zweitens setzt es falsche Anreize, weil es öffentliche Ämter für Menschen attraktiv macht, deren erstes Ziel es nicht ist, gute Sachpolitik zu machen, sondern ein großer Zampano mit hohem persönlichen Marktwert zu werden.

Was aber natürlich auch stimmt ist, dass nicht ALLES an der anschließenden Prominenz nur Folge des Amtes ist, ein Teil ist auch persönliche Leistung, persönlicher Verdienst. Deshalb muss es ja auch komplexer diskutiert werden.

Wobei man auch sagen muss, dass das Umsetzen persönlicher Politprominenz in Vortragshonorare ja noch harmlos ist im Vergleich zu dem, was Schröder und ähnliche Leute machen, wenn sie ihre im Amt gewonnenen Netzwerke und Kontakte nutzen, um private Firmen beim Profitmachen zu unterstützen und sich dafür fürstlich bezahlen zu lassen. Dass das überhaupt erlaubt ist, kann ich sowieso nicht verstehen.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

5 Gedanken zu “Über öffentliche Ämter und persönlichen Marktwert

  1. Menschen werden nicht in erster Linie dafür gewählt, dass ihre politischen Vorstellungen zufällig mit denen der Mehrheit übereinstimmen. Zwei anderere Gründe sind viel wichtiger: Menschen werden gewählt, weil sie politische Programme überhaupt erst entwickeln, weil sie Lösungen für das konzipieren und entwerfen, was Menschen als Problem ansehen. Das ist eine kreative und eigene (Team-)Leistung, wobei sich einige dabei hervortun, solche Teams wiederum erst zusammenführen und leiten zu können. Und Menschen werden dafür gewählt, dass die Leute ihnen zutrauen, Ein Land zu führen und Lösungen für heute noch unbekannte Probleme zu finden. Weil sie ihnen zutrauen, zu integrieren, Kompromisse zu finden, praktisch handeln zu können. Die Übereinstimmung in politischen Zielen ist nur eine von drei Komponenten.

    Und wenn man dies nun mit anderen Möglichkeiten des Prominent-Seins und des Profitierens vom Prominent-Sein vergleicht, fragt man sich besorgt, warum Politiker da anders behandelt werden sollen als andere Prominente.

    Übrigens ist die Tatsache, dass die Obamas mit Vorträgen und Büchern mehr Geld verdienen als ihre Vorgänger vermutlich nicht einem Trend zu immer mehr Honorar geschuldet, sondern dass sie eben im Gegensatz zu anderen Präsidenten und ihren Frauen gefragter sind – und genau das ist ihr persönlicher Verdienst. Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass Melanie Trump als Vortragsrednerin ähnlich gefragt sein wird wie Michelle Obama.

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  2. Moin. Die Information über die Obamas wundert mich nicht und stört mich nicht weiter. Es liest sich harmlos. Schröder, Gabriel, Merz nicht mehr.
    Es gibt ein Theater und die Akteure und Protagonisten sind mehr oder weniger bekannt, solange sie bekannt sind. Was vor dem Stück, danach passiert. Was hinter der Bühne passiert, wissen wir kaum.
    Ich denke, es hat viel mit Strukturen von Power, von Macht, von Elite zu tun. Wenig mit individueller Leistung und Gerechtigkeit, das scheinen mir Fragen zu sein, die eher
    ablenken.

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  3. Die Frage nach ‚angemessener Honorarhöhe‘ prominenter Personen
    würde sich vermutlich erledigen, wenn die ‚Fassadendemokratie‘
    mit ihrer Aufmerksamkeitsökonomie sich in eine Demokratie transformierte, in der die BürgerInnen mehr und direkt über die sie betreffende Lebensbelange mit entschieden.

    Vermutlich würden Brot und Spiele – AkteurInnen
    wie Obama & Co. zunehmend die Bühne entzogen wenn die SouveränInnen selber ‚prominente Politik‘ gestalteten. 🙂

    Interessante Ideen dazu werden hier diskutiert:
    https://neue-debatte.com/2018/10/12/basisdemokratie-was-hindert-menschen-an-der-umsetzung-des-7er-konzepts/

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  4. Obama wurde in Deutschland sehr verehrt, da wird es dann irgendwann für den Medienbetrieb reizvoll, ihn wieder vom Thron zu stoßen. Wirklich neu ist das Thema und eine gewisse Skandalisierung nicht, sonst wüsste ich nicht auswendig, wie teuer Bill Clinton schon war. An die Aufregung wegen Peer Steinbrücks Honorar von den Bochumer Stadtwerken erinnern sich sicher viele.

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