Warum es nicht „binär“ ist, wenn ich von Frauen und Männern spreche

Immer wenn ich mit jüngeren Feminist_innen diskutiere, dauert es nicht lange, und es kommt die Frage, ob meine Art, über Frauen und Männer zu sprechen, nicht „binär“ wäre. Ich möchte hier einmal aufschreiben, warum ich das nicht finde. Ein „binäres“ Verständnis von Geschlecht geht ja davon aus, dass es genau und nur zwei Geschlechter gibt, männlich und weiblich. In dieser binären Logik ist „Frau“ gleichbedeutend mit „nicht Mann“ und andersrum „Mann“ gleichbedeutend mit „nicht Frau“. Genau dieser Auffassung bin ich nicht. Ich interessiere mich für die Freiheit der Frauen, das ist mein politisches Anliegen: die Freiheit der Frauen zu vergrößern. Dafür ist es logisch wichtig, dass es Frauen gibt, aber nicht, diese binär zu denken, also als Gegenstück zum Mann. Ganz im Gegenteil: Ich unterscheide zwischen „Frauen“ und „Nicht-Frauen“. Die „Nicht-Frauen“ können alle möglichen Geschlechter haben. Es ist mir vollkommen egal, ob es zwei, fünf, oder dreihundert Geschlechter gibt – Hauptsache, es gibt nicht nur eines (denn Eingeschlechtlichkeit ist immer

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Die Geschlechterdifferenz gibt es, eine „Rassendifferenz“ gibt es nicht

Die fast zeitgleichen Enthüllungen über die Transsexualität von Caityln Jenner und das vorgetäuschte „Schwarzsein“ von Rachel Dolezal haben eine interessante Debatte über die Vergleichbarkeit oder Nicht-Vergleichbarkeit von Transsexualität und Trans“rassität“ ausgelöst. Inspirierend fand ich dazu einen Text von Kai M. Green, der folgende These vertritt: Der von vielen spontan geteilte Eindruck, dass Caitlyn Jenner „richtig“ und Rachel Dolezal „falsch“ gehandelt hat, so Green, sei berechtigt, aber noch nicht ausreichend verargumentiert. Es sei nicht illegitim, die Frage nach der Vergleichbarkeit von beidem zu stellen, und die bloße Behauptung „Race“ und Geschlecht seien nun mal nicht dasselbe, reiche als Antwort nicht aus. Genau in diese Richtung bewegten sich auch meine Überlegungen zu den beiden Ereignissen. Also:  Warum ist beides nicht dasselbe? Was genau unterscheidet sie? Und was bedeutet das für ihre politische Beurteilung? Erst einmal zu dem, was Geschlecht und „Race“ nicht unterscheidet. Beides sind kulturell hervorgebrachte Differenzierungen zwischen Menschen, die nicht „natürlicherweise“ aufgrund des biologischen Körpers selbstevident sind. Zum zweiten haben sie

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Weniger Gender, mehr Feminismus?

… Das fordern Wissenschaftlerinnen jetzt offenbar in einem Sammelband. (den ich nicht gelesen habe). Das Thema ist wichtig – dass zum Beispiel beim Kirchentag das feministische Zentrum durch ein Genderzentrum ersetzt wurde, habe ich schon vor zwei Jahren kritisiert  (und für den aktuellen Kirchentag auch, aber nur gedruckt, steht leider nicht online). Ich finde allerdings, das muss man nicht gegeneinander ausspielen: Wir brauchen „Gender“ UND Feminismus. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass beides nicht dasselbe ist (Viele Leute setzen es leider gleich oder verwechseln es). Kurzgefasst ist der Unterschied: Gender beschäftigt sich mit der (De)-Konstruktion von Geschlecht, Feminismus beschäftigt sich aus der Perspektive weiblicher Freiheit heraus mit der Welt. Dass „Gender‘ seit längerem die Funktion hat (oder dafür benutzt wird), Feminismus zu verdrängen, ist tatsächlich problematisch.

Genderdiskurse sind nicht objektiv. Und das ist gut so.

Bei Diskussionen über Frauen und Männer, den Feminismus und die Welt stört es mich sehr, wenn darüber gesprochen wird wie über das Wachstum der Butterblume oder die Konstruktionspläne eines Automotors – also sachlich, distanziert, „objektiv“. So als seien Frauen, Männer und die Geschlechterdifferenz ein „Thema“, das von irgendwelchen ExpertInnen „wissenschaftlich“ untersucht, analysiert und kategorisiert werden kann. Besonders schlimm ist das natürlich im biologistischen Umfeld, wo Hirn- oder GenforscherInnen irgendwelche Versuchsreihen veranstalten und am Ende kommt heraus, dass Frauen so und Männer so sind und dass Gene, Hormone, Gehirnströme oder was auch immer dafür verantwortlich wären, aber jedenfalls nicht die Frauen und Männer selber. Aber auch die meisten sozialwissenschaftlichen Annäherungen sind nicht wesentlich besser. Zwar sehen sie immerhin, dass Frausein und Mannsein gesellschaftliche Konstruktionen sind, allerdings verzetteln sich dann leicht in dem Bemühen, die Art und Weise dieser Konstruktionen zu beschreiben. Am Ende führt das zu dem Ergebnis, dass sich eigentlich überhaupt keine sinnvollen Aussagen zur Geschlechterdifferenz treffen lassen und man

