Das dumme Gerede von Zensur

Dem Journalisten Jürgen Domian wird „angst und bange“ um die Meinungsfreiheit, weil Facebook – versehentlich, wie der Konzern inzwischen mitgeteilt hat – einige seiner Posts gelöscht hat. Unheilsschwanger fragt er in die Runde seiner über 70.000 Facebook-Fans: „So etwas darf man nicht mehr schreiben? Hier schon übt Facebook Zensur aus?“ Und natürlich wurde Domians demokratiebesorger Aufschrei massenweise in den Netzwerken herumgereicht und auch jede Menge Zeitungen haben es wiederholt: Facebook übt Zensur aus! Mir hingegen wird angst und bange, weil offenbar selbst professionelle Journalist_innen nicht mehr wissen, was Zensur eigentlich ist: Nämlich ein von staatlicher Seite unter Strafandrohung verhängtes Verbot, bestimmte Ansichten und Meinungen öffentlich zu äußern. Stephan Urbach hat das kürzlich schon in seinem Blog dankenswerterweise klargestellt. Es kann doch eigentlich nicht so schwer sein, den Unterschied zu verstehen zwischen der Weigerung eines Seitenbetreibers, bestimmte Ansichten auf seiner Plattform zu verbreiten, und einem generellen Verbot, diese Ansichten überhaupt öffentlich äußern zu dürfen. Es vergeht kaum eine Woche, wo mir selbst nicht auch Zensur

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Warum Filterbubbles toll sind

Über Filterbubbles – also darüber, dass man sich in diesem Internet vor allem mit Leuten verbindet, die ähnliche Ansichten haben wie man selbst – wird ja oft viel Schlechtes gesagt: dass man sich damit in einer eigenen Wirklichkeit einspinnt und andere Meinungen immer mehr ausblendet zum Beispiel. Dagegen gehalten wird meist, dass die sozialen Netzwerke diesen Effekt gar nicht hätten, weil gerade die „schwachen Kontakte“ es besser als offline-Netzwerke ermöglichen, auch mit der Nase auf eher fremdere Themen gestoßen zu werden. Also etwa das abgedrehte Hobby des Arbeitskollegen oder die politischen Aktivitäten der früheren Schulfreundin. Meine Erfahrung geht eher in die zweite Richtung, also mein Wahrnehmungshorizont für unterschiedliche Meinungen und Themen hat sich mit der Verlagerung meines Medienkonsums ins Internet definitiv ausgeweitet im Vergleich zu der viel rigideren Filterbubble meiner ehemals abonnierten Papierzeitungen und den Gruppen und Netzwerken, mit denen ich in der früheren Offline-Zeit ausschließlich in Kontakt war. Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen, sondern um eine

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Warum ich nicht von Euch finanziert werden will

Der amerikanische Blogger Andrew Sullivan will, wie Stefan Niggemeier berichtet, sein Blog nicht mehr von Werbung oder Investoren finanzieren lassen, sondern von den Leserinnen und Lesern. Hm,  ist das so eine gute Idee? Ich hab, seit ich das gelesen habe, darüber nachgedacht, ob ich das wollen würde, und komme zu dem Schluss: Nein. Meiner Ansicht nach ist das nicht die Richtung, in die sich die Zukunft des Bloggens entwickeln sollte (und ich denke auch nicht, das es so kommen wird). Ist denn eine Finanzierung durch Leserinnen und Leser wirklich eine „Unabhängigkeitserklärung“? Das glaube ich nicht. Ganz abgesehen davon, dass ich Unabhängigkeit generell für kein erstrebenswertes Ziel halte, ist das, worum es geht, natürlich überhaupt keine Unabhängigkeit, sondern eine Verschiebung der Abhängigkeit. Die Frage ist nämlich nicht, wie Bloggerinnen und Blogger unabhängig werden, sondern wovon sie lieber abhängig sein möchten: Von Werbung, von Inverstor_innen oder von den Leser_innen? Oder vielleicht von noch etwas ganz anderem? Klar ist: Jeder Mensch braucht Mittel zum

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Euer Facebook-Gejammere nervt!

