Gemeinschaftlicher Luxus: das Erbe der Pariser Kommune

Die Pariser Kommune (1871) ist vor allem für ihr Scheitern bekannt geworden, für die militärischen Auseinandersetzungen, die Barrikaden und natürlich das Blutbad, als französische Regierungstruppen Zehntausende innerhalb von einer Woche niedergemetzelt haben. Mir hat das schon bei der Arbeit an meiner Diss missfallen, wo ich mich mit der Kommune beschäftigte, weil zwei der vier Frauen, deren politische Ideen ich dabei untersuchte, Aktivistinnen der Kommune waren, nämlich Elisabeth Dmitrieff und André Léo. Es war ziemlich mühsam, hinter all den Schilderungen von Schlachten zu den politischen Ideen durchzudringen, die die Kommunard_innen bewegten, und erst recht zu denen, die sich mit dem Geschlechterverhältnis beschäftigten. Deshalb habe ich sehr gerne das neue Buch „Communal Luxury: The Political Imaginary of the Paris Commune“ von Kristin Ross gelesen, in dem sie die Kommune einbettet in einen breiteren Diskurs über das gute Leben, über Visionen von einer gerechten und freien Gesellschaft (auch wenn sie sich leider nicht mit den Ideen von Frauen beschäftigt, sondern sich sehr auf die männlichen Protagonisten beschränkt). Sie beginnt ihre Erzählung bei der Vorgeschichte

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Grund zur Erinnerung: 140 Jahre Pariser Kommune

„Wenn die französische Nation nur aus Frauen bestünde, was wäre das für eine schreckliche Nation“ – so soll ein Korrespondent der Londoner Times die Ereignisse der Pariser Kommune kommentiert haben. Die Kommune war – vor 140 Jahren – der erste Versuch in Europa, eine sozialistisch-kommunistische Regierung zu etablieren und ist daher für die Geschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung ein wichtiges Ereignis, um das sich bis heute Legenden und Sehnsüchte ranken. (Siehe dazu auch mein Youtube-Video) Zum Hintergrund: Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, den Frankreich verloren hatte, gab es große politische Meinungsunterschiede zwischen den französischen Provinzen und der Hauptstadt Paris. Die Provinzen waren mehrheitlich monarchistisch gestimmt und wählten die republikanische Regierung, die erst im September 1870 an die Macht gekommen war, wieder ab. Die Pariser Bevölkerung hingegen war eher sozialrevolutionär gestimmt. Daher war schon die Regierung von Paris nach Versailles verlegt worden, und sie schloss mit den Deutschen, deren Armee Paris den ganzen Winter über belagert hatte, einen Waffenstillstand. Konkreter

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Pietismus und Revolution

Als aufrechte Linke fühlt man sich ja von fundamentalistischer Engstirnigkeit gerne ganz weit weg. Was haben wir, die aufgeklärten und säkularen Menschen, mit diesen Frömmler_innen zu tun? Die Distanz ist womöglich weniger groß als gefühlt. In ihrem Buch „Lebenslänglich besser“ untersucht Dorothee Markert den Einfluss des Pietismus auf die politische Kultur in Deutschland. Dieser Einfluss sei sehr viel größer gewesen als wir heute wahrhaben wollen, so ihre These. Damit widerspricht sie einer gängigen Vorstellung, wonach unsere heutige (und vor allem die linke) Kultur sich vor allem aus der Aufklärung herleite. Der Pietismus war eine sehr einflussreiche Strömung im deutschen Protestantismus, die im 17. Jahrhundert entstand und vor allem im 18. und 19. Jahrhundert kulturell vorherrschend war. Heute hat er eher marginale Bedeutung, lediglich die „evangelikalen“ (und in der Regel sehr konservativen) christlichen Gruppierungen leiten sich noch aus dieser Tradition her. Aber ist damit der Pietismus nur ein historisches Phänomen? Markert zeigt, dass der Einfuss dieser Weltanschauung weit über die eigene

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Proudhon – der größte Frauenfeind des 19. Jahrhunderts wird gefeiert

Mit Verwunderung lese in diesen Tagen allenthalben lobhudelnde Artikel über den französischen Antifeministen und Sozialisten Pierre-Joseph Proudhon, aus Anlass von dessen 200. Geburtstag. Zum Beispiel hier in der taz http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/der-anarchistische-kleinbuerger/ oder auch in der monde diplomatique http://www.monde-diplomatique.fr/2009/01/CASTLETON/16666 (leider im Netz nur auf französisch zu haben). Da gibt es dann so lapidare Sätze wie den, dass sich die antifeministischen Positionen Proudhons „bei vielen Sozialisten des 19. Jahrhunderts“ fänden. Das stimmt nicht. Proudhon war ein extremer Antifeminist und in seiner Frauenverachtung deutlich radikaler als alle anderen Denker seiner Zeit, ob bürgerliche oder sozialistische. Mit seinem Buch „De la Justice“ löste er 1858 einen Protest-Sturm unter französischen Feministinnen und eine Flut anti-proudhonistische Bücher aus. In seiner 1875 posthum veröffentlichten Hetzschrift „La Pornocratie ou les femmes dans les temps modernes“ legte er noch mal nach und verteidigte seinen Antifeminismus ausdrücklich gegen den Trend der Zeit. Der Proudhonismus führte in der französischen Arbeiterbewegung zunächst zu einem Ausschluss der Frauen aus ihren Organisationen, der erst aufgehoben

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Simone Weil und der Anarchismus

Im kommenden Jahr steht der 100. Geburtstag der französischen Philosophin Simone Weil an – Anlass genug, sich genauer mit dem Werk dieser ungewöhnlichen Denkerin zu beschäftigen. Mich interessiert als Politikwissenschaftlerin dabei besonders die Aktivistin und Anarchistin Weil, die in den meisten Veröffentlichungen etwas zu kurz kommt, in denen Weil vor allem als Mystikerin gewürdigt wird. Viele sehen in ihrer Lebensenwicklung einen „Bruch“ zwischen einer frühen, revolutionären Phase und ihrer späteren Hinwendung zum Christentum. Doch in gewisser Weise ist ihre Entwicklung kein Bruch, sondern eher eine Kontinuität. Ein guter Lektüretipp zu diesem Thema ist ein kürzlich erst ins Deutsche übersetzter Sammelband mit Aufsätzen und teilweise bis dahin unveröffentlichte Textdokumenten, die den Fokus auf Weils politischen Aktivismus und insbesondere ihre Verbindung zum gewerkschaftlich-anarchistischen Syndikalismus lenken Ich habe das Buch für das Internetforum http://www.bzw-weiterdenken.de/ rezensiert. Den Text unter der Überschrift „Wenn Handeln unmöglich wird“ findet Ihr hier: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-149.htm