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Fünfzehn Thesen zu Feminismus und Post-Gender

„Disciplineandanarchy“-Blog made the following theses available in English 1. Der wichtigste Punkt rund um das Thema „Gender“ hat nichts mit Frauen zu tun, sondern ist die Kritik an der Sich-zur-Normsetzung des Männlichen. Frauen kommen allerdings insofern ins Spiel, als Feministinnen die ersten waren, die dieses Sich-zur-Norm-Setzen des Männlichen hinterfragt haben. 2. Der Einwand, dass Geschlechtsklischees generell abzulehnen sind, ist zwar richtig, kann aber leicht vom eigentlichen Punkt ablenken: Kein anderes Geschlecht als das Männliche hat sich jemals zur Norm gesetzt. Wobei „das Männliche“ nicht identisch ist mit „den Männern“. Es gab schon immer Männer, die diese patriarchale Ordnung kritisiert haben, und Frauen, die sie unterstützt haben. 3. Das wesentliche Merkmal des Patriarchats war nicht, Frauen und Männern bestimmte Klischees zuzuschreiben, sondern Differenzen unter Menschen (vor allem, aber nicht nur die Geschlechterdifferenz) hierarchisch im Sinne von „normal“ und „defizitär“ zu interpretieren. Also nicht: „Männer sind so“ und „Frauen sind so“, sondern „Männer sind normale Menschen“ (in vielen Sprachen gibt es für

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Aus Liebe zum Klischee

Es ist so eine Sache mit den Klischees. Einerseits finde ich sie doof, speziell – aber nicht nur – wenn es sich um Klischees über Frauen und Männer handelt. Andererseits muss ich doch immer wieder über solche dumme Sprüche lachen, auch heute morgen, als ich in der Freiburger Fußgängerzone an diesem netten Postkartenständer vorbeikam. Warum halten sich, allen Genderstudien und Gleichberechtigungs-Beteuerungen zum Trotz, gerade im Bezug auf die Unterschiede der Geschlechter all diese Stereotypen? (fragte ich mich, nicht zum ersten Mal). Ich glaube, das liegt daran, dass wir als Gesellschaft noch immer keinen wirklichen Weg gefunden haben, über die Geschlechterdifferenz politisch zu verhandeln. Stattdessen behandeln wir die Unterschiede zwischen Männern und Frauen wie einen Untersuchungsgegenstand, der erklärt und erforscht werden muss. Da tummeln sich dann auf der einen Seite die Hirn-, Evolutions- und Genforscher_innen, die in ihren Labors nach wissenschaftlichen Ursachen forschen. Auf der Gegenseite stehen die Dekonstruktivist_innen, die, meist mit kultur- und sprachwissenschaftlichem Instrumentarium, den Nachweis führen, dass die Geschlechterdifferenz

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Was kommt nach der Genderforschung?

Die Kategorie „Gender“ dominiert die Debatten in der akademischen Forschung seit gut 15 Jahren. Eingeführt wurde sie, inspiriert aus den USA, aus zweierlei Gründen: Von „Gender“ zu sprechen (statt von Frauen und Männern, von männlich und weiblich) sollte jedem Verdacht des Essenzialismus entgegentreten, also der Auffassung, es gebe „natürliche“ oder „wesensmäßige“ Eigenschaften der Geschlechter, die unveränderbar seien. „Gender“ hingegen verweist bereits als Begriff auf das sozial konstruierte Geschlecht, im Gegensatz zu „Sex“, dem biologischen, körperlichen Geschlecht. Der zweite Grund, warum seinerzeit aus der „Frauenforschung“ die „Genderforschung“ wurde, war der, dass die Forscherinnen hofften, auf diese Weise auch die Männer für ihre Arbeit und ihre Anliegen zu interessieren: Wenn es nicht mehr speziell um Frauen ginge, sondern um das Verhältnis der Geschlechter zueinander (also auch um Männer), dann, so die Vermutung, würden sich auch mehr Männer angesprochen fühlen. Dann stünde die feministische Forschung nicht länger in dem Ruf, lediglich partikulare „Fraueninteressen“ zu vertreten, sondern wäre als „allgemeine“, also alle betreffende Forschungsrichtung

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