Seit geraumer Zeit ärgere ich mich über das Facebook-Gejammere dieser „Netzgemeinde“. Der gefühlt fünfttrillionste Artikel mit der Überschrift „Facebook nervt“ von Maik Söhler aus der heutigen taz ist jetzt mal der Anlass, darüber zu bloggen. Der Hauptgrund, der von den Facebook-Verächterinnen vorgebracht wird, ist natürlich die Bevormundung dieser Plattform. Alle drei Tage werden wieder irgendwelche Einstellungen verändert, man hat keinerlei Kontrolle (haha) über das, was einer so in die Timeline gespült wird. Undurchsichtige Algorithmen schreiben mir vor, was ich lesen soll, lauter langweiliges Zeug kommt da oder – oh Göttin! – Werbung, die ich nicht bestellt habe. Die Daten gehören sowieso Herrn Zuckerberg, alles was ich bei Facebook poste, wird überwacht, ausgenutzt und im Zweifelsfall gegen mich verwendet. Und dann diese ganzen Poesiealbumssprüche. Ja, das stimmt alles. Und ja, es gibt viele schönere Orte im Internet, zum Beispiel Blogs oder Twitter oder noch irgendwelche anderen Seiten, die noch viel nerdiger und selbstbestimmter und unüberwachter sind. Und das ist gut so, und es

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Denken geht anders, wenn man im selben Raum ist

Ich möchte euch auf eine tolle Serie hinweisen, die drüben im Internetforum „Beziehungsweise Weiterdenken“ kürzlich gestartet ist, und zwar übersetzt Dorothee Markert das Buch „Denken in Präsenz“ von Chiara Zamboni ins Deutsche und stellt es kapitelweise ins Internet. Ich habe das Buch bereits auf Italienisch gelesen (und vor drei Jahren schomal kurz daraus was verbloggt). Mir scheint das Ganze auch deshalb wichtig, weil ich unter internetaffinen Menschen manchmal ein gewisses Desinteresse an Materialität und Körperlichkeit beobachte. Es scheint so etwas wie eine Sehnsucht danach zu geben, die körperlichen Begrenztheiten unserer Existenz mit Hilfe von Daten zu überwinden – so hörte ich zum Beispiel auf der „Open Mind“ im September einige begeisterte Leute, die nach dem Vortrag von @tante über Cyborgs davon schwärmen, wie toll es doch wäre, wenn wir nicht mehr als körperliche Wesen, sondern als reine Datenpakete miteinander Beziehungen haben könnten. Der Ärger über den Körper, der uns begrenzt, der einfach ohne dass wir uns das ausgesucht hätten mit einem

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Netzfeminismus, was soll das denn sein?

Heute bin ich zum Thema Netzfeminismus vom dradio Breitband interviewt worden (wird morgen zwischen 14 und 15 Uhr gesendet), und dabei fiel mir auf, dass bei diesem Thema zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen nebeneinander bestehen oder miteinander vermengt werden, und zwar: 1. Feminismus, der das Internet als Medium nutzt, und 2. Netzpolitik aus feministischer Perspektive Es gibt sicherlich eine Schnittmenge zwischen beidem, aber die ist klein. Ich zum Beispiel gehöre klar zu Variante 1 – mein Thema ist politische Ideengeschichte von Frauen, und das Internet ist lediglich eines der Medien, die ich dabei nutze (neben vielen anderen) – und dann mache ich mir natürlich ab und zu auch darüber mal Gedanken. Ich würde sagen, die meisten unter „Netzfeminismus“ firmierenden Namen und Blogs gehören eher zu dieser ersten Kategorie, wenn auch manche, zum Beispiel die Mädchenmannschaft, vorwiegend das Internet als Plattform haben. Aber die meisten Bloggerinnen, die ich kenne, beschäftigen sich mit allen möglichen Themen, und nicht speziell mit dem Thema Netzpolitik. Etwas ganz

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