Freiheit retten

„Aus Liebe zur Freiheit“, so heißt mein Blog, und auf den ersten Blick könnte man meinen, das sei eine banale Bezeichnung für ein feministisches Projekt. Denn um was soll es Frauen denn sonst gehen, als um ihre Freiheit?

Allerdings ist das nicht so. Der Begriff der Freiheit, er ist lange diskreditiert. Die neoliberale Ideologie hat den Begriff der Freiheit gleichgesetzt mit Verantwortungslosigkeit, sozialer Kälte und ökonomischem wie gesellschaftlichem Egoismus. Aus der Sicht mancher ist er damit unbrauchbar geworden.

Auch die universalistische Einführung des Freiheitsbegriffs auf ein westlich-säkular-bürgerliches Modell von Freiheit hat dem Begriff geschadet. Speziell im Feminismus, aber letztlich in linken Befreiungsbewegungen generell stellt sich zudem die Frage, inwiefern Freiheit und Gleichheit miteinander Hand in Hand gehen, oder ob sie sich gegenseitig ausschließen.

Ein weiteres Problem besteht schließlich darin, dass heute unklar ist, was Freiheit überhaupt bedeutet. Geht es um bloße Wahlfreiheit? Geht es um Konsumfreiheit? Geht es um die Freiheit, zu gleichen Bedingungen im bestehenden System mit machen zu dürfen?

Und: ist Freiheit etwas, das durch äußere Umstände erst hergestellt werden muss? Oder ist Freiheit im Gegenteil eine Voraussetzung für politische Kämpfe ? Was lässt sich im Zeitalter des Post Dekonstruktivismus eigentlich noch über Freiheit sagen? Was bedeutet Freiheit, wenn das Subjekt in Frage steht? Ist der freie Wille nur eine Illusion?

Die Schwierigkeiten, sich positiv auf Freiheit zu beziehen, sind also vielfältig. Und so ist es vielleicht kein Wunder, warum auch im Feminismus der Begriff der Freiheit fast keine Rolle mehr spielt, sondern sich viele mit Gleichheit und der Abwesenheit von Diskriminierung zufriedengeben.

Dieser Sammelband hingegen bricht eine Lanze für die Freiheit als Gegenstand feministischer Aktionen. Eine große Rolle spielt dabei Linda Zerilli, die mit ihrem Buch „Feminismus und der Abgrund der Freiheit“ vor einigen Jahren den Anstoß für diese Debatte gegeben hat und kürzlich zu einem Vortrag an der Universität Marburg war. Um diese Veranstaltung herum sind die Aufsätze dieses Sammelbandes gruppiert.

Da geht es zum Beispiel um Freiheit und Emanzipationsstreben, um Kritik am Autonomiekonzept, um feministische Wissenschaft, um den Zusammenhang von Freiheit und Arbeit oder von Freiheit und Schwangerschaft/Geburt. Es geht um postkoloniale Perspektive, um Bibelexegese, um das Verhältnis von Freiheit und Leiblichkeit und vieles Mehr.

Die Themen sind also höchst interessant, die Texte selber sind aber leider so stark im akademischen Duktus verhaftet, dass es mir oft schwer gefallen ist, überhaupt herauszufinden, was die Autorinnen eigentlich sagen wollen. Zu tief sind die Thesen, sofern überhaupt vorhanden, unter eine Fülle von Referenzen auf andere Diskurse vergraben. Zu viel Zitate, bei denen mir sich häufig nicht erschloss, warum sie relevant sind. Potenzierte Sekundärliteratur sozusagen. Mir schwirrte bald der Kopf von lauter Namen und Verweisen, und ich bin mir nicht sicher, ob ein solches Herangehen dem Gegenstand des Buches gerecht wird. Unterm Strich ist das Buch eher gelehrt als frei.

(Freiheit kann man aber nicht lehren, man kann andere nur damit anstecken, sagt Luisa Muraro). 

PS: Ich muss dazu sagen, dass ich in dieser Hinsicht empfindlich bin, weil schon mehrfach Texte, für die ich für akademische Sammelbände angefragt worden war, nicht abgedruckt worden sind mit der Begründung, dort würde ja meine eigene Meinung drin stehen, und wie ich das denn belegen könne. Ich glaube, an diesem Punkt ist Akademia generell auf einer schiefen Bahn gelandet, sie ist über weite Strecken schlicht nicht mehr originell – und will es auch nicht sein. Das finde ich aber uninteressant. Es ist also nicht speziell ein Problem dieses Buches. Aber es ist auch ein Problem dieses Buches.

Barbara Grubner, Carmen Birkle, Annette Henninger (Hg): Feminismus und Freiheit. Geschlechterkritische Neuaneignungen eines umkämpften Begriffs. Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach 2016, 375 Seiten, 29,95 Euro.

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

Ein Gedanke zu “Freiheit retten

  1. Natürlich schließen sich Freiheit und Gleichheit (im Sinne von Gleichstellung) aus. Wohl jeder Mensch hat doch eine höchst individuelle Vorstellung von einem guten Leben.

    Gleichberechtigung dagegen unterstützt die Freiheit, da sie zum Ziel hat, möglichst vielen Menschen eine möglichst gleiche Chance zu geben, ihre Vorstellungen von einem guten Leben auch umzusetzen.

    Einschränkung: Die Realisierung des individuellen „guten Lebens“ findet dort seine Grenzen, wo die Rechte anderer Menschen in nicht hinnehmbaren Maße eingeschränkt/verletzt werden.